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*) Vgl. Cr..., § 257, v. Kamp a. a. D., S. 104, und über die Preußische Ministerialrescripte vom 16. und 19. März 1824 und vom 7. und 23. August 1827: Richter, Handbuch des Strafverfahrens in den kgl. Preußischen Staaten 1830, II, S. 125.

*) v. Kampp a. a. D. 29. Band (1827), p. 213 ff.

10) Hinsichtlich des Mordes und Todtschlages wurde aber eine Ausnahme gemacht, wenn derselbe bei Gelegenheit einer Zoll- oder sonstigen Defraudation verübt war, sowie auch in den Fällen, wo fremde Duellanten sich auf das Preußische Gebiet flüchten, die Auslieferung nur erst nach vorheriger höherer Ermächtigung erfolgen kann“

1) In einzelnen Verträgen, z. B. Art. 9 des Vertrages mit Belgien und mit Luxemburg ist vorgesehen, daß die vorläufige Festnahme auf Grund eines von dem Preußischen örtlich zuständigen Richter erlassenen Haftbefehles erfolgen dürfe. In diesen Fällen tritt demnach eine gerichtliche Haft ein und des gleichen wird bei Auslieferungen nach Großbritannien und nach den Ver. einigten Staaten von Nord-Amerika wegen des hierbei vorgeschriebenen ge richtlichen Verfahrens in der Regel der Ergriffene zur gerichtlichen Haft gebracht werden. Ob auf diese Haft die Bestimmungen der St.-P... über die Unter suchungshaft, und eventuell welche, entsprechende Anwendung finden, darüber existiren besondere Vorschriften nicht; es wird in jedem Einzelfalle das zuständige Gericht hierüber zu entscheiden haben."

12) „Etwas abweichend wird im Verkehr mit der Oesterreichisch- Unga. rischen Monarchie verfahren, insofern in Gemäßheit des Art. 4 des zwischen Desterreich-Ungarn (?) und Preußen bezw. den übrigen Deutschen Bundesstaaten noch für maaßgebend angesehenen Beschlusses der Deutschen Bundesversammlung vom 26. Jan. 1854 (Preußische Gesez-Sammlung, S. 359) der Antrag anf Auslieferung nicht auf diplomatischem Wege von Regierung zu Regierung, sondern im Wege des unmittelbaren Geschäftsverkehres von Behörde zu Behörde gestellt wird. Hiernach prüft zunächst die Provinzialbehörde den bei ihr eingegangenen Antrag und berichtet dann über das Resultat an den zuständigen Minister, welchem die endgiltige Entscheidung über denselben zusteht. Von dem Ausfalle gibt alsdann die ersuchte Provinzialbehörde der ersuchenden Behörde direct Nachricht." Was die Frage nach dem fortdauernden Bestande des citirten Bundesbeschlusses von 1854 gegenüber der Thatsache der Auflösung des Deutschen Bundes und dem gemäß das Recht der Auslieferung zwischen den Staaten des Deutschen Reiches und den aus dem Deutschen Bunde ausgeschiedenen Staaten bezw. Staasgebieten der Desterreichisch Ungarischen Monarchie, Liechtenstein und Luxemburg betrifft, muß ich auf meine ausführliche Erörterung S. 99 ff. verweisen. Für Ungarn hat Ministerpräsident von Tisza in der Sizung des Ungarischen Abgeordneten. hauses vom 20. März 1880 über Interpellation des Grafen Apponyi die Rechtswirksamkeit dieses Bundesbeschlusses, der in Desterreich für die zum Deutschen Bunde gehörenden Kronländer durch M.-E. vom 5. April 1854 R.-G.-Bl. Nr. 76 publicirt worden war, ausdrücklich negirt (Pester Lloyd vom 21. März 1880).

15) Abgedruckt bei Fiore Antoine, p. 797-802.

14) Vgl. insbesondere Billot, p. 185 f.; Bernard II. 408 ff.

15) Billot, p. 188 und 203.

16) Vollständig acceptirt wurde dieselbe in dem Luxemburgischen Auslieferungsgeseße vom 13. März 1870, Art. 2, al. 5.

17) Vgl. auch v. Bar, Intern. Privatrecht, S. 605.

18) Vgl. Art. 58, Gesetz über die Organisation der Bundesgerichtsbarkeit vom 27. Juni 1874 und Beschluß des Bundesrathes vom 25. Januar 1875.

19) Vgl. für Belgien Auslieferungspflicht und Asylrecht, S. 621 ff., für die Niederlande a. a. D. 624 ff., für Luxemburg S. 623, für die Schweiz E. 628 ff., für Italien S. 633 ff., für Frankreich S. 637 ff., für Bayern E. 640 f., für Ungarn S. 646 ff., für Spanien S. 610 ff., für Dänemark S. 612 ff., für die Argentinische Republik S. 884 ff.

20) Anders z. B. der Spanisch-Englische Vertrag von 1878. Vgl. Art. 5 und 6.

§ 126.

Vorläufige Verhaftung des requirirten Individuums.

Wir haben in der bisherigen Darstellung vorausgesezt, daß das Auslieferungsverfahren mit einem auf diplomatischem Wege überreichten Ansuchen um Auslieferung des requirirten Individuums beginne und daß diesem Ansuchen die Verhaftung bezw. eine anderweitige Sistirung des Beschuldigten als erster Schritt des Auslieferungsverfahrens von Seite des ersuchten Staates nachfolge.

Für die überwiegende Mehrzahl der Fälle würde aber ein Vorgehen dieser Art seinen Zweck vollständig verfehlen. Denn es wird stets eine Anzahl von Tagen, sehr häufig sogar von Wochen verfließen, bis ein regelmäßig instruirtes Auslieferungsgesuch auf dem, wie wir gesehen haben, fast übereinstimmend geforderten und in der That sehr zu empfehlenden diplomatischen Wege an die Regierung jenes fremden Staates gelangen kann, in welchen der eines Verbrechens Ver. dächtige sich flüchtete. Während dieser Zeit kann der Verfolgte die Spuren des Weges, den er genommen, verwischen und einen sicheren Schlupfwinkel erreichen oder er kann seine Flucht in Länder fortseßen, aus welchen seine Auslieferung entweder gar nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten und Kosten erlangt werden könnte. Zudem kann er während der ganzen Zeit die Früchte seines Verbrechens genießen und vielleicht verbrauchen oder sie in Sicherheit bringen.

Es muß daher die Möglichkeit geschaffen werden, ihn bereits in einem früherem Stadium des Verfahrens dingfest zu machen und an der Fortsetzung seiner Flucht zu verhindern. Soll nicht der Kampf der Gesellschaft gegen das Verbrechen ein völlig ungleicher und aussichtsloser werden, so muß auch jener die Möglichkeit gegeben werden, alle Erfin dungen des menschlichen Geistes, wie sie ja auch der Verbrecher zu seiner Flucht benüßt, im Interesse seiner Verfolgung sich dienstbar zu machen. Der Verbrecher, der sich der schnellsten Communicationsmittel bedient, um sich der Bestrafung zu entziehen, muß durch die schnellste Uebermitt lung der Nachricht von seinem Verbrechen und der gegen ihn eingeleiteten Verfolgung an weiterer Flucht gehindert werden. Nach und nach haben dies alle Staaten, zulezt Großbritannien und die Vereinigten

Staaten von Nordamerika, erkannt.1) Am einfachsten und zweckmäßigsten möchte es nun scheinen, dem mit der Untersuchung befaßten Gerichte das Recht einzuräumen, sich telegraphisch an jene Behörde des fremden Staates, in deren Bezirke der Flüchtling sich aufhalten dürfte, mit dem Ersuchen um sofortige Verhaftung und Festhaltung desselben bis zur Einleitung des Auslieferungsverfahrens zu wenden.

Es läßt sich aber nicht verkennen, daß gegen den verpflichtenden Charakter eines solchen Ansuchens die schwersten Bedenken obwalten. Die Sicherheit jedes Ausländers wäre der Willkür jedes Bösewichtes preisgegeben, wenn die Behörden seines Aufenthaltsortes verpflichtet wären, ihn auf Grund eines angeblich von einer Gerichtsbehörde eines fremden Staates abgesendeten und ihn der Verübung eines Verbrechens beschuldigenden Telegrammes in Haft zu nehmen. Es muß also für eine Authentisirung des betreffenden Telegrammes gesorgt werden, welche am zweckmäßigsten dadurch erfolgt, daß dasselbe in jener Weise übermittelt wird, welche für den telegraphischen Verkehr der diplomatischen Vertreter der beiden Staaten üblich ist.

In jedem Falle darf eine Haft, welche auf Grund einer telegra phischen, wenn auch durch den diplomatischen Vertreter übermittelten Anzeige von der im anderen Staate eingeleiteten Verfolgung vorgenom= men wurde, nur eine durchaus vorläufige Maaßregel sein, welche nur insolange aufrecht erhalten bleibt, als das Ansuchen um Einleitung des Auslieferungsverfahrens noch nicht eingetroffen sein kann. Es empfiehlt sich daher, vertragsmäßig eine Frist, welche mit Rücksicht auf die Entfernung der beiden Staaten länger oder kürzer sein kann, zu vereinbaren, innerhalb deren der Antrag auf Auslieferung gestellt und mit seinen vertragsmäßig vereinbarten Behelfen versehen werden muß, widrigenfalls die Freilassung des vorläufig Verhafteten erfolgt. Eine solche, noch vor der förmlichen Anbringung eines Begehrens um Auslieferung des verfolgten Individuums verfügte Haft kann man im Unterschiede von der Haft, zu welcher Derjenige gebracht wird, gegen den ein gehörig instru irtes Auslieferungsgesuch bereits vorliegt, eine vorläufige Verwah. rung nennen. Die Französische Rechtssprache bezeichnet dieselbe häufig als détention provisoire im Gegensaße zu der détention préventive, der eigentlichen Auslieferungshaft.

Ihren vollkommenen Ausdruck finden die hier entwickelten Säße in Art. 10, al. 2 und ff. des Vertrages der Desterreichisch Ungarischen Monarchie mit den Niederlanden von 1880: „L'arrestation provisoire d'un individu poursuivi pour l'un des faits prévus dans l'art. I pourra aussi être effectué sur avis transmis par la poste ou par le télégraphe de l'existence d'un mandat d'arrêt décerné en Autriche-Hongrie par tout officier de justice ou de police, dans les Pays-Bas par tout juge d'instruction (juge commissaire) ou tout officier de justice, à la condition toutefois que cet avis sera régulièrement donnè par voie diplomatique au Ministère Imperial et Royal des affaires étrangères de la Monarchie

Austro-Hongroise, si l'individu poursuivi s'est réfugié en Autriche ou en Hongrie, et au Ministère des affaires étrangères du Royaume des Pays-Bas, si l'individu poursuivi s'est réfugié dans les Pays-Bas. L'arrestation sera du même facultative, si la demande émanante des fonctionnaires susdits de l'une des Parties contractantes est directement parvenue à une autorité judiciaire de l'autre. Il sera statué sur cette demande suivant les lois du Pays, à l'autorité duquel elle aura été faite. L'individu arrêté provisoirement aux termes de l'alinéa 2 et 3 de cet article sera, à moins que son arrestation ne doive être maintenue pour un autre motif, mis en liberté, si dans le délai de vingt jours après la date du mandat d'arrestation provisoire l'extradition du détenu n'aura pas été demandée par la voie diplomatique avec les documents requis et dans les formes établies par la présente Convention."

Die Verträge der meisten Staaten aber unterscheiden sich von dem Niederländisch-Oesterreichischen Vertrage dadurch, daß sie im Falle der diplomatisch übermittelten Nachricht von dem Vorliegen eines Haftbefehles die Verhaftung für schlechthin obligatorisch erklären, so daß das requirirte Individuum in Haft bleibt, obwohl ein unter gleichen Umständen der Verübung eines Verbrechens im Inlande Beschuldigter auf freien Fuß gesezt werden müßte. Aber selbst die Möglichkeit oder sogar die Verpflichtung, auf Grund telegraphischer Requisition den Flüchtling fest= zunehmen, reicht nicht für alle Fälle aus. Es wäre vielmehr wünschenswerth, daß die Staaten sich verpflichten würden, auf ihrem Gebiete betretene, der Verübung eines schweren Verbrechens im Auslande drin gend verdächtige Individuen durch ihre Behörden festnehmen zu lassen, und gleichzeitig den Staat des Thatortes hiervon zu benachrichtigen, der dadurch in die Lage gesezt würde, ein Auslieferungsbegehren zu stellen. (Vgl. § 59 Desterr. St.-P.-O.) 2) 3)

1) Vgl. Extradition Act von 1870 Sect. 8 und die Zusaßconvention von 1882 zu dem Vertrage der Vereinigten Staaten mit Spanien, Art. 12. 2) Zum Ganzen vgl. Auslieferungspflicht und Asylrecht, S. 664 ff., insbe sondere über das Belgische, Englische und Amerikanische Recht, S. 673 bis 687.

*) Über die Parteistellung des requirirten Individuums während des Auslieferungsverfahrens nach dem Rechte der verschiedenen Staaten vgl. Auslieferungs. pflicht und Asylrecht, S. 649–664.

§ 127.

Auslieferung Verurtheilter.

Eine wesentliche Erleichterung in den oben formulirten Bedingungen, unter welchen allein eine Auslieferung gewährt werden soll, kann ein

treten, wenn es sich um die Auslieferung eines von einem competenten Gerichte nach contradictorischem Verfahren rechtskräftig Verurtheilten handelt, der sich entweder dem Antritte oder der Fortseßung der ihm zuerkannten Strafe entzogen hat.

Das Vertrauen, welches ein Staat den Gerichten eines anderen civilisirten Staates schon im Allgemeinen nicht verweigern kann, und welches er, wenn er mit einem anderen Staate einen Vertrag über Auslieferung von Verbrechern abschließt, eben durch den Abschluß eines solchen Vertrages noch insbesondere bekundet, bringt es mit sich, daß gegenüber einem auf ein bereits erflossenes Urtheil gestützten Auslieferungsbegehren eine Ueberprüfung des diesem Urtheile zu Grunde liegenden Beweises nicht gefordert werden kann. Und in der That verlangt eine solche Ueberprüfung auch keiner jener Staaten, welche eine, wenn auch nur summarische Prüfung des Beweises vornehmen, wenn sie einen nur erst Beschuldigten ausliefern, weder Großbritannien, noch die Vereinigten Staaten, noch auch Desterreich. Die genannten Staaten, und ebenso natürlich alle andern1), liefern vielmehr einen bereits verurtheilten flüchtigen Verbrecher auf Grund der bloßen Feststellung aus, daß derselbe wegen eines der im Auslieferungsvertrage aufgezählten Delicte, welches im concreten Falle nicht etwa politischer Natur ist, in contradictorischem Verfahren rechtskräftig verurtheilt und daß dieses Urtheil noch nicht völlig vollstreckt sei, sofern nicht etwa einer der beson deren im Vertrage auch in Betreff der Auslieferung von Beschuldigten aufgezählten Hinderungsgründe einer Auslieferung vorliegt. 2)

1) Vgl. Auslieferungspflicht und Asylrecht, S. 687 ff.

2) Ueber die Frage, ob es zulässig sein soll, daß das requirirte Individuum auf die Einhaltung der von dem betreffenden Staatsvertrage, auf Grund dessen die Auslieferung angesucht wird, oder von den Geseßen des ersuchten Staates vor geschriebenen Formen des Verfahrens verzichte, vgl. wie überhaupt über alle die Stellung des Requirirten betreffenden Details meine oftcitirte Darstellung des Rechtes der Auslieferung, S. 714 ff.

§ 128.

Die Vollziehung der Auslieferung.

Die Vollziehung der Auslieferung besteht in der Uebergabe des Auszuliefernden an Organe des ersuchenden Staates. Diese Uebergabe erfolgt in Ausführung der die Auslieferung verfügenden Ordre des Staatsoberhauptes oder des competenten Ministers durch gerichtliche oder polizeiliche Organe und besteht in der zwangsweisen Ueberlieferung des requirirten Individuums in die Gewalt des requirirenden Staates zu dem Zwecke der Verfolgung und Bestrafung wegen der dem Ausliefe

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