Page images
PDF
EPUB

Erstes Kapitel.

Geschichtliches.

Erster Abschnitt.

Bom Weftphälifchen Frieden bis zum Ende des 18. Jahrhunderts.

§ 38.

Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts.

[ocr errors]

Der:

Literatur: H. Scherer, Allgemeine Geschichte des Welthandels, Th. II, 1853. Beer, Allgemeine Geschichte des Welthandels, Th. II, 1862. v. Steck, Versuch über Handels- und Schifffahrtsverträge, 1782. v. Kaltenborn, Handelsverträge, im Deutschen Staatswörterbuch, Bd. IV, 1859, S. 666 ff. selbe, Schifffahrtsverträge, ebenda Bd. IX, 1865, S. 228 ff. und Schifffahrtsgeseße, ebenda S. 204 ff. Anderson, Chronological and historical deduction on the origin of commerce, 4. Aufl. 1787. La richesse de la Hollande, 1778. P. de Ségur-Dupeyron, Histoire des négociations commerciales et maritimes du règne de Louis XIV., 1863. Derselbe, Histoire des négociations commerciales et maritimes de la France au XVII et XVIII siècle, 1872/73. — Büsch, Versuch einer Geschichte der Hamburgischen Handlung, 1797. — Schmoller, Studien über die wirthschaftliche Politik Friedrichs des Großen und Preußens überhaupt, im Jahrbuch für Geseßgebung u. s. w. im Deutschen Reich, 1884, S. 51 ff. public de l'Europe fondé sur les traités, Bd. II, 1764. international, 3. Aufl., Bd. I, 1880. Roscher und Jannasch, Kolonien, 3. Aufl., 1884.

[ocr errors]

[ocr errors]
[ocr errors]

Mably, Le droit
Calvo, Le droit

Die Geschichte zeigt uns, wie den ersten Anfängen des verschiedene Völker und Länder verbindenden Handelsverkehrs vielfach ein Mißtrauen gegen die aus der Fremde kommenden Kaufleute hindernd entgegentrat, ein Mißtrauen, das sich noch jetzt bei uncivilisirten Völkern in dem Grundfaße einer Rechtlosigkeit der Ausländer kundzugeben pflegt. Es lag daher schon frühe im Interesse der handeltreibenden Nationen, sich einen gewissen Rechtsschutz im fremden Lande zu sichern durch Uebereinkünfte, die, so primitiv und formlos sie anfänglich auch noch sein mochten, doch immerhin als Handelsverträge bezeichnet

werden können. Im Alterthum handelte es sich bei diesen Verträgen haupts sächlich um die Gestattung oder Versagung des Verkehrs in bestimmten Plägen und Landstrichen. Dies ersehen wir insbesondere aus den drei uns durch Polybius auch dem Wortlaute nach erhaltenen Verträgen zwischen Rom und Carthago.1) Auch im Mittelalter mußte man zunächst bestrebt sein, dem Handel in der Ferne vor allem eine äußerlich gesicherte Existenz zu schaffen. Man stipulirte für die Kaufleute und ihre Waaren Rechtsschuß, Befreiung vom Strandrecht und willkürlichen Auflagen verschiedener Art; doch blieb man hierbei nicht stehen. Vielmehr wußten die Haupthandelsmächte des Mittelalters, die Italienischen Städte und die Deutsche Hansa) durch Verträge und Privilegien im Auslande ganz exceptionelle Vorrechte, nicht nur vor an= deren Fremden, sondern auch vor den Eingeborenen des Landes, und damit ein vollkommenes Handelsmonopol zu erlangen. Solche Vorrechte konnten sich indeß nur so lange erhalten, als die Länder, welche sie gewährt hatten, noch nicht cultivirt, wohlhabend und mächtig genug waren, um sich die Vortheile eines eigenen, selbständig geführten Handels zu verschaffen. Sobald jene Länder sich zu einer größeren politischen und wirthschaftlichen Bedeutung emporgearbeitet hatten, mußte es ihnen auch gelingen, das schimpfliche Handelsjoch der fremden Kaufleute von sich abzuschütteln.

Der Wegfall der mittelalterlichen Handelsmonopole und die großen Entdeckungen des 15. Jahrhunderts 3) bewirkten einen großen Umschwung des Welthandels. Die größeren, zu festerer nationaler Einheit gelangten Staaten begannen auch auf wirthschaftlichem Gebiet mit einander zu wetteifern. Die Schiffe verließen die Küsten und durchmaßen kühn die ganze Breite des Oceans; der Welthandel war in erster Linie ein Seehandel geworden, und das ihm offenstehende Gebiet der Erde hatte sich in kurzer Zeit fast verdoppelt. Den internationalen Handel aber führen und vermitteln von jezt an vorzüglich die der neuen Welt zugekehrten Länder Westeuropas.

Die Ersten, welche aus den neuen Handelswegen Vortheil zu ziehen suchten, waren die Portugiesen und Spanier. Sie occupirten die neu entdeckten Länder und waren bemüht, dieselben mit Hülfe des Colonialsystems, welches dem Mutterlande ein Monopol auf die gesammte Production und Confumtion seiner Colonien ertheilte, nach Kräften auszunußen.4) Doch wurden sie bald von andern Handelsmächten überflügelt.

Nachdem Portugal 1580 an Spanien gefallen war, hatte dieser Staat den ihm feindlichen Holländern jeden Handelsverkehr mit Portugal untersagt. Die Folge war, daß die unternehmenden Holländer nunmehr direct nach Indien fuhren und dort mit der Zeit der Portugiesischen Herrschaft ein Ende bereiteten. 5) Spanien behielt zwar seine umfangreichen Besitzungen in Mittel- und Südamerika, konnte indeß trotz seines Colonialsystems nicht verhindern, daß auch andere Nationen mit Hülfe eines immer größere Dimensionen annehmenden Schleichhandels ihre Producte dorthin abseßten.") Das kleine Holland aber wurde während seines langen, glorreichen Un

abhängigkeitskampfes die erste Seemacht der Zeit. Sein Handel erstreckte sich über die ganze bekannte Welt, und seine zahlreichen Schiffe waren bei der ungenügenden Rhederei der übrigen Staaten diesen so unentbehrlich, daß man die Holländer nicht mit Unrecht die Fuhrleute Europas nannte.7) Erhielt sich diese Machtstellung Hollands auch im Wesentlichen bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts, so zeigt sich doch in der zweiten Hälfte des Letteren schon eine erhebliche Concurrenz der nunmehr auch zu Colonialbesitz gelangten Engländer. Der großartige Aufschwung des Englischen Seehandels datirt von dem Erlaß der berühmten Navigationsacte Cromwells von 1651, (bestätigt 1660 von Karl II), welche nur Englischen Schiffen die Einfuhr in die Britischen CoIonien verstattete, der Englischen Rhederei die ausschließliche Einfuhr nichteuropäischer Waaren in England sicherte und ferner erklärte, daß eine große Anzahl Europäischer Artikel nur in Englischen oder in Schiffen des Erzeu= gungslandes nach England gebracht werden sollten. Diese Bestimmungen wa= ren zum Theil direct gegen Holland gerichtet und verfehlten mit der Zeit ihre Wirkung nicht.8) Auch Frankreich aber war im Zeitalter Ludwig's XIV. mit mehr oder weniger Glück auf den Erwerb von Colonien, die Begründung einer Seemacht und die Anknüpfung von Handelsbeziehungen zum Auslande bedacht. Die übrigen Länder, unter ihnen auch Deutschland,9) nahmen so gut wie gar nicht am Activhandel Theil. Die Hansa löste sich zwar formell erst 1669 auf, doch war ihre Macht schon lange vorher erloschen. Nur Hamburg und Bremen blieben, resp. wurden bedeutendere Handelspläge. Beide Städte aber erlangten ihre neue, Achtung gebietende Stellung im Welthandel erst in späterer Zeit.

Für die Handelsverträge des 17. Jahrhunderts war es von Bedeutung, daß die größeren Staaten Europas einander jezt selbständiger und ebenbür= tiger gegenüber standen als in früheren Zeiten, und daß alle mehr oder weniger an den Principien des Colonialsystems sowie einer weitgehenden Begünstigung des eigenen Handels unter Beschränkung, resp. Ausschließung jeder fremden Concurrenz festhielten. Nur selten konnte jegt der eine Contrahent ohne Weiteres seine Bedingungen dem andern dictiren. Vielmehr war meist ein großer Aufwand diplomatischer Kunst erforderlich, um gegen möglichst ge= ringe eigene Concessionen möglichst große Handelsvortheile im anderen Lande und seinen Colonien zu erlangen. Dabei galt es für einen besonderen Ruhm des verhandelnden Staatsmannes, wenn es ihm gelang, den anderen Contrahenten über die Bedeutung und Tragweite der einzelnen Stipulationen zu täuschen oder anderweitig zu dupiren. Die Handelsverträge dieses und auch des folgenden Jahrhunderts zeigen daher weniger ein ernstlich gemeintes verständiges Entgegenkommen von beiden Seiten als einen nur im eigenen Interesse hier und da nothgedrungen aufgegebenen oder eingeschränkten Kampf Aller gegen Alle.

Troßdem aber bewirkte der Umstand, daß nunmehr verschiedene mächtige Staaten größeren Antheil am Welthandel nahmen, in manchen Handelsge

Handbuch des Völkerrechts III.

10

bieten mit der Zeit die Gleichstellung zweier oder mehrerer Völker des Auslandes. Was dem Einen bewilligt war, konnte oft schon aus politischen Gründen dem Andern nicht wohl vorenthalten werden. Statt nun die einzelnen, so gewährten Vortheile im späteren Vertrage ausdrücklich zu wiederholen, nahm man hier oft einfach auf den früheren Vertrag Bezug. So heißt es z. B. im Portugiesisch-Spanischen Friedenstractat von 1668: Den Portugiesen sollen die Handelsfreiheiten eingeräumt werden, welche den Engländern in Spanien nach dem Tractat von 1667 zustehen. In anderen Verträgen und zwar zuerst in mit der Pforte abgeschlossenen verspricht der eine Contrahent, den andern »comme la nation la plus favorisée« zu behandeln. Aus dieser Zusicherung entwickelte sich dann später die wichtige Meistbegünstigungsclaufel, derzufolge der Contrahent nicht nur der gegenwärtig, sondern auch der in Zukunft am meisten begünstigten Nation gleichgestellt wird.

-

Einen wichtigen Theil der Verträge des 17. Jahrhunderts bildeten noch die allgemeinen oder speciellen Zusagen, betr. Freiheit des Handels und Sicherheit der Kaufleute im Auslande. Ein allgemeines Zugeständniß dieser Art enthielt z. B. das Hülfs- und Freundschaftsbündniß zwischen Portugal und Frankreich vom 1. Juni 1641. Oft ward auch ein solches den einzelnen speciellen Zusagen vorangeschickt. Immer aber war dasselbe wohl seiner Allgemeinheit wegen von ziemlich untergeordneter Bedeutung. Die speciellen Zusagen betrafen vor allem den Ausschluß des droit d'aubaine, die Sicherung des Privateigenthums und die Glaubensfreiheit. 10) Zur Sicherung der Kaufleute im Auslande wurde ferner jeßt regelmäßig die Bestellung von Consuln ausbedungen. Auch ward oft für den Fall eines Krieges den sich im anderen Lande aufhaltenden Kaufleuten und Schiffern eine längere Abzugsfrist zugesichert.

Den Hauptinhalt der Verträge aber bildeten die Bestimmungen über die Freigebung oder Beschränkung des gegenseitigen Handels durch Ein- oder Ausfuhrverbote, Zölle 2c. Aus dem in dieser Beziehung überaus bunten Gesammtbild der Verträge des 17. Jahrhunderts können hier nur einige Hauptzüge hervorgehoben werden. Daß die Holländer und Engländer in dieser Zeit besonders günstige Stipulationen zu erlangen wußten, erklärt sich leicht aus ihrer commerciellen und maritimen Machtstellung. Die Engländer erhielten 1654 eine uneingeschränkte Handelsfreiheit für alle Portugiesischen Besizungen in Europa. Auch sollten sie in Afrika freien Handel treiben können und dort keine höheren Zölle als die Portugiesischen Bundesgenossen entrichten. 1661 mußte Portugal die gleichen Rechte den Holländern ertheilen und denselben außerdem noch den Handel nach Brasilien (mit Ausnahme der Ausfuhr von Brasilholz) freigeben. Auch ward den Holländern zugesichert, daß sie keine höheren Ein- und Ausfuhrabgaben entrichten sollten, als im März 1653 üblich ge= wesen. Von den Spaniern wußten die Holländer bei Abschluß des Westphälischen

Friedens unter Anderem zur Beseitigung jeder Concurrenz Antwerpens eine dauernde Schließung der Schelde zu erlangen.

Im Friedensvertrag von 1667 erklärte Spanien: Die Engländer sollten auf Spanischen Gebieten nicht mehr Aus- und Eingangsgebühren zahlen, als die Spanier selbst; sie könnten ihre eigenen Producte und die ihrer Colonien in Spanien einführen; die Schiffe beider Nationen, welche nach den Staaten derselben kämen, sollten von den Aufsehern und Richtern des Schleichhandels nicht angehalten und durchsucht werden können. Auf einen weniger aus

schließlich in den Händen der Engländer befindlichen Handel deutet der Englisch-Französische Handelsvertrag von 1655, in dem es heißt: Den Engländern wird verstattet, alle Wollen- und Seidenzeuge ihrer Manufacturen in Frankreich einzubringen. Den Franzosen wird erlaubt, ihre Weine, Seiden- und Wollstoffe und alle ihre Manufacturen und Fabrikwaaren in Großbritannien einzubringen. Die Franzosen sollen in den Englischen Häfen von der Abgabe des head money, die Engländer aber in den Französischen Seeplägen von dem argent du chef befreit sein.

Eine dominirende Stellung nahm Frankreich im Levantehandel ein. Nach den Tractaten mit der Pforte von 1604 und 1673 sollten die Fran. zösischen Consuln vor denen aller anderen Nationen rangiren. Die Unterthanen der Pforte, welche Handel und Schifffahrt in fremde Länder treiben wollten, sollten sich unter den Schutz der Französischen Consuln begeben und ihnen eben die Consulatgebühren entrichten wie andere Nationen. Die im Osmanischen Reiche wohnhaften Franzosen wurden von Entrichtung der Kopfsteuer befreit und unterstanden bei Streitigkeiten untereinander der Gerichtsbarkeit ihrer Consuln. Bei Streitigkeiten zwischen Türken und Franzosen durfte der Türkische Richter nur in Gegenwart und nach Anhörung des Französischen Consuls entscheiden. Aehnliche Vorrechte hatten lange Zeit nur noch die Venezianer. Doch wurden den Engländern 1675 und den Holländern 1680 ausdrücklich die gleichen Begünstigungen wie den Franzosen zugestanden.

Auch die Deutschen Hansestädte schlossen einzelne Verträge ab. So wußten sie z. B. 1647 und 1648 in Spanien dieselben Vorrechte wie die Niederlande zu erlangen. Andererseits sollten auch den Niederlanden alle Handelsfreiheiten zu Statten kommen, welche den Hansestädten zugestanden seien oder ihnen noch bewilligt werden dürften. Zu erwähnen sind ferner Verträge mit Portugal, Frankreich (1655) und die Abmachungen mit England von 1661 und 1663, welche alle den Hansestädten und insbesondere der bedeutendsten von ihnen, Hamburg, weitgehende Vorrechte vor allen andern Deutschen Häfen und oft auch vor anderen Staaten gewährten. Von England erreichten die Hansestädte und Danzig unter Karl II. 1661 sogar Befreiung von den Bestimmungen der Navigationsacte. Ein specielles Abkommen über den Heringsfang wurde 1609 zwischen Hamburg und Holland getroffen.

Ein anderer Deutscher Staat, Brandenburg, machte 1681 unter

« EelmineJätka »