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Meistbegünstigungsclausel erwähnt, zwischen reinen Tarifverträgen, in denen bestimmte Tariffäße festgestellt werden, reinen Meistbegünstigungsverträgen, die keine Tarifsätze normiren, und Tarifverträgen mit Meistbegünstigungsversprechen. Unter Feststellung von Tariffäßen ist jedoch nur eine Feststellung ihres Maximalbetrages zu verstehen. Die dem andern Contrahenten nur günstige Herabsehung der Tarifpositionen kann während der Vertragsdauer auch autonom erfolgen, nur schließt eventuell die Meistbegünstigungsclausel eine differentielle Herabsetzung aus. Den Tarifvereinbarungen kann entweder der allgemeine oder Generaltarif der Contrahenten, welcher autonom festgestellt und, soweit nicht entgegenstehende Vertragsbestimmungen vorliegen, allen Ländern gegen= über anzuwenden ist, oder ein abweichender sog. Conventionaltarif zu Grunde gelegt werden. Eine Vereinbarung auf Grund des schon bestehenden Generaltarifes wird nur geschehen, um den andern Contrahenten gegen die sonst jeden Augenblick mögliche autonome Erhöhung der betreffenden Tariffäße sicher zu stellen. Der Conventionaltarif, welcher der Natur der Sache nach für den andern Contrahenten günstiger sein wird als der Generaltarif, 2) kann an sich mit verschiedenen Vertragstaaten verschieden vereinbart werden. Die übliche Meistbegünstigungsclausel bewirkt aber, daß ein Staat, der diese in alle seine Verträge aufgenommen hat, neben seinem autonom erlassenen Generaltarif nur einen, durch die Vertragsbestimmungen genau festgestellten Conventionaltarif haben kann. Was das Verhältniß vom General- zum Conventionaltarif betrifft, so kann die Anwendung des ersteren sowohl die Regel wie die Ausnahme bilden, ja auch thatsächlich ganz ausgeschlossen sein. 3)

Die einzelnen sich auf die Einfuhr beziehenden Tarifbegünstigungen werden in den Verträgen zugesichert theils für die Boden- und Industrieerzeugnisse des vertragschließenden Landes, theils für die aus dem betreffenden Lande herstammenden oder in demselben verfertigten Gegenstände, theils für rohe Naturerzeugnisse und gewerbliche Erzeugnisse oder für die Gegenstände der Herkunft (Provenienz) oder Fabrication des Landes, theils auch für die Provenienz überhaupt. In allen diesen Fällen beziehen sich die Zollbegünstigungen, sofern nicht etwa andre specielle Vertragsbestimmungen entgegenstehen, nur auf die eignen Producte und Fabricate des betreffenden Landes und nicht auf die in seinen Eigenhandel übergegangenen Producte und Fabricate dritter Staaten. Insbesondere muß mit Schraut angenommen werden,) daß der Ausdruck Provenienz" mit Abstammung identisch ist und nicht ohne Weiteres auf jede aus dem Gebiete des andern Contrahenten eingeführte Waare bezogen werden kann. 5)

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Schwierig ist die Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Stoff oder Gegenstand durch Verarbeitung (Fabrication) in einem andern Lande nationalisirt wird. Allgemeine Regeln werden sich darüber kaum aufstellen lassen. Doch fällt eine große Anzahl von Operationen wie z. B. die Herstellung einer Maschine aus theilweise ausländischen Bestandtheilen, von Bier aus ausländischer Gerste, von Cigarren aus fremdem Tabak und von

Geweben aus ausländischen Garnen unbestrittenermaßen unter den Begriff der einheimischen Fabrication. Zweifelhafter, meint Schraut, 6) könne dies in andern. Fällen, z. B. bezüglich des Schälens von Reis, 7) der Reinigung rohen Petroleums, der Gewinnung eines feineren Drahtes aus ausländischem Walzdrahte sein. ,,Im Allgemeinen," fährt der genannte Autor fort,,,wird sich kaum der Grundsat vertreten lassen, daß jede, auch die kleinste Thätigkeit geeignet sei, einen ausländischen Stoff zu nationalisiren, und daß jede Waare, die Gegenstand irgend einer Manipulation in einem Lande war, sofort als Waare dieses Landes aufzufassen sei. Es wird vielmehr die Bedeutung der verwendeten heimischen Arbeit und der Umstand in Betracht zu ziehen sein, in wieweit durch einen technischen Proceß eine Verbesserung bezw. eine Umwandlung der Waare in einen andern Gegenstand stattfinden." Aus diesen Ausführungen wird sich, so richtig sie an sich sind, eine allgemeine, praktisch verwendbare Regel doch nicht entnehmen lassen, wenn man nicht etwa zu einer analogen Anwendung der privatrechtlichen Grundsäße über den Eigenthumserwerb durch Specification

abgesehen natürlich von dem Erforderniß der bona fides des Specificanten -seine Zuflucht nehmen will. Uebrigens würden auch diese Grundsäte praktisch wenig helfen, denn mit Recht sagt Windscheid:o) „Die Frage, was dazu gehört, damit man sagen könne, es sei eine neue Sache geschaffen, ist keine juristische Frage, sie kann nur nach der Verkehrsauffassung beantwortet werden." Am besten wird man u. E. von allgemeinen Regeln ganz absehen und im einzelnen Fall, wie Windscheid bei der Specification, auf die Verkehrsauffassung recurriren. Läßt sich solche nicht mit genügender Sicherheit consta= tiren, so wird unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Falls nach aequum et bonum zu entscheiden und dabei der Begriff der Fabrication oder Bearbeitung nicht allzu eng zu begränzen sein.

Um späteren Differenzen vorzubeugen, hat man indeß in einzelne Handelsverträge entsprechende Specialbestimmungen aufgenommen. So heißt es 3. B. im Schlußprotocoll zum Deutsch-Schweizerischen Handelsvertrage von 1881: „Unter Garnen und Geweben einheimischer Erzeugung werden die im Versendungslande selbst gesponnenen Garne und selbst gewebten Gewebe, dann folche Garne und Gewebe verstanden, welche zwar in rohem Zustande aus dem Auslande eingeführt und nach zollamtlicher Behandlung in den freien Verkehr Sesetzt worden, jedoch im Versendungslande gebleicht oder gefärbt oder bedruckt oder gesengt oder appretirt oder mit Dessins versehen worden sind, um dann einer weiteren Bearbeitung oder Verarbeitung im Veredlungslande zugeführt zu werden." Ferner ist im Schlußprotocoll des Deutsch-Spanischen Vertrages von 1883 festgestellt, daß Spanien nur denjenigen bei ihm eingehenden Sprit als Deutsche Waare behandeln werde, welcher aus Deutschem Rohspiritus in Deutschland hergestellt worden. 9) Bei der oben erörterten Schwierigkeit einer Entscheidung in zweifelhaften Fällen müssen derartige Specialfeststellungen überaus wünschenswerth erscheinen. Allerdings ist es unmöglich, alle Fälle, die früher oder später zu Differenzen Anlaß geben können, vorauszusehen, doch

wird man schon auf Grund der bisher nach der einen oder anderen Richtung hin gemachten Erfahrungen in der Lage sein, manche Controversen von vornherein auszuschließen. Schon bei Erörterung der Meistbegünstigungsclausel (§ 49) ist erwähnt, daß nach einer autonomen Bestimmung der Französischen Regierung nur solche Waaren als durch Fabrication im Fabricationslande nationalisirt gelten sollen, welche in Folge der betreffenden Fabrication in eine andere Zollclasse kommen. Gegen diese Bestimmung wird von andern Staaten aus praktischen Gründen wenig einzuwenden sein, weil Frankreich in seinem 3ollsystem eine große Anzahl von Zollclassen aufgestellt hat, und demnach die irgendwie bearbeiteten Waaren leicht in Folge der Bearbeitung in eine andere Zollclaffe fallen werden. An sich aber kann ein Staat durch solche autonome Bestim= mung nicht ohne Weiteres eine den Inhalt seiner mit andern Ländern geschlossenen Verträge ergänzende, für die betreffenden Vertragsstaaten rechtsverbindliche Norm schaffen.

Endlich ist noch zu erwähnen, daß für den Nachweis der Herkunft von Waaren aus einem in Bezug auf den Tarif begünstigten Lande auch oft Ursprungsatteste verlangt werden. Solche Atteste müssen meist von Behörden des andern Staates ausgestellt sein, doch begnügt man sich unter Umständen auch mit sonstigen glaubhaften Bescheinigungen, wie Schiffspapieren, Facturen, Originalfrachtbriefen und kaufmännischen Correspondenzen. In einzelnen Verträgen ist das Recht, Ursprungszeugnisse zu verlangen, ausdrücklich zugesichert. So heißt es z. B. im Deutsch-Spanischen Vertrage von 1883:,,Die Hohen vertragschließenden Theile behalten sich das Recht vor, bei der Einfuhr von Waaren und zum Nachweise der einheimischen Abkunft oder Fabrication die Vorlegung von Ursprungszeugnissen zu fordern." Eine besondere Bestimmung über Ursprungszeugnisse findet sich im Deutsch-Portugiesischen Handels- und Schifffahrtsvertrag von 1872. „Der Importeur," heißt es hier,,,hat der Zollbehörde des andern Landes eine Bescheinigung vorzulegen, durch welche bezeugt wird, daß die eingeführten Waaren einheimischer Herkunft oder Fabrication sind. Die Bescheinigung kann bestehen entweder in einer amtlichen, von einer Behörde am Ort der Versendung abgegebenen Erklärung oder in einem vom Vorstand des Ausgangszollamts ausgestellten Zeugniß oder in einem von dem am Versendungsort oder Verschiffungshafen residirenden Consul oder Consularagenten des Landes, wohin die Einfuhr erfolgen soll, ausgefertigten Zeugniß." Nach der Deutsch-Rumänischen Handelsconvention von 1877 foll ausnahmsweise die vor dem betreffenden Zollamte erfolgende Vorlegung der über die fraglichen Waaren lautenden Factura die Stelle des Ursprungszeugnisses vertreten können. Ist nichts Entgegenstehendes vereinbart, so können immer Ursprungszeugnisse verlangt werden, doch wird man, soweit es den Umständen nach nicht erforderlich, von diesem Rechte keinen Gebrauch machen. Im Allgemeinen kann es ferner nicht für zulässig erachtet werden, diejenigen Staa ten, welchen die Meistbegünstigung vertragsmäßig auch bezüglich der Zollförm lichkeiten eingeräumt ist, hinsichtlich der Anforderung sowie der wesentlichen

Modalitäten der Ursprungszeugnisse verschieden zu behandeln. Doch wird, wie Schraut richtig hervorhebt, 10) wenn die Verwaltungsorgane den Nachweis der Herkunft für die über eine bestimmte Gränzstrecke eingehenden Waaren generell als durch die Notorietät erbracht betrachten und aus diesem Grunde von der Forderung von Ursprungsattesten absehen, von dritten meistbegünstigten Staaten nicht beansprucht werden können, daß die Verwaltungsorgane auch ihnen gegenüber die Notorietät anerkennen.

Einzelne Staaten legen besonderen Werth darauf, daß die bei ihnen eingeführten Waaren auf directem Wege, d. h. ohne Vermittlung eines dritten Landes zur Einfuhr gelangen und haben daher für die indirecte Einfuhr höhere Eingangszölle als für die directe normirt. Ein solcher z. B. noch in Frankreich bestehender Zollzuschlag für die indirecte Einfuhr, welcher surtaxe d'entrepôt oder Unterscheidungszoll genannt wird, kann natürlich in Verträgen entweder generell oder für bestimmte Waaren oder Fälle ausgeschlossen werden. Im Französisch - Niederländischen Vertrage von 1865 war z. B. bestimmt, daß die aus Deutschland über die Niederlande nach Frankreich unter Beachtung gewisser Formalitäten eingeführten Waaren Deutschen Ursprungs, welche bei indirecter Einfuhr nach Frankreich einem Zuschlagszolle unterlegen hätten, so angesehen werden sollten, als ob sie direct aus Deutschland nach Frankreich eingeführt wären. Kennt das Zollsystem beider Contrahenten keine Unterscheidungszölle, so wird meist von einer Verpflichtung zur Ausschließung solcher Zölle Abstand genommen. Bei den häufigen Schwankungen in der Handels- und Zollpolitik der einzelnen Länder dürfte es sich jedoch empfehlen, vor Abschluß eines Handelsvertrages genau zu prüfen, ob es nicht rathsam sei, sich durch Aufnahme solcher Verpflichtung bei Zeiten einem früher oder später möglichen Systemwechsel gegenüber zu schüßen.

c. Aus- und Durchfuhrzölle.

Neben den Einfuhrzöllen spielen die Aus- und Durchfuhrzölle jeßt eine mehr untergeordnete Rolle. 11) Ausfuhrzölle bestehen noch in manchen Ländern für gewisse Gegenstände, (namentlich Rohproducte, wie z. B. Schwefel, Häute, Erze). Doch bilden sie in Europa nur noch in der Türkei, wo sie (abgesehen von Tabak und Salz) allgemein erhoben werden, einen wesentlichen Bestandtheil des Zollwesens. Auch übersteigen sie meist nicht den Betrag einer Controlgebühr. 12) Von der Durchfuhr werden jezt nur noch ganz ausnahms. weise (z. B. in der Türkei, Mexico, China) Zölle erhoben. 13) Die Handelsverträge beschränken sich bezüglich der Aus- und Durchfuhrzölle oft auf das Meistbegünstigungsversprechen. Doch ist in manchen Verträgen auch ausdrücklich auf Durchfuhrzölle verzichtet, so im Deutsch-Englischen Vertrage von 1865, in der Deutsch-Rumänischen Handelsconvention von 1877 und im DeutschSchweizerischen Vertrage von 1881. Im Deutsch-Desterreichischen Vertrage von 1881 ist nach einer Bestimmung desselben Inhalts noch bemerkt: „Diese Verabredung findet sowohl auf die nach erfolgter Umladung oder Lagerung

als auf die unmittelbar durchgeführten Waaren Anwendung." Andererseits ist im Deutsch-Belgischen Handelsvertrage von 1865 dem Verzicht auf Durchfuhrzölle die Einschränkung hinzugefügt: unbeschadet der besonderen Anordnungen in Beziehung auf Schießpulver, Kriegswaffen und Salz.“

d. Specifische und Werthzölle, Zollabfertigung.

Die Zolltariffäße für die einzelnen Waarenkategorien werden entweder nach dem Werth derselben oder nach äußeren Merkmalen, wie Gewicht, Stückzahl u. s. w. festgestellt. Im letteren Falle (specifische Zölle) ist im Tarif für ein bestimmtes Quantum ein bestimmter Zollsaß gegeben, aus dem sich durch ein einfaches Rechenexempel der von einer Waarenpartie zu erhebende Gesammtzoll ergiebt. 14) Bei den Werthzöllen ist im Tarif nur die Werthzollscala enthalten, dagegen der Werth der einzelnen Gegenstände nicht fixirt, vielmehr die Wertheinschätzung für jeden einzelnen Fall der Zollverwaltung überlassen. Auf die Vorzüge und Schattenseiten des einen oder andern Systems soll hier nicht näher eingegangen werden. 15) Hervorzuheben ist nur, daß es bei Werthzöllen wünschenswerth erscheinen muß, den Importeur gegen ein allzu souveränes Vorgehen der Zollverwaltung sicher zu stellen. Darauf hinzielende Bestimmungen enthält z. B. der Deutsch-Serbische Handelsvertrag von 1883. Nach demselben hat der Importeur bei der Einfuhr von Waaren, deren Verzollung in Serbien nach dem Werthe erfolgt, eine Declaration über den Werth und die handelsübliche Benennung des einzuführenden Gegenstandes zu übergeben. Als Werth, welcher der Verzollung zu Grunde zu legen ist, hat der wirkliche Verkaufspreis 16) des eingeführten Gegenstandes am Erzeugungs- oder Absendungsorte mit Hinzufügung jener Transport, eventuell auch Versiche= rungs- und Commissionsspesen zu gelten, welche für die Einfuhr nach Serbien bis zum Eintrittsorte nach der Gränze thatsächlich erwachsen sind. Wenn das Zollamt den declarirten Werth für ungenügend befindet, so hat es das Recht zu erklären, daß es die Waare gegen Auszahlung des declarirten Werthes nebst einem Zuschlage von 10 % zurückbehalte. Ein Zoll wird in diesem Falle selbstverständlich nicht erhoben. Der Importeur, dem gegenüber das Zollamt das Vorkaufsrecht ausüben will, kann die Schäzung der Waare durch Sachverständige verlangen. Wenn die Expertise ergiebt, daß der Werth der Waare den vom Importeur declarirten Werth nicht um mehr als 5 % übersteigt, so wird der Zoll dem Betrage der Declaration gemäß erhoben. Uebersteigt der von der Expertise ermittelte Werth den in der Declaration angegebenen um mehr als 5 %, so ist der Zoll in Gemäßheit des von den Sachverständigen festgestellten Werthes zu erheben. Dieser Zoll wird, wenn die Schäzung der Sachverständigen den declarirten Werth um 10 % übersteigt, um 50 % als Strafzahlung erhöht. 17)

In der Deutsch-Humänischen Handelsconvention von 1877 heißt es ferner: In denjenigen Fällen, in welchen wegen zu geringer Werthdeclaration der Zollbehörde nach der bestehenden Gesetzgebung das Vorkaufsrecht zwar zusteht,

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