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einer Gattung Menschen von unsrer eignen, aber von einer heroischen Größe und Würde zu thun håtten.

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Dieser große Künstler ist in der Malerey, was Homer in der Poesie ist. Homer vergrößert auf gleiche Art und verwandelt Menschen in Helden und Halbgötter: um seiner Erzählung mehr Größe zu geben, bedient er sich wunderbarer Begebenhei ten, die zu seiner Zeit, ob sie gleich nicht unwahr. scheinlich waren, doch aber Erstaunen erregten. Allein Ariost und die Verfasser alter Rittergeschich te gleichen dem Michel Angelo, indem sie ihre Rits ter nicht zu Helden, sondern zu Riesen und Ungeheuer vergrößern. Achilles, ob er gleich alle Menschen an Tapferkeit übertrifft, würde es doch nie wagen, ohne seine Waffen sich zu schlagen: aber ein Romanheld, er mag bewaffnet oder nicht bewaffnet seyn, wirft einen Trupp Reuter auf Einen Streich zu Boden; reißt Bäume mit der Wurzel heraus und wirft dann und wann ein Stück Felsen auf den Feind. Das wahre Erhabene ist immer natürlich und glaubbar: aber uneingeschränkte Uebertreibungen, die alles Verhältniß und allen Glau= ben übersteigen, erregen mehr Gelächter als Er. staunen.

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Die Poesie wird auf verschiedene Art erhaben; und da dieß die einzige schöne Kunst ist, die uns gegenwärtig Beyspiele anbeut, so will ich ein oder zwo Proben von verschiedenen Gattungen des Erha benen davon anführen,

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1. Ist die Poesie erhaben, wenn sie die Seele erhebt. Dieß ist in der That ein allgemeiner Charakter der Größe. Ich spreche hier von Gedanken, die so glücklich gedacht und ausgedrückt sind, daß fie unsere Neigungen über die niedrigen Bestrebungen der Sinnlichkeit und des Geizes erheben und uns mit Liebe zur Tugend und Ehre beseelen. Als eine Probe will ich nur die Beschreibung anführen, die Virgil im 8ten Buche von der Person, der Fas milie und des Reichs des Evanders, eines arkadischen Fürsten giebt, der, in der ganzen Disciplin Griez chenlands erzogen, sich mit seinem Volke in dem Theile Italiens niederließ, wo einige wenige Jahre darnach die große Hauptstadt des römischen Reichs, erbauet ward, Mitten in seiner Armuth behält der gute Greiß eine philosophische und königliche Würde bey. Diese Wohnung," (sagte er zu dem Aes neas, der ihn besuchte,) ist mit der Gegenwart des Herkules selbst beehret worden. Wage es, Freund, Reichthümer zu verachten und mache „dich selbst Gottes," (oder wie es einige geben,) „der "Unsterblichkeit würdig."

Aude, hofpes, contemnere opes: & te quoque dignum

Finge Deo.

Es liegt eine Kraft in diesen Worten, die die englische Sprache nicht auszudrücken vermag. „Ich |_„verachte die Welt,“ sagt Dryden, „und mich selbst, wenn ich sie übersehen will,"

2. Ist die Poesie erhaben, wenn sie eine lebe hafte Vorstellung von irgend einer großen Erscheis nung in der Kunst oder Natur darbeut. Ich ers innere igt mich leicht einer edleren Beschreibung dies fer Art, als die ist, die im ersten Buche des Vir gils vom Ackerbaue, von einer finstern Nacht, mit Regen, Wind, und Donner vorkommt: wo Ju piter, von Wolken und Stürmen umgeben, seine Donnerkeule schleudert und die Berge umstürzt, in dessen daß der Ocean brüllt, die Erde zittert, die wilden Thiere fliehen, der Regen in Ströhmen herz abschießt, die Wälder von dem Ungewitter ertönen und das ganze menschliche Geschlecht vor Echrecken erbebt.

Ipfe Pater, media nimborum in nocte, co

rufca

Fulmina molitur dextra; quo maxima motu
Terra tremit, fugere ferae, & mortalia corda
Per gentes humilis ftrauit pauor. Ille flagranti
Aut Atho, aut Rhodopen, aut alta Keraun'a

Dejicit; ingeminant auftri,

telo

Nunc nemora ingenti vento,

& denfiffimus

imber;

nunc littora

plangunt,

durch die

Diese Beschreibung sest sowohl

Größe, als den Schauder der Scene, die entwe der ganz in Finsterniß verhüllt ist oder durch das Leuchten des Blißes sichtbar wird, in Erstaunen. Und der Dichter hat sie mit der glücklichsten Fevers

lichkeit

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lichkeit des Styls und einer wohltönenden Harmonie des Verses vorgetragen. Als anderweiti ge Beyspiele einer gleichen Art des Erhabenen, wo nämlich große Bilder mit einem Gemische von Ent. sehen geschildert werden, darf der Leser sich nur an den Sturm zu Anfange der Aeneide, den Tod des Cacus im sten Buche, an die Beschreibung des Tartarus im 6ten und an das brennende Troja im aten erinnern. Doch im Style einer fürchterlichen Pracht geht nichts über Miltons Schilderung der Hölle und des Chaos im isten und 2ten Buche des verlorenen Paradieses, oder kömmt ihm gleich.

In dem Schlußparagraph desselbigen Werks, berden, mit einer ungewöhnlichen Stärke von Einbildungskraft und fortreissender Erzählung, eine Menge Umstände zusammen gestellet, die der Absicht, die Seele mit Ideen von einer fürchterlichen Größe anzufüllen, wundersam angemessen sind. Die Herabkunft des Cherubs, das flammende Schwerdt, der Erzengel, der im Eil unfere ersten Weltern von den Höhen des Paradießes treibt und dann verschwin det: und dann, über alles der Anblick, der sich ihnen darbeut, indem sie zurück sehen.

Bende sahen zurück, und sahen die östliche Seite
Dieses Gartens, worin sie vor kurzem fo glücklich

gewesen,

Ganz überströmt von flammendem Schwerdt; und. die östliche Pforte

Dicht mit feurigen Waffen und Schreckensgestal

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Hierzu machen die leßten Verse den auffallendften Contrast, dem man sich nur denken kann:

Einige stille natürliche Thrånen entfielen den

Augen,

Aber sie trockneten sie bald von den Wangen. Ver
ihnen

Lag die ganze geraume Welt, damit sie darinne
Einen Ruheplaß sich und eine Zuflucht erwählten:
Ihre Führerin war die himmlische Vorsicht Sie
giergen

Hand in Hand so dahin: und nahmen mit wan-
dernden Schritten

Langsam den einsamen Weg durch Edens verlaßnes
Gefilde...

Die ganz lezten Zeilen erneuern unsern Kum: mer, indem sie mit einer malerischen Genauigkeit die traurigste Scene in der Natur darstellen, die aber gleichwohl so bearbeitet ist, daß sie Trost er. weckt, und zur Unterwerfung geneigt macht. Und so, indem wir auf einmal von Zärtlichkeit schmelzen, von frommer Hoffnung erhoben und durch die Größe der Beschreibung fortgerissen werden, schließt sich das göttliche Gedicht. Welch ein schwelgerisches Gastmal ist hier für den Geift! Wer wünscht diese Gemüthsverfassung für eine andere zu vertauschen, wenn es anders die Natur aushalten könnte! Wie ausnehmend stimmt der Glaube ter Christen mit den edelsten Gefühlen der Menschheit überein!

Drittens ist die Poesie erhaben, wenn sie, ohne großen Pomp von Bildern oder Worten, durch eine

glück

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