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der

Vorstellung.

Beiträge zur Grundlegung der Aesthetik

von

Richard Wallaschek.

UMURA IN SOLEM

Leipzig,

Verlag von Johann Ambrosius Barth.

1905.

Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten.

141628 MAY 1 0 1910

BJN
W15

VORWORT.

Asthetik ist die Naturwissenschaft vom künstlerisch genießenden und produzierenden Menschen. Sie ist nicht die Lehre von dem Wesen, sondern von den Wirkungen der Dinge. Als solche wird sie sich der Aufgabe zu enthalten haben, von Kunstwerken als reiner Objekte zu sprechen, losgelöst von dem Eindruck, den sie hervorrufen. Sie ist weder bloß eine normative Wissenschaft vom Objekt (Kunstphilosophie) noch lediglich Physiologie, sie ist eine Analyse der Begeisterung und vermittelt das Wissen von dem Zustande des Menschen, in dem er sich unter dem Einfluß derjenigen Dinge befindet, die er um der Freude willen genießt.

Daß diese Auffassung von der traditionellen Definition der Ästhetik abweicht, ist dem Verfasser ebensowohl bekannt, wie es dem Leser sein dürfte. Aber er hält an ihr fest in der Erwartung, durch sie eine sicherere Basis für die Wissenschaft zu gewinnen und zu allgemeingültigeren Urteilen zu gelangen, als es bisher den Meditationen über Kunstwerke beschieden war. Die alte Ästhetik hat über Objekte gesprochen und ist dabei nur subjektiv gültig geblieben; wir werden vom Subjekt sprechen und hoffen dadurch zu objektiv gültigen Gesichtspunkten zu gelangen.

Es ist keineswegs ausgemacht, daß sich unsere subjektive Ästhetik nur auf den Einfluß von Kunstwerken beschränkt. Jeder Genuß, auch der der sogenannten niederen

Sinne, soll in ihr Gebiet einbezogen werden, sofern er nur nicht fremder Zwecke, sondern um der Freude willen gesucht und gepflegt wird, die er hervorruft. Und an diesem Prinzip wird nichts geändert durch die Erkenntnis, daß die Freude in letzter Linie auch ein Lebenszweck ist und namentlich in den primitivsten Anfängen jedes Genusses noch viel unmittelbarer gewesen ist.

Die Methode, die wir bei solcher Forschung einzuschlagen haben, ist zunächst die der physiologischen Psychologie; unsere Untersuchung erstreckt sich aber auch auf das pathologische Gebiet und benützt die Ergebnisse anormaler Erscheinungen, die beim Studium der Lebensfunktionen des Menschen dieselben Dienste leisten, wie die Vivisektion bei der Betrachtung seiner Organe. Die Ausnahme bestätigt zwar nicht die Regel, aber sie stößt sie auch nicht unter jeder Bedingung um, hingegen wird durch sie die Norm leichter kenntlich.

Noch hat der Verfasser dem Leser kein vollständiges System zu bieten. Empfindung, Gefühl und Urteil müßten in derselben Weise behandelt werden, wie hier die Vorstellung, um ein abgeschlossenes Ganzes eines selbständigen Wissenszweiges zu geben. Bei Benutzung des Werkes bittet er darauf zu achten, daß das Tatsachenmaterial in den Zitaten derart verwendet ist, daß mit 1. c. auf das Werk hingewiesen wird, dessen voller Titel in der Liste der zu Rate gezogenen Autoren vorkommt.

Wien, im Februar 1905.

Richard Wallaschek.

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