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Verhältnissen erstrecken, welche vordem jeder internationalen Behandlung fern lagen.

Das Alterthum und das Mittelalter fannte, wie nachgewiesen wurde, im Wesentlichen nur Friedens- und Allianzverträge. Die Handelsverträge, welche den ältesten Völkern, den Indern, Phöniziern, Egyp tern und einigermaßen auch noch den Griechen bekannt waren, geriethen zur Zeit des alten Roms und besonders in den Jahrhunderten des Römischen Weltreichs in völlige Vergessenheit und lebten auch im Mittelalter nicht wieder auf, waren auch, wie aus den mitgetheilten Zusammenstellungen, welche Ompteda gemacht hat, hervorgeht, noch am Schlusse des vorigen Jahrhunderts nur in ganz schwacher Anzahl wieder ins Leben getreten.

1) Montesquieu, Esprit des lois, liv. XI, chap. 6, p. 242 ff.

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Literatur: Grotius, De jure belli ac pacis, 1. III, cap 20, § 2. Pufen

Wolff, Jus gen

dorf, De jure gentium et naturae, 1. VII, 9, § 13. tium IV, § 370. J. J. Moser, Versuch des neuesten Europäischen Völkerrechts in Kriegs- und Friedenszeiten VIII, 153, § 2. - G. Fr. de Martens, Précis, S. 951. schli, Das moderne Völkerrecht, S. 113 und 233. - Meier, Ueber den Abschluß von Staatsverträgen, S. 100.

Vattel II, 12, § 154. Heffter, S. 161. BluntWheaton I, p. 217.

Eine gewisse Aenderung trat erst seit dem Wiener Congreffe ein, welcher für die Entwicklung der internationalen Beziehungen unter den Euro, päischen Völkern einen so gewichtigen Anstoß gegeben und sich überdies mit Aufhebung der Sclaverei und der internationalen Flußschiffahrt beschäftigt hat. Seitdem dehnte sich auch das bisher so beschränkte Gebiet der Staatsverträge allmählich aus.

Bis dahin galt der völkerrechtliche Grundsaß, daß Staatsverträge lediglich von dem Staatsoberhaupte und seinen Bevollmächtigten mit Rechtskraft abgeschlossen werden, mit einigen Ausnahmen auch für das innere Staatsrecht. Die Fürsten besaßen damals mit wenigen Ausnahmen die absolute Gewalt, und jedenfalls das Recht Krieg zu erklären und Frieden zu schließen; es wurde daher ihre Competenz auch von den älteren völkerrechtlichen Autoritäten nicht in Frage gestellt. Grotius, Pufendorf, Wolff sprechen sich noch unbedingt in diesem Sinne aus.1) Sie kennen sämmtlich nur Staatsverträge, welche sich auf den Krieg beziehen. Grotius äußert in dieser Beziehung: »Pactiones inire, quae bellum finiant, eorum est, quorum est bellum, rei enim suae quisHandbuch des Völkerrechts III.

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que moderator. Unde sequitur, ut in bello utrinque publico hoc eorum sit, qui summi imperii exercendi jus habent. Regis igitur hoc erit in statu vere regio, modo is rex etiam jus habeat non impeditum. Jo= hann Jakob Moser spricht sich bereits deutlich dahin aus, daß es in einigen Ländern Beschränkungen für den Fürsten giebt.2)

Er erklärt ausdrücklich, ein Vertrag dürfe nicht weiter gehen als die Staatsverfassung es gestatte, und im Deutschen Reiche, Schweden und Polen müßten die Reichsstände gehört werden. Moser hat vergessen, in dieser Hinsicht England zu erwähnen. Auch Vattel hat bereits ein Verständniß dafür, daß das Recht internationaler Verträge nur in den Grenzen des inneren Staatsrechts von den Souverainen ausgeübt werden könne, wenn er sagt: »Mais tous les conducteurs des peuples n'ont pas le pouvoir de faire seuls des traités publics; quelqu'uns sont astreints à prendre l'avis du senat ou des représentants de la nation. 3) C'est dans les lois fondamentales de chaque état, qu'il faut voir, qu'elle est la puissance capable de contracter valablement au nom de l'état.« In demselben Sinne sprechen sich alle neueren völkerrechtlichen Autoritäten, wie G. F. v. Martens, Klüber, Heffter, Bluntschli, Wheaton und Calvo aus. Die neueste Autorität, der Russische Publicist Friedrich v. Martens sagt in dieser Hinsicht: „In der absoluten Monarchie hat der Souverain das unbeschränkte Recht sein Volk durch Verträge zu verpflichten; in Staaten mit repräsentativer Verfassung ist die Ausübung dieses Rechts sehr oft durch gesetzlich vorgeschriebene Formalitäten eingeschränkt, und das Staatsoberhaupt nicht für alle Fälle competent internationale Obligationen ohne weiteres zu ratihabiren. Deswegen ist es unerläßlich, daß jede Regierung das Verfassungsrecht derjenigen Staaten, mit welchen sie pactiren möchte, kenne." Dieser Schlußsaß hat auch in den Fällen, wo das Staatsoberhaupt im Widerspruch mit den Landesgesehen ratificirt hat, eine wichtige völkerrechtliche Tragweite, worüber demnächst noch die Rede sein wird.

Hiernach scheint es unzweifelhaft zu sein, daß die geschichtlichen Thatsachen und die völkerrechtliche Wissenschaft darin übereinstimmen, daß das Staatsoberhaupt in allen internationalen Rechtsangelegenheiten, insonderheit aber hinsichtlich des Abschlusses internationaler Verträge der Repräsentant des Staates ist, daß aber dieser Repräsentant durch das innere Staatsrecht in den heutigen constitutionellen Staaten vielfach behindert ist, gewisse internationale Vereinbarungen mit staatsrechtlicher Gültigkeit abzuschließen. Das heißt mit anderen Worten: die Ratification eines Staatsvertrages macht diesen in vielen Fällen ohne Genehmigung der Landesvertretung für den Staat nicht rechtsgültig. Auch darüber kann rechtlich kein Zweifel sein, daß wenn das Staatsoberhaupt bei der Vereinbarung über Gegenstände, welche seiner ausschließlichen Competenz nicht unterliegen, seine Befugniß überschritten hat, der andere Contrahent daraus keine Rechte für sich herleiten kann, weil er, wie Martens sehr richtig bemerkt, verpflichtet ist, die Rechte zu kennen, welche seinem Mit

contrahenten verfassungsmäßig zustehen. Die in die Digesten aufgenommene Aeußerung Ulpians bezeichnet dieses Rechtsverhältniß bereits sehr scharf mit den Worten: »>Qui cum alio contrahit vel est vel debet esse non ignarus conditionis ejus. «4)

Meier hat in seinem Buche über den Abschluß von Staatsverträgen das wissenschaftliche Material auch in dieser Hinsicht sehr ausführlich und gründlich zusammengestellt; es dürfte aber nicht ganz consequent sein, wenn er am Schluß seiner daran sich knüpfenden Ausführungen, die durchaus mit den Ansichten der citirten völkerrechtlichen Autoritäten im Einklange sind, die Bemerkung knüpft, nach Völkerrecht erscheine keineswegs das Staatsoberhaupt, als der ausschließliche Repräsentant der internationalen Persönlichkeit, und dann sogar weiterhin hinzufügt, die ganze Repräsentations-Befugniß beruhe sowohl principiell, als auch was die Begrenzung derselben betreffe, lediglich auf dem inneren Staatsrecht.5)

Nach Grundlage der geschichtlichen internationalen Entwicklung und der von Meier so eingehend mitgetheilten Ausführungen der völkerrechtlichen Autoritäten ist aber mindestens für alle constitutionell monarchischen Staaten das Staatsoberhaupt grundsäßlich Repräsentant der internationalen Persönlichkeit des Staates, auf ihm beruht die gesammte Repräsentationsbefugniß, soweit nicht das innere Staatsrecht eine Grenze gezogen hat. Daß auch die Ver= fassungen der Reiche und größeren Staaten diesen Grundsah wesentlich anerkennen, wird später nachgewiesen werden.

Demnächst unterscheidet Meier wieder sehr richtig zwischen dem Ab= schluß und der rechtlichen Wirkung der Staatsverträge, indem er bemerkt, der erstere sei die ausschließliche Prärogative des Staatsoberhauptes, in der Weise, daß der Staat nach außen unbedingt gebunden werde, da eine Zustimmung der Volksvertretung zum Abschlusse nicht stattfinde. Die Wirksamkeit des Staatsvertrages hänge aber von dem Inhalte desselben ab. Wenn auf Grund dieses Inhalts die nachträgliche Zustimmung der Landesvertretung nicht erfolge, so würden in diesem Falle große Verwirrungen und rechtliche Unsicherheiten eintreten.

Vom politischen Standpunkte ist allerdings diese Sachlage in hohem Grade bedenklich und kann zu bedenklichen Conflicten mit der fremden contrahirenden Macht führen, wenn schon die rechtliche Entscheidung, wie ausgeführt wurde, nicht zweifelhaft ist.

Für das innere Staatsrecht ist der Staatsvertrag, wenn die gesetzlich erforderliche Zustimmung nicht erfolgt, offenbar ungültig, aber er ist es auch nach internationalem Rechte, da wie bereits Ulpian und neuerdings Martens sehr richtig sagen, der eine Contrahent die staatsrechtlichen Bestimmungen über die Competenz des andern kennen mußte, bevor er sich mit diesem in Verhandlungen einließ.

Meier sieht in diesem System der Mitwirkung der Volksvertretung bei Staatsverträgen „einen Schuß gegen die äußerste Verlegung“ und findet eine

weitere Wirkung darin, daß alle Schwierigkeiten nach außen hin, die auf dem Dualismus von Abschluß und Ausführung beruhen, dadurch beseitigt seien. Diese politische Anschauung scheint aber etwas gewagt zu sein. Sobald es sich um Staatsverträge zwischen großen Mächten handelt, kommen auch bei solchen, die sich mit Gegenständen, wie etwa Handelsverhältnissen oder der Auslieferung von Verbrechern befassen, häufig Interessen in Frage, welche von höchster politischer Wichtigkeit sind. Die Zurückweisung eines solchen Vertrages kann die politischen Beziehungen der contrahirenden Mächte stören und die höchsten Interessen des Landes verleßen, ohne daß die Majorität der Landesvertretung, welche den Staatsvertrag verwarf, hierfür ein richtiges Verständniß besaß. In dem parlamentarisch hochgebildeten England ist die Verwerfung eines aus politischen Gründen wichtigen Staatsvertrages aus Partei Interessen nicht denkbar und kommt auch thatsächlich nicht vor. Anders liegt die Sache in den meisten anderen Staaten Europas, wo der Parlamentarismus in den Fragen der großen Politik nicht die weise Enthaltsamkeit des Englischen Parlaments zeigt, weil er unerfahren und meist noch jung ist. Deshalb können durch einen zu weit gehenden parlamentarischen Einfluß in Bezug auf das Zustandekommen internationaler Verträge erhebliche politische Nachtheile, und schließlich ernste Conflicte entstehen. Diese kurze Bemerkung muß genügen, konnte aber nicht unterbleiben, da die in Rede stehende Frage des internationalen Rechts in die Interessen der auswärtigen Politik weit hineinragt.

Es handelt sich jetzt darum, das innere Staatsrecht der größeren Europäischen Staaten sowie der Vereinigten Staaten von Nordamerika hinsichtlich der internationalen Verträge näher zu betrachten. Zunächst wird von den geseßlichen Bestimmungen die Rede sein, welche im Deutschen Reiche und den größeren Deutschen Staaten in dieser Hinsicht maßgebend sind.

Pufendorf, De jure gentium et naWolff, Jus gentium, IV, § 370.

1) Grotius, 1. III, c. 20, 2. turae, 1. VII, 9 § 13.

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2) Moser, Versuch des neuesten Europäischen Völkerrechts in Kriegs- und Friedenszeiten, VIII, 15, Kap. 3, § 2.

3) Vattel, II, 12, § 152.

Heffter, S. 161.

G. Fr. de Martens, Précis, p. 952. Bluntschli, S. 113 und 233. Wheaton, I, S. 277. Calvo, I, S. 708 u. N. zu 723. Fr. v. Martens, S. 394 4) Dig. lib. 50, Tit. 17, 1. 19.

5) Meier, Ueber den Abschluß von Staatsverträgen, S. 100.

§ 12.

Ueber den Abschluß der Staatsverträge des Deutschen Reichs und der größeren Deutschen Staaten.

Ueber die Competenz zum Abschlusse der Staatsverträge des Deutschen Reichs trifft Art. 11 des Gesetzes, betreffend die Verfassung des Deutschen Reichs vom 16. April 1871 die folgende Bestimmung:,,Das Präsidium des Bundes steht dem Könige von Preußen zu, welcher den Namen Deutscher Kaiser führt. Der Kaiser hat das Reich völkerrechtlich zu vertreten und Frieden zu schließen, Bündnisse und andere Verträge mit fremden Staaten einzugehen, Gesandte zu beglaubigen und zu empfangen.

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Zur Erklärung des Krieges im Namen des Reiches ist die Zustimmung des Bundesraths erforderlich, es sei denn, daß ein Angriff auf das Bundesgebiet oder dessen Küsten erfolgt.

In wie weit Verträge mit fremden Staaten sich auf solche Gegenstände beziehen, welche nach Art. 4 in den Berich der Reichsgesetzgebung gehören, ist zu ihrem Abschluß die Zustimmung des Bundesrathes und zu ihrer Gültigkeit die Genehmigung des Reichstags erforderlich."

Diese reichsgrundgesetzliche Bestimmung überträgt also die Vertretung des Reiches in allen internationalen Verhältnissen dem Kaiser und legt ihm das ausschließliche Recht bei, Friedens- und Allianzverträge zu schließen. Eine Kriegserklärung, in sofern sie nicht durch einen feindlichen Angriff provocirt worden ist, soll der Zustimmung des Bundesrathes bedürfen. Auch ,,andere Verträge" mit fremden Mächten sollen vom Kaiser abgeschlossen werden, bedürfen jedoch, in sofern sie sich auf Gegenstände beziehen, welche nach Art. 4 der Reichsgesetzgebung unterliegen, zu ihrem Abschluß der Zustimmung des Bundesrathes, und zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung des Reichstages."

Diese lettere Bestimmung bedarf einer näheren Erörterung, weil sie etwas unklar ist, und viele Meinungsverschiedenheiten hervorgerufen hat. Der übrige Inhalt des Artikels ist völlig klar und präcis abgefaßt. Alle Friedensund Allianzverträge werden in gültiger Weise ausschließlich vom Kaiser abgeschlossen. Gebietserweiterungen können mit Rücksicht auf Art. 1 des Verfassungsgeseßes, welcher die Grenzen des Bundesgebietes festsetzt, allerdings nur im Wege der Reichsgesetzgebung erfolgen. Die Ausführung einer derartigen Vertragsbestimmung kann daher nur im Wege der Reichsgefeßgebung geschehen. In diesem Sinne ist auch die auf Grund des Deutsch-Französischen Friedensvertrages vom 16. Mai 1871 erfolgte Vereinigung von Elsaß-Lothringen im Wege der Reichsgesetzgebung erfolgt. Das zu diesem Zwecke erlassene Reichsgeseh vom 9. Juni 1871 erklärt in § 1 die von Frank

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