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Auch dieser Gerichtsstand, welcher offenbar auch für Besitzklagen in Betreff von Immobilien gelten soll, ist ein exclusiver und zwar exclusiv in einem strengeren Sinne als die Gerichtsstände des Art. I, da derselbe auch durch Vereinbarung nicht ausgeschlossen werden kann. Er gilt zudem nicht blos für Processe von Schweizern und Franzosen gegen einander, sondern für alle Fälle eines Anspruches einer in dem Gebiete des einen Staates domicilirenden Person (auch eines Deutschen oder Engländers) auf in dem Gebiete des anderen Staates belegene Immobilien.)

Der Desterreichisch Serbische Rechtshilfevertrag entbehrt auch in diesen beiden Fragen ausdrücklicher Bestimmungen, während der Französisch- Badische Vertrag wenigstens in Betreff der im Gebiete des anderen Staates zu vollstreckenden Urtheile „en matière réelle“ das Gericht dans l'arondissement du quel est situé l'objet litigieux" als das allein competente bezeichnet. (Art. 2 Nr. 2.)

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Häufiger als hinsichtlich anderer Arten von Klagen sind verpflich. tende internationale Vereinbarungen hinsichtlich der Erbschaftsklagen und anderer Klagen aus dem Verhältnisse der Succession in das Vermögen eines Verstorbenen zu Stande gekommen. Es dürfte der Grund hiefür wohl darin liegen, daß zwischen den einzelnen Staaten Vereinbarungen über vorläufige Maaßregeln zur Sicherung des Nachlasses Verstorbener, Vereinbarungen von Acten, welche in das Reffort der freiwilligen" Gerichtsbarkeit gehören, unerläßlich sind, und daß man in solche Vereinbarungen dann auch zum Zwecke der einheitlichen Ordnung der Nachfolge in das Vermögen Verstorbener Bestimmungen über die Competenz im Falle von Streitigkeiten über diese Succession aufnahm.*)

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Der leitende Gesichtspunkt dieser Verträge über die Regelung der Competenz in Erbschaftsstreitigkeiten ist der, die Entscheidung über die Ansprüche von Erben und Legataren in eine Hand zu legen, um eine Collision zu vermeiden, welche entstehen könnte, wenn sowohl die Ge richte des Staates, in welchem jemand als Ausländer gestorben ist, als auch diejenigen seiner Heimath oder seines Domicils, jedes für sich, die Nachfolge in den ganzen Nachlaß oder auch nur in einen Theil desselben ordnen wollten, oder welche entstehen müßte, wenn der Streit um die Erbfolge sich in eine Reihe von bei den Gerichten verschiedener Staaten geführten Einzelprocessen zwischen den verschiedenen Erbschaftsprätendenten auflösen würde.

Die Verträge bestimmen hinsichtlich der auf den Nachlaß eines Ausländers sich beziehenden Erbschaftsklagen gewöhnlich nur, dem Gerichte welches Landes die Entscheidung derselben zustehen solle und überlassen die Regulirung der Competenz unter den verschiedenen Ge richten dieses Landes dessen Gesezen. Eine Ausnahme hievon macht der Französisch Schweizerische Vertrag, indem er sofort das zuständige Gericht selbst bezeichnet. Das Forum der Erbschaftsklage gilt blos für Streitigkeiten über die Succession von Todes wegen, nicht für etwaige Acte freiwilliger Gerichtsbarkeit, aber auch nicht für aus

Forderungsrechten abgeleitete Klagen gegen die hereditas. Den Glänbigern der Erbschaft bleibt wenigstens für eine bestimmte Frist der sonst begründete Gerichtsstand des Erblassers auch nach dessen Tode erhalten.

Ob die Erbschaftsklagen den Gerichten desjenigen Staates zugewiesen werden sollen, dem der Erblasser seiner Nationalität nach angehört, oder dem Staate, in welchem er sein lehtes Domicil hatte, hängt davon ab, ob man das materielle Recht dieses oder jenes Staates für das zur Anwendung berufene hält. Denn auch in diesem Falle wird man die Entscheidung des Streites jenem Richter zuweisen, der in die Lage kommt, sein eigenes Recht anzuwenden. Die erbrechtlichen Normen der einzelnen Staaten sind nicht so einfach, daß man mit Beruhigung ihre Anwendung dem Richter eines fremden Staates anvertrauen könnte, der in der Regel keine gründliche Kenntniß derselben besißen wird.

Da, wie bekannt, die Meinungen darüber, welches Recht die Erb. folge nach einem außerhalb seines Heimathlandes Verstorbenen regeln soll, sehr getheilt sind, stimmen auch die die gegenwärtige Frage behandelnden Staatsverträge nicht überein.

Die meisten über diese Materie abgeschlossenen Verträge erkennen die Competenz der Gerichte jenes Staates an, welchem der Erblasser seiner Nationalität nach zugehörte. Es ist dies der Fall in den Verträgen des Deutschen Reiches mit Griechenland, Art. 23, und mit Serbien, Art. 19,5) in den sämmtlichen Desterreichischen Ver. trägen und im Französisch-Russischen Vertrage, Art. 10. Auch der Deutsch-Russische Vertrag geht im Allgemeinen von diesem Grundsage aus, macht aber für den Fall eine Ausnahme, daß ein Unterthan des Landes, in welchem der Nachlaß eröffnet ist, auf die gedachte HinterLassenschaft Ansprüche zu erheben hat". In diesem Falle soll, wenn der Anspruch innerhalb einer höchstens achtmonatlichen Frist vom Todestage ab (Art. 5) geltend gemacht worden ist, die Prüfung dieses Anspruches den Gerichten oder sonst zuständigen Behörden des Landes anheim fallen, in welchem der Nachlaß eröffnet worden ist, und haben diese nach den Gesezen dieses Landes über die Rechtmäßigkeit der Ansprüche des Reclamanten und eintretenden Falls über diejenige Rate zu entscheiden, welche ihm mitgetheilt werden soll". (Art. 10.)

Der Französisch Schweizerische und der Italienisch Schwei. zerische Vertrag begnügen sich nicht damit, die Jurisdiction in Erbschaftssachen hinsichtlich des beweglichen Vermögens der in dem Gebiete des einen Staates verstorbenen Angehörigen des andern im Allgemeinen den Gerichten des Heimathstaates zuzuweisen, sondern sie bestimmen auch das für den concreten Fall zuständige Gericht dieses Staates. Und zwar soll dieses, wenn es sich um die Erbfolge nach einem in der Schweiz verstorbenen Franzosen bez. Italiener handelt, das Gericht des letzten Wohnsizes sein, den derselbe in Frankreich bez. Italien gehabt hat (Franz.Schweizer. Vertrag, Art. 5; Ital..Schweiz. Vertrag, Art. 17). Handelt es

sich hingegen um die Beerbung eines in Frankreich bez. Italien verstorbenen Schweizers, so ist nach der ausdrücklichen Festsetzung des Vertrages mit Frankreich und nach der dem Vertrage mit Italien durch das Nachtragsprotokoll vom 1. Mai 1869 zutheil gewordenen authentischen Interpretation (vgl. Curti, S. 109) der Richter des Heimathsortes des schweizerischen Erblassers competent (le tribunal de son lieu d'origine), eine Bestimmung, welche in dem in der Schweiz noch so sehr regen Gemeinde und Cantonalfinne, wie in der Verschiedenartigkeit des in den verschiedenen Cantonen geltenden Erbrechtes ihren Grund hat. (Curti, a. a. D., G. 75-81.)

Im Gegensaße zu den bisher angeführten Conventionen statuirt der Französisch-Badische Rechtshilfevertrag von 1846 die Competenz des Gerichtes des lezten Wohnsizes des Erblassers. 6)

Uebrigens macht die Mehrzahl der angeführten Verträge von den eben dargestellten Rechtssäßen eine Ausnahme, nach welcher die Entscheidung von Streitigkeiten über die Nachfolge in Immobilien stets dem iudex rei sitae vorbehalten ist. Eine solche Beschränkung fehlt nur im Französisch- Badischen Vertrage, in welchem sie jedoch subintelligirt wird (Curti, S. 112), in dem Italienisch Schweizerischen Vertrage und in den Verträgen des Deutschen Reiches mit Griechenland und Serbien, nach welchen sie als ausgeschlossen betrachtet wird. Aber auch in Kraft des Französisch-Schweizerischen Vertrages steht nach dem klaren Wortlaute des lezten Sazes von Art. 5, al. 1: „Toutefois on devra, pour le partage, la licitation ou la vente des immeubles, se conformer aux lois du pays de leur situation," die Erbfolge in Immobilien nur unter der Herrschaft des materiellen Rechtes des Staates der belegenen Sache, während die Anwendung dieses Rechtes dem Richter des leßten Domicils in der Heimath bez. dem Gerichte der Heimathgemeinde zusteht.7)

Die Frage nach der Berechtigung dieser Ausnahme in Betreff der Immobilien kann hier ebensowenig erörtert werden als die andere, ob die Competenz des iudex domicilii oder die des iudex originis, wenn ich den Richter des Staates, dem der Erblasser seiner Staatsbürgerschaft nach angehört, so bezeichnen darf, den Vorzug verdiene, und ob sich überhaupt allgemein d. h. für das Verhältniß der verschiedenen Staaten. zu einander, ein solcher Vorzug der einen Competenzregelung vor der anderen behaupten lasse, oder ob nicht vielmehr diese Regelung mit Rücksicht auf die größere oder geringere Uebereinstimmung der das Erbrecht betreffenden Geseze der contrahirenden Staaten in dem einen Falle zu Gunsten der Anwendung der lex domicilii, in dem andern zu Gunsten der Anwendung der lex originis wird ausfallen müssen. Beide Untersuchungen gehören in das internationale Privatrecht im engeren Sinne und können außer ihrem natürlichen Zusammenhange mit Erfolg nicht durchgeführt werden. Jedenfalls wird das Gericht jenes Staates zur Entscheidung berufen werden müssen, dessen Recht zur Anwendung kommt.

1) Mit Recht lehnt deshalb auch der Ungarische Gejezartikel LX von 1881 § 5 die Anerkennung von Entscheidungen ausländischer Gerichte in Statusfragen Ungarischer Staatsbürger ab. Vgl. Annuaire Soc. leg. comp. 1881, S. 368.

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2) Ueber die Praxis auf Grund des Französisch Schweizerischen Vertrages, insbesondere über die Fälle Benveguen und Surugues vgl. Brocher 1. c. p. 25 ff. und Lehr und Demangeat im Journal de droit intern. privé 1878, p. 247 ff.und 450 ff.

3) Curti, S. 68 ff.; Brocher, p. 36 ff.

4) Die wichtigsten dieser Verträge sind die des Deutschen Reiches mit Rußland von 1874 R.-G.-BI. 1875, S. 136 (Staudinger, S. 227 ff., und Böhm, S. 107 ff.), mit Griechenland von 1881 (Consularvertrag, Art. 15 ff.), R.-G.-BI. 1882, S. 114 ff. (Staudinger I. Ergänzungsband, S. 47 ff., u. Böhm Ergänzungsband, S. 130 ff.), mit Serbien von 1883 (Consularvertrag, Art. 11 ff., R.-G.-Bl. 1883, S. 66 ff.; Staudinger a. a. D., S. 64 ff., und Böhm, Ergänzungsband, S. 139 ff.) und in mancher Beziehung auch der Consularvertrag mit Brasilien von 1882, Art. 17 ff., R.-G.-Bl. 1882, S. 80 ff., (Staudinger a. a. D., S. 53 ff.); für Desterreich die Verträge mit Baden von 1862, R.-G.-Bl. Nr. 27 (Starr, Rechtshilfe in Desterreich gegenüber dem Auslande, S. 108 f.), mit Frankreich von 1866, R. G.-Bl. Nr. 168 (Starr a. a. D., S. 124 f.), mit Griechenland von 1856, R. G.-Bl. Nr. 169 (Starr, S. 130 f.), für die Oesterreichisch-Un. garische Monarchie mit Portugal (Consular- und Verlassenschaftsconvention von 1873, R.-G.-Bl. 1874 Nr. 135, Art. 9 ff.; Starr, S. 170 ff.) und mit Serbien von 1881, R.-G.-Bl. 1882 Nr. 89; für Frankreich der Vertrag mit Baden von 1846, der Art. 5 des Rechtshilfevertrages mit der Schweiz von 1869 und ein Vertrag mit Rußland von 1874 (Curti, S. 112); für die Schweiz der Consular- und Niederlassungsvertrag mit Italien von 1868, mit den Vereinigten Staaten von Amerika von 1850, mit Baden von 1856 (jämmtlich bei Curti a. a. D., S. 108 ff.).

5) „Das Erbrecht, sowie die Theilung des Nachlasses des Verstorbenen richten sich nach den Geseßen seines Landes. Alle Ansprüche, welche sich auf Erbrecht und Nachlaßtheilung beziehen, sollen durch die Gerichtshöfe oder zu ständigen Behörden desselben Landes entschieden werden und in Gemäßheit der Geseze dieses Landes.“

6) Eine Ordnung der Dinge, welche dem Zwecke eines Rechtshilfevertrages geradezu widerspricht, indem sie die Einheit der Erbschaft verleugnet, ist die durch den Vertrag der Schweiz mit den Vereinigten Staaten begründete. Dieser zufolge werden Streitigkeiten, welche unter den Ansprechern einer Erbschaft über die Frage entstehen, wem ein bestimmtes Gut zufallen solle, durch die Gerichte und nach den Gesezen jenes Landes entschieden, in dessen Gebiete dieses Eigenthum liegt. Zwar geht auch der Vertrag der Schweiz mit Baden von 1856, Art. 6, von derselben Auffassung aus, beschränkt dieselbe aber auf jenen Fall, in welchem der gesammte Nachlaß in demselben Staatsgebiete sich befindet und fügt hinzu: „Liegt der Nachlaß in beiden Staaten, so sind die Behörden desjenigen Staates competent, dem der Erblasser bürgerrechtlich angehörte, oder in welchem er zur Zeit des Todes wohnte, wenn er nicht Bürger eines der contrahirenden Staaten war."

7) Curti, S. 92 f., a. M. aber Brocher 1. c., p. 51.

Drittes Kapitel.

Rechtshilfe im Instructionsverfahren.

§ 94.

Begriff und Zweck der Rogatorien.

Sowohl in einem Civil als in einem Strafprocesse kann es noth wendig werden, die Vornahme einzelner Proceßhandlungen der Parteien oder des Gerichtes im Auslande zu veranlassen. Solche processuale Handlungen nun darf das Proceßgericht im Auslande nicht etwa durch einen dazu abgeordneten Beamteten vornehmen oder veranlassen. Auch die Anordnung einer Beweisaufnahme, auch die Zustellung einer auf Einleitung, Fortgang oder Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens sich beziehenden Verfügung ist ein Act der Gerichtshoheit, dessen Ausübung von Seite einer fremden Macht kein Staat auf seinem Gebiete zu dulden verpflichtet ist. Um so weniger ist ein Staat verpflichtet, auf seinem Territorium Ausübungen eines directen Zwanges von Seite fremder Gerichte, also etwa die Vornahme einer Verhaftung, einer Pfändung, einer Beschlagnahme, einer zwangsweisen Vorführung eines Zeugen zu gestatten. Daß zu Zwangsmaaßregeln der leztgedachten Art kein Staat innerhalb der Herrschaftssphäre eines anderen berechtigt sei, wird heutzutage allgemein anerkannt, während in Betreff der Zulässigkeit der zuerst genannten Acte der Gerichtshoheit die Staaten des Engli= schen Rechtes von der Auffassung aller übrigen abweichen. 1) 2)

Es dürfte dies mit jener Besonderheit der Englischen Gerichtsverfassung zusammenhängen, vermöge welcher die gedachten Acte zum größten Theile gar nicht Handlungen des Gerichts, sondern Handlungen der Parteien oder der Vertreter derselben sind, durch welche Eigenthümlichkeit der Zusammenhang dieser Acte mit der Gerichtshoheit des Staates und die Ableitung der Pflicht, sich den betreffenden Anordnungen zu unterwerfen, aus der Souveränetät verdunkelt wird.

Wenn ein Act von einer der beiden erwähnten Arten im Laufe eines gerichtlichen Verfahrens im Auslande vorgenommen werden soll, so muß das Proceßgericht daher die Zustimmung der Staatsgewalt jenes Gebietes, auf welchem derselbe vollzogen werden soll, zu dessen Vornahme erlangen oder geradezu die Vornahme desselben durch Organe der Staatsgewalt jenes Gebietes selbst erwirken. Zwar hat sich schon sehr früh, unter der Einwirkung von Sagungen des Römischen Rechtes, welche von Gewährung der Rechtshilfe von Seite der Gerichte anderer Provinzen handeln, die Uebung herausgebildet, daß die Gerichte der einzelnen Staaten unter Voraussetzung und gegen Zusicherung der Reciprocität, den Ersuchschreiben der Gerichte eines fremden Staates um Bewirkung

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