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gen über die Ausübung der Controlrechte zu machen, aber die endscheidende und vertragsmäßige Instanz bleibt doch immer die Schweizerische Behörde. Gerade in dieser Hinsicht wird die Thatsache gewichtig, daß die Schweiz nicht ein völkerrechtliches Mandat übernommen hat, wonach sie allerdings zu gehöriger Rechnungsstellung auf Verlangen jedes Betheiligten verpflichtet würde und wonach sie jederzeit, zumal aus wichtigen Gründen, von ihrem Vertrauensposten abberufen werden könnte. Ferner ist an dieser Stelle daran zu erinnern, daß zwar den fubventionirenden Staaten bezüglich des Baues der Linien eine eingehende und selbständige Controle eingeräumt worden ist (Art. 11 und 12 des Haupt- und Zusatzvertrages), daß aber der Vertrag bezüglich des Betriebes etwa in Anlehnung an Art. 18 und 19 davon nichts sagt. So reducirt sich die ausdrücklich formulirte Pflicht der Schweiz auf die Vorlegung der Betriebsergebnisse.

3. Was die Frage anbetrifft, auf welche Weise die Subventionsstaaten allenfalls ihre Rechte aus dem Art. 18 geltend machen könnten, so ist zwar nicht zu leugnen, daß jene Ansprüche eine wesentlich civilistische Quelle haben: dem Effecte nach fließen sie aus einem durch internationale Geldmittel unterstüßten Gewerbe. Es relevirt an sich nicht, daß der primäre Zweck der Subventionsstaaten keineswegs auf die Erzielung eines pecuniären Gewinnes gerichtet war oder ist. Allein es ist auf's Neue zu betonen, daß die Schweiz als politische Körperschaft die völkerrechtliche Pflicht übernahm, dafür zu sorgen, daß Art. 18 nicht ignorirt und mißachtet werde. Aus der Verletzung jener Controlpflicht kann den Subventionsstaaten ein Schaden entstehen und es kann damit der mit der internationalen donatio verbundene modus verkannt werden, aber daraus entsteht nicht eine civilistische, sondern eine völkerrechtliche obligatio, die von den Subventionsstaaten wiederum, gestüßt auf die Art und den Sinn der Schenkung, gegen die Schweiz geltend gemacht werden kann. Die Subventionsstaaten können also nicht gegen den Bund vor Schweis zerischem Bundesgerichte auftreten und dort ihre eventuell eingetretenen Rechte einklagen und ebenso wenig gegen den Bundesrath etwa eine actio ex delicto in Folge vertragswidrigen Handelns erheben, wenn diese Instanz die durch den Vertrag ihr anvertrauten Pflichten nicht erfüllen sollte. Es ist nämlich wohl zu beachten, daß ja der Schweizerische Bund nicht selbst das Eisenbahntransportgewerbe bezüglich der Gotthardbahn betreibt, vermöge dessen seine fiscalische Station auch hinsichtlich der erwähnten Dividendenrechte der zwei anderen Staaten civilistisch haftpflichtig erklärt werden könnte. Ferner muß neuerdings hervorgehoben werden, daß der Bund gegenüber den zwei anderen Subventionsstaaten kein civilrechtliches Versprechen

bezüglich des erwähnten Dividendenvorbehaltes abgegeben hat. Dafür besteht im Vertrage kein Anhaltspunkt. Der Bund ließ sich von der Gotthardunternehmung die Erfüllung des internationalen Vertrages und damit implicite auch die Wahrung jener privatrechtlichen Dividendenrechte versprechen. Der Bund nimmt die Divis denden für alle Subventionsstaaten in Empfang und quittirt dafür rechtsgültig. Es ist dann eine völkerrechtliche Aufgabe der Schweiz, die Dividendenüberschüsse im Sinne des Vertrages zur Vertheilung zu bringen. Italien und Deutschland können darnach gegen die Schweiz nur eine völkerrechtliche Klage erheben, wenn sie bezüglich des Dividendenvorbehalts ihre völkerrechtliche Pflicht nicht beobachten würde. Insbesondere haben jene Staaten kein Recht, ihre Dividendenansprüche etwa gegen die Gotthardgesellschaft auf dem Wege der Civilklage geltend zu machen. Der Gotthardvertrag, welcher in allen seinen Theilen (Haupt- und Zusatz-Vertrag) von der Gesellschaft allerdings acceptirt worden ist (vgl. auch Art. 1 der alten und neuen Gesellschaftsstatuten), begründete kein directes Rechtsverhältniß privatrechtlicher Natur zwischen Deutschland und Italien gegenüber der Gesellschaft. Diese ging ihre Verpflichtungen nur gegen den Schweizerischen Bund ein (vgl. z. B. Art. 1 4 und Art. 5 1 und 2 des Vertrages). Der Bund allein war es, der die Statuten (vgl. Art. 1 derselben) genehmigte (Art. 1 i. f. des Vertrages). Der Gotthardvertrag sieht in Art. 14 2 zwischen der Gotthardgesellschaft und der Eidgenossenschaft und nicht auch noch zwischen jener und den anderen Subventionsstaaten Civilklagen vor und er bestimmt dort ein Forum, das wenigstens dann ein be= sonderes ist, wenn es sich um Klagen des Bundes handelt. Gesegt also, es wäre eine Civilklage Deutschlands und Italiens (etwa gestüßt auf einen privatrechtlich wirkenden Vertrag zu Gunsten Dritter?) gegen die Gotthardgesellschaft zulässig, so müßte sie gemäß Art. 14 1 des Vertrages bei den cantonalen Gerichten eingeleitet werden: für den einen und gleichen Thatbestand wäre dann der Proceßgang und der Gerichtsstand verschiedenartig! Würde der Schweizerische Bund klagen, so wäre das Bundesgericht competent, würden die zwei anderen Staaten klagen, so wären die Gerichte des Cantons Luzern anzurufen. Dieser Umstand darf als Indicium. für die Richtigkeit meiner Auffassung hingestellt werden, daß Italien und Deutschland durch Art. 18 des Vertrages nur völkerrechtliche Rechte gegen den Schweizerischen Bund und keine civilistischen Befugnisse gegen die Gotthardgesellschaft erworben haben. Immerhin ist nicht zu läugnen, daß an sich ein directes Versprechen der Gotthardunternehmung zu Gunsten Deutschlands und Italiens wohl hätte vorgesehen und vereinbart werden können. Allein that= sächlich erfolgte es nach meiner Ansicht nicht.

Was die Rechtsstellung des Bundes gegenüber der Gotthardbahngesellschaft anbetrifft, so stehen ihm diejenigen Rechtswege zu, welche die interne Eisenbahngefeßgebung eröffnet. Und gerade in dieser Beziehung schafft ja das neue Rechnungsgesetz eine bequeme und weitgehende Handhabe für den Bundesrath. Ueberdies wäre der Bund berechtigt, die sämmtlichen Dividendenansprüche gegenüber der Gotthardunternehmung vor Bundesgericht einzuklagen; denn es ist klar, daß die betreffende Forderung die in Art. 14 2 des Vertrages vorgesehene civilrechtliche Natur besitzt. Die Activlegitimation des Bundes, die sämmtlichen Dividendenrechte für sich und zu Handen der zwei anderen Subventionsstaaten gerichtlich einzuklagen, gründet sich auf die früher erwähnte internationale Rechtsstellung des Bundes, soweit nicht seine directen pekuniären Interessen gemäß Vertrag das eigene Klagerecht ohne Weiteres erzeugen.

1) Wanner's erstcitirte Schrift, S. 179/180.

2) Wagner, Finanzwissenschaft, 3. Aufl I, S. 717 knüpft an diese allerdings mangelhaft gewesene staatsrechtliche Stellung des Bundes die Bemerkung, daß der Fall der Gotthardbahn die ungenügende Kraft des Privatbahnwesens für solche gewaltige Unternehmungen beweise und nicht weniger die Unfähigkeit so kleiner Staatswesen wie der Schweiz und so organisirter wie der Bundesstaat, solche Aufgaben zu bewältigen. Gewiß ist es richtig, daß bei der gegenwärtigen bundesrechtlichen Stellung und vollends beim Staatsbahnsystem die Durchführung des Gotthardunternehmens mit viel weniger Schwierigkeiten hätte kämpfen müssen Um so achtenswerther ist übrigens der troßdem errreichte großartige Erfolg.

3) Vgl. Wanner's erstgenannte Schrift, S. 175 ff. und Morel a. a. D., S. 56. Die Frage wurde auch bei der Discussion über den Zusaßvertrag berührt. Vgl. Stenogr. Berichte S. 434-435.

4) Dieser bedenkliche Eisenbahnrechtsdualismus konnte allerdings nicht mehr lange dauern. Aber es ist dem Gotthardvertrage, also dem guten Einflusse internationalen Rechts zu verdanken, daß die interne Schweizerische Eisenbahngeseßgebung die Eisenbahnhoheit der Cantone im Jahre 1872 definitiv zu Grabe trug.

5) Oben II, S. 72.

6) Vgl. oben II, S. 71-72.

7) Vgl. auch in diesem Sinne Martens (ed Bergbohm) II, S. 265.

§ 62. Fortsetung.

C. Die internationalrechtliche Controverse über den Gotthard

bahnvertrag.

Thatsächlich ist zu sagen, daß auf Grund des laut dem Zusatzvertrage modificirten Bauprogramms ein Ueberschuß von Baugeldern im Betrage von ca. 10 Mill. Franken vorhanden ist. Ueber die Verwendung dieser Sum

men scheinen die Subventionsstaaten und die Gotthardunternehmung (resp. einzelne Cantone) verschiedener Ansicht zu sein. Italien und Deutschland nehmen den Standpunkt ein, daß die fraglichen Gelder nur für den Ausbau der Hauptlinie bestimmt sein können, während die Gotthardbahngesellschaft die Anficht verficht, daß jene Summen auch zur Erstellung der neuen Linien (welche nur verschoben worden waren) mit und neben der Ergänzung der Hauptlinie verwendet werden sollen.

Der im Zusatzvertrage Art. 1 geänderte Art. 2 sagt nämlich Folgendes: Die Zufahrtslinien von Erstfeld (oder Silenen) nach Göschenen und von Airolo nach Bodio sind bestimmt, im Falle des Bedürfnisses ein zweites Geleise zu erhalten. Inzwischen können diese Linien ein spurig gebaut werden.

Alle andern Linien dürfen einspurig gebaut werden [dieser Sat stand schon im Hauptvertrage].

Der modificirte Art. 3 enthält folgende Bestimmung:

Der Bau der Linien Luzern-Immensee, Zug-Arth und GiubiascoLugano wird bis zu dem Zeitpunkte verschoben, wo die Linie Immensee-Pino dem Betrieb übergeben sein wird.

Die Gotthardbahngesellschaft will nun, gedrängt von den betheiligten Cantonen, 1) neue Actien im Betrage von 5 Millionen Franken emittiren und dabei ausdrücklich Folgendes stipuliren:

Die neuen Actien participiren nach erfolgter Vollzahlung gleich den alten Actien am Ertrage der Unternehmung und es tritt somit auch die Participation des Subventions capitals am Ertrage erst ein, wenn die sämmtlichen Actien 7% erhalten haben werden.

Die Berechtigung der Gotthardbahn zur Emission neuer Actien mit der eben erwähnten Maßgabe scheint mir an sich keinem Zweifel zu unterliegen, sofern der Schweizerische Bundesrath die Einwilligung zu dieser Maßregel ertheilt.

Die internationalen Verträge, nach welchen die Subventionsstaaten ein eventuelles Dividendenrecht ansprechen können, haben ein Veto gegen neue Actienemissionen nicht nur nicht stipulirt, sondern überhaupt nicht einmal die Höhe des Actiencapitals normirt. Wohl aber ist auch hier wieder dem Schweizerischen Bundesrathe eine internationale Control aufgabe anvertraut worden. Der durch den Zusatzvertrag von 1878 in Art. I abgeän= derte Art. 3 (letter Sat) lautet folgendermaßen:

Nach der Eröffnung der Linie Immensee-Pino soll die Gotthardbahngesellschaft den Bau der drei verschobenen Linien, sobald als ihre financielle Lage es gestattet, an Hand nehmen und ausführen. Der Schweizerische Bundesrath hat zu entschei= den, ob dieser Fall vorliegt und in welcher Reihenfolge die fraglichen Linien in Angriff genommen werden sollen.

Es wird also zu gewärtigen sein, was der Schweizerische Bundesrath nach sorgfältiger Prüfung der Finanzlage der Gotthardbahn und unter Würdigung der ihm durch den internationalen Vertrag obliegenden Vertrauensstellung beschließen wird. Der von dieser Instanz, die ja internatio nal aufgestellt worden ist, zu fassende Entscheid muß als maßgebend betrachtet werden. Er kann möglicherweise dahin gehen, daß die Linie Zug-Arth vor Luzern-Immensee zu erstellen sei oder diese Linie vor jener, oder dahin, daß beide Linien zugleich, oder dahin, daß beide noch nicht gebaut werden. Ein ernsthafter Streit über die erwähnte Competenzausscheidung oder über die materielle Zulässigkeit der eben bemerkten Arten von Entscheidungen läßt sich nicht denken.

Freilich könnte die Gotthardbahngesellschaft unter Umständen gegen den Schweizerischen Bund eine Civilklage vor Bundesgericht (Art. 14 9) er heben, wenn die Subventionsstaaten (oder der Schweizerische Bundesrath) den Baurest einer vertragswidrigen Verwendung entgegen führen wollten. Die Stellung des Bundesraths ist eine bestimmt umschriebene. In dem fupponirten Falle würde eine Streitigkeit,,civilrechtlicher Natur" vorliegen. Natürlich könnte diese Klage nicht gegen alle drei Subventionsstaaten erhoben werden: passiv legitimirt wäre nur der Schweizerische Bund. Auch hier kommt

nur in anderer Gestalt der Sag wieder zur Geltung, daß der Gotthardvertrag directe Rechte und Verpflichtungen nur zwischen dem Bunde und der Unternehmung schafft. Soweit sie privatrechtlicher Ordnung sind, stehen fie (unter Vorbehalt der citirten Bestimmung des Zusatzvertrages) unter dem Schuße des vereinbarten Forums des Bundesgerichts. 2)

Am 2. Juli 1886 trat wegen der hier erwähnten Frage eine Conferenz der betheiligten Staaten in Bern zusammen, allein sie gelangte zu keinem Resultate. Abseiten des Schweizerischen Bundesraths wurde indeffen die Zusicherung ertheilt, daß der Baurestfond von 10 Millionen Franken zur eventuellen Verwendung stets disponibel bleibe. 3)

1) Vgl. die Druckschrift: Actengemäße Darstellung der Begründung der nörds lichen Zufahrtslinien zur Gotthardbahn (Zürich 1886). Diese offenbar aus officiellen Kreisen stammende Broschüre kommt zu folgenden Schlüssen:

1. Die Verpflichtung der Gotthardbahn (resp. der Schweizerischen Eidgenoffenschaft als Garantin der Verträge) zum Bau der nördlichen Zufahrtslinien steht außer Zweifel und ist nie bestritten worden.

2. Die financielle Lage der Gotthardbahn ist derart, daß sie diese Linien ohne irgendwelche Gefährdung des Stammunternehmens ausführen kann. 3. Es ist Pflicht der Gotthardbahn (resp. der Eidgenossenschaft) auf sofortige Erfüllung dieser Verpflichtungen zu dringen und anderweitiger Verwendung der verfügbaren Mittel entgegenzutreten.

Jedenfalls werden Regierungen und Bevölkerung der lange vertrösteten Landestheile so lautet der Schluß einer abermaligen Enttäuschung gegenüber sich

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