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daß man Finanzzölle nur im äußersten Nothfalle herabseßte, während jezt die Regierung davon ausgeht: die Finanzzölle sind das Hauptverhandlungsobject bei Handelsverträgen und zur Herabseßung von Schußzöllen schreitet man ungern, nur dann, wenn es geschehen kann, ohne daß die Industrie geschädigt wird. Das ist doch auch der richtige Standpunkt, denn wenn wir in einem Handelsvertrage allgemeine Vortheile erreichen für das ganze Land, dann ist es geboten, daß die Zeche nicht ein einzelner Industriezweig zahlt, sondern daß die Allgemeinheit den 3ollerlaß trägt, daß sie die Mittel, die dadurch der Reichskasse verloren gehen, anderweitig aufzubringen hat."

Die Reaction Deutschlands auf wirthschaftlichem Gebiet ist aber, auch abgesehen von den Handelsverträgen, für andere Staaten insofern von Bedeutung geworden, als das gegebene Beispiel einer Aenderung der Zollpolitik Nachahmung fand. Insbesondere ist dies in Desterreich, Italien, Rußland und Griechenland der Fall gewesen, während in Frankreich die betreffende reactio= näre Strömung durch die Opposition der Kammermajorität zum Stillstand gebracht wurde. Welche Resultate die neueste Schußzzollbewegung ferner erzielen und wie lange sie noch andauern wird, läßt sich zur Zeit nicht sagen. Jedenfalls kann ihr Auftreten vom Standpunkte des internationalen Verkehres aus nur als ein bedauerlicher Rückschritt bezeichnet werden, welcher immer mehr die internationalen Errungenschaften der freiheitlichen Handelsvertragsbewegung der 60 er und 70er Jahre zu zerstören droht. Das Großartige jener von Napoleon III. eingeleiteten, von England und Preußen energisch geförderten Bewegung bestand in der ihr zu Grunde liegenden Erkenntniß, daß der eigene Handel und die eigene Production nicht besser als durch eine Erleichterung des Verkehrs der Nationen unter einander gefördert werden können. Will man unter successiver Vernichtung des dadurch Erreichten die einzelnen Staaten wieder durch neuerrichtete Zollschranken künstlich von einander trennen, so ist man dazu doch nur berechtigt, wenn jene freieren Principien nachweislich die wirthschaftliche Existenz der Staaten bedrohten. Ein Nachweis nach dieser Richtung hin ist wohl hier und da versucht, ader jedenfalls nicht in genügender Weise erbracht, um das, was Jahrzehnte hindurch als ein Fortschritt unsres Jahrhunderts gepriesen wurde, plößlich zum alten Eisen zu werfen.

1) Die betreffenden Zölle sollten in spätestens drei Jahren noch weiterhin bis zu 25 % des Werthes herabgesezt werden. Ferner willigte Frankreich in die Umwandlung der Werthzölle für die betreffenden Britischen Artikel in specifische Zölle, worüber noch eine besondere Uebereinkunft vorbehalten wurde.

2) Bei den Bestimmungen über Salz, Wein und Zucker wurden nicht nur die Zollfäße, sondern auch die Acciseabgaben für die Einfuhr dieser Artikel aus Frankreich nach Belgien geregelt.

3) Eine Reform des Türkischen Zolltarifs wird indeß seit längerer Zeit vorbereitet und scheint demnächst ihrer Verwirklichung entgegenzugehen. Auf Grund

des Projectes derselben haben auch bereits Verhandlungen betreffend den Abschluß neuer Handelsverträge mit Deutschland und anderen Staaten stattgefunden.

4) Eine Consequenz der neuen Wirthschaftspolitik war auch das 1881 erlassene Reichsgeseß über die Küstenfrachtfahrt, welches lettere der nationalen Flagge vorbehielt. Doch ist durch Kaiserliche Verordnung und Verträge verschiedenen Staaten gegenüber eine Ausnahme von der allgemeinen Regel statuirt. (Vgl. bezüglich der Küftenschifffahrt den Abschnitt dieses Handbuchs über das Seegebiet der Staaten.)

5) Man hat daher auch in diesen Verträgen den Beginn einer Rückkehr zu den früheren Principien gesehen. So sagte der Abgeordnete Bamberger: „Ich habe bereits bei Gelegenheit des Italienischen Handelsvertrages zu bemerken Gelegenheit genommen, daß die Wege, die die verbündeten Regierungen jezt mit den Handelsverträgen gehen, grade die Wege der sog. Freihändler sind, und daß wir uns nur Glück wünschen können, daß sie von Schritt zu Schritt uns immer wieder dem Ideal nähern, den Handelsverträgen, welche durch gegenseitige Verkehrserleichterung die Vortheile auf beiden Seiten viel besser herbeizuführen suchen als durch gegenseitige Erschwerungen des Verkehrs." (Stenographische Berichte der Reichstagsverhandlungen, V. Legislaturperiode, III. Seffion, 1883, S. 20.)

§ 45.

Die Freundschaftsverträge.

Literatur: Beer, Allgemeine Geschichte des Welthandels, Th. III, 1864–1884. v. Kaltenborn, Handelsverträge, im Deutschen Staatswörterbuch, Bd. IV 1859, S. 69 ff. Derselbe, Schifffahrtsverträge, daselbst, Bd. IX, 1815 S. 228 ff. E. Meier, Handelsverträge, in v. Holzendorff's Rechtslerikon, Bd. I, 1875, S. 755 ff. Strauch, Das Fremdenrecht, besonders mit Rücksicht auf Handels- und Gewerbetrieb der Ausländer in den Großstaaten der Gegenwart nach den neuesten internationalen Verträgen, in Goldschmidt's Zeitschrift für das gesammte Handelsrecht, Bd. XIII, 1869, S. 12ff. v. Aufseß, Die Zölle, Steuern und vertragsmäßigen auswärtigen Handelsbeziehungen des Deutschen Reichs, in Hirth's Annalen, 1880, S. 609 ff. Die Englischen Blauund die Deutschen Weißbücher. Die Deutsche Colonialpolitik, Heft 1-3, 1885.

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Eine besondere Kategorie der neueren Handelsverträge bilden schließlich noch die sog. Freundschafts- oder Handels-, Schifffahrts- und Freundschaftsverträge, 1) welche von den Culturstaaten unseres Jahrhunderts mit Persien, China, Japan und anderen von der modernen Civilisation mehr oder weniger unberührt gebliebenen Ländern abgeschlossen wurden, und deren Hauptzweck dahin geht, den internationalen Handelsverkehr mit diesen, das Völkerrecht des Europäisch-Amerikanischen Staatensystems noch nicht principiell anerkennenden Ländern erst rechtlich zu schaffen resp. sicher zu stellen. 2)

a. Verträge mit Asiatischen Staaten.

Der erste Staat, welcher seine commerciellen Beziehungen zu Persien durch Verträge regelte, war Rußland. Im Tractat von Turkmantschay (22 Fe

bruar 1828) erlangten die Russen nicht nur verschiedene Gebietsabtretungen sondern auch große Handelsvortheile. Es ward stipulirt, daß bei vorkommenden Fallissementen Persischer Unterthanen vor Allem die Schuldforderungen Russischer Unterthanen liquidirt und zu ihrem vollen Betrage ausgezahlt werden sollten. Ferner ward den Perfern die Beschiffung des Kaspischen Meeres untersagt. Durch den Vertrag von Tiflis (1846) wurden weiter zwei Persische Häfen am Kaspisee als Stationshäfen Russischen Schiffen eingeräumt. England folgte mit einen 1841 abgeschlossenen Vertrag, in welchem bestimmt wurde, daß Englische Waaren nur den cinfachen Einfuhrzoll entrichten und von weiteren Abgaben befreit sein sollten. Ein Jahr darauf erhielten Spanien und Belgien die gleichen Vortheile. Mit Frankreich wurde 1847 ein Vertrag vereinbart, welcher den Franzosen die freie Niederlassung in den Ländern des Schah gewährte, doch ward dieser Vertrag von der Persischen Regierung erst 1855 ratificirt.

Seit Mitte der fünfziger Jahre strebte Persien danach, sich dem Einflusse der beiden großen Rivalen in Asien - England und Rußland zu entziehen und anderweitige Allianzen zu schließen. In Folge dessen kam es in den Jahren 1856 1858 zu weiteren Handelsverträgen mit Sardinien, Desterreich, dem Zollverein, den Hansestädten, den Niederlanden, Belgien, der Schweiz und sogar mit dem päpstlichen Stuhle. Alle diese Verträge enthalten Bestimmungen über die Stellung der Botschafter, den Schuß der handeltreibenden Unterthanen, die Behandlung der ein- und ausgeführten Waaren nach dem Rechte der meistbegünstigten Nation, die Entscheidung bei Processen und Streitigkeiten, den Nachlaß der Verstorbenen, die Befugniß zum freien Herumreisen im Lande u. s. w.3)

Siam wurde durch den im April 1855 mit England abgeschlossenen Handelsvertrag dem Weltverkehr geöffnet. Andere Handelsmächte folgten und schlossen gleichfalls Tractate ab, unter ihnen auch der Deutsche Zollverein und die beiden Mecklenburg am 7. Februar 1862. Nach diesen Verträgen darf Opium zollfrei eingeführt, aber nur an die Regierungsbeamten verkauft wer=

Im Uebrigen unterliegen alle Waaren einem Eingangszoll von 3% des Marktpreises. Einzelne Artikel sind mit einem hohen Exportzoll belegt.*) Angehörige der Vertragstaaten, die in Siam ihren Wohnsiß aufschlagen wollen, dürfen dies ohne besondere Erlaubniß der Siamesischen Behörden vorerst nur im Bangkok oder einem bestimmten Bezirke, dessen Gränzen genau festgesezt sind. Innerhalb dieser Gränzen dürfen sie abgesehen von bestimmten Districten auch Grundstücke erwerben. Wollen sie außerhalb der= selben reisen, so bedürfen sie eines Passes der Siamesischen Behörden. 5)

Mit Annam schloß Frankreich 1862 und 1874 Verträge ab, durch welche mehrere Häfen des Königreichs und der untere Stromlauf des Nhi-Ha (fleuve rouge) dem Handelsverkehr geöffnet wurden. Seitdem ist auch 1880 ein Handelsvertrag zwischen Spanien und Annam zu Stande gekommen. 6) Bei der Eröffnung der Annamitischen Häfen hoffte man namentlich den

Verkehr der Hinterländer, besonders der Chinesischen Provinzen, hierher zuleiten, doch hat sich derselbe bisher nur wenig entwickelt. 7)

Viel wichtiger als Annam und Siam sind China und Japan für den Welthandel geworden. Der Handel der Europäer mit China war zu Anfang dieses Jahrhunderts unbedeutend. Die Portugiesen schickten alljährlich einige Schiffe dahin, doch gehörte die Ladung größtentheils Englischen Kaufleuten in Bengalen, welche unter Portugiesischer Flagge Waaren nach Macao schickten. Auch der Verkehr der Vereinigten Staaten, Englands, Frankreichs und Spaniens mit dem Reiche der Mitte war im Ganzen nur gering. Die Bemühungen Rußlands, von der Seeseite aus Zutritt zu erlangen, hatten keinen Erfolg. Seit 1834 nahm zwar der Verkehr der Engländer zu, doch mußten die Kaufleute sich mancherlei Unbill gefallen lassen. Eine bestimmte Classe von Chinesen, Hong genannt, mußte die Fremden beaufsichtigen und für ihr gefeßliches Betragen Bürgschaft leisten. Die Hong seßten aber nicht nur die Preise der Waaren ganz willkürlich fest, sondern erhoben auch besondere Abgaben, um die Schulden einzelner Fremden, die ihre Zahlungen eingestellt hatten, zu decken. Weiter entstanden Streitigkeiten dadurch, daß das Chinefische Verbot der Opiumeinfuhr durch einen immer größere Dimensionen annehmenden Schmuggel umgangen wurde. Schließlich verbot eine kaiserliche Verordnung den Engländern für ewige Zeiten den Zutritt zum Lande. Die andern Nationen durften zwar nach wie vor Canton besuchen, doch wurde ein höherer Zoll von ihnen erhoben. Auch ward ihnen untersagt, Englische oder Indische Waaren einzuführen.

Da eine Aenderung dieses Zustandes auf friedlichem Wege nicht zu erlangen war, griff England 1840 zu den Waffen. Nach zweijährigem Kriege ward am 29. August 1842 der Friede von Nanking unterzeichnet. China trat an England die Insel Hongkong ab, öffnete den Engländern außer Canton die Häfen Amoy, Fu-tscheu, Ningpo und Schanghai und verpflichtete sich hier auch Consuln zuzulassen. Der Opiumhandel blieb verboten. Durch weitere Ver= träge erlangten 1844 und 1845 auch Nordamerika und Frankreich die gleichen Rechte wie England.8) 1850 aber gelangte mit dem Regierungsantritt des Kaisers Hienfong eine den,,Barbaren" feindliche Altchinesische Partei ans Ruder, deren Politik auf eine Beseitigung oder wenigstens Umgehung der in den vierziger Jahren geschlossenen Verträge gerichtet war. Nach vielfacher Verlegung der Verträge kam es 1856 wieder zum Kriege, der diesmal von England, Frankreich und den Vereinigten Staaten gemeinsam geführt wurde. Der Waffengewalt weichend, schloß dann China 1858 zu Tientsin neue Verträge mit England, Frankreich, Amerika und Rußland ab. Durch diese wurde eine Reihe weiterer Häfen sowie der Jangtsekiang den Schiffen der Fremden eröffnet. Ferner ward, abgesehen von Zollerleichterungen, stipulirt, daß Fremde mit kaiserlichen Pässen im ganzen Umfange des weiten Reiches reisen und nur nach Peking in Handelsgeschäften nicht kommen dürften, sowie daß die Christen im Reiche

nicht verfolgt werden sollten. Auch die Opiumeinfuhr wurde gegen einen Eingangszoll gestattet. Doch sollen nur Chinesen Opium ins innere Land einführen. Obgleich diese Verträge in bindender Weise abgeschlossen waren, ver weigerte die Chinesische Regierung schließlich die Ratification. Erst als die Fremden den Krieg wieder begonnen hatten und siegreich bis zu den Thoren der Hauptstadt vorgedrungen waren, gelang es, die Bestätigung der Tientsiner Tractate durch den Pekinger Vertrag von 1860 zu erlangen. Am 2. September 1861 ward ferner zu Tientsin ein Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag zwischen China einerseits und dem Deutschen Zollverein, den Hansestädten und den beiden Mecklenburg andererseits unterzeichnet, durch welchen auch Deutschland die England und den andern Mächten gewährten Rechte zugesichert wurden. Aehnliche Verträge hat das Himmlische Reich seit dem noch mit Dänemark, den Niederlanden, Spanien, Belgien, Italien, Desterreich, Japan, Peru und Brasilien abgeschlossen. Nach der Tschifu-Convention von 1876 und der Zusagconvention zum Freundschaftsvertrage mit Deutschland von 1880 sind jetzt im Ganzen 26 Pläße den Fremden geöffnet.9) Endlich ist nach dem 1885 zu Tientsin abgeschlossenen Französisch-Chinesischen Friedensvertrage auch der Handel über die Landgränze zwischen Longking und China gestattet. Dieser Handel muß jedoch auf bestimmten Punkten stattfinden, die später festgestellt werden sollen, und deren Zahl und Auswahl nach der Richtung und dem Umfang des Handels zu bestimmen ist. Jedenfalls werden aber zwei solcher Punkte auf der Chinesischen Gränze festgesett werden und sollen die Kaufleute dort dieselben Rechte genießen wie in den geöffneten Häfen. 1o)

In Japan war seit Jahrhunderten nur ein beschränkter Verkehr mit den Holländern gestattet. Elf Holländische Beamte wurden auf der Insel Desima vor Nagasaki wie in einem Gitterkäfig strenge bewacht, durften das Festland kaum je betreten und waren auch sonst den größten Demüthigungen ausgeseßt. Alle Bemühungen, eine Beseitigung der harten Maßnahmen zu er zielen, waren vergeblich. Auch widersetzte sich Japan ebenso hartnäckig den auf Anknüpfung von Handelsverbindungen gerichteten Versuchen anderer Nationen. Nachdem aber China 1842 fünf Häfen geöffnet, ließ sich das Sperrsystem nicht länger aufrecht erhalten. Eine Machtentfaltung der Vereinigten Staaten in der Bay von Jedo führte zu einem am 31. März 1854 von Commodore Perry abgeschlossenen Vertrage, durch welchen die Häfen Hakodate und Simoda den Amerikanern geöffnet wurden. In legterem Plat sollte auch ein Consul zugelassen werden. Bei Seenoth oder stürmischem Wetter wurde den Amerikanern das Einlaufen in jeden Hafen verstattet.

In ähnlicher Weise wie die Amerikaner erzwangen die Engländer am 14. October 1854 die Zulassung in die genannten Häfen, zu denen noch Nas gasaki hinzutrat. 1855 folgte ein Vertrag mit den Niederlanden, welcher diese auch von den früheren Beschränkungen befreite, sowie ein Handels- und Gränzvertrag mit Rußland. Schon 1857 und 1858 wurden neue Verträge mit

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