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Formen eines bestimmten, national ausgeprägten Verfahrens anschließen, geben nur allzuleicht dazu Anlaß, daß manche Aufklärungen, welche einem ausländischen Gerichte gegenüber nothwendig sind, deshalb, weil sie gegenüber einem inländischen Gerichte selbstverständlich und überflüssig wären, zum Schaden der Rechtshilfe unterbleiben. Nur über die Sprache, in welcher Ersuchschreiben abgefaßt sein sollen, ist es zweckmäßig, Bestim mungen in den Verträgen aufzunehmen. So ist dies auch im austroserbischen Vertrage geschehen. Art. 1, al. 2: „Dem Ersuchschreiben ist, wenn es nicht in der Sprache des ersuchten Gerichtes abgefaßt ist, eine deutsche oder französische Ueberseßung beizulegen. Dasselbe gilt von jenen Beilagen eines Ersuchschreibens, deren Inhalt dem ersuchten Gerichte bekannt sein muß, um dem gestellten Ersuchen entsprechen zu können. Der Beantwortung eines Ersuchschreibens ist eine Uebersehung der bezeichneten Acten in dem Falle beizulegen, wenn die Antwort nicht in der Sprache des ersuchenden Gerichtes abgefaßt ist."

Die Kosten, welche durch solche Beweisaufnahmen dem requirirten Gerichte erwachsen, werden bald von dem ersuchten Staat getragen (Französisch-Schweizerischer Vertrag, Art. 21, al. 2, SchweizerischItalienischer Vertrag von 1868, Gianzana III., p. 206), bald von dem requirirenden Staate ersezt oder sogar vorgeschossen (ÖsterreichischSerbischer Vertrag, Art. 5). Was die Kosten der Correspondenz zwischen Gerichten verschiedener Staaten betrifft, so ist jezt Art. S des Weltpostvertrages vom 1. Juni 1871 maaßgebend, in Kraft dessen nur der auf den Postdienst bezügliche amtliche Schriftenwechsel portofrei ist, wo nach die älteren Vereinbarungen zwischen den Staaten des nunmehrigen Deutschen Reiches und Desterreich-Ungarn (Postvertrag vom 23. November 1867, Art. 26 und 47), sowie der Schweiz (Postvertrag vom 11. April 1868, Art. 23), nach welchen sich die Portofreiheit auf „alle Correspondenzen und Fahrpostsendungen in reinen Staatsdienstangelegenheiten" erstreckt hatte, aufgehoben erscheinen.11)

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1) Art. 21 Französisch Schweizerischer Vertrag:,,Les deux Gouvernements contractants s'engagent à faire exécuter dans leur territoire respectif les commissions rogatoires décernées par les magistrats des deux pays, pour l'instruction des affaires civiles et commerciales, et ce, autant que les lois du pays, où l'exécution devra avoir lieu, ne s'y opposeront pas"; Art. 6 Österreichisch Serbischer Vertrag f. oben; Art. 4, 5, 6 Französisch Badischer Vertrag; Art. 22, al. 3, Französisch Sardinischer Vertrag von 1760. 2) Protocol explicatif, Art. 21:,,Quant aux commissions rogatoires, le gouvernement français a tenu à conserver le mode actuel de transmission (par voie diplomatique). Il importe, dans son opinion, que les gouvernements puissent surveiller avec soin l'exécution des mesures sollicitées par la justice étrangère et qui peuvent n'être point en rapport avec la législation du pays." Dagegen aber Curti, S. 169, welcher die betreffende Vorschrift des Art. 21 für „eine überflüssige Vorsicht“ erklärt und Brocher, p. 122.

3) Vgl. auch den Italienisch- Badischen Vertrag vom 23. Januar 1868, deffen Esperson, Journ. dr. intern. pr. 1884, p. 611 (Nr. 191) gedenkt.

4) Staudinger a. a. D., S. 469. Vgl. auch den in manchen Beziehungen merkwürdigen Vertrag der Österreichisch Ungarischen Monarchie mit Ruß. land vom 2. April 1884, R. G. Bl., Nr. 134, und die zwischen Italien und der Regierung der cisleithanischen Länder der Österreichisch Ungarischen Monarchie ausgetauschten Declarationen von 1872 bei Starr, G. 385.

5) Nach gemeinrechtlicher Praxis konnte nur dasjenige Gericht um Rechtshilfe bitten, welches für die zu vollziehende Verfügung, d. i. für die Sache, in der diese ergangen, competent war, weshalb das ersuchte Gericht, bevor es dem Ersuchschreiben stattgab, die Competenz des ersuchenden Gerichtes zu prüfen hatte. Vgl. Webell, S. 470 (§ 38, ad Anm. 35) und die in der Anm. 35 citirten älteren Autoren.

„Das ersuchte Gericht hat nicht einmal die Richtigkeit (des Urtheils oder) der Verfügung, zu deren Ausführung es aufgefordert wird, geschweige denn deren sonstige Uebereinstimmung mit dem Rechte, weder mit seinem eigenen noch nach dem Geseze des ersuchenden Gerichtes, nachzuprüfen. Vielmehr hat sich das er, fuchte Gericht nur zu fragen, ob sein Recht die ersuchte Handlung, also dieses Zeugenverhör, diese Zustellung, (diese Vollstreckung) in der Art, wie sie von ihm begehrt wird, verbietet . Es ist lediglich die Möglichkeit, den Act der Vollstreckung als solchen vorzunehmen, nach dem Rechte des ersuchten Gerichtes zu erörtern." Endemann, S. 135, auf Grund des Art. 37 der Verträge des Norddeutschen Bundes: „Die Rechtshilfe findet nicht statt, wenn eine Handlung des Gerichtes, einer Partei oder eines Dritten beantragt wird, deren Vornahme nach dem für dieses Gericht geltenden Rechte verboten ist.“

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7) Anders faßt z. B. Esperson, Journal dr. intern. pr. 1884, p. 605, die Frage auf, wenn er sagt: „,En effet, aux termes de l'art. 12 des dispositions préliminaires du Code civil Italien, si le juge étranger ordonnait la preuve de contrats contraires au droit public Italien, p. e. de conventions, qui doivent recevoir leur exécution en Italie sur des marchandises, dont le gouvernement a le monopole, la Cour d'appel ne pourrait pas admettre l'exécution de cette décision."

) Vgl. Esperson, Journal dr. intern. pr. 1884, p. 605 ff.

9) Für Oesterreich vgl. über das angebliche Hofdecret v. 17. Juni 1816, Kaserer in den Jurist. Blättern 1885, Nr. 14. Vgl. auch v. Bar, S. 457, 461; Menger, S. 171, Anm. 10, S. 172. Anm. 12; Foelix, Nr. 249.

10) Ganz ausnahmsweise begründeten eine solche Pflicht die Rechtshilfeverträge des Norddeutschen Bundes mit den Süddeutschen Staaten § 40. Vgl. hierzu Endemann S. 149 ff., insbesondere über die beiden, für den Fall der Statuirung eines auch in's Ausland reichenden Zeugnißzwanges fundamentalen Fragen: 1. nach dem Rechte und von dem Gerichte welches Staates die von dem Zeugen geltend gemachte Befreiung von der Zeugnißpflicht zu beurtheilen ist; 2. auf welche Personen sich eine solche internationale Zeugnißpflicht erstreckt, ob blos auf die Unterthanen der contrahirenden Staaten, oder auf alle, die sich auf deren Gebiete aufhalten. Auch nach dem Österreichisch. Serbischen Vertrage kann nicht etwa aus Art. II. al. 2 gefolgert werden, daß der Österreichische Richter über Ersuchen des Serbischen Richters einen Zeugen auch nöthigen müsse, vor dem Serbischen Richter zu erscheinen, weil kein Österreichisches Gesez eine solche

Der

Handlung des Österreichischen Richters ausdrücklich für unzulässig erklärt. Zeugnißzwang muß vielmehr abgelehnt werden, weil die von den Acten der Rechtshilfe im Instructionsverfahren handelnde Vertragsnorm, der Art. 6, desselben nicht gedenkt, sondern sich damit begnügt die Gerichte zur „Veranlassung von Zustellungen, Einvernehmung von Parteien und Aufnahme von Beweisen“ zu verpflichten.

11) Vgl. Böhm, Internationale Nachlaßbehandlung I, E. 323 ff.

§ 97.

Präconstituirte Beweise.

Wie die Staaten durch den internationalen Verkehr genöthigt find, gegenseitig durch ihre Behörden Beweise, welche für die Entscheidung von vor den Gerichten des anderen anhängigen Processen erforderlich find, erheben zu lassen und ebenso solchen von fremden Behörden vorgenommenen Feststellungen rechtliche Wirkung beizumessen, so find fie auch genöthigt, den in anderen Staaten aufgerichteten präconstituirten Beweisinstrumenten publica fides beizumessen. Und zwar geht diese Anerkennung der publica fides wenigstens derjenigen Urkunden, welche von öffentlichen Behörden des Auslandes errichtet worden, in einer Richtung noch weiter als die Anerkennung der Kraft von erst im Laufe des Processes aufgenommenen Beweisen. Denn während es hinsichtlich der letzteren, wie oben erwähnt, sehr zweifelhaft ist, ob es genügt, wenn ihre Erhebung nur in den Formen der lex loci erfolgte, macht ein allgemeines Gewohnheitsrecht1) die Beurtheilung der Frage, ob eine öffentliche Urkunde des Auslandes als solche anzuerkennen sei, ausschließlich von der Einhaltung der Formen des ausländischen Rechtes abhängig. Eine vertragsmäßige Sanction findet dieses Gewohnheitsrecht in manchen Consularverträgen,2) nach welchen den Verhandlungen und Schriftstücken, welche von den Behörden des einen der contrahirenden Staaten ausgegangen und von dessen Consuln oder Consularagenten in dem andern Staate übersezt und beglaubigt worden sind, auch in diesem lezteren Staate dieselbe Kraft und Geltung zukommen soll, als wenn sie von einem Notar oder einem anderen zuständigen Beamten aufgenommen worden wären, sobald sie nur der von jenem Staate, in welchem sie zur Aus führung gelangen sollen, geforderten Stempelung oder Registrirung unter zogen worden sind. Manche Verträge erlassen sogar das Erforderniß der Beglaubigung der ausländischen öffentlichen Urkunden durch Behörden des Inlandes, so z. B. der Vertrag des Deutschen Reiches mit der Österreichisch Ungarischen Monarchie vom 25. Februar 1880 Österreichisches R.-G.-Bl. Nr. 85, Deutsches R.-G.-BI. 1881, S. 3).3) In all diesen Fällen aber beschränkt sich diese Anerkennung der ausländischen öffentlichen Urkunden im Inlande darauf, daß für sie ebenso wie für die inländischen schon vermöge ihrer Form die Vermuthung

der Echtheit und der Gesezmäßigkeit streitet, was aber keineswegs hindert, daß die Beweiskraft derselben und u. A. also auch die Frage nach der Zulässigkeit eines durch Zeugen zu erbringenden Gegenbeweises gegen dieselben nach dem Rechte des Inlandes zu entscheiden ist.

Sehr zweifelhaft ist die Frage nach der Anerkennung der Beweiskraft ausländischer Notariatsurkunden.) Bei der großen Verschieden artigkeit in der Organisation des Notariates nach dem Rechte der einzelnen Staaten wird sich die Frage im Allgemeinen nicht beantworten lassen. Sie kann nur in voller Kenntniß und genauer Würdigung der betreffenden Institutionen durch Vereinbarung je zweier Staaten miteinander gelöst werden.

Ebenso dürfte es nicht möglich sein, im Allgemeinen Auszüge aus Handelsbüchern fremder Kaufleute als Beweis zuzulassen, wie dies Art. 1, al. 3 des Österreichisch Serbischen Vertrages thut, während es jeden, falls höchst wünschenswerth ist, dieses Beweismittel im Verhältnisse zu allen jenen Staaten zuzulassen, in Betreff deren keine besonderen Bedenken hiergegen obwalten. Nur sollten die betreffenden Verträge nicht blos die Frage entscheiden, nach welchem Rechte die Fähigkeit von Handels. büchern, Beweis für denjenigen zu machen, der sie geführt hat, eine self-serving evidence zu constituiren, zu bestimmen sei, sondern auch die andere Frage, welches Recht über die Wirksamkeit eines solchen Beweises entscheide. Insbesondere im Handelsverkehre ereignet es sich zu häufig, daß beide Parteien verschiedenen Nationen angehören und verschiedenes Domicil besitzen. Auch in Betreff dieser Fragen aber hat die Theorie des internationalen Privatrechtes eine Alle befriedigende Lösung zu geben nicht vermocht. Da es aber bei dieser Controverse wie bei so vielen anderen unserer Disciplin für die Bedürfnisse der Praxis zu allererst darauf ankommt, daß dieselbe überhaupt entschieden werde, damit die Parteien die Folgen ihres Verhaltens von vornherein zu beurtheilen und dasselbe daher unter Berücksichtigung dieser Folgen einzurichten vermögen und es erst in zweiter Linie in Betracht kommt, ob diese oder jene Lösung die zweckmäßigere sei, gehört es zu den Aufgaben der in dieser Materie an die Stelle der einseitigen Gesetzgebung tretenden internationalen Vereinbarung der Staaten, Normen für die Entscheidung dieser Fragen aufzustellen, mögen diese Normen vielleicht auch nicht den vollen Beifall der Theorie finden.

1) Vgl. v. Bar, S. 420 ff. und 117 ff.

2) So z. B. in dem Vertrage des Deutschen Reiches mit Griechenland vom 26. Novbr. 1881, R.-G. BI. 1882, E. 108. Staudinger, I. Ergänzungs. band S. 43 f.

3) Bei Staudinger, S. 189 ff.

4) Eine hiervon verschiedene Frage ist die unten zu besprechende nach der Vollstreckbarkeit ausländischer Notariatsacte. Vgl. Haus, p. 338 ff.; Gianzana, T. I, P. III, p. 173 ff., bes. Nr. 264 f. Vgl. unten S. 441.

Viertes Kapitel.

Anerkennung der Wirksamkeit ausländischer Urtheile.

§ 98.

Anerkennung der Rechtshängigkeit vor einem
ausländischen Gerichte.

Internationaler Anerkennung bedürfen auch die beiden rechtlich relevanten Thatsachen der Anhängigkeit und der Entscheidung eines Rechtsstreites vor bezw. durch ausländische Gerichte.

Staaten mit ebenbürtiger Rechtspflege können die Thätigkeit ihrer Gerichte nicht gegenseitig ignoriren, sie müssen vielmehr gegenseitig dieser Thätigkeit auch für ihr Gebiet Wirksamkeit einräumen. Auch hierzu bedarf es eines zwischen den beiden Staaten abgeschlossenen Vertrages, durch welchen sie sich gegenseitig zur Anerkennung dieser Wirksamkeit, sowohl der Rechtshängigkeit vor einem Gerichte des anderen Staates als der Entscheidung durch ein solches verpflichten.1)

Der Grund, welcher überhaupt für die Zulassung der Einrede der Litispendenz spricht, gilt ganz ebenso, wenn ein Rechtsstreit vor einem zu dessen Entscheidung zuständigen ausländischen Gerichte anhängig ist, als wenn er vor einem inländischen Gerichte eingeleitet worden. Auch in jenem Falle wäre es für den Beklagten ungebührlich beschwerlich, wenn er sich wegen eines und desselben gegen ihn erhobenen Anspruches zweimal vertheidigen müßte; auch in jenem Falle besteht die Gefahr eines die Justiz compromittirenden Widerspruches zwischen dem Ergebnisse der beiden Processe; ja jene Beschwerniß und diese Gefahr sind noch größer, wenn der eine Proceß in diesem, der andere in jenem Staate müßte geführt werden.2) Nur dann, wenn der Staat, vor dessen Gerichten der Kläger, welcher bereits ein ausländisches Gericht angegangen hat, seinen Anspruch neuerlich geltend machen will, die Entscheidung des ausländischen Gerichtes nicht für wirksam erkennen könnte, sei es, weil er dem gericht lichen Verfahren jenes Staates kein Vertrauen schenkt, sei es, weil er seine Gerichte für ausschließlich zuständig erachtet, über den fraglichen Anspruch zu entscheiden, nur dann kann die Thatsache, daß dieser Rechtsstreit bereits vor einem fremden Gerichte anhängig ist, nicht genügen, um die Gerichte des Inlandes ihrer sonst ihnen zukommenden Jurisdiction über die betreffende Streitsache zu entseßen. Unter dieser Vorausseßung hat nämlich der Kläger sein Klagerecht in jenem Sinn, wie es ihm von jenem Staate zuerkannt wird, welchen er erst später angegangen hat,

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