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Einwendungen werden durch diese Beurteilung selbstverständlich in keiner Weise betroffen.

In den Verfassungen von Bayern, Baden, Großherzogthum Hessen, Sachsen-Meiningen und Altenburg, sowie von Mecklenburg-Schwerin und Strelig finden sich keine Bestimmungen, welche das Recht der Landesherrn Staatsverträge zu schließen beschränken. Bei der Ausführung solcher Verträge kann daher die Mitwirkung der Volksvertretungen nur in solchen Fällen in Frage kommen, wo es sich um Geldbewilligungen handelt. In Mecklen= burg tritt auf Grund der §§ 198 und 199 des landesgrundgeseßlichen Erbvergleichs vom 18. April 1755 die Verpflichtung zur Vorlage von Staatsverträgen an die Stände nur in den Fällen ein, wo ein Eingriff in die Rechte der Ritter- und Landschaft erfolgt, oder dieser Lasten auferlegt werden.

In Württemberg bedürfen Handelsverträge zu ihrer Ausführung der Zustimmung der Volksvertretung, und solche Verträge, durch welche ein Landesgesetz aufgehoben oder Staatseigenthum veräußert werden soll. Von diesen letzteren beiden Bestimmungen findet sich die erstere auch in den Verfassungen von Braunschweig, Oldenburg, Sachsen - Koburg - Gotha und Reuß; die lettere auch in denjenigen von Oldenburg, SachsenWeimar, Altenburg, Anhalt, Braunschweig, Schwarzburg-Son= dershausen und Rudolstadt.

Nach der Oldenburgischen Verfassung bedürfen Schiffahrtsver= träge und solche, welche über Veräußerungen von Rechten des Staates oder des Staatsoberhauptes verfügen, oder über solche Gegenstände handeln, bei welchen dies verfassungsmäßig bestimmt ist, der Zustimmung der Volksvertretung.

Von den drei Deutschen Republiken hat Hamburg in seiner Verfassung den Grundsah adoptirt, daß kein internationaler Vertrag, ohne daß zwischen Senat und Bürgerschaft zuvor Uebereinstimmung herbeigeführt ist, ratificirt werden darf. In Lübeck unterliegen nur Handels- und Schiffahrtsund alle solche Verträge, welche über Gegenstände verfügen, wo dies verfassungsmäßig bestimmt ist, der Mitwirkung der Bürgerschaft. In Bremen ist das Verhältniß gleichartig wie in Lübeck, es bleiben also in diesen beiden freien Reichsstädten dem Abschlusse der Senate eine Reihe von Staatsverträgen überlassen. 3)

Als allgemeine Regel ist noch hervorzuheben, daß die Deutschen Staaten nicht das Recht haben über alle diejenigen Gegenstände Staatsverträge zu schließen, für welche in Art. 4 des Reichsverfassungsgesetzes vom 16. April 1871 das Reich das ausschließliche Recht der Gesetzgebung sich vorbehalten hat. Für Bayern ist in Art. 4 Nr. 1 die Gesetzgebung, also auch die Vertragsschließung für das Heimaths- und Niederlassungswesen, und in Nr. 8 ist die Herstellung seiner Land- und Wasserstraßen im Interesse der Landesvertheidigung und des allgemeinen Verkehrs

vorbehalten. Jedoch verbleibt nach Art. 52 auch in ihnen dem Reiche die Gesezgebung über die Vorrechte der Post und Telegraphie und über die rechtlichen Verhältnisse beider Anstalten zum Publikum, über die Postfreiheit und das Posttarwesen und über die Tariffreiheiten ausschließlich der Tarifbestim= mungen für den Verkehr innerhalb beider Länder. Ebenso werden die Gebühren für die telegraphische Correspondenz reichsgefeßlich geordnet. - Die Regelung des Post- und Telegraphenverkehrs bleibt auch in Bayern und Württemberg ausschließlich dem Reiche überlassen. In dieser Beziehung bleibt es jedoch hinsichtlich der Regelung dieser Verhältnisse mit den dem Reiche nicht angehörenden Nachbarstaaten beider Länder bei den Bestimmungen des Postvertrages vom 22. November 1867. Also internationale Post- und Telegraphen Verträge dürfen auch Bayern und Württemberg nicht schließen.

Aus dem ausschließlich dem Kaiser zustehenden Rechte Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, sowie das Reich den fremden Mächten gegen= über zu vertreten, folgt auch, daß das Recht der Vertragsschließung auf dem ganzen Gebiete der auswärtigen Verhältnisse ausgeschlossen ist. Wie Tinsch mit Recht bemerkt, würde sonst die Abnormität möglich sein, daß die Einzelstaaten die politischen Wege des Reiches kreuzten und dadurch womöglich das Reich in einen Krieg verwickeln könnten. Ganz entschieden ist aber die rechtliche Begründung der von ihm unmittelbar darauf aufgestellten Ansicht zu bestreiten, daß die Competenz des Reichs zum Abschlusse internationaler Verträge nicht weiter reiche, als auf die in Art. 4 aufgeführten Gegenstände. *)

Der im Anfange dieses Abschnitts wörtlich citirte Artikel der Reichsverfassung legt dem Kaiser das Recht bei „Bündnisse und andere Verträge mit fremden Staaten einzugehen“ und fügt hinzu, daß solche Verträge, welche nach Art. 4 in den Bereich der Reichsgesetzgebung gehörten, zu ihrem Abschluß die Zustimmung des Bundesraths und zu ihrer Gültigkeit die Genehmigung des Reichstags erfordern. Es bedarf keines weiteren Wortes um die Auffassung von Tinsch als rechtlich ganz haltlos zu bezeichnen. Und was würde politisch die Folge sein, wenn diese Auffassung rechtlich begründet wäre? das Deutsche Reich würde aufhören eine leitende Großmacht zu sein. Es würde einen großen Schritt zurück thun nach der Zeit hin, wo der Deutsche Bundestag noch sein für die große Politik einflußloses Dasein fristete.

1) Die bezügliche Stelle in Art. 68 der Belgischen Verfassung lautet: Les traités de commerce et ceux qui pourraient grever l'état ou lier individuellement des Belges n'ont d'effet qu'après avoir reçu l'assentiment des chambres.

2) Gneist, Der Rechtsstaat und die Verwaltungsgerichte in Deutschland, 2. Auflage 1879, S. 203.

3) Tinsch, Das Recht der Deutschen Einzelstaaten behufs Abschluß völkerrechtlicher Verträge. Erlangen 1882. S. 19–27.

4) Tinsch, Das Recht der Deutschen Einzelstaaten, S. 29 und 30.

§ 14.

Abschluß der Staatsverträge in England.

Literatur: Gneist, Das Englische Verwaltungsrecht, S. 912 ff. Hamarcham Cox, Die Staatseinrichtungen Englands. Uebersetzung von Kühne, S. 595 ff. -Thomas Erskine May, Die Berfassungsgeschichte Englands seit der Thron besteigung Georgs III. 1760-1860, überseßt von Oppenheim, S. 110-112.

Den in England von Alters her und noch heute geltenden fundamentalen Grundsah, betreffend das Recht der Krone zum Abschlusse von Staatsver= trägen spricht Blackstone mit den Worten aus: »What is done by the royal authority with regard to foreign powers, is the act of the whole nation.<< Das Hauptorgan der königlichen Prärogative in den auswärtigen Angelegen= heiten ist der Staatssecretair des foreign office. Das Verwaltungsrecht dieses Departements, sagt Gneist, beruht nur in allgemeinen Grundsäßen auf common law, in der Hauptsache auf einer ziemlich beweglichen Verwaltungspraxis. Das Festhalten an diesem Grundsatze wird durch das Völkerrecht und durch den Umstand gerechtfertigt, daß für dieses Gebiet eine starke rasch hans delnde Gewalt erforderlich ist, geeignet Discretion zu bewahren und die erforderlichen Maßregeln geheim zu halten.

Für die Verhandlungen mit fremden Staaten und den Abschluß internatio= naler Verträge ist der Staatssecretair für die auswärtigen Angelegenheiten der Krone verantwortlich. Er hat darauf zu achten, daß die Verträge und das Völkerrecht von den fremden Mächten beobachtet werden, seine wesentlichste Thätigkeit besteht in der auswärtigen Correspondenz und in den Verhandlungen mit den in London accreditirten Vertretern der fremden Mächte. Verträge und Bündnisse werden entweder direct mit den in England residirenden Gesandten, oder durch Britische Gesandte mit den Mächten, wo sie accreditirt sind, geschlossen. Auch wenn diesen ein Auftrag unter dem großen Siegel ertheilt ist, bleibt der Minister für den Vertrag verantwortlich. Die Instructionen an die Gesandten über den Abschluß von Verträgen pflegen diesen auf Grund von Beschlüssen, die im Ministerrathe (Cabinet) gefaßt sind, ertheilt zu werden. Als dauernde Function liegt dem Minister die Ausführung der Geseße und Verträge zur Unterdrückung des Sclavenhandels ob. Hinsichtlich der Kriegserklärungen und Friedensschlüsse sind seine Befugnisse beschränkt, da diese im Privy Council berathen werden und dort ihre definitive Gestalt erhalten. Waffenstillstände können die militairischen Befehlshaber schließen.

Nach Chitty, Prerogative, S. 39 und 40 theilt Gneist die fünf Prärogative der Krone mit. Diese betreffen:

1. Das Gesandtschaftsrecht: „Der König als Repräsentant des Volkes

hat die alleinige Befugniß, Gesandte an fremde Staaten zu senden, und Gefandte zu empfangen, ohne Unterschied des Ranges und des amtlichen Titels. Das Recht der Souverainetät kann indessen mit Genehmigung des Souverains in seinem Namen durch Vicekönige und Generalgouverneure ausgeübt werden, wie dies in Indien geschehen ist."

2. Die Abschließung von Verträgen und Bündnissen mit fremden Staaten und Fürsten: denn kein Vertrag kann bindend sein, welcher durch irgend eine höhere Autorität bei Seite gefeßt werden könnte. Welche Verträge der König daher auch schließen möchte, so hat keine andere Gewalt im Reiche dagegen ein Recht des Aufschubs, Widerstands oder der Nichtigkeitserklärung unter Vorbehalt der Verantwortlichkeit der daran betheiligten Minister."

3. Das Recht des Krieges und des Friedens. Es würden die ernstlichsten Uebelstände entstehen, wollte man einzelnen Personen die Ausübung des Kriegsrechts überlassen. Die Pflicht des Rechtsschußes ist daher dem Staate allein anvertraut. England kann niemals im Kriege sein, ohne durch die Autorität des Souverains, welchen allein die Verfassung mit dieser hohen Prärogative bekleidet hat." Aus dem Rechte der Kriegserklärung folgt dann auch, wie Gneist sehr richtig bemerkt, sachgemäß das Recht der Friedensschließung. Nur die specielle Beschränkung hat die Thronfolgeacte 12 und 13 Will. III, c. 2 hinzugefügt mit den Worten:,,daß im Falle die Krone künftig an eine Person gelangen würde, welche nicht ge= bürtig wäre aus diesem Königreich England, die Nation nicht verpflichtet sein soll Theil zu nehmen an einem Kriege zur Vertheidigung von Besigungen, welche nicht zur Krone von England ge= hören, ohne Zustimmung des Parlaments."

4. Das Recht der Repressalien und der Retorsion.

5. Das Recht sicheres Geleit und Pässe zu ertheilen. ,,Mangel an Gastfreundschaft würde ein Schade sein für eine Nation. Die Unterthanen aller Nationen, die in Frieden mit der Krone leben, haben nach Englischen Gefeßen die Erlaubniß frei in das Reich zu kommen. Fremde sind unter dem Schuße des Königs, so lange ihre Nation in Frieden bleibt mit der unfrigen und sie sich friedfertig betragen; obwohl sie nach Ermessen des Königs nach Hause geschickt werden können.“1)

Im Jahre 1851 ereignete sich, wie Thomas Erskine May in seiner Verfassungsgeschichte Englands mittheilt, ein Vorgang, welcher über die Königliche Prärogative in auswärtigen Angelegenheiten und über die Grenzen der Unabhängigkeit des Staatssecretairs der auswärtigen Angelegenheiten ein deutliches Bild giebt. Die Königin ließ im Jahre 1850 dem damaligen Staatssecretair Lord Palmerston durch den Premierminister Lord John Russel eine Note des Inhalts zugehen: „die Königin verlangt, daß Lord Palmerston seine Vorschläge für den gegebenen Fall bestimmt ausspreche, damit die Königin

in der Lage ist mit Sicherheit zu übersehen, wozu sie die königliche Genehmigung ertheilt. Hat sie zu einer Maßregel ihre Genehmigung ertheilt, so darf der Minister daran nichts willkürlich ändern. Eine solche Handlung würde sie als Mangel an Aufrichtigkeit gegen die Krone zu betrachten haben, welcher durch die Ausübung des verfassungsmäßigen Rechts, den Minister zu entlassen gebührend zu ahnden sein würde. Sie erwartet von ihm in Kennt niß gehalten zu werden, was zwischen ihm und den auswärtigen Mächten verhandelt wird, bevor die auf diese Verhandlungen bezüglichen Entscheidungen getroffen werden. Sie erwartet, daß ihr die auswärtigen Depeschen rechtzeitig vorgelegt werden, ebenso die von ihr zu genehmigenden Entwürfe, damit es ihr an hinreichender Zeit nicht fehle, sich mit dem Inhalte vor der Absendung bekannt zu machen.“ Nach dem am 2. December 1851 in Paris erfolgten Staatsstreich beschloß das Englische Cabinet sich jeder Einmischung in die inneren Angelegenheiten Frankreichs zu enthalten, und eine Depesche in diesem Sinne wurde an den Britischen Gesandten zu Paris Lord Normanby gerichtet. Dieser erfuhr jedoch, daß Palmerston dem Französischen Gesandten zu London Grafen Walefsky gegenüber die Haltung des Französischen Präsidenten durchaus gebilligt hatte. Dieser berichtete hierüber an Lord Russel, während Palmerston, der von diesem zu einer Erklärung über den Widerspruch des Cabinetsbeschlusses mit seinen Erklärungen an den Französischen Gesandten aufgefordert wurde, Lord Normanby von seiner persönlichen Ansicht über den Französischen Staatsstreich durch eine Depesche in Kenntniß seßte. Lord Russel erklärte auf eine Anfrage der Königin, daß Lord Palmerston zu einer derartigen mündlichen Aeußerung zu dem Französischen Gesandten im Widerspruche mit dem von der Königin genehmigten Cabinetsbeschlusse nicht befugt gewesen sei. Obwohl Palmerston diesen Widerspruch in Abrede stellte, erhielt er als Staatssecretair im foreign office seine Entlassung.

Dieser Vorgang zeigt, daß der Einfluß der Krone in England auf die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten, also auch auf den Abschluß von Staatsverträgen auch thatsächlich ein bedeutender ist. Sobald es sich bei einem Staatsvertrage um eine Aenderung der Gesetzgebung, oder um eine Bewilligung von Geldmitteln handelt, so bedarf dieser der Zustimmung des Parlaments. Die politische Bedeutung des Parlaments hat sich seit der zweiten Revolution gegenüber dem königlichen Verordnungsrechte immer mehr ent= wickelt und seit dem auch ihren Einfluß auf die Staatsverträge gewonnen. Der King in Parliament hat durch diese neuere Rechtsentwicklung das Recht der Gesetzgebung allmählich ausschließlich erworben, das alte Verordnungsrecht des King in Council hat deshalb wesentliche Einschränkungen erhalten. Die Orders in Council kommen aber auch jetzt noch sehr häufig vor, und ihr Einfluß wird dadurch erhöht, daß in den Gesetzen diesem königlichen Verordnungsrechte häufig die Einführung wichtiger Bestimmungen ausdrücklich vorbehalten wurde. Eine Order in Council kann in solchem Falle

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