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6) Dieselben liegen gedruckt vor unter dem Titel: Protocolle über die Verhandlungen der vom 13. Mai bis 4. Juni 1878 in Bern stattgefundenen internationalen Conferenzen betreffend die Vereinbarung eines internationalen Eisenbahntransportrechts (Bern, bei Wyß, 1878) Auf S. VII-XXXIV findet sich eine Gegenüberstellung des Deutschen und Schweizerischen Entwurfs. Auf S. IL-LIX ist die Deutsche Denkschrift dazu abgedruckt.

7) Alle diese Entwürfe sind gedruckt (Bern, Wyß, 1878).

§ 65.

Die weiteren internationalen Bemühungen der zweiten und dritten Conferenz.

Literatur: Laband, Kritik des Schweizerischen Entwurfs und der Schrift von Eger in Goldschmidt's Zeitschrift für Handelsrecht XXII, N. F. VII, S. 590 -598. De Seigneux, Rapport au Congrès international pour le développement et l'amélioration des moyens de transport 1878; Kritik des Entwurfs eines internationalen Eisenbahnfrachtgeseßes ab Seite des internationalen Transportversicherungsverbandes (1878); Denkschrift des Vereins Deutscher Eisenbahnverwaltungen (1879). Lankmann, L'oeuvre de la Conférence de Berne, Rapport (1880); Revue commerciale et juridique des chemins de fer, 3ème Année, p. 609 ff.; Relazione dell' amministrazione delle strade ferrate dell' Alta Italia (Milano 1880). Carotti, Il progetto di Berna (Firenze 1881). Derselbe, Le congrès d'Amsterdam et la convention de Berne (Florence 1883) Monzilli, Annali dell' industria e del commercio 1881; Progetto di convenzione internazionale sui trasporti di merci per ferrovia (Roma 1881) Levi, La convenzione di Berna (1884): De Seigneux, Commentaire du Projet de Convention (Paris 1882).

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Die Regierungen, die Deutschen, Französischen und Italienischen Eisens bahngesellschaften, die öffentliche Meinung und die juristischen Kreise beschäf= tigten sich mehr oder weniger eingehend mit den erwähnten Entwürfen. Das Institut de droit international hatte schon in seiner Sigung in Zürich (1877) die geniale Idee der beiden Schweizerischen Juristen begrüßt.1) Das Gleiche geschah abseiten der »Association for the Reform and Codification of the law of nations (August 1878).2) Ueber die Ansichten der Regierungen verlautete längere Zeit nichts, als daß von der einen und anderen Seite Abänderungsvorschläge eingegangen seien, welche die Einberufung einer zweiten internationalen Conferenz zur Folge haben werden. 3) In der That waren eine Reihe von Modificationen proponirt worden.*)

Die zweite internationale Conferenz fand dann vom 21. September bis 10. October 1881 statt. In Folge der Berathungen wurden die Entwürfe der ersten Conferenz in vielen Richtungen abgeändert. Im Gegensaße zu dem ersten Entwurfe wurde nunmehr anstatt der Einfeßung einer internationalen Commission die Errichtung eines Centralamtes" vorgesehen, zu dessen Siz Bern

bestimmt ist. 5) Neu hinzu kamen auch Normen über nur bedingungsweise zur Beförderung zugelassene Gegenstände (Annex zu den Ausführungsbestim= mungen).

Das ganze Material der zweiten Conferenz wurde den betheiligten Staaten neuerdings Schweizerischerseits übermittelt. Es gingen dann folgende Antworten ein:

1. von Desterreich-Ungarn. Es behielt sich bei der Mittheilung des Beitritts zu den Verträgen bloß vor, noch die Frage anzuregen, inwiefern es zweckmäßig erscheinen dürfte, die zu treffenden internationalen Abmachungen durch ein den gegenseitigen Wagenübergang zwischen den Vertragsstaaten regulirendes Wagenregulativ zu ergänzen. 2. von Frankreich. Es verlangte die Prüfung der Bemerkungen der Französischen Eisenbahngesellschaften und zog das Begehren nur unter der Voraussetzung zurück, daß der Vertrag unverändert angenommen werde (mit Ausnahme einer kleinen Modification zu Art. 6 litt. c. betreffend die Angabe im Frachtbriefe, ob das Gut bahnlagernd oder an den Wohnort des Empfängers zu liefern sei).

3. von Italien. Es stimmte den Vertragsentwürfen unter der Voraussetzung ohne Vorbehalt zu, daß auch von anderer Seite keine Abänderungsvorschläge geltend gemacht werden, eventuell behielt sich die Regierung vor, die Vorschläge und Amendements, welche unter jenem Vorbehalt zurückgezogen waren, nach freiem Ermessen wieder zur Sprache zu bringen.

4. von Holland. Es verzichtete auf die gestellten Abänderungsanträge unter dem Vorbehalt, daß Seitens der übrigen Regierungen solche nicht beantragt werden.

Man war dann allseitig darüber einig, sich mit den Entwürfen der zweiten Conferenz zufrieden zu erklären, wenn auch Deutschland sie genehmige. Diese Voraussetzung erfüllte sich nicht. Deutschland stellte Abänderungsanträge sowohl bezüglich des Hauptvertrages sowie der Reglements betreffend die Errichtung eines Centralamts, als bezüglich der nur bedingungsweise zur Beförde= rung zugelassenen Gegenstände. Unter diesen Umständen waren neue Discussionen über alle eingelaufenen Vorschläge) nothwendig. Die Hoffnung auf eine baldige definitive Einigung zerschlug sich.7) Um das Werk zu fördern, hat der Schweizerische Bundesrath eine dritte internationale Conferenz veran staltet, welche ursprünglich auf den 1. September 1885 angesetzt war. Sie mußte dann aber wieder verschoben werden und wurde erst am 5.-17. Juli 1886 abgehalten. Der Bundesrath hoffte nunmehr mit Entschiedenheit, daß die neuen Berathungen zu einem Vertragsentwurfe führen würden, der alsdann ohne Weiteres den Regierungen, bezw. den geseßgebenden Behörden der Theil nehmenden Länder zur Ratification vorgelegt würde. In der That unterzeichne ten dann die Mitglieder der Conferenz (vorläufig mit Rücksicht auf Art. 11 ohne die Abgeordneten Deutschlands) am 17. Juli 1886 in Bern ein „Schluß,

Handbuch des Völkerrechts III.

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protocoll" bestehend aus den schon bei der zweiten Conferenz festgesetzten Theilen (I, II und III mit vier Anlagen), die schließlich troß mehrfacher Abänderungsvorschläge von Rußland und Frankreich wenig Aenderungen erlitten (mit Ausnahme der Art. 6 i. f., 23 i. f., 36, 40, 58 3 und 60, — um von wesentlich redactionellen Correcturen nicht weiter zu reden). Daran reiht sich (IV) das eigentliche Schlußprotocoll. Die Delegirten der Conferenz richteten an den Schweizerischen Bundesrath die Bitte, er möge die Regierungen der bei der Conferenz vertretenen Staaten einladen, Bevollmächtigte zu ernennen, welche in möglichst kurzer Frist in Bern zusammenzutreten hätten, um die festgestellten Entwürfe, ohne irgendwelche Aenderung an denselben vorzunehmen, in ein definitives Uebereinkommen umzugestalten (Schlußprotocoll, S. 37).o)

Angesichts dieser Thatsachen darf wohl gesagt werden, daß das internationale Eisenbahnprivatrecht nächstens in einer bestimmten Weise vertraglich geordnet sein wird. Es handelt sich nun darum, an dieser Stelle die hauptsächlichsten Errungenschaften und Ergebnisse dieses der Geburt so nahe gerückten internationalen Eisenbahnvertrages darzustellen, - unter Berufung auf den juristischen Sat: nasciturus pro iam nato habetur.9)

Freilich legt der Zweck der vorliegenden Arbeit ganz besonders hier ge= wisse Reserven auf, die uns zwingen, aus dem großen Materiale nur die springenden Punkte der internationalen Convention hervorzuheben.

1) Revue de droit international IX, 319/320. Vgl. dazu an dem selben Orte S. 384-386 die Antwort des Bundesrathes, ferner XIII, S. 631 und 632.

2) Journal du droit international VI, 221; von der Leyen berichtet in Goldschmidt's Zeitschrift für Handelsrecht XXV, N. F. X, S. 240-248 über die Verhandlungen der ersten Conferenz und über verschiedene Kundgebungen. Ueber einzelne Stimmen aus Frankreich vgl. Revue des chemins de fer, S. 610 ff. und 613 und Lankmann, L'oeuvre de Berne, S. 37 ff.

3) Schweiz. Bundesblatt 1879 II S. 390, 1880 II S. 866, 1881 IS 377. 4) Sie sind zusammengestellt unter dem Titel: Récapitulation des propositions modificatives (Bern 1881, bei Wyß).

5) Die Entwürfe und Berathungen der zweiten Conferenz find in Bern bei Wys 1881 gedruckt worden. Speciell die Vertragsentwürfe finden sich auf S. 1–47 des Anhangs.

6) Sie liegen gedruckt vor unter dem Titel: Zusammenstellung der Abänderungsanträge und Bemerkungen, welche zu dem in der zweiten Berner Conferenz ausgearbeiteten Entwurfe eines internationalen Frachtrechts bei dem Schweizerischen Bundesrathe eingegangen sind. Die Anträge Deutschlands sind auch separat gedruckt.

7) Asser-Rivier, Eléments de droit international, Paris (1884), S. 249, Note 1.

8) Das Schlußprotocoll ist Französisch und Deutsch gedruckt (Bern, Wyß, 1886);

ebenso ist das Protocoll über die Verhandlungen der dritten Conferenz (ebenda) gedruckt. Ich konnte dasselbe hier noch nicht verwerthen.

9) Es ist übrigens leicht möglich, daß die internationale Verständigung perfect wird, bevor diese kleine Skizze das Licht erblickt.

§ 66.

Die principielle Tragweite des Vertrages.

Unleugbar läßt sich die Frage aufwerfen, ob die Internationalisirung des Eisenbahnrechts in der versuchten Gestalt einen ernsthaften Fortschritt enthalte oder nicht. Anstatt nämlich die Dissonanzen, welche in den eisenbahnrechtlichen Anschauungen von Land zu Land bestehen, zu ebnen und auszuglätten, wird versucht, neben die bestehenden Normen des nationalen Rechts neue und selbständige Rechtsfäße zu stellen, welche für den internationalen Verkehr gelten sollen. Die positiven Rechtssatzungen werden also durch diesen Apparat nicht etwa in ihrem Gehalte unificirt, sondern es wird ein neues Recht für die Rechtsverhältnisse der internationalen Rechtsgemeinschaft constituirt. Ist dies ein wirklicher juristischer Fortschritt? Es läßt sich dies unter Berufung auf die Bemühungen für eine internationaleinheitliche Sprache, zu der sich sogar schon zwei Candidaten meldeten, bestreiten: wo soll der Reingewinn liegen, wenn neben die bestehende Vielgestaltigkeit der Sprache und des Rechts neue Variationen gestellt werden? Indessen ist nicht zu übersehen, daß die internationale Verständigung über das Eisenbahnprivatrecht einmal zur materiellen Discussion über die innere Berechtigung der einzelnen Rechtsfäße auffordert: auf dem erweiterten Boden internationaler Gemeinschaft wird Revue gehalten über die Dogmen des Eisenbahnprivatrechts und der vergrößerte Horizont des internationalen Parlaments übt auch auf die interne Eisenbahngesetzgebung mit innerer Nothwendigkeit gewisse Reflexwirkungen aus. Sodann darf man sagen, daß eine Convention über die internationalen Eisenbahnrechtsverhältnisse eine präliminäre Vorstation darstellt für die direct universell wirkende Unificirung des Eisenbahnrechts: sie erscheint als ein Glied historischer Rechtsentwickelung.

Eger hat freilich den ganzen dem Vertrag gegebenen Ausgangspunkt, wie er von der Schweiz proponirt wurde, sehr energisch bekämpft, indem er einer so beschränkten Convention einen genügenden praktischen Werth absprach. 1) Allein schon Laband2) hat dem gegenüber mit Recht betont, daß es an sich für den internen Verkehr unerheblich sei, welches Recht für den internen Verfehr eines andern Gebietes gelte, daß es dagegen für den internationalen Verkehr darauf ankomme, dafür zu sorgen, daß der Transport eines Gutes nicht an jeder Staatsgränze einer andern rechtlichen Beurtheilung unterworfen sei. Die internationalen Conferenzen haben denn auch übereinstimmend an der proponirten Basis des Vertrags festgehalten. Insbesondere hat auch Deutschland in seiner Denkschrift3) diese limitirte Grundlage gebilligt. Allerdings mußte um so

mehr jene Beschränkung beobachtet werden, als die Französische Regierung ihre Mitwirkung an den internationalen Bestrebungen nur unter der Bedingung zugesagt hatte, als das ihr mitgetheilte Programm nicht überschritten werde. 4) Darnach ist zu betonen, daß die vertragliche Convention nur dies jenigen privatrechtlichen Eisenbahnrechtsverhältnisse regeln wird, welche in dem Verkehre zwischen verschiedenen Eisenbahn- resp. Staatsgebieten3) entstehen. Dabei ist freilich noch zu sagen, daß die Convention ausdrücklich eine Ausdehnung des Geltungsgebietes vorsieht, indem sie den Eisenbahnen gestattet, unter einander Vereine oder Verbände zu bilden (Art. 4.1 des 2. Entwurfs). Darnach könnten also z. B. die Länder Französischer Rechtsentwickelung (wie Frankreich und Italien) die Convention für ihren ganzen Verkehr adoptiren und dadurch bewirken, daß alle eisenbahnprivatrechtlichen Vorschriften der Convention in diesem erweiterten Rechtsgebiete zur Anwendung kommen.

Abgesehen von diesen Fällen, hat sich der internationale Vertragsentwurf eine weitere Schranke dadurch aufgelegt, daß er den Personentransport und die daraus entstehenden Verhältnisse nicht in den Kreis seiner Normen 30g. Auch mit diesem Vorgehen war Eger nicht einverstanden, indem er betonte, die Nothwendigkeit gemeinsamer Bestimmungen bestehe für den externen und internen Personenverkehr „,in ganz demselben Maße und aus gleichen Motiven wie für den Güterverkehr."6) An sich ist diese Ansicht wohl zu billigen, auch darf nicht bestritten werden, daß die den Eisenbahnunternehmungen obliegenden Pflichten über gehörigen und rechtzeitigen Transport der Passagiere contractlicher Art sind, dagegen gehen dieselben noch weiter, indem die Bahnen auch für Verlegungen und Tödtungen gegenüber solchen Personen haften, welche in keinem Vertrage mit ihrer Administration stehen. Uebrigens darf auch gesagt werden, daß speciell die Fragen des blutigen Personentransports wenn ich sie kurz so bezeichnen darf in den continen= talen Staaten annähernd gleichartig geordnet sind, auf Grund neuer Gesetze. Nach dem Römischen Rechte wäre hier freilich eine Geldentschädigung nicht zu construiren gewesen.7) Allein diese Römischrechtliche Anschauung wurde in Deutschland schon frühe durchbrochen und das im Eisenbahnrechte überhaupt grundlegende und bahnbrechende Gesez Preußens vom 3. Nov. 1838 hat auch hier die in der Natur der Sache begründete Haftpflicht zuerst sanctionirt. Später war es die juristische Facultät der Universität Halle, welche anläßlich eines Eisenbahnunfalles von 1847 gegenüber einem Passagier den Saß aufstellte, daß die Eisenbahnanstalt auch beim Personentransporte für omnis culpa aufzukommen habe. 8) Insbesondere wurden auch die einseitigen Beschränkungen der Eisenbahnunternehmungen auf einen Ersaß der Kurkosten durch die neuen legislativen Erlasse außer Curs gesezt. Es sind hier folgende Gesetze zu

citiren:

1. Das Desterreichische Gesetz von 1869 betreffend die Haftung der Eisenbahnunternehmungen für die durch Ereignungen auf Eisenbahnen herbeigeführten körperlichen Verlegungen und Tödtungen. 9)

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