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2. Das Deutsche Gesetz von 1871 betreffend die Verbindlichkeit zum Schadenersage für die beim Betrieb von Eisenbahnen, Bergwerken u. f. w. herbeigeführten Tödtungen und Verlegungen. 10)

3. Das Ungarische Gesetz von 1874.11)

4. Das Niederländische Gefeß von 1876.12)

5. Das Russische Geseß vom 25. Januar (6. Februar) 1878.13)

6. Das Schweizerische Gesetz vom 1. Juli 1875.14)

Angesichts dieses Kataloges von Gesehen darf gesagt werden, daß mit Bezug auf Tödtungen und Verletzungen auf Eisenbahnen ein der Essenz nach gleichartiges internationales Recht besteht. Um so eher ließe sich allerdings eine vollkommene Harmonie der diesfälligen Rechtsfragen unter den civilifirten Völkern vertragsgemäß herstellen. Allein ebenso sicher ist es, daß ein so dringendes Bedürfniß der internationalen Regelung des Personentransports wie beim Waarentransporte nicht besteht. Die dort vorkommenden Fragen sind eben auch lange nicht so complicirt wie auf dem Boden des Frachtrechts. Immerhin kann z. B. streitig werden, wo die Klagen gegen die Eisenbahnanstalten zu erheben sind, wenn ein Unfall passirt ist auf der Theilstrecke, welche eine einheimische Gesellschaft auf fremdem Staatsgebiete betreibt. Handelt es sich um eine Contractsklage (z. B. also um eine actio des Passagieres), so wird fie am Domicile der Gesellschaft gestellt werden müssen, liegt dagegen eine Delictsklage vor, so muß die Gesellschaft vor den Gerichten des fremden Staats Rede und Antwort stehen (forum delicti commissi), immerhin eine besondere Regulirung der Staatsverträge vorbehalten,

Eger hat zwar auch Bestimmungen über die Haftpflicht der Eisenbahnen für verspätete Abfahrt oder Ankunft der Züge vorgeschlagen. Dabei lehnte er sich an diejenigen gefeßlichen Normen an, welche das Schweizerische Transportgesetz vom 20. März 1875 im Art 4 ff. aufstellt. Allein dieselben enthalten im Grunde sehr geringe Abschlagszahlungen an das jus commune und es muß dieser Erscheinung gegenüber gesagt werden, daß auch bei diesen Fragen des Personentransportes die Privilegien der Eisenbahnanstalten endlich fallen müssen, um dem allgemeinen Rechte Platz zu machen. 15)

Zwar ist sicherlich nicht zu leugnen, daß das Eisenbahnpersonen= billet eine ganz wesentliche internationale Bedeutung hat, da es ohne Rücksicht auf die politischen Gränzmarken und weit über sie hinaus ausgestellt wird. Es hätte unzweifelhaft ein Interesse, die damit verbundenen Fragen der Haftpflicht, diejenigen über die Cession der Billets u. s. w. auf dem internationalen Boden, auf den sie die Eisenbahnadministrationen selber gestellt haben, auch rechtlich einheitlich zu ordnen. Ich will hier nur daran erinnern, wie weit die Rechtsansichten darüber divergiren, ob Retourbillets übertragbar seien. Die Einen drohen der artigen Vorgängen gegenüber mit dem Strafrechte, die Andern erkennen sie als civilistisch ganz correct an. Ihering hat sich in seiner Abhandlung über den Rechtsschutz gegen injuriöse Rechtsverletzung 16) lebhaft zu Gunsten der Uebertragbarkeit der Retourbillets ausgesprochen. Freilich läßt er die Frage

offen, ob dem gewerbsmäßigen Handel mit Retourbillets nicht zu steuern fei. 17) Die Französischen Eisenbahnschriftsteller sind übereinstimmend der Ansicht, daß die Eisenbahnretourbillets wesentlich persönlich seien. 18) Die Entscheidung dieser keineswegs ganz zweifelsfreien Frage 19) hängt davon ab, ob das Eisenbahnbillet ein Inhaberpapier ist. Wenn ja, kann es natürlich ohne Weiteres die Hand wechseln. Ich würde aus den von Ihering angedeuteten Gründen in leßterem Sinne entscheiden, natürlich abgesehen von persönlichen Freibillets oder Abonnementskarten u. dgl. 20) Weiter läßt sich hier andeuten die Frage des Einflusses der Quarantaine oder ähnlicher Maßregel auf die Gültigkeit der Dauer der Billets und die Wünschbarkeit der Regelung derjenigen Rechtsverhältnisse, welche bezüglich der »sleeping cars« auf internationalem Boden entstehen. 21)

So wenig der Personentransport im internationalen Vertrage geordnet sein wird, so wenig finden sich Bestimmungen über die Eisenbahngepädscheine, obwohl auch hier sicherlich ein internationalrechtliches Interesse der Regelung vorliegen würde.

Die Convention beschränkt sich darnach auf die Firirung derjenigen Rechtsverhältnisse, welche aus dem internationalen Frachtgeschäfte oder Waarentransporte entstehen und damit stimmt auch allein der Titel des Vertrages.

1) Eger a. a. D., S. 48-49.

2) Laband in Goldschmidt's Zeitschrift XXII, N. F. VII, S. 593. Sehr richtig hat dies auch de Seigneux, Du projet, S. 16 und 17 ausgeführt. »Peu importe à l'Allemagne que la France ait ses lois spéciales règlant le service interne des chemins Français, de même qu'il est indifférent au commerce français que les indemnités normales soient applicables dans l'intérieur de l'Empire Allemand. Mais ce qui importe aux uns et aux autres, c'est que les rapports internationaux qui lient intimément les deux pays, et qui ne peuvent exister que par l'entremise des chemins de fer, soient soumis à des principes uniformes. Il existe alors un intérêt majeur, l'intérêt du commerce international qui nécessite entre États un accord indispensable et un abandon partiel des règles de droit nationales.<<

3) Protocolle der ersten Conferenz, S. IL.

4) Die Denkschrift des Bundesrathes (vgl. Eger a. a. D., S. 31) sagt dies ausdrücklich.

5) Diese Ausdrücke sind keineswegs identisch und sie decken sich nicht immer. Schon jest gilt das Deutsche „Betriebsreglement" nicht bloß in Deutschland, sondern auch in Desterreich-Ungarn, Belgien, Niederlanden, Rußland (Eger a. a. D., S. 120 und Laband a. a. D., S. 593).

6) Eger a. a. D., S. 54, 55, 132-136, 150-152.

7) L. 1, § 5, 1. 7 de his qui effud. vel dej. 9. 3.

8) Koch, Deutschlands Eisenbahnen II, 213, 257 und Anlage S. 179 ff.

9) Dazu ist zu vergleichen Randa, Ueber die Haftung der Eisenbahnunterneh

mungen für Verlegungen und Tödtungen (1869).

10) Vgl. Eger, Das Reichshaftpflichtgeset, 3. Aufl. 1886. Darin finden sich auch die neuesten Zwangsversicherungsgeseße. Ferner neben den vielen Commentaren Endemann, Die Haftpflicht der Eisenbahnen, 3. Aufl. 1885.

11) Beilageheft zu Goldschmidt'3 Zeitschrift für Handelsrecht XXIII, N. F. VIII, S. 97-99.

12) Eger, Internationales Frachtrecht, S. 55.

13) Das genannte Beilageheft, S. 207-209.

14) Fid, Die Schweiz. Rechtseinheitsbestrebungen 1874, S. 146 ff.

15) Das Recht des Personentransportes wird abgesehen von den Fragen der Tödtungen, Verlegungen in der Deutschen Doctrin vernachlässigt. Die Französi sche Literatur besißt darüber das Buch von Sainctelette, De la responsabilité et de la garantie 1884, p. 87 ff., die Amerikanische Literatur dasjenige von Lawson, On common carriers (St. Louis 1880) und Thompson, Law of carriers of passengers (St. Louis 1880). Was Schott in Endemann's Handbuch des Handelsrechts (III, S. 524-530) über den Personentransport der Eisenbahnen sagt, genügt nicht.

16) Jhering's Jahrbücher XXIII, S. 327 ff. Für die Cedirbarkeit spricht sich auch Lankmann (chemins de fer) Nr. 54 aus.

17) Jhering a. a. D., S. 337. Ob mit Recht eine solche Distinction zu machen sei, möchte ich bezweifeln.

18) Bédarride, Chemin de fer I, No. 255, Lamé Fleury, Code, p. 9 und 10, Duverdy, Contrat de transport, No. 299 betont die Gefahr speculativer Tendenzen und sagt: faire un pareil trafic, c'est violer une des conditions, sous lesquelles les réductions du prix de ce tarif spécial des billets de retour ont été consenties. Zu dem gleichen Schluffe kommt auch Féraud-Giraud (chemins de fer III, No. 232). Dabei ist aber das Urtheil unter Nr. 233 zu vergleichen.

19) Mit der Construction des Billets als Inhaberpapier hängt die Frage gar nicht zusammen, ob eine einzelne Person befugt sei, für sich allein mehrere Billets zu acquiriren, um ein Anrecht auf möglichst viel Freigepäck zu erhalten. Zweifellos liegt dieser Combination ein Mißbrauch zu Grunde.

20) Weiter ist zu vergleichen Bekker in Jhering's Jahrbüchern XII, S. 49 und 50. Brinz, Pandekten II 2, § 312, Note 25. Schott in Endemann's Handbuch des Handelsrechts III, S. 525 und 526. Thompson a. a. D., S. 53, 57, 58, 65.

21) Journal du droit international V, p. 547 und 548, X, 406 und 407.

§ 67.

Die Eingehung des internationalen Frachtvertrages. Literatur: De Seigneux, Commentaire, p. 11-14, 15 und 16, 71.

I. 3unächst ist festzustellen, auf welche Transporte von Waaren oder Gütern und auf welche Eisenbahnen die Convention sich bezieht.

Die beiden Entwürfe und das Uebereinkommen (Art. 1) find darüber einig, daß folgende Erfordernisse vorliegen müssen:

1. Sendungen von Gütern, welche auf Grund eines durchgehenden Frachtbriefes expedirt werden.

2. Sendungen, welche aus dem Gebiete eines vertragschließenden Staates in das Gebiet eines andern contrahirenden Staates befördert werden. Deutschland schlug vor1) zu bestimmen, ein internationaler Transport liege nicht vor, wenn ein Transport das Ausland nur dadurch berührt, daß der Betrieb der transportirenden Bahn im Auslande mündet oder das Ausland transitirt. Dieser Antrag ist im Uebereinkommen adoptirt worden (Art. 1). Damit muß das Schlußprotocoll (IV) verglichen werden.

3. Eisenbahnstrecken, welche von jedem Staat durch Vorlage einer Liste und einer Karte als zur Ausführung internationaler Transporte geeignet bezeichnet werden. 2)

Die diesfälligen Entschließungen der Regierungen über den Eintritt und Austritt von Eisenbahnlinien sind dem,,Centralamte" mitzutheilen (Art. 58). Ich komme hierauf noch mit einigen Bemerkungen zurück.

Nach der erwähnten Formulirung sind auch Localbahnen nicht ohne Weiteres ausgeschlossen. 3)

II. Den bezeichneten Eisenbahnen wird durch die internatio= nale Convention nach bestimmter Maßgabe der Contrahirungszwang und der directe Verkehr aufgelegt, die Convention traf aber Vorkehrungen, um die aus dieser Rechtsstellung hervorge= henden ökonomischen Consequenzen zu mildern (Art. 5, 57 5, 58 3 u. 4).

1. Man ist in der Deutschen Eisenbahnrechtsliteratur darüber einig, daß die Eisenbahngesellschaften verpflichtet sind, mit dem Publicum zu contrahiren und daß das leßtere nicht auf ihren guten Willen angewiesen ist.4) In England sind die höchsten Richter darüber verschiedener Meinung. 5) Anders in Amerika. 6) Der doctrinelle Grund für jenen Zwang liegt freilich nicht darin, daß die Eisenbahnen mit dem ganzen Publicum" in einem Vorvertrage stehen, wie der große Dogmatiker Thöl andeutete, 7) sondern darin, daß dieselben einer öffentlichen Zweckbestimmung zu dienen haben: dieser Zwang hat seine Quelle im ungefeßten Rechte und er besteht mit oder ohne eine positive Sahung.) Mit Recht nahm ihn auch die internationale Convention grundsäglich auf (Art. 5).

Es ist eine logische Erweiterung dieses Zwanges, wenn den Eisenbahnen unter einander eine directe Verkehrspflicht aufgelegt wird. Allein daraus entstehen weitgehende Pflichten bezüglich des Creditirens von Frachten und Nachnahmen gegenüber anderen Bahnen (Art. 23 8).

2. Der Französische Delegirte machte in der ersten Conferenz darauf aufmerksam, daß der Staat, welcher naturgemäß allein den ihm unterworfenen Bahnen die erwähnten Pflichten auflegen könne, für die ökonomischen Folgen dieses Zwanges eintreten müsse. Deswegen schlug er vor, daß die Staaten unter sich für die Zahlungsfähigkeit der von ihnen für den internationalen Transport als geeignet erklärten Bahnen Garantie leisten.9)

Dieser Ansicht gegenüber wurde betont, daß die internationale Firirung jener Pflichten im Grunde nur eine Verallgemeinerung bereits bestehender Uebungen und Lasten sei. 10). Allein der charakteristische Unterschied des frühern Rechts besteht doch wohl darin, daß bis dahin der directe Verkehr (oder Verbandsverkehr) regelmäßig von den freiwilligen Entschließungen der Bahnen abhing und daß bloß ein directer Frachtbrief vorgeschrieben war, einzelne Ausnahmen vorbehalten. 11) Insbesondere ist nach Deutschem Frachtrechte die solidare Haftpflicht der Bahnen an die Bedingung geknüpft, daß die Bahn, welche haften soll, das Gut auf Grund des ursprünglichen Frachtbriefes übernommen habe (Art. 401 D. H.-G.-B.). Allein diese Bestimmung konnte dadurch illusorisch gemacht werden, daß ein neuer Frachtbrief ausgestellt wurde: hier gerade zeigt sich greifbar der relevante Unterschied zwischen der Pflicht zu einem directen Verkehre und zu einem directen Frachtbriefe. Diesen Unterschied verwischt die internationale Convention vollständig und constituirt einen rechtlichen Zwang zum directen Verkehre im weitesten Sinne (vgl. Art. 1 und 5 und Schlußprotocoll). Ueberdies verpflichtet sie damit die Bahnen den am Transporte mitbetheiligten Bahnen Frachten und Nachnahmen zu creditiren, was bei der großen Ausdehnung des Conventionsgebiets seine hohe Bedeutung hat.

Die erste Conferenz hat in Würdigung dieser Verhältnisse der internatio nalen Commission die Competenz eingeräumt, unter Umständen auf Beschwerde hin die internationale Rechtspflicht des Contrahirungszwanges und des directen Verkehrs gegenüber einzelnen Bahnen zu sistiren oder an Bedingungen zu knüpfen, nachdem den leztern Gelegenheit gegeben worden ist darauf ihre Erwiederungen zu machen. Im Concursfalle konnte sofort provisorisch von „dem leitenden Staate" ein Entscheid getroffen werden (§ 2 und 10 des ersten Vertragsentwurfs betreffend die Einsetzung einer internationalen Commission). In der zweiten Conferenz wurde die ganze Frage neu regulirt, was um so leichter war, als nunmehr die Errichtung eines Centralamts beschlossen wurde. In Art. III. des Entwurfs eines Reglements wurde schließlich folgendes bestimmt:

1. Das Centralamt dient als Vermittler für die aus dem internatio-
nalen Transport herrührenden Forderungen der Eisenbahnen.
2. Werden diese Forderungen grundlos oder nur zum Theil bestritten,
so verfügt der Leiter des Amts nach Einholung des Gutachtens zweier
Sachverständigen, ob die Schuldnerin die ganze oder einen Theil

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