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Recht vorbehalten, als Freihäfen so lange außerhalb des Zollgebietes zu blei ben, bis sie ihren Anschluß beantragten. Doch steht jezt der Zollanschluß beider Städte nahe bevor. 8)

1) Nicht mit Unrecht sagt von Treitschke: „In Frankfurt konnte nur die Phrase der Deutschen Politik gedeihen. Alle Geschäfte der nationalen Staatskunst mußten von Berlin aus durch Verhandlungen mit den Einzelstaaten betrieben werden“ (Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, Bd II, S. 144). 1820 wurde auf den Wiener Conferenzen eine Verweisung der Handelsfrage an den Bundestag mit unwillkürlich ausplaßendem Gelächter der anwesenden Diplomaten begrüßt. (Aegidi, a. a. D. S. 59)

2) Derselbe wurde auch mit herbeigeführt durch die ungünstige äußere Gestalt, welche der Preußische Staat auf dem Wiener Congreß erhalten hatte. „Ist je schadenfrohe Kurzsichtigkeit auf ihren Urheber zurückgefallen, so die, welche auf dem Wiener Congreß Preußen ein zerrissenes Gebiet mit unhaltbaren Gränzen gab. Was die Schwäche dieser Macht verewigen sollte, grade das wurde ein wesentliches Element ihrer Stärke. Alles, was dieses zerstückelte, nur in Verbindung mit dem übrigen Deutschland lebensfähige Preußen für sich that, mußte zugleich eine deutschnationale Bedeutung haben.“ (Flathe, a a. D. S. 194.)

3) Ohne die voraufgegangene Gründung des besonderen Thüringischen Vereins hätten die einzelnen kleinen Staaten sich unter denselben Bedingungen wie die Enclaven an Preußen anschließen müssen. Ohne Stimmrecht in den Zollconferenzen, hätten sie dann nicht zu den unmittelbaren Gliedern des Zollvereins gehört. — Nur einige von fremden Gebieten umschlossene Thüringische Landestheile konnten wegen ihrer abgesonderten Lage nicht in den besondern Verein aufgenommen werden und schlossen sich daher als Enclaven anderer Vereinsstaaten dem Zollsysteme derselben an

4) Der Anschluß der beiden letzteren Staaten war dadurch erschwert, daß Nassau 1833 mit Frankreich und Frankfurt 1832 mit England einen Handelsvertrag abgeschlossen hatte, der nunmehr wiederaufzuheben war. Zu erwähnen ist ferner, daß Frankfurt aus Rücksicht auf die überwiegend städtische, wohlhabende Bevölkerung bei der Vertheilung der gemeinschaftlichen Zolleinkünfte ein namhaftes Präcipuum zugestanden wurde. - Zur Abrundung des Zollvereins diente endlich noch, abgesehen von den Vereinbarungen über verschiedene Enclaven ein Vertrag vom 20. Februar 1835, durch welchen sich Hessen-Homburg dem großherzoglich Hessischen Zollgebiete anschloß

5) Von den bei dieser Gelegenheit vorgenommenen Abänderungen der früheren Verträge bezog sich die wichtigste auf die Vertheilung des Ertrages der Aus- und Durchgangsabgaben Man unterschied bezüglich dieser fortan zwischen einem öftlichen und einem westlichen Verband und gestand in dem ersteren bei der Vertheilung der Einkünfte Preußen ein Präcipuum zu.

6) Mecklenburg, welches 1865 einen Handels- und Schifffahrtsvertrag mit Frankreich abgeschlossen hatte, trat thatsächlich erst nach Entlaffung aus demselben im Jahre 1868 dem Zollgebiete bei

7) Zum Zollgebiet des Deutschen Reichs gehören noch an Nichtdeutschen Gebieten: das Großherzogthum Luxemburg, welches dem Preußischen, und die Desterreichische Gemeinde Jungholz, welche dem Bayerischen Zollsystem angeschlossen ist (Vertrag zwischen den Zollvereinsstaaten und Luremburg vom 20./25. October 1865 und Vertrag zwischen Oesterreich und Bayern vom 3. Mai 1868).

8) Hamburg ist im Vertrage vom 25. Mai 1881 der an die Stadt gränzende Theil der Norderelbe mit einem größeren Bezirk an beiden Ufern als Freihafengebiet belassen Auf dieses Freihafengebiet, welches indeß keine Wohnungen enthalten darf, findet der Art. 34 der Reichsverfassung auch ferner Anwendung. Mit dem Anschluß, der 1888 erfolgen soll, übernimmt Hamburg selbst die Zollverwaltung Das Reich hat die Hälfte der mit dem Anschluß verbundenen Kosten (Terrainveränderungen, Umgestaltung des neuen Freihafengebiets, Brückenbauten 2c.) bis zur Höhe von 40 Millionen Mark übernommen. Den übrigen, thatsächlich weit größeren Theil der Kosten trägt Hamburg selbst. Mit Bremen ist 1884 gleichfalls ein Zollanschlußzvertrag zu Stande gekommen. Nach demselben erhält auch Bremen einen Theil der Anschlußkosten vom Reiche ersetzt. Auch ihm wird ein Freigebiet belassen und zwar ein Freihafengebiet in Bremerhaven und ein Freigebiet in Bremen selbst. Doch findet auf diese Gebiete der Art. 34 der Reichsverfassung keine Anwendung. Der Zollanschluß Bremens soll 1888 erfolgen.

§ 43.

Die Handels- und Seeschifffahrtsverträge von

1815-1860.

Literatur: Beer, Allgemeine Geschichte des Welthandels, Th. III, 1864

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1884.

v. Kaltenborn, Handelsverträge, im Deutschen Staats-Wörterbuch, Bd. IV, 1859, S. 663 ff. Derselbe, Schifffahrtsverträge, daselbst Bd. IX, 1865, S. 228 ff. Strauch, Das Fremdenrecht, besonders mit Rücksicht auf Handel und Gewerbebetrieb der Ausländer in den Großstaaten der Gegenwart, in Goldtschmidt's Zeitschrift für das gesammte Handelsrecht, Bd. XIII, 1869, S. 1ff. Soetbeer, Schifffahrtsgeseße sowie Handels- und Schifffahrtsverträge verschiedener Staaten i. J. 1847, 1848. Flathe, Das Zeitalter der Restauration und Revolution (1815 1851), 1883.

Während Deutschland in wirthschaftlicher wie in politischer Beziehung nur mühevoll und langsam zur Einigung gelangte, waren fast alle übrigen Staaten. Europas in der Lage, ihr gesammtes Gebiet ohne Schwierigkeit einer einheitlichen Handelspolitik zu unterwerfen. Die erste Handels- und Seemacht, England, war schon in Verträgen des 17. und 18. Jahrhunderts mehrfach von ihrem nationalen Protectionssystem abgewichen. Erst 1815 aber gelang es Nordamerika, sie durch energische Retorsionsmaßregeln zur vollen Nachgiebigkeit zu bestimmen. In einem Handelsvertrag vom 3. Juli dieses Jahres ward die Gleichmäßigkeit der Abgaben für die Schiffe beider Länder in den beiderseitigen Nationalschiffen und die Gleichstellung der Zölle auf Waaren für den Transport in den beiderseitigen Nationalschiffen stipulirt. Als dann die neuen Süd

amerikanischen Freistaaten sich anschickten, ähnlich wie Nordamerika, mit einer protectionistischen Schifffahrtsgefeßgebung vorzugehen, sicherte England auch den Schiffen jener Republiken, unter der Bedingung der Reciprocität, eine gleiche Behandlung wie den Englischen in Englischen Häfen zu.

Das hier adoptirte Princip der Reciprocität mußte bald auch auf Europäische Staaten angewandt werden. Am 2. April 1824 schloß England mit Preußen, welches 1822 zu dem Retorsionsmittel einer Erhöhung der Hafenabgaben gegriffen hatte, einen Handelsvertrag ab, dem die Principien des Englisch-Amerkanischen von 1815 zu Grunde gelegt waren. Aehnliche Verträge wurden mit den Hansestädten, Dänemark, Schweden und Hannover abgeschlossen. Selbst das protectionistische Frankreich gestand in einem Vertrage vom 26. Januar 1826 zu, daß die Schiffe des einen Theiles in dem anderen Lande keine höheren Tonnen-, Hafen-, Leuchtthurm- und andere Abgaben entrichten sollten, als die einheimischen, und daß die unter Britischer Flagge in Frankreich eingeführten Waaren keine höheren Zölle zahlen sollten, als wenn sie unter Französischer Flagge eingingen.

Troß dieser Reciprocitätsverträge und der im Allgemeinen freiheitlicheren Handelspolitik, die 1822 von dem Handelsminister Huskisson inaugurirt und später insbesondere von Robert Peel fortgesetzt wurde, hielt man in England noch längere Zeit an verschiedenen Beschränkungen des auswärtigen Handels fest. Erst ein Jahrzehnt nach dem zuletzt erwähnten Vertrage begann man andern Staaten das Recht einzuräumen, auch Waaren aus den Häfen eines dritten Landes nach England einzuführen. Der erste Vertrag dieser Art ward am 3. Juli 1838 mit Desterreich abgeschlossen. Im Art. 4 desselben ward stipulirt, daß Desterreichische Schiffe und ihre Ladung von den Häfen an der Donau bis Galah inclusive bei ihrer Ankunft in England ebenso günstig behandelt werden sollten, als wenn sie direct aus Desterreichischen Häfen gekommen wären. Aehnliche Privilegien erhielt Preußen im Namen des Zollvereins, indem nach dem Vertrage vom 2. März 1841 die Nordseehäfen zwischen der Mündung der Maas und Elbe hinsichtlich des Handels mit England als Zollvereinshäfen angesehen werden sollten, und Preußische Schiffe aus diesen Häfen auch Artikel nicht zollvereinsländischen Ursprungs nach England und alle Zollvereinsproducte nach den Britischen Colonien einführen konnten. 1843 folgte ein Vertrag mit Rußland, nach welchem die Häfen an den Mündungen des Niemen, der Weichsel und jedes anderen Rußland durchfließenden Stromes als Russische zu betrachten waren. Auch Oldenburg, Mecklenburg, Holland und Hannover erhielten später ähnliche Begünstigungen.

Nachdem so die Bestimmungen der Cromwell'schen Navigationsacte, die seit fast 2 Jahrhunderten als Palladium der Englischen Handelsmacht gegolten hatten, im Laufe der Zeit vielfach durchlöchert waren, mußten schließlich auch die letzten Beschränkungen fallen. Das einmal als richtig anerkannte Freihandelsprincip mußte allmählich auf allen Gebieten des wirthschaftlichen Lebens zum Durchbruch gelangen. Nach der 1846 erfolgten Aufhebung des

alten, strengen Korngesetzes und der Freigebung des Kornhandels ward 1849 auch der Rest der Navigationsacte beseitigt. In Folge dessen öffneten sich nunmehr die Häfen Großbritanniens den Schiffen aller Nationen, einerlei aus welcher Weltgegend dieselben Waaren herbeibrachten. 1854 folgte auch die Freigebung der bisher noch der Englischen Flagge vorbehaltenen Küstenschifffahrt.

Der Deutsche Zollverein verfolgte, wie das an seiner Spitze stehende Preußen, schon früher als England eine den freieren internationalen Verkehr begünstigende Handelspolitik.1) Ein 1839 mit Holland abgeschlossener Vertrag enthielt Bestimmungen über die Zulassung verschiedener Waaren auf Schiffen der Vereinsstaaten seewärts und stromwärts in den Niederlanden und die Zusicherung, die Boden- und Industrieerzeugnisse des Zollvereins in den Niederländischen Colonien auf dem Fuße der meistbegünstigten Nation zu behandeln. Dagegen gewährte der Zollverein eine Herabseßung verschiedener Tariffäße. Auch verpflichtete er sich bestimmte, zur Zeit bestehende Zollfäße nicht zu erhöhen. 2) Der Zollverein schloß ferner 1839 mit Griechenland, 1840 mit der Türkei, 1844 mit Belgien und Portugal und 1845 mit Sardinien Handelsverträge ab, die den gegenseitigen Verkehr in manchen Punkten erleichterten. Der Verträge mit Desterreich ist bereits oben (§ 42) gedacht worden.

Den Hauptantheil am Welthandelsverkehr nahmen aber in Deutschland die außerhalb des Zollvereins verbliebenen Hansestädte Hamburg und Bremen, welche zur Sicherung ihrer Schifffahrt successive fast mit allen Seestaaten der Welt Handelsverträge abschlossen. Am wichtigsten war der durch Vertrag vom 29. September 1825 geregelte Verkehr mit England. Nach diesem Vertrag sollten die beiderseitigen Schiffe bezüglich der Schiffsabgaben den nationalen gleichgestellt und auch zur Einführung derselben Waaren, wie die nationalen Schiffe berechtigt sein. Auch bezüglich der Ausfuhr, Rückzölle 2c. ging man von dem Grundsaße der Reciprocität aus. Durch eine Supplementarconvention von 1841 ward dieser Vertrag auch zum Theil auf den Verkehr mit den auswärtigen Britischen Besitzungen ausgedehnt. Zu ähnlichen Reci= procitätsverträgen oder doch Reciprocitätsdeclarationen kam es mit verschiedenen Deutschen Staaten, Belgien, Schweden, Norwegen, Rußland, Sardinien, Monaco, Griechenland und der Türkei sowie von transatlantischen Ländern mit den Vereinigten Staaten, Mexico, Venezuela, Ecuador, Haiti, Brasilien, Persien, Siam, China und Zanzibar.

Zäher als alle anderen Culturstaaten hat Frankreich an dem alten nationalen Protectionssystem festgehalten. Auch die liberalere Juliregierung än= derte die bisherige Französische Handelspolitik nicht. Nachdem der Plan einer 3olleinigung mit Belgien aufgegeben war, ward ein beiden Staaten gewisse Zollermäßigungen gewährender Handelsvertrag abgeschlossen. Die Regierung aber wagte kaum diesen bei den Industriellen Frankreichs auf große Opposition stoßenden Vertrag den Kammern vorzulegen. Als Letzteres 1845 geschah,

ward derselbe nur in Berücksichtigung des Umstandes, daß er schon am 15. August 1846 ablief, genehmigt. Aehnlich erging es mit der 1843 abgeschlossenen Convention mit Sardinien, nach welcher gegen eine Begünstigung Französischer Weine die Zulassung Piemontesischen Schlachtviehs zu einem gerin= gen Zollsatz erfolgen sollte. Um die Opposition in den Kammern zu besiegen, sah sich Guizot genöthigt, die auf 6 Jahre festgesette Vertragsdauer durch ein neues Abkommen auf 4 Jahre herabzumindern, aber auch dann gelang es ihm nur die Genehmigung der Kammer zu erlangen, nachdem er aus der Annahme des Vertrages eine Cabinetsfrage gemacht hatte. 3)

1) Bewundernd sagte 1820 eine Petition der Stadt London an das Unterhaus von der Preußischen Handelspolitik, »that a policy founded on these principles would render the commerce of the world an interchange of mutual advantages and diffuse an increase of wealth and enjoyment among the inhabitants of each state. (Speeches of Huskisson II, p. 465).

2) Dieser Vertrag wurde jedoch später, da sich herausstellte, daß der Verbrauch an Erzeugnissen des Zollvereins in Holland und dessen Colonien ein geringer war, abseiten des Zollvereins wieder gekündigt.

3) Die in diesen Zeitraum fallenden, in gewisser Beziehung hierher gehörigen Verträge zur Unterdrückung des Sclavenhandels sind in einem besonderen Abschnitt dieses Handbuchs behandelt. Bezüglich der 1857 vereinbarten Aufhebung des lästigen Sundzolles und der Schifffahrtsverhältnisse im Schwarzen Meer kann auf den Abschnitt dieses Handbuchs über das Seegebiet der Staaten verwiesen werden.

§ 44.

Die Handels- und Seeschifffahrtsverträge von 1860 bis zur Gegenwart.

Literatur: Beer, Allgemeine Geschichte des Welthandels, Th. III, 1864 — 1884. - Strauch, Das Fremdenrecht, besonders mit Rücksicht auf Handel und Gewerbebetrieb der Ausländer in den Großstaaten der Gegenwart nach den neuesten internationalen Verträgen, in Goldschmidt's Zeitschrift für das gesammte Handelsrecht, Bd. XIII, 1869, S. 1 ff. Boiteau, Les traités de commerce, 1863. Ernst Meier, Handelsverträge, in Holzendorff's Rechtslexikon, Bd. I, 1875, S. 755 ff. v. Aufseß, Die Zölle, Steuern und vertragsmäßigen auswärtigen Handelsbeziehungen des Deutschen Reichs, in Hirth's Annalen des Deutschen Reichs, 1880, S. 609 ff.

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Mit dem zweiten Französischen Kaiserreich begann eine neue Aera der Französischen Handelspolitik, die auch für die allgemeine Entwickelung der Handels- und Schifffahrtsverträge von epochemachender Bedeutung wurde. Nachdem die erste Industrieausstellung zu London die Ueberlegenheit Frank

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