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Sünde, Blut und furchtbarer Rache, welche über den Schuldigen durch geheimnissvolle, übernatürliche Mächte geschleudert wird. Der Gedanke ist poetisch und wunderbar durchgeführt; die Verse enthalten indessen wegen der sententiösen Kürze des Ausdrucks und wegen der dramatischen Form, in welcher die einzelnen Theile behandelt sind, ausserordentlich viel Dunkelheiten. The Changes of Home erzählen dagegen das Schicksal zweier Liebenden, wie es im wirklichen Leben leider nur zu oft vorkommt. Der Bräutigam soll sich erst Schätze erwerben und muss deshalb die Heimath verlassen, um in der Fremde sein Glück zu suchen; dort ereilt ihn der Tod, und alle heissen, langgehegten Hoffnungen des harrenden Mädchens verwandeln sich plötzlich in düstere Verzweiflung. Ausser den ebengenannten Gedichten verdienen auch noch ,,Factitious Life, Thoughts on the Soul und The Husband's and Wife's Grave" gerühmt zu werden, welche sich durch religiöse und philosophische Tiefe, Zartheit des Gefühls und eine einfache, kräftige Sprache sehr auszeichnen.

In seinen prosaischen Aufsätzen verschmähete es Dana, vielleicht zu sehr absichtlich und mit zu viel Härte, die Aufmerksamkeit des Publicums auf sich zu ziehen und sich den Beifall desselben zu gewinnen. Er betrachtete in seinem Idle Man nicht die vergänglichen Bilder des Tages, verschmähete die gewöhnliche Ausdrucksweise und statt den Lieblingsschriftstellern nachzuahmen und Anspielungen auf beliebte Gegenstände zu machen, bildete er vielmehr durch die Eigenthümlichkeit seiner Speculation und seines Styles den schroffsten Gegensatz zu dem Herrschenden. Er war zu ernst und brachte auf einmal zu viele Gedanken, als dass ihm die Leser ohne grosse Anstrengung hätten zu folgen vermocht, und darum konnten seine Arbeiten nie recht populär werden. Wer sich freilich in dieselben vertiefen will, wird für seine Mühe reichlich belohnt werden (II. pag. 260—285); denn in frischem, kräftigem Style stellt er die Schönheiten der Kunst und Natur in ganz ungewohnter Weise und mit grosser Lebendigkeit dar, und alle Dinge erscheinen bei ihm nicht nackt und vereinzelt, sondern in ihren Beziehungen zu einander innig verbunden, und der zarte aber kräftige Geist des Verfassers erhebt auch den unsrigen und macht ihn harmonisch und gewährt zugleich die mächtigsten Antriebe zu allem Guten. Gedenken wir hier beispielsweise der,,Essays on Old Times, on the Past und the Present," so finden wir die lieblichen und freundlichen Tendenzen des Alten ausserordentlich schön gezeichnet und ganz besonders von jenem Zeitalter, das uns durch seine Associationen lieb und theuer ist und durch seine Schilderung unsere Herzen gleichsam verjüngt und für die Aufnahme des Guten bereit macht. Wie wenig sich Dana überhaupt um die öffentliche Meinung kümmerte, das lässt sich zur Genüge aus der Herausgabe seines ,,Essay on Law as suited to Man" ersehen, wo er über die beste Form der Regierung und des Gesetzes eine Reihe von Fragen aufwarf und zu lösen suchte, welche stets politische Bitterkeit hervorrufen werden und heftige Angriffe veranlassen mussten. Dana erkannte nun keine Regierungsform für absolut gut an, zeigte dagegen, wie viel Mängel einer jeden einzelnen anklebten und erklärte es zumal für ganz unrichtig und verkehrt, an die Stelle der einen ganz plötzlich eine andere setzen und als fertig und abgeschlossen betrachten zu wollen.

In seinen Gedichten verdient vor Allem die germanische Kraft des Styles gerühmt zu werden, welche dem poetischen Ausdrucke sehr wesentlich Vorschub leistete; er verwarf mit grossem Eigensinne die werthlosen Neuerungen in der Sprache und hielt sich an die malerische Ausdrucksweise der sächsischen Vorfahren. Seine Wörter sind stets verkörperte Ideen, und in seinem kurzen, gedrängten Style enthält oft ein einziges Epitheton einen grossen, mächtigen Gedanken. In seiner strengen Einfachheit war er völlig

frei von jener oft beklagten Sucht, überall glänzend und phantastisch zu erscheinen, und wenngleich seine Sprache im Allgemeinen nicht so schön genannt zu werden verdient, als die von Bryant, so zeichnet sie sich dagegen ausser ihrer Kürze durch Lebhaftigkeit aus und bedeutungsvollen Inhalt; eine Zeile liefert oft ein ganzes Phantasiestück und enthält die Kraft, den Geist für die Betrachtung des Ungeheuren und Unendlichen dauernd zu fesseln.

Seine Poesie ist aus dem Innersten seiner Seele hervorgegangen, und es lebt in derselben ihre Furcht und ihre Hoffnung, ihr Glaube und ihre Liebe, ihr Schmerz und ihre Freude; daher kommt denn auch der contemplative Charakter aller seiner Gedichte, seine Neigung zur schmerzlichen Klage, seine Vorliebe für die Schilderung aller Bewegungen des Herzens, die Tiefe und Intensität seiner Farben. Dana besass bei einer hohen geistigen Kraft alle Eigenschaften, welche den wahren Dichter auszeichnen, Schärfe und Feinheit in der Beobachtung der Natur, ein kräftiges Gefühl für die ächte Schönheit, lebendige Phantasie und eine ungewöhnliche Herrschaft des Ausdrucks. In seinen Schilderungen übertraf er alle Zeitgenossen; man sieht und durchlebt Alles selbst mit, und seine Bilder erscheinen völlig objectiv. Auch seine Charakterschilderungen sind nicht ohne Glück entworfen, und einzelne von ihnen, z. B. Mat Lee im Buccaneer verdienen meisterhaft genannt zu werden. Ueber all seinen Gedanken wallt der Schleier einer sanften, milden, träumerischen Melancholie; er wollte nicht nur der Phantasie seiner Leser gefallen, sondern bei seinem Streben nach einer höheren Sphäre der Poesie lag es ihm vorzüglich daran, die Seele in eine feierliche Betrachtung ihres zukünftigen Geschickes zu versetzen und religiösen Sinn zu verbreiten. Leider verfiel er bei dieser lobenswerthen Absicht zuweilen in eine zu sehr technische Ausdrucksweise und blieb dann hinter der Sprache der Elegy in a country church yard weit zurück; zuweilen war er aber in seinem Bestreben auch äusserst glücklich und z. B. The little beach Bird" (II. pag. 71) hat einen lieblichen mystischen Reiz, dem sich aus den Schöpfungen Wordsworth's wohl wenig an die Seite stellen lässt. Das Philosophische seiner Gedanken durchdringt überhaupt Alles und hält sich nicht etwa bloss gleich einer schwachen Färbung auf der Oberfläche; darum mühet sich denn nun aber auch der Vers unter der Wucht des Gedankens oft förmlich ab und erscheint dadurch zuweilen zerrissen und rauh, weil das Ganze der Idee in einer einzigen Zeile ausgedrückt werden sollte. Der denkende und ernste Leser findet in allen seinen Dichtungen das reichste Material zu weiterem Nachdenken, und ein religiöses Gemüth wird sich durch seine Belehrungen vom höchsten practischen Werthe auf's Nachdrücklichste angesprochen finden. Manche seiner Gedichte, z. B.,,In crown of living fire up comes Day aus The Pilgrim's Progress", welches ein schönes Gegenstück zu Bryant's Address to the Evening wind" bildet, werden unvergesslich bleiben.

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Eigentlicher Humoristen giebt es unter den Dichtern America's im Ganzen nur wenige; das Leben ist dort zu geschäftig, so dass man zum Scherzen wenig Zeit findet. Das Einzige, was hier aus früherer Zeit angeführt zu werden verdient, ist Mc. Fingal von Trumbull, eine ziemlich glückliche Nachahmung des Hudibras und J. Barlow's komisches Epos Hasty Pudding, wie auch Fessenden's scharfe politische Satire Terrible Tractoration. Die genannten Dichtungen wurden aber nicht eben sehr günstig aufgenommen; ihre Satire richtete sich überhaupt auf schnell Vergängliches und die Parodieen verloren ihre Bedeutung, sobald deren Originale vergessen waren. Wenn man indessen nur der vielen Uebertreibungen gedenkt, welche in America an der Tagesordnung sind, so kann man sich leicht vorstellen, dass das Land einen überaus reichen Stoff für die Satire darbietet. Mehr Erfolg hatten die Biglow Papers von Hosea, welche zwar

vorzüglich politische Tendenzen befolgten, dabei aber auch einzelnes Allgemeinere recht gut behandelt haben; der Charakter und Dialekt des Yankee, um nur eines Punktes zu gedenken, ist hier in den drolligsten Bildern geschildert worden, und man bekommt über das nationale Streben nach militärischem Ruhme vielleicht nirgends eine so gute Vorstellung. Sogar politische Gegner mussten über Bridofredom Sawin's Briefe herzlich lachen, welcher seine kriegerischen Erfahrungen und seine Abenteuer vor der Rückkehr in die Heimath schildert. Während Sam Slick nur ein schlechtes Gemisch von Provinzialismen aller Staaten giebt, die zugleich eine starke Beimischung komischer Phrasen aus Nova Scotia enthalten, finden wir hier, nach dem Urtheile Sachverständiger, die beste, treueste Nachahmung des eigentlichen Yankee-Dialektes. Zu Anfange dieses Jahrhunderts zeigte sich die erste Anstrengung des americanischen Witzes in einem 1814 erschienenen Gedichte The Lay of the Scottish Fiddle by W-S-", welches zwar gute Aufnahme fand, aber nur eine höchst kindische Parodie des ,,Lay of the last minstrel" ist. Die Tendenz dieser Schöpfung war, die englischen Seeofficiere und die bösen Wirthe in New-York zu verleumden; diese seltsame Verbindung, so wie der eigentliche Zusammenhang der Erzählung ist nur schwer zu begreifen, und man versteht das Ganze überhaupt nur, wenn man mit dem americanischen Parteiwesen genau bekannt ist. Jeder Engländer erscheint in dem Stücke als Sir oder a Childe und jeder americanische Wirth als Lord, und es wird Alles verhöhnt und heruntergerissen, was nicht entschieden niedrig und gemein ist. Ein anderes Gedicht „A fable for Critics", stammte wahrscheinlich aus derselben Feder; es charakterisirt alle bedeutenderen americanischen Schriftsteller und giebt zugleich ein höchst sarkastisches Bild von der herrschenden Kritik.

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Die beachtungswerthesten komischen Dichtungen der neuesten Zeit sind von Halleck und O. W. Holmes.

Fitz Greene Halleck, welcher dem Handelsstande von New-York angehört (geb. 1795), hat eine ausserordentlich grosse locale Berühmtheit erworben und wird auch an anderen Orten der Union gern gelesen. Seine besten Gedichte sind Marco Bozzaris (II. pag. 77), Burns, Red Jacket_und Woman, welche ernsten Charakters sind; aber eigentlich noch mehr Beifall fanden seine humoristischen und satirischen Dichtungen, deren scherzhafter Inhalt oft ganz unwiderstehlich ist.,,Fanny," wodurch er zuerst bekannt ward, ist im Ganzen recht gut durchgeführt, doch erscheint das Werk zu sehr als eine Nachahmung des Beppo und ist ganz im Style des Don Juan geschrieben. Halleck's Popularität gründete sich theils auf die edle Haltung seiner lyrischen Gedichte, welche sich durch eine liebliche Melodie des Verses auszeichnen, theils auch auf die steten Beziehungen, welche er in seinen scherzhaften Dichtungen auf Personen und Gegenstände der Gegenwart nahm, worin sich oft eine sehr feine Ironie aussprach und wo besonders seine gut gewählten Contraste Beifall erringen mussten.

M. Bozzaris (jener griechische Anführer, welcher während des Angriffes auf das türkische Lager bei Lapoi fiel) gilt in America für ein Meisterstück, und das Gedicht zeichnet sich auch wirklich durch feinen Geschmack und ein gebildetes Urtheil rühmlichst aus, wie es sich denn auch in Rücksicht der Bewegung wohl mit „,Hohenlinden“ vergleichen lässt. Der Verfasser zeigt hier, dass er das musikalische Geheimniss seiner Kunst gehörig ergründet hat, und man bemerkt überhaupt, dass der Einfluss Campbell's auf ihn stärker und nachhaltiger war, als derjenige, welchen die Byron'sche Muse auf ihn ausübte. In seinen komischen Schöpfungen scheint ihm die Poesie oft ein blosses Spiel zu sein; mit dem Erhabensten, Reinsten und Zartesten mischt er oft die impertinentesten Witze und eigentlich Niedriges, und man muss es beklagen, dass er sich oft

nicht scheut, die edelsten Gefühle und schönsten Bilder zu der Darstellung des Lächerlichen förmlich zu missbrauchen. Halleck besitzt, wie schon gesagt, eine sehr grosse Popularität, aber er hat weder so viel Originalität wie Bryant, noch auch solche Freiheit und Kühnheit wie Percival, und wir bewundern an ihm eigentlich nur die schöne Verbindung, in welcher bei ihm Anmuth und Lieblichkeit mit grossartiger Kraft erscheint.

Oliver Wendell Holmes (geb. 1809) ist unstreitig der beste komische Dichter. Er empfing eine tüchtige Bildung, beschäftigte sich anfangs mit der Rechtswissenschaft, studirte später Medicin, hielt sich längere Zeit in Paris auf und bekleidet seit 1847 an der Harvard-Universität die Stelle eines Professors der Anatomie. In seiner amtlichen Stellung zeichnete er sich sehr aus, schrieb mehrere werthvolle wissenschaftliche Arbeiten und besitzt zugleich als Arzt das Vertrauen seiner Mitbürger. Schon in seiner Jugend beschäftigte er sich eifrig mit Poesie und liess in der akademischen Zeitschrift,,The Collegian" eine nicht unbedeutende Anzahl von Gedichten drucken, welche zwar nicht sehr correct waren, aber durch ihre Originalität und ihren guten Humor sehr viele Freunde fanden. Seine neueren Dichtungen zeugen von grösserer Sorgfalt im Ausdrucke, und einzelne unter ihnen, z. B. The Steamboat (II, pag. 104), Ironsides, Qui vive, haben wahrhaft lyrisches Feuer und hohe Begeisterung. Seine Illustrations of the Athenaeum Gallery of Paintings, welche er in Verbindung mit Epes Sargent herausgab, enthalten seine besten humoristischen Schöpfungen, und es muss hier seine Art der Satire auf die Schwäche der Menschen und die Thorheiten des conventionellen Lebens höchst originell und oft ganz herrlich genannt werden. Sein Spott ist mehr eine leichte Ironie als eigentliche Verachtung; er wundert sich, hofft und klagt mit den Opfern seines Scherzes, und indem er die Albernheit auf die komischste Weise demüthigt, nimmt er die Miene an, als ob gar nichts vorgefallen wäre. Er überlässt ihnen gleichsam die Sorge, sich selbst lächerlich zu machen, redet mit grossem Pathos die geckenhafte Sprache des Stutzers, idealisirt den Egoisten in sophistischer Rechtfertigung seiner Lebensansicht und kommt mit seinem Witze in solcher Schnelligkeit, dass man ihn erst recht merkt, nachdem er bereits getroffen hat. Seine Diction, besonders in den Dichtungen der letzten Zeit, ist äusserst präcis und kräftig, er hält sich frei von allem Unzarten und Zweideutigen, verletzt darin nie den Sprachgebrauch, beherrscht die sächsische Phraseologie und bedient sich dabei oft der gewöhnlichsten Redewendungen, ohne doch jemals unbedeutend oder gemein zu werden. Charakteristisch ist es bei ihm noch, dass er sehr häufig die Gesprächsform anwendet, und dadurch an Swift erinnert. Er hat freilich nur wenig veröffentlicht (wir nennen noch Poetry, a metrical essay Terpsichore Urania) aber er ist dennoch sehr populär und beliebt, und auch in seinen ernsten Gedichten finden sich viele kürzere Stücke, welche der besten lyrischen Dichter nicht unwerth sein würden (II, pag. 101-106). Unsere Sammlung bringt auch noch von Fay, Willis und Tuckerman einige schöne Gedichte; doch unterlassen wir es, hier weiter auf diese Dichter einzugehen, da wir weiter unten Gelegenheit finden werden, bei der Würdigung dessen, was sie für die Prosa geleistet haben, auch ihrer verdienstvollen poetischen Schöpfungen zu gedenken. Joseph Story ist ein tüchtiger Gelehrter und hat sich durch juristisches Wissen und ausserordentlichen Scharfsinn die Bewunderung seiner Landsleute erworben. Seine wenigen Gedichte sind sehr lieblich und wahrhaft reizend, man bedauert es allgemein, dass es dem genialen Manne zu grösseren Leistungen an der nöthigen Musse fehlt. Hoffman erfreut sich in America grosser Popularität, und seine Lieder sind auch meistens volksthümlich und sangbar; leider gebricht es ihm aber etwas an Originalität, und man entdeckt zu leicht bei ihm seine englischen Muster.

Gehen auch die Lieder von George P. Morris, des beliebtesten aller neueren americanischen Dichter, nicht gerade sehr tief, so muss sich doch jeder Leser durch die Einfachheit, Ehrlichkeit und Wahrheit seiner Gefühle, wie auch durch seine reine musicalische Sprache höchst angenehm berührt fühlen, und man findet es gerechtfertigt, dass ihm sein Vaterland den Beinamen,,The Song Writer of America" gegeben hat.

Ehe wir uns hiervon zu den bedeutendsten Dichtern America's wenden und ihnen eine besondere und ausführliche Betrachtung widmen, müssen wir noch ganz kurz der vielen americanischen Dichterinnen Erwähnung thun, die man nicht mit den englischen oder französischen sogenannten Blaustrümpfen verwechseln darf. Sind ihre Dichtungen auch nicht gerade alle ausgezeichnet zu nennen, so tragen sie doch einen eigenthümlichen Zauber der Bescheidenheit an sich, und man fühlt es deutlich, dass ihren Verfasserinnen nichts von dem bei Frauen so widrigen literarischen Ehrgeize innewohnt. Ein einziges Gefühl, das gesteht selbst ein französischer Kritiker über sie, ist frei und stark bei ihnen ausgeprägt: die Mutterliebe. Alle anderen Gefühle und Tugenden sind verschleiert und beschattet, wie Gegenstände, über welche man nicht füglich sprechen kann. Sie schreiben und dichten, wie bei uns die jungen Mädchen zeichnen und singen.

Die Zahl der americanischen Schriftstellerinnen ist ausserordentlich gross und bedeutender als in irgend einem anderen Lande; schon in England ist die Literatur durch viele Frauen geschmückt, aber in America ist dieses noch in weit höherem Maasse der Fall. Finden sich auch viele unter ihnen, deren Träumereien und Herzensergiessungen nur wenig Interesse erregen, so können doch andererseits einzelne namhaft gemacht werden, deren Leistungen ihr dankbares Vaterland nie vergessen wird. Die unbegränzte Verehrung des weiblichen Geschlechts ist ein charakteristischer Nationalzug der Americaner, und die grosse Vorliebe, welche in America die Frauen für die Poesie hegen, berechtigt zu der Hoffnung, dass dieser Umstand gegen die geschäftliche und Alles überflügelnde Betriebsamkeit der Männer ein kräftiges Gegengewicht bilden, die Entwickelung der Gesellschaft fördern und vor Allem auf den Sinn für Kunst und Wissenschaft wohlthätig einwirken werde..

Zu den populärsten Dichterinnen gehört Elisabeth Oakes; sie verheirathete sich schon in ihrem sechszehnten Jahre mit dem Literaten Seba Smith, welcher als Verfasser der humoristischen Jack Downing Letters wohl bekannt ist. Sie beschäftigte sich schon sehr früh mit Poesie, aber Bescheidenheit hielt sie lange Zeit zurück, irgend etwas zu veröffentlichen; als indessen später eine grössere Speculation ihres Gatten völlig fehlgeschlagen war, da brachte sie die Sorge für ihre Kinder dazu, die weibliche Schüchternheit zu überwinden, sie trat als Schriftstellerin auf und erfreute sich bald eines grossen Erfolges. Wir haben von ihr die Tragödie: The Roman Tribute, welche sich auf den Zeitraum bezieht, in dem Theodosius durch ein Lösegeld Constantinopel vor einer Plünderung des siegreichen Attila mit seinen Hunnen bewahrte; ferner Jacob Leisler, ein Werk, welches in die New-Yorker Revolutionszeit von 1680 fällt und das Schicksal eines Helden behandelt, der manche Aehnlichkeit mit Masaniello hat. Ferner gab sie eine Reihe von Gedichten heraus: „The sinless child and other poems", welche 1842 erschienen und eine grosse Anzahl prosaischer Arbeiten. Ihre kleineren Gedichte, welche meistens unter dem Pseudonamen Ernest Helfenstein veröffentlicht waren, sind durch Schönheit und Zartheit ausgezeichnet, und die Dichterin zeigt in denselben Eigenschaften, welche einer vollständigeren Entwickelung werth gewesen wären. Während sie oft wahrhaft erhaben ist und eine feierliche Ruhe des Gedankens darlegt, welchem eine bedeutende innere Durchbildung und vielfache Erfahrung zu Grunde zu liegen scheint,

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