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der Vornahme eines der gedachten Acte, den literae mutui compassus oder requisitoriales, den commissions rogatoires entsprechen. Nichtsdesto. weniger ist es aber mit Rücksicht auf das dabei zu beobachtende Verfahren und zur Feststellung der Bedingungen, unter welchen ein nur auf die comitas gentium gegründeter Anspruch zu einem Rechte der Staaten werden soll, sehr zu wünschen, daß zwischen den einzelnen Staaten Verträge über die gegenseitige Zulassung von Instructions. handlungen zum Zwecke eines vor den Gerichten des anderen Theiles verhandelten Processes abgeschlossen werden, während der von Manchen gewünschte Abschluß eines Weltrechtshilfevertrages in Anbetracht der großen Verschiedenheiten des gerichtlichen Verfahrens in den verschiedenen Staaten und namentlich in Anbetracht der sehr verschiedenen Stellung des Gerichtes gerade zu den einzelnen Instructionsschritten unmöglich sein dürfte. Solche Verträge können auch ohne besondere Bedenken ab geschlossen werden. Schwierigkeiten werden sich nur dann ergeben, wenn die betreffende Proceßthätigkeit, welche in einem anderen Staate als dem des Proceßgerichtes vorgenommen werden soll, nach dem Rechte des einen der contrahirenden Staaten von den Gerichten, nach dem des anderen von der Partei selbst oder etwa von besonders dazu verordneten Beamteten vorgenommen werden muß. Für diesen Fall sind Vereinba rungen ähnlich denen der Art. 3, 5, 10 und 12 der Rechtshilfeverträge des Norddeutschen Bundes nothwendig. 3)

Gewohnheitsrechtlich entsprechen zwar, wie bereits gesagt, die Gerichte der allermeisten Staaten den Ersuchschreiben fremder Gerichte um Veranlassung von Zustellungen und um Aufnahme von Beweisen für die bei diesen lezteren anhängigen Processe. 4) Doch ist es troßdem, um einen Anspruch auf solche Acte der Rechtshilfe zu erlangen, rathsam, dieselbe vertragsmäßig zu vereinbaren.

1) Vgl. Foelix, No. 241; Wharton, Conflict, § 723; Bar, S. 462 und über den deutsch-amerikanischen Conflict von 1874 insbesondere die Noten des Staatssecretärs Fish vom 18. August 1874 und v. Bülow's vom 12. Dc tober d. J. bei Beach Lawrence III, 416 f. und IV, p. 99 ff.

2) Daher beschränkt auch § 328 Deutsche C.-P.-O. die Erhebung von Beweisen durch Deutsche Consuln im Auslande auf jene Fälle, in welchen eine solche in die Rechtspflege einschlagende Thätigkeit eines Consuls im fremden Staatsgebiete zulässig ist. Vgl. §§ 20 und 22 des Gesezes über die Organisation der Bundesconsulate.

3) Art. 3. „Wenn nach dem Rechte des Ortes, wo die erforderliche Proceßhandlung vorzunehmen ist, diese zum Geschäftskreise besonderer Beamten (Gerichtsvollzieher, Gerichtsvögte u. s. w.) gehört oder von der betheiligten Partei bei dem Gerichte unmittelbar zu betreiben ist, so hat das ersuchte Gericht selbst oder die bei ihm bestehende Staatsanwaltschaft einen zuständigen Beamten mit der Vornahme der Proceßhandlung zu beauftragen oder, soweit es erforderlich ist, die Sache einem Anwalt oder einer sonst geeigneten Person zur Betreibung zu übergeben.“ Art. 5: „Wird in einem anhängigen oder

anhängig zu machenden Rechtsstreite eine Proceßhandlung erforderlich, welche nach dem für das Proceßgericht geltenden Rechte nicht von den Gerichten verfügt, sondern im Auftrage der Parteien durch besondere Beamte bewirkt wird, dagegen nach dem Rechte des Ortes, wo die Handlung vorzunehmen ist, zu dem Geschäftskreise der Gerichte gehört, so hat das zuständige Gericht dieses Ortes auf den von der Partei unter Vorlegung der zuzustellenden oder der sonst erforder, lichen Schriftstücke gestellten Antrag die Proceßhandlung vorzunehmen.“ Art. 10: ,,Sollen die in einem Rechtsgebiete des norddeutschen Bundes, in welchen die Zwangsvollstreckung zu dem Geschäftskreise besonderer Beamten gehört, erlassenen Erkenntnisse im Großherzogthum Baden vollstreckt werden, so hat das zuständige badische Gericht die Zwangsvollstreckung auf Antrag der Partei anzuordnen .....“ und Art. 12: „Sollen in einem Rechtsgebiete des norddeutschen Bundes, in welchem die Zwangsvollstreckung zum Geschäftskreise besonderer Beamten gehört, Erkenntnisse oder sonstige richterliche Verfügungen, welche im Großherzogthum Baden erlassen sind, vollstreckt werden, so sind sie von der zuständigen gerichtlichen Behörde des Ortes mit der Vollstreckungsclausel zu versehen...." Vgl. auch mit Bezug auf den Oesterreichisch, Serbischen Vertrag Circulare des Serbischen Justizministers vom 16. Februar 1883, Nr. 4: „Nach Vorschrift unserer Geseze wird das Urtheil, nachdem es als voll. ziehbar erklärt worden, der Partei ausgehändigt, damit sie selbst es der Polizeibehörde zum Vollzuge übergebe. Wenn aber ein Urtheil auf Grund des Rechtshilfevertrages zum Vollzuge gelangen soll, so wird das Gericht das Urtheil nicht der Partei, sondern von Amts wegen der competenten Polizeibehörde zum Vollzuge zumitteln.“

4) Nach dem Rechte mancher Staaten sind deren Gerichte sogar geradezu geseßlich verpflichtet, solchen Ersuchschreiben stattzugeben. Vgl. Ital. Cod. proced. civ. Art. 945 und 947, Niederländisches Gerichtsorganisationsgeseß, Art. 40 (bei Asser, Internat. Privatrecht, S. 95), Englische Geseße 3 a. 4, Vict. c. 105 und 9a. 10, Vict. c. 113, Amerikanisches Gesez von 1863 (12 Stat. at. large 769) bei Wharton, Conflict, § 731. Im Gegensaße zu diesen Geseßen schweigt der 13. Titel des Deutschen G.-V.-G. und ebenso die Deutsche R.-C.-P.-O. über Fragen dieser Art, weshalb die Staatsverträge, bezw. das particulare Landesrecht der einzelnen Staaten in subsidium hier in Betracht kommen. Vgl. Struckmann und Koch, Bem. 6 zu § 157, G.-V.-G.

§ 95.

Zustellungen im internationalen Verkehre.

Was zunächst die Veranlassung von Zustellungen betrifft, welche im Laufe eines in dem Gebiete des einen der contrahirenden Staaten geführten Civilprocesses auf dem Gebiete des anderen nothwendig werden, so pflegt man in den Rechtshilfeverträgen die gegenseitige Mitwirkung der Behörden zu solchen Zustellungen zu vereinbaren, ohne daß diese Mitwirkung erst von einer Untersuchung und Prüfung des Inhalts des zuzustellenden processualen Schriftstückes abhängig gemacht würde. Dem zufolge ist dann der eine Staat auch zur Vermittlung der Zustellung einer Klage in Betreff einer nach seinem Rechte unklagbaren Forderung verpflichtet, soferne die Gerichte des anderen Staates eine solche Zu. stellung beantragen. Der ersuchte Staat prüft nichts Anderes als, ob

das die betreffende Zustellung übermittelnde Ersuchschreiben wirklich von einer zu einer solchen Bitte berechtigten Behörde des ersuchenden Staates ausgeht und ob es auf dem allenfalls vorgeschriebenen besonderen Wege übermittelt worden ist.

So absonderlich die eben aufgestellten Säße auch auf den ersten Blick scheinen mögen, so einleuchtend werden sie bei näherer Betrachtung. Es sind nur zwei Fälle möglich. Entweder der im Inlande wohnhafte Beklagte besigt in jenem Staate, in welchem der Proceß gegen ihn geführt wird, ein Vermögen, aus welchem sich sein Gläubiger Befriedigung verschaffen kann, oder er besißt dort kein solches Vermögen. Im ersten Falle wird das auf Grund jener Klage, um deren Zustellung unsere Gerichte ersucht werden, gefällte condemnatorische Urtheil in dem fremden Staate aus dessen eigener Macht vollstreckt werden. Eben deshalb möchte es scheinen, als müßten, wenn es sich um eine nach unserem Rechte unzulässige Klage handelt, unsere Gerichte jede Mitwirkung zu ihrer Verbescheidung ablehnen. Könnte unser Staat durch Ablehnung der Zustellung die Fällung des Urtheils und demzufolge auch dessen Vollstreckung in jenem fremden Staate verhindern, so wäre dies zweifellos das richtige Verfahren. Gerade das aber ist es, was unser Staat nicht vermag. Kann er doch durch Nichts den fremden Staat hindern, ein Contumacialverfahren gegen den inländischen, von der gegen ihn erhobenen Klage gar nicht verständigten Schuldner durchzuführen. Und so würde die im Interesse des Beklagten aufgestellte Norm, daß die Zustellung einer nach inländischem Recht unzulässigen Klage an ihn nicht stattfinden könne, nur zu dessen Nachtheile ausschlagen, da sie ihm die Möglichkeit sich zu vertheidigen entzöge. Besißt aber der inländische Schuldner im Auslande kein oder kein ausreichendes Vermögen, müßte also Execution gegen denselben im Inlande stattfinden, so bedarf es ohnedies eines besonderen Verfahrens, um die Vollstreckung des ausländischen Urtheils im Inlande zu erlangen, so daß noch in diesem Verfahren dafür gesorgt werden kann, daß ein von dem inländischen Rechte reprobirter Anspruch im Julande nicht zwangsweise zur Geltung gebracht werde.) So unterlassen es denn auch wirklich sowohl der FranzösischSchweizerische Vertrag, Art. 20, als der Österreichisch Serbische Vertrag, Art. 6, al. 1, die Pflicht der Veranlassung von Zustellungen von einer Prüfung des Inhaltes derselben abhängig zu machen. 2) Nur wenn die Zustellung an und für sich, d. h. abgesehen von ihrem Inhalte, als gerichtliche Zustellung eine unzulässige wäre, wie, wenn sie an eine exterritoriale Person erfolgen sollte, müßte sie abgelehnt werden. Was schließlich die Art solcher Zustellungen betrifft, so empfiehlt es sich, Zustellungen unmittelbar von Gericht zu Gericht zuzulassen und den schlep penden diplomatischen Weg zu vermeiden. Dennoch halten manche Verträge, so z. B. der Österreichisch-Serbische Vertrag auch für diesen Fall an dem Grundsaße fest, daß die Uebermittlung aller gerichtlichen Ersuchschreiben, sowie die Beantwortung derselben auf diplomatischem

Handbuch des Völkerrechts 111.

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Wege erfolgen müsse (Art. 4).3) Die Verspätung, welche Zustellungen in Folge der vielen auf diesem Wege zu durchlaufenden Zwischenstationen so häufig erleiden, sind die Ursache, weshalb im internationalen Rechtsverkehre Contumacialurtheile gegen den nicht rechtzeitig verständigten Beflagten eine so wichtige und eine so bedauerliche Rolle spielen.

Einigermaßen hat, da Frankreich mit Rücksicht auf Art. 69, al. 9 und Art. 70 C. proc. civ. den unmittelbaren Verkehr mit den Gerichten eines fremden Staates nicht zuzulassen in der Lage ist, wenigstens der Art. 20 des Französisch-Schweizerischen Vertrages diesen schleppenden Zustellungsmodus erleichtert, indem die zuzustellenden Documente von dem Schweizerischen Bundesrathe wenigstens unmittelbar, also mit Umgehung des Ministeriums des Aeußeren, an den Gesandten in Paris bez. sogar an den Schweizer Consularagenten, in dessen Bezirke der Französische Zustellungsort gelegen ist, geschickt und von diesem dem Staatsanwalte des betreffenden Gerichtes übermittelt werden dürfen. Diese Verwendung der Consulate zur Besorgung von gerichtlichen Zustellungen, welche sich auch sonst, ohne daß sie durch besonderen Vertrag eingeführt worden wäre, findet (so z. B. im Verhältnisse zwischen Desterreich einerseits und Großbritannien, Nordamerika und Rumänien), dürfte sich als Aus. kunftsmittel für alle jene Verhältnisse empfehlen, in welchen aus in der Organisation der Gerichte des einen oder des anderen Theiles gelegenen Gründen eine unmittelbare Correspondenz nicht durchführbar ist.

Besondere Formen der Zustellung pflegen die Rechtshilfeverträge nur hinsichtlich der ersten, den Proceß einleitenden Verfügung oder Ladung aufzustellen, wenigstens insoferne als das auf Grund der Klage zu fällende Urtheil nachher in dem anderen Staate vollstreckt werden soll.4)

Für den Fall, daß die Geseze des einen der contrahirenden Staaten die Zustellung einer gerichtlichen Verfügung in einer fremden Sprache nicht gestatten, oder doch wenigstens den Adressaten zur Annahme der selben nicht verpflichten sollten, empfiehlt es sich, eine Bestimmung wie die des Italienisch Rumänischen Vertrages, Art. 9, al. ult., zu vereinbaren: Les deux gouvernements accepteront réciproquement les actes traduit en français, en se chargeant de leur traduction dans la langue du pays, en cas que leurs lois judiciaires défendent l'intimation d'un acte quelconque dans une langue étrangère."

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1) Vgl. v. Bar, S. 459.

2) Art. 20, Französisch-Schweizerischer Vertrag; Art. 6, Österreichisch. Serbischer Vertrag.

3) Vgl. auch Italienisch Serbischer Bertrag, Art. 10. Zu dem Österreichisch. Serbischen Vertrage vgl. auch noch den Österreichischen Justizministerialerlaß vom 6. April 1883, 3. 5131 in den (Wiener) juristischen Blättern. 1883, Nr. 18 und Nr. 19 (S. 220), nach welchem nicht blos für die eigentlichen gerichtlichen Ersuchschreiben, sondern auch für Zustellungen, welche von Österreichischen Gerichten

an in Serbien wohnhafte Parteien erfolgen sollen, also z. B. für die Zustellung von Contumacialurtheilen, der diplomatische Weg vorgeschrieben ist. Ueber die Unzweckmäßigkeit dieser Ordnung der Dinge vgl. Johanny in den Juristischen Blättern, 1883, S. 220 f.

*) Ueber die betreffenden Bestimmungen (Art. 9. al. 1 des Österreichisch. Serbischen Vertrages) vgl. unten S. 425.

§ 96.

Beweiserhebungen.

Was Beweiserhebungen für Civilprocesse betrifft, so sind ausdrückliche vertragsmäßige Festsetzungen über dieselben sehr selten,1) während solche Vereinbarungen in Bezug auf Beweiserhebungen für Strafprocesse in neuester Zeit in die Verträge über die Auslieferung von Verbrechern aufgenommen zu werden pflegen.

Einer Feststellung bedürfen, wenn wir von den Besonderheiten der Rechtshilfe in Straffachen zuerst noch absehen, insbesondere die Fragen, ob das Ersuchen direct von Gericht zu Gericht oder nur auf diplomatischem Wege gestellt werden dürfe, ob das ersuchte Gericht berechtigt sei, die Competenz des ersuchenden ausländischen Gerichtes zur Entscheidung der fraglichen Streitsache zu prüfen, ferner in welchen Formen die Erhebung des betreffenden Beweises erfolgen müsse, nach welchem Rechte die Fragen zu beantworten seien, ob und in wie weit zur Erhebung des angesuchten Beweises in die Freiheit von Privatpersonen eingegriffen werden dürfe, ob das ersuchte Gericht berechtigt sei, die Zulässigkeit des betreffenden Beweismittels für die Entscheidung der vorliegenden Streitsache zu prüfen und nach welchem Rechte diese Prüfung erfolgen solle, und schließ= lich, wer die Kosten der Beweiserhebung zu tragen habe.

Was die erste Frage betrifft, so verlangt die Praxis in der Regel die Uebermittelung des Ansuchens auf diplomatischem Wege. Nun läßt es sich allerdings nicht leugnen, daß diese Art der Vermittelung dadurch, daß sie direct die Verantwortlichkeit der obersten Verwaltungsbehörden eines Staates für das betreffende Ersuchen begründet, eine gewisse Garantie für die Rechtmäßigkeit des angesuchten Actes der Rechtshilfe mit sich bringt. Andrerseits aber empfiehlt es sich nicht, diese obersten Behörden mit einer in den meisten Fällen verhältnißmäßig unbedeutenden Angelegenheit zu belasten und dadurch gleichzeitig die Erledigung der betreffenden Acte zu verzögern. Daher haben manche Staaten auch für Instructionshandlungen vertragsmäßig den unmittelbaren Verkehr ihrer Gerichte unter einander zugelassen, was sich insbesondere unter benachbarten Staaten dann empfiehlt, wenn die Gerichtsorganisation derselben nicht allzu verschieden ist. Das Institut de droit international hält es sogar für angemessen, ganz allgemein die unmittelbare Correspondenz zu empfehlen (Annuaire 1878, p. 45, Nr. 6).

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