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in die Lage komme, die freigegebene Kriegscontrebande doch ihrer feindlichen Bestimmung zuzuführen. Daß dies nicht geschieht, dafür wird der Commandeur des Kriegsschiffs schon Sorge tragen und überwachen, daß das neutrale Schiff die ihm angewiesene neue Route einhält.

Im Allgemeinen stimmen Wissenschaft und Praxis darin überein, daß Ranzionirungen wenigstens den Neutralen gegenüber überall, wo sie nicht gesetzlich verboten sind, zur Anwendung kommen dürfen. Kaltenborn hat allerdings nicht Unrecht, wenn er bemerkt, daß sie von den Seemächten gegen feindliche Schiffe häufig deshalb verboten würden, weil ihr Interesse nicht sowohl darin liege, daß der Captor ein Lösegeld erhalte, sondern daß der Feind durch Wegnahme seiner Schiffe und deren Ladungen geschwächt werde.

In Kriegszeiten werden von den kriegführenden Mächten den Unterthanen kriegführender oder neutraler Mächte auch sogenannte Licenzen ertheilt, welche diesen eine sonst in Folge des Krieges verbotene Art des Handels gestatten. Es sind dies allerdings nur selten vertragsmäßige Conceffio= nen, sondern sie werden in der Regel aus Veranlassung bestimmter Interessen von den höchsten Staatsautoritäten ertheilt. Sie beziehen sich auf Landund Seehandel. Wildman will dieselben auf den letteren beschränken, indem er sagt: A licence is a privilege granted to subjects neutrals or ennemies, whereby their vessels and cargoes are exempted of the confiscation that would otherwise ensue from the act which the licence permits. Kaltenborn hält die Annahme einer solchen Licenz Seitens eines Neutralen mit Unrecht für eine Verletzung der Neutralitätspflichten, da er ja mit ausdrücklicher Erlaubniß des Kriegführenden handelt, und deshalb von einer Verlegung derselben nicht die Rede sein kann. Ist der Handel von der Art, daß die Rechte des anderen Kriegführenden dadurch verlegt werden, so macht er sich diesem selbstverständlich verantwortlich. Die Ertheilung und Annahme solcher Licenzen wird auch in der Wissenschaft sonst allgemein als rechtsbegründet anerkannt.

Zu den Staatsverträgen, welche in Kriegszeiten geschlossen werden, gehören auch die Auslieferungsverträge hinsichtlich der Gefangenen, welche seit dem 17. Jahrhundert in Aufnahme gekommen sind, Verträge betreffend die Capitulation von Truppentheilen, Festungen und Schiffen. -- Besondere Bedeutung haben die Waffenstillstandsverträge, welche in der Regel auf bestimmte Zeit geschlossen werden, und die Beibehaltung des status quo für die Positionen beider Kriegführenden zur Grundlage zu haben pflegen. Ist für die Dauer des Waffenstillstandes nicht eine bestimmte Frist vereinbart, so kann die Wiederaufnahme der Feindseligkeiten nach Kriegsgebrauch nicht ohne vorherige Ankündigung erfolgen.

Die Friedensverträge nehmen unter dieser Art von Verträgen die wichtigste Stelle ein, weil sie den Krieg beenden; sie sind nach denselben Grundfäßen zu beurtheilen, wie alle übrigen Staatsverträge. Heffter sagt daher mit Recht, daß alles, was einige Schriftsteller, wie Vattel, v. Kamt und Ompteda

über diese Verträge sagen, im Grunde nichts anderes ist, wie die Anwendung der allgemeinen Vertragslehren. Der Friedensschluß beendigt definitiv den bisherigen Streit und begründet unter den Contrahenten ein neues Rechtsverhältniß. Nach heutigem Kriegsrechte versteht sich die Freigebung der Kriegsgefangenen von selbst, auch wenn eine solche im Friedensvertrage nicht ausdrücklich ausgesprochen sein sollte. Unberührt durch den Friedensvertrag verbleiben alle Privatrechte, wenn nicht ausdrücklich das Gegentheil vereinbart wurde. Die alten Völker kannten die Friedensverträge als Quellen neuer Rechtserwerbungen nicht. Die Erwerbungen von Landestheilen wurden nach Römischen Kriegsgebräuchen lediglich durch die Occupation herbeigeführt. In Betreff der Einrichtungen, welche neuerdings getroffen sind, um die Leiden des Krieges zu mildern, verweisen wir auf die besonderen Darstellungen von Geffden und Lüder.

Drittes Kapitel.

Die internationalen Verträge und das Staatsrecht.

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§ 10.

Allgemeines und Geschichtliches.

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Literatur: Lorke, The treatises of government, London 1842, t. II, § 3 und § 85. Johann Jakob Moser, Von den Deutschen Reichsständen, London 1769, S 497. Hugo Grotius, De jure belli ac pacis I, cap. 3, 6, § 1. Montesquieu, Esprit des lois, liv. XI, ch. 6. p. 242 ff. Dr. Ernst Meier, Ueber den Abschluß von Staatsverträgen, Leipzig 1874, S. 11. v. Gluber, Ueber öffentliches Recht, S. 84. v. Ompteda, Literatur des Völkerrechts, S. 583 ff. Zouch, Tables des traités entre la France et les puissances étrangères, Basel 1865. v. Aretin, Chronologisches Verzeichniß der Bayerischen Staatsverträge von 1560 1819. C. v. Mörner, Preußische Staatsverträge im 17. Jahrhundert. Kluit, Index chronologicus sistens foedera pacis et ab ordinibus Belgici foederati cum gentibus intra et extra Europam (1276 — 1739), Lüttich 1789. J. Challey, de l'autorité gouvernementale compétente pour passer les traités internationaux, p 21.

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Der Abschluß von Staatsverträgen war im Mittelalter an die ständische Zustimmung gebunden. Auch Johann Jakob Moser spricht sich in diesem Sinne aus. Dies entsprach den Rechtsverhältnissen des Deutschen Reiches.

Hugo Grotius, welcher mehr von allgemeinen und internationalen Gesichtspunkten in seiner Beurtheilung ausging, überweist alle Angelegenheiten, welche Krieg und Frieden, sowie Bündnisse betreffen, also auch den Abschluß der Staatsverträge der ausschließlichen Competenz der vollziehenden Gewalt. Er bezieht sich in dieser Hinsicht auf Aristoteles und bemerkt: »Aristoteles tres facit partes in administranda republica, consultationem in rebus communibus; curam legendorum magistratuum et judicia; ad primam autem partem refert deliberationem in bello, pace, foederibus faciendis et dissolvendis.<<

Locke, der in England große Autorität besißt, stellt der gefeßgebenden Gewalt zwei andere Gewalten gegenüber, die er » executive power und »federative power« nennt. Die erstere soll sich namentlich mit der Ausführung der Gesetze beschäftigen; er bezeichnet sie: »comprehending the execution of the municipal laws of the society, within itself upon all that are parts of it«. Die »federative power« soll lediglich in der Vertheidigung des Gemeinwesens bestehen, und fällt zusammen mit der Gewalt in allen auswärtigen Verhältnissen. Er bezeichnet sie als »comprehending the menagement of the security and interest of the public without with all those, that of may receive benefit or damage from«. Dann fügt Locke hinzu »the therefore contains the power of war and peace, leagues and alliances, and all the transactions with all persons and communities without the commonwealth, and may becalled federative, if any one pleases, so the thing is understood, I am indifferent as to the name.<«<

Mit dieser Auffassung stimmt im Wesentlichen diejenige Montesquieu's überein. In dem Abschnitte »de la constitution d'Angleterre beginnt er mit den Worten1): »Il y a dans chaque État trois sortes de Pouvoirs, la puissance législative, la puissance exécutrice des choses qui dépendent du droit des gens; et la puissance exécutrice de celles qui dépendent du droit civil. Par la première, le Prince ou le magistrat fait des lois pour un temps ou pour toujours, et dirige ou abroge celles qui sont faites. Par la seconde il fait la paix ou la guerre, envoye ou reçoit des ambassades, établit la sûreté, prévient les invasions. Par la troisième il punit les crimes ou juge les différends des particuliers. On appellera cette dernière la puissance de juger, et l'autre simplement la puissance exécutrice de l'État.<<

Gleich darauf sagt Montesquieu: »Il n'y a point encore de liberté, si la puissance de juger n'est pas séparée de la puissance législative et de l'exécutrice«. Nicht minder aber überläßt er dem Staatsoberhaupt nicht die gefeßgebende Gewalt allein, sondern legt dieselbe in die Hände des Volkes, welches indeß nicht einsichtig genug sei, und zu viel allen möglichen Leidenschaften und Verführungen ausgeseßt sei, um diese selbst auszuüben. Es müsse dieselbe deshalb Repräsentanten übertragen werden, welche Einsicht und Selbstständigkeit, wie Unabhängigkeit der äußeren Stellung in hinreichendem Grade

befäßen, um eine so schwierige und verantwortliche Aufgabe zu erfüllen. Er schließt mit den Worten: »Le grand avantage de Représentants c'est qu'ils sont capables de discuter les affaires. Le peuple n'y est point du tou propre, ce qui forme un des grands inconvénients de la Démocratie«. - Die executive Gewalt, also das Recht Krieg zu erklären und Friedens-, sowie Allianzverträge zu schließen, soll ausschließlich dem Staatsoberhaupte zustehen.

Zu dieser Theilungstheorie der Gewalten, welche Montesquieu in Folge etwas zu theoretischer Auffaffung der staatsrechtlichen Verhältnisse Englands aufstellt, bemerkt Dr. Ernst Meier in seinem trefflichen Werke über den Abschluß von Staatsverträgen sehr richtig, das wahre Wesen der constitutionellen Monarchie bestehe in den heutigen Deutschen Verfassungen nicht in einer realen Theilung der ihrer Natur nach untheilbaren Staatsgewalt, als vielmehr in einer Beschränkung des Herrschers durch eine Vertretung der Beherrschten, so daß der Staatswille in principieller Totalität sich im Staatsoberhaupte concentrire, der höchste Wille aber nicht ein nach allen Seiten hin ausschließlich maßgebender sei.

Die Entscheidung über Krieg und Frieden ist in den constitutionellen Einheitsstaaten heutiger Zeit gleichfalls eine Prärogative der Krone geblieben. Da bis weit in das jeßige Jahrhundert hinein Friedens- und Allianzverträge und einige Handelsverträge die einzigen Staatsverträge waren, welche geschlossen zu werden pflegten, so waren es thatsächlich fast ausschließlich die constitutionellen Monarchen, von denen ohne Konkurrenz der Landesvertretungen die Staatsverträge geschlossen wurden. In seinem 1785 zu Regensburg veröffentlichten Werke über die Literatur des Völkerrechts zählt Ompteda die von den Europäischen Mächten damals geschlossenen Staatsverträge auf, welche mit geringen Ausnahmen sich auf Krieg und Frieden beziehen. England hatte damals 70 Verträge geschlossen, unter denen sich nur ein paar Handelsverträge befan= den. Unter den 20 von Preußen geschlossenen Verträgen befindet sich nur ein Handelsvertrag. Dasselbe gilt von den zahlreichen Verträgen Spaniens, Portugals, Rußlands, Polens, der Italienischen Staaten, der Skandinavischen Staaten, der Schweiz und der Türkei. Die von dem Deutschen Reiche in der Zahl von etwa 40 geschlossenen Verträge sind sämmtlich Friedens- und Allianzverträge, und dieser Charakter präva= lirt auch bei den von einzelnen Staaten des Deutschen Reichs geschlossenen Verträgen; nur Mecklenburg und die Hansastädte hatten bereits Handelsverträge, Mainz einen Schiffahrtsvertrag, sowie Pfalz- Zweibrücken einen Auslieferungsvertrag geschlossen.

Im Laufe dieses Jahrhunderts haben sich alle gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse wesentlich geändert, und die dadurch hervorgerufenen neuen Einrichtungen haben auch die internationalen Beziehungen der Völker enger und freundlicher gestaltet.

Die große Bedeutung, welche die Staatsverträge für das politische und

sociale Leben der Völker dadurch erlangt haben, hat den Vertretern der völkerrechtlichen Wissenschaft in neuerer Zeit besondere Veranlassung gegeben, sich mit der rechtlichen Natur dieser Verträge eingehend zu beschäftigen. Wir haben gesehen, daß im vorigen Jahrhundert, wie im Anfang dieses Jahrhun derts, die Rechtsautoritäten in England sowohl wie auf dem Continent darüber wesentlich einverstanden waren, daß die Staatsverträge, welche sich da= mals ganz wesentlich auf Friedens- und Allianzverträge beschränkten, ihre rechtsverbindliche Kraft sowohl nach der internationalen, sowie auch der staatsrechtlichen Seite dadurch erhielten, daß sie von den Bevollmächtigten der Staatsoberhäupter den völkerrechtlichen Formen entsprechend vereinbart und demnächst von den Vollmachtgebern ratificirt wurden. Für das Land pflegten sie in der für die Veröffentlichung der Landesgesetze vorgeschriebenen Form veröffentlicht zu werden und wurden dadurch zu Landesgesehen, welche sämmtliche Unterthanen in allen bezüglichen Bestimmungen verpflichteten. In neuerer Zeit sind jedoch von einigen Rechtsgelehrten erhebliche Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der staatsrechtlichen Gültigkeit internationaler Verträge erhoben worden, welche jedoch nicht dazu angethan sind, die, wie es uns scheint ganz klare, rechtliche Sachlage zu verdunkeln. Selbstverständlich ist es, daß die von den neueren Staatsgrundgesehen hinsichtlich der für den Abschluß der Staatsverträge gültigen Rechtsgrundsäße eingeführten Aenderungen für die staatsrechtliche Gültigkeit solcher Verträge unbedingt maßgebend sind. Für die völkerrechtliche Gültigkeit liegt die Sache allerdings nicht ganz so einfach.

Ein neuerer Französischer Rechtsgelehrter, Joseph Cluailly, Advokat am Pariser Appellhofe, äußert sich, so weit es sich dabei um die rechtliche Natur der Staatsverträge handelt, ganz richtig, wenn er sagt: »Un traité est une loi internationale déstinée à régir les rapports de deux peuples sur un point déterminé. Chacun d'eux désire veiller particulièrement à la bonne confection de ce traité, qui touche à de graves intérêts. Une fois signé chacun d'eux voudra veiller à sa stricte exécution. Le pays a ses délégués, ses mandataires; les uns, qui font les lois, les autres, qui les font exécuter. Il est donc naturel, qu'il confie à ces mêmes délégués le soin de la confection et, plus tard de l'exécution du traité. Plus clairement; le pouvoir législative et le pouvoir exécutif semblent appelés à jouer leur rôle dans la conclusion du traité «

Die Entscheidung der Frage, wer zum Abschluß der Staatsverträge berechtigt sei, haben sich einige neuere Rechtsgelehrte dadurch erheblich erschwert, daß sie sich dabei von vornherein auf den Standpunkt des heutigen inneren Staatsrechts stellten und deshalb den Umstand nicht scharf genug ins Auge faßten, daß die neue Entwicklung der politischen und gesellschaftlichen Verhält= nisse nicht sowohl auf die rechtliche Natur der Staatsverträge als vielmehr darauf eingewirkt hat, daß dieselben sich neuerdings auf eine Reihe von

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