Page images
PDF
EPUB

daß Preußen nicht verbunden sei, Italien zu vertheidigen, falls dieses zuerst angreife. (Lamarmora, Un po' più di luce, p. 109 ff.) Mitunter wird öffentlich oder wenigstens im Hauptvertrage nur eine Defensivallianz geschlossen, während in geheimen oder doch besonderen Artikeln auch die Offensive in Aussicht genommen wird. Im umfassendsten Maße war dies z. B. in dem Bündnig vom 24. Febr. 1812 zwischen Preußen und Frankreich der Fall, wo im Art. 1 des Vertrages nur eine Defensivallianz geschlossen war, im Art. 1 der geheimen Separatartikel aber einfach gesagt war, daß diese Allianz »> sera offensive et défensive dans toutes les guerres des deux hautes parties contractantes en Europe.<

Zu den Defensivbündnissen gehören die Verträge, wodurch zwei oder mehrere Staaten sich verpflichten, ihre Neutralität für einen möglichen oder eingetretenen Kriegsfall unter Dritten aufrecht zu halten. Auch die bewaffnete Neutralität von 1780 war eine Defensivallianz Rußlands, Dänemarks, Schwedens und der später beitretenden Staaten gegen jeden, der die darin niedergelegten Grundsätze antasten würde; denn Art. VIII verabredet, daß gegen jede aus Anlaß dieses Vertrages erfolgende Beunruhigung, Belästigung oder Angriffshandlung die drei Mächte gemeinsame Sache machen, um sich gegenseitig zu vertheidigen. (Bergbohm, Die bewaffnete Neutralität, p. 170). Von dem Vers hältniß der Garantie zur Allianz ist bei den Garantieverträgen § 7 am Schluß die Rede gewesen.

1) Man kann deshalb nicht mit Bluntschli (446) Verabredung zu gemeinsamem diplomatischen Handeln eine Allianz nennen.

2) Mit Unrecht leugnen Fund-Brentano S. 145, daß ein Subsidienvertrag eine Allianz ist, was nach ihrer Ausführung selbst unbestreitbar ist. Es heißt dort: »Lorsqu'un état ne veut point prendre à l'égard de l'autre le rôle d'allié, mais trouve cependant qu'il est de son devoir, de son droit ou de son intérêt de l'aider dans ses entreprises, il s'engage à lui fournir des secours en argent et conclut avec lui un traité de subside.« Und doch wird weiterhin gesagt: »Il faut ajouter que le subside pur et simple est une alliance déguisée« und anerkannt, daß bei den Englischen Subsidienverträgen »le subside n'était qu'une des conditions et une des formes de l'alliance qui existait entre les contractants. Dies ist aber stets der Fall.

§ 36.

Der casus foederis.

Jedes Bündniß nimmt die betreffende Action nur für einen bestimmten Fall in Aussicht; dies gilt auch von der allgemeinen Allianz, die nur defensiv sein kann; denn eine Bestimmung, wie die genannte in dem Vertrage zwischen Preußen und Frankreich von 1812, wonach jeder Theil jeden Offensivkrieg des andern auch seinerseits als casus belli betrachten muß, ist thatsächlich eine

Unterwerfung des schwächeren unter den mächtigeren Staat, wie das foedus non aequum, der sich der erstere zu entziehen suchen muß. Als unabhängige Staaten behalten sich also die Contrahenten vor, zu beurtheilen, ob der verab redete Fall der Hülfsleistung, der casus foederis eingetreten ist; denn der Fall des Bourbonischen Familienvertrages von 1761 dürfte wohl einzig dastehen, wo Art. 12 sagt: »La demande que l'un des deux Souverains fera à l'autre des secours stipulés par le présent traité suffira pour constater le besoin d'une part et l'obligation de l'autre de fournir les dits secours, sans qu'il soit nécessaire d'entrer dans aucune explication de quelque espèce qu'elle puisse être, ni sous quelque prétexte que ce soit pour éluder la plus prompte et la plus parfaite exécution de cet engagement<< (Martens, Rec. I, p. 21). Es ist also bei Abschluß des Bündnisses besondere Sorgfalt darauf zu verwenden, daß der Fall, wo die Hülfe gewährt werden foll, außer Zweifel gestellt wird. Vielfach wird dies allerdings schon in der Natur der Sache zu liegen scheinen, so darf z. B. bei einer Defensivallianz an sich gewiß keiner der beiden Theile angreifen. Aber es ist gar nicht immer leicht zu entscheiden, wer der wirklich angreifende Theil ist; dies ist keineswegs immer der, welcher zuerst die feindliche Grenze überschreitet. Wenn z. B. ein Staat gewaltige Rüstungen vornimmt, die nur gegen einen Dritten gemeint sein können, oder diesen durch Handlungen bedroht, die mit friedlichen Beziehungen unvereinbar sind, oder auch nur eine Offensivallianz gegen ihn abschließt, so ist dieser dritte Staat in der Defensive, wenn er dem drohenden Angriffe zuvorkommt. In diesem Falle war Friedrich der Große beim siebenjährigen Kriege, als er in Sachsen einrückte, nachdem er die urkundlichen Beweise einer feindlichen Coalition gegen ihn in Händen hatte; und England legte seine Allianz mit Portugal 1826 richtig aus, als es durch die offene Unterstützung der Portugiesischen Rebellen seitens Spanien's den casus foederis für eingetreten erachtete, obwohl die Spanische Regierung als solche nicht Portugal angriff. Ebensowenig läßt es sich in Abrede stellen, daß Preußen 1866 der angreifende Theil war, nachdem es am 8. April eine Offensivallianz mit Italien geschlossen hatte. Man kann also nur sagen, daß der casus foederis einer einfachen Defensivallianz eingetreten ist, wenn der betreffende Verbündete einen gerechten Kriegsgrund hat. Portugal war in jenem Falle unzweifelhaft berechtigt, Spanien den Krieg zu erklären. Es kommt nicht darauf an, welches die erste Action des Verbündeten ist, zumal jede Macht das Odium des Angriffs auf den Gegner abzuwälzen sucht, sondern darauf, ob das Princip eines Krieges defensiv ist. Dasselbe sagt Bynkershoek: »Si foederato Principi, qui bello petitur, auxilia promisero, ea non praestem, si ille ipse princeps nullo jure causam belli praebuerit« (Quaest. iur. publ. II, c. 10. p. 255).

Da bei allgemeinen Offensiv- und Defensivbündnissen die Contrahenten sich am weitesten verpflichten, indem sie ihre Souveränetät theilweise dem anderen Verbündeten unterordnen, wird hier der casus foederis stets am forgfältigsten präcisirt; ist das nicht der Fall, sondern wird einfach, wie in dem

erwähnten geheimen Artikel von 1812 zwischen Frankreich und Preußen, erklärt, daß das Bündniß auf alle Kriege beider Theile gehe, ohne daß ein bestimmter Grund der Allianz genannt wird, so ist das der beste Beweis, daß dasselbe von dem einen Theile nur unfreiwillig eingegangen ist; denn ohne Noth wird sich kein Staat ganz in die Hand eines andern geben und sich für Fälle binden, deren Tragweite er gar nicht übersehen kann. Ist dagegen nur allgemein eine Allianz verabredet, indem die Staaten, ohne sich zu bestimmten Leistungen zu verpflichten, nur durch einen gemeinsamen Act zu constatiren wünschen, daß zwischen ihnen gutes Einvernehmen besteht und sie die Absicht haben, dieses auch in Zukunft durch eine gemeinsame Politik zu erhalten, so wird der Wert einer solchen Abrede z. B.: il y aura paix, amitié et alliance, die nur ein anderweitiges Uebereinkommen begleiten oder einleiten wird, natürlich ganz von der Absicht abhängen, welche die betreffenden Contrahenten dabei oder in Zukunft verfolgen. Sie kann eine bloße Redensart sein, die zu nichts Praktischem verbindet, sie kann, wenn sie der nur allgemein gehaltene Ausdruck einer wirklichen Interessengemeinschaft ist, welche die Contrahenten entschlossen sind zur Geltung zu bringen, von größerer Tragweite werden, als eine bestimmte Defensivallianz. Von ersterer Art war eben die sog. heilige Allianz vom 26. September 1815. Die drei Souveräne von Rußland, Preußen und Desterreich versprachen zwar sich und denen, welche diesem Bunde beitreten würden, ohne Einschränkung »en toute occasion et en tout lieu assistance, aide et secours«, aber die Bestimmung dieses Bundes, unter dessen Gliedern ein allgemeines Reich der Brüderlichkeit zu begründen, sich nur als Glieder einer christlichen Nation zu betrachten, »de se témoigner par une bienveillance inaltérable l'affection mutuelle, dont ils doivent être animés« - war so vag, daß sie einem wirklichen politischen Zwecke zu entsprechen nicht geeignet war.1) Es ist daher unrichtig diesen Bund als den Ausgangspunkt der späteren Congreßpolitik der Großmächte anzusehen. 2) Diese ward vielmehr begründet durch den sehr positiven Vertrag vom 20. November 1815, durch den Desterreich, England, Preußen und Rußland sich verbanden, die neubegründete Ordnung der Dinge gegen jede Anfechtung aufrecht zu halten, und im Art. VI zu dem Ende verabredeten: »de renouveler à des époques déterminées, soit sous les auspices immédiats des souverains, soit par leurs ministres respectifs, des réunions consacrées aux grands intérêts communs.« (Martens, Nouv. Rec. II, p. 737.)

Uebrigens wird anzuerkennen sein, daß auch die präciseste Formulirung nicht stets Zweifel über den casus foederis ausschließen kann; es kann z. B. sehr wohl streitig sein, ob bei einem Defensivbündniß der Alliirte, welcher die Hülfe anruft, einen gerechten Kriegsgrund hat. Hat ein Staat Bündnisse mit mehreren anderen Staaten und diese werden unter einander uneins, so muß er auf die Seite dessen treten, den er im Rechte hält; haben sie seiner Ansicht nach beide Unrecht, muß er sich enthalten. Hat ein Staat zwei verschiedene Bündnisse mit zwei andern Staaten und rufen diese zugleich seine Hülfe an, so muß

er dem älteren Bundesgenossen zuerst helfen, falls er den casus foederis an= erkennt, da zum Schaden einer schon bestehenden Verpflichtung keine neue geschlossen werden durfte. Nehmen bei einem Bündniß Dreier oder Mehrerer zwei Verbündete gleichzeitig die Hülfe des Dritten in Anspruch, so muß, wenn er sie nicht voll leisten kann, er sie theilen oder sie da gewähren, wo sie am wichtigsten ist. (cf. Bynkershoek, Quaest. iur. publ. I, c. 9).

Nach dem Grundsatz ultra posse nemo obligatur kann auch dann nicht Bruch der Allianz behauptet werden, wenn der casus foederis unstreitig eingetreten ist, aber das thatsächliche Unvermögen vorliegt, die versprochenen Leistungen zu erfüllen, wie dies z. B. seitens Frankreichs 1870 bei Rußlands Bruch des Pariser Friedens durch Lossagung von der Neutralisirung des Schwarzen Meeres der Fall war (vgl. oben Garantieverträge. § 30). Die Pflicht des Verbündeten wird bedingt und beschränkt durch die der Selbstvertheidigung, die für jeden Staat höchstes Gesetz ist. Damit ist, wie Bluntschli (448) richtig bemerkt, nicht ausgeschlossen, daß ein Verbündeter eventuell sein Gebiet zeitweilig preisgeben muß, wenn Gründe wirksamer Kriegführung dies verlangen; denn diese Maßregel giebt nicht der Bundeshülfe den Vorzug vor der Selbsthülfe, sondern schließt sie ein. Selbstverständlich aber darf eine Unmöglichkeit nicht behauptet werden, wo keine vorhanden ist; sie darf auch nicht größer gemacht werden, als sie ist, und der Verpflichtete muß so viel thun als er kann, resp. sobald nur möglich sein Versprechen ganz erfüllen.

Leider giebt es Beispiele genug, wo der casus foederis flar war, die verpflichtete Macht auch vollkommen in der Lage war, zu helfen und dies doch nicht that. Welche Rolle England neuerlich in dieser Beziehung gespielt, ist bei den Garantieverträgen ausgeführt, es verdient aber erwähnt zu werden, daß auch Canning, der so correct für Portugal eintrat, in einem andern Falle den casus foederis mit einer Begründung leugnete, die Lord Derby's nicht unwürdig war. England hatte 1814 mit Persien einen Vertrag geschlossen, durch den es dem Schah Beistand für den Fall des Angriffs einer Europäischen Macht versprach, sofern derselbe nicht durch Persien hervorgerufen sei. 1825 rückte Rußland in Persien ein und beseßte Gokchah, Persien rief Englands Hülfe an, aber Canning verneinte den casus foederis, nicht etwa weil er behauptete, der Angriff sei von Persien hervorgerufen, sondern weil Gokchah unbewohnt sei! Der Herzog von Wellington bemerkte hierzu: »I think that Mr. Canning did not behave handsomely or wisely in leaving the Persians to the moderation and mercy of the Emperor Nicholas, anerkannte aber auch nur eine Pflicht zur Vermittlung (Dispatches V, p. 117).

Ein lebhafter Streit ward 1756 zwischen England und Holland über den casus foederis geführt. Beide Staaten hatten sich seit 1678 ihren gegenseitigen und künftigen Besißstand in Europa durch eine Reihe von Verträgen garantirt und die zur eventuellen Hülfeleistung nöthigen Kräfte bestimmt. Gleichwohl weigerte Holland bei dem 1756 zwischen England und Frankreich ausbrechenden Kriege, wo letteres das ersterem gehörige Minorca angriff, die

Bundeshülfe, weil man auch Frankreich in Europa angegriffen habe, dies nur eine Folge der vorher in Amerika stattgehabten Feindseligkeiten sei und die Allianz nur auf Europa gehe. England erwiderte darauf mit Recht, daß Garantie und Bündniß nach dem klaren Wortlaut der Verträge gegen jede Störung des Europäischen Besißstandes der Contrahenten gingen, welche seitens Frankreichs unzweifelhaft erfolgt sei, und daß eine Defensivallianz nicht so gemeint sein könne, daß die Verbündeten sich vom Gegner jedes Unrecht gefallen lassen oder sich der Gefahr des Ueberfalles ausseßen müßten. (Eine nähere Analyse des Englischen Statement bei Wheaton, § 281 ff.)

1) Wirklichen Werth legte nur die Mystik Alexanders I. auf den Bund, Friedrich Wilhelm III unterzeichnete aus Gefälligkeit gegen denselben, Franz 1, weil Metternich ihn als unschädlich (du verbiage) bezeichnete. Genz schrieb darüber (Dép. aux Hospodars I, p. 223): »Cette soi-disante Ste Alliance est ce qu'on appelle une nullité politique, elle n'a aucun but réel et ne conduira jamais à un résultat sérieux, c'est une décoration de théatre, imaginée peut-être dans un esprit de dévotion mal entendue et surtout bien mal exprimée, peut-être aussi dans un simple mouvement de vanité, conçue par un des principaux acteurs sur la scène du monde et secondée par la complaisance et la bonhommie de ses associés! Si elle peut servir comme plusieurs hommes honnêtes et éclairés paraissent le croire, à cimenter la paix générale, elle vaudra mieux que tant de farces de notre temps, qui n'ont produit que le malheur du monde. Mais dans tous les cas elle sera bientôt oubliée et ne figurera un jour que comme un monument de la bizarrerie des hommes et des princes dans le code diplomatique du 19ème siècle.<<

2) Wie dies z. B. noch bei Fund-Brentano S. 145 geschieht: »les congrès qui eurent lieu à la suite de ce traité à Troppau, à Laybach et à Vérone, démontrèrent la valeur réelle de l'alliance.<<

§ 37.

Verhältniß der Verbündeten zu einander und zum

Gegner.

Durch das Bündniß treten die Verbündeten für die Dauer desselben in eine bona fide societas, wie Bynkershoek sagt »Foederati hactenus constituunt unam civitatem, communi auxilio defendendam« (1. c. p. 72). Jeder derselben hat daher mit dem zugesagten Maße seiner Mittel und Kräfte für die Zwecke des Bündnisses thätig zu sein und darin bis zur Erreichung des Zweckes desselben zu verharren. Bei den Folgen wird dann zu unterscheiden sein, ob das Bündniß auf allgemeine Kriegshülfe geht oder nur eine beschränkte verspricht. Bei allgemeiner Kriegshülfe hat jeder Theil nach Verhältniß seiner Mittel gleichmäßig zur Erreichung des Kriegszweckes beizutragen, wenn auch diese Mittel sehr oft verschieden sein werden z. B. ein Theil mehr

« EelmineJätka »