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rungsbegehren zu Grunde liegenden That.1) Diese Ueberlieferung erfolgt nach dem Rechte der continentalen Staaten an der Grenze des ersuchten Staates an vorher von dem Orte und der Zeit dieser Uebergabe verstän digte Beamte des ersuchenden Staates. Der Ort der Uebergabe ist in vielen Verträgen ein- für allemal festgesezt. Die Staaten des Continentes gestatten den Organen anderer Staaten auf ihrem Territorium nicht die Ausübung einer Zwangsgewalt, welche erforderlich wäre, um den Auszuliefernden außer Landes zu schaffen, und sie befördern denselben daher lieber selbst regelmäßig durch Gensdarmerie oder ähnliche Organe der öffentlichen Sicherheit bis zur Grenze, um ihn erst dort und nicht schon an dem Orte, an welchem er sich zur Zeit der Gewährung seiner Auslieferung befand, zu überliefern.

Mit dem verfolgten Individuum gleichzeitig werden auch jene Gegenstände überliefert, welche als. Beweismittel oder wegen ihres sonstigen vermutheten Zusammenhanges mit dem Verbrechen mit Beschlag belegt worden sind. Die Mehrzahl der neueren Verträge enthält die ausdrückliche Bestimmung, daß durch die Pflicht zur Uebergabe dieser Gegenstände die Rechte, welche dritte, in die dem Ausgelieferten zur Last liegende strafbare Handlung nicht verwickelte Personen auf diese Gegenstände bereits erworben haben, nicht berührt werden. Je nach dem Rechte des ersuchten Staates findet also in Betreff jener Gegenstände, welche der Verbrecher an unbetheiligte Dritte verkauft oder verpfändet hat, eine Beschlagnahme und Ueberlieferung derselben an den requirirenden Staat gar nicht oder blos unter der Bedingung statt, daß die betreffenden Gegenstände nach dem von ihnen in der gerichtlichen Verhandlung gemachten Gebrauche als Ueberweisungsstücke zurückgestellt oder daß für sie die nach den Gesezen des ersuchten Staates se stzustellende Entschädigung gewährt werde. 1a)

Nach dem Rechte einiger Staaten muß die Ausführung der Auslieferung d. h. die Fortschaffung des Auszuliefernden aus dem ersuchten Staate innerhalb gewisser Zeit stattfinden, so nach dem Rechte Englands und der Vereinigten Staaten von Nordamerika innerhalb zweier Monate von dem Tage der definitiven Gewährung derselben.

Complicationen ergeben sich für die Ausführung der Auslieferung in dem Falle, wenn der Transport des auszuliefernden Verbrechers durch das Gebiet eines dritten Staates erfolgen soll. Dieser dritte Staat ist nämlich an und für sich und allgemein weder verpflichtet, die an seine Grenze gebrachten Gefangenen durch seine Behörden zu übernehmen und sie als Häftlinge durch sein Gebiet hindurch an die Grenze jenes Staates zu schaffen, dem sie ausgeliefert werden sollen, noch besteht für ihn eine Pflicht, die zwangsweise Beförderung dieser Gefangenen durch Polizeiorgane eines anderen Staates über sein Gebiet hin zu dulden. Aus seiner Territorialhoheit folgt vielmehr sein Recht, die betreffenden Gefangenen, sobald sie in sein Gebiet und in seine Herrschaftssphäre gerathen, nach eigenem Ermessen entweder in Freiheit zu sehen oder ihre Verfol gung und Bestrafung durch die eigenen Behörden zu veranlassen.

Freilich aber wäre in der großen Mehrzahl der Fälle die Ausübung dieser Rechte ganz sinn- und zwecklos. Insbesondere hätte es gar keinen Sinn, wenn ein Staat für jene Fälle, in welchen er selbst eine AusLieferung zugestehen würde, die Ausführung der von einem anderen Staate gewährten Auslieferung mit Benüßung seines Gebietes verhindern wollte. Die Staaten haben daher schon seit Langem eine Durch, führung auszuliefernder Sträflinge durch ihr Gebiet gestattet, obwohl erst in neuester Zeit besondere allgemeine Normen über eine solche Durchführung vereinbart worden sind.

Diese Vereinbarungen, welche in die neueren Verträge mitaufge nommen zu werden pflegen, sofern nach der geographischen Lage der beiden Staaten zu einander die Frage einer Durchführung von Verbre chern für sie praktisch werden kann, beschränken entweder die Pflicht, eine solche Durchführung von Verbrechern durch Organe des anderen Staates zu gestatten bez. sie selbst durch die eigenen Behörden im Interesse des anderen Contrahenten vorzunehmen, auf jene Fälle, in welchen die durchzuführenden Individuen, wenn sie sich auf das Gebiet des betreffenden Staates geflüchtet hätten, von demselben ausgeliefert werden müßten, oder sie gehen in der Statuirung der Pflicht zur Gestattung bezw. zur Besorgung der Durchführung weiter als hinsichtlich der Pflicht zur Auslieferung. 2) 3)

Wenn wir uns daran erinnern, daß die Auslieferung nicht blos im Interesse des um sie ersuchenden Staates erfolgt, werden wir grund. säßlich nicht verkennen können, daß die Kosten derselben nicht völlig und ausschließlich von diesem getragen werden müssen. Da auch der Zu fluchtstaat ein Interesse daran hat, daß der gegen ein auf seinem Gebiete sich befindendes Individuum erhobene Verdacht der Verübung eines schweren Verbrechens geprüft werde und zwar in jener Weise geprüft werde, welche die besten Garantien für eine richtige Beurtheilung bietet, und daß dieses Individuum, wenn es schuldig befunden wird, seine ihm gebührende Strafe verbüße und zwar sie gerade dort verbüße, wo dies für die Verhütung und Verhinderung fünftiger Verbrechen am zweckdienlichsten ist, ergiebt sich daraus eine Pflicht des Zufluchtstaates, mindestens jene Kosten des Auslieferungsverfahrens zu tragen, die durch die auf seinem Gebiete zu dem Zwecke der Untersuchung und Auslieferung unternommenen Handlungen aufgelaufen sind. Zudem sprechen auch hervorragende Rücksichten der Zweckmäßig. keit dafür, daß der ausliefernde Staat die Kosten des auf seinem Ge biete sich abspielenden Theiles des Auslieferungsverfahrens nicht blos dem requirirenden Staate, wie dies im Interesse der glatten Abwickelung des Verfahrens unerläßlich ist, vorschieße, sondern sie definitiv trage. Wäre das Leztere nicht der Fall, so könnte es zu Mißhelligkeiten dar über kommen, ob die einzelnen Posten der von dem requirirenden Staate schließlich zu begleichenden Rechnung gegründet seien oder nicht, während

doch die Vermeidung solcher Differenzen im Interesse einer möglichsten Ausdehnung des Rechtsinstitutes der Auslieferung nothwendig ist. 4)

1) Ueber die nähere Bestimmung des Zweckes und der Folgen der Auslieferung vgl. unten S. 555 ff.

1) Vgl. Auslieferungspflicht und Asylrecht, S. 659 ff. und S. 698 ff.
*) Vgl. Auslieferungspflicht und Asylrecht, S. 702--714.

3) Über die Fragen nach der Möglichkeit einer Wiederaufnahme des Auslieferungsverfahrens und des Auslieferungsbegehrens zur Wiederaufnahme des Strafverfahrens vgl. Auslieferungspflicht und Asylrecht, S. 727 ff. u. S. 472 ff.

3) In neuerer Zeit lehnen es nur noch die Vereinigten Staaten von Nordamerika ab, die auf ihrem Gebiete aufgelaufenen Kosten zu tragen, ja sie weigern sich sogar diese Kosten auch nur vorzuschießen und die Hilfe ihrer eigenen Behörden zu unentgeltlicher Verfügung zu stellen. Ueber die hierdurch sich ergeben. den Mißstände vgl. meine ausführliche Darstellung S. 733 ff.

Viertes Kapitel.

Die Rechte des requirirenden Staates aus der ihm gewährten

Auslieferung.
$ 129.

Der Grundsaß der Specialität der Auslieferung.

Die Prüfung, ob das Verhalten, dessen das requirirte Individuum beschuldigt wird, wirklich unter die Kategorie eines jener Delicte falle, wegen welcher der Zufluchtstaat eine Pflicht zur Auslieferung anerkennt, hätte keinen Zweck, wenn, nachdem die Auslieferung erfolgte, der requirirende Staat berechtigt wäre, den ihm ausgelieferten Beschuldigten wegen jedes demselben zur Last liegenden Delictes zu verfolgen, ihn also auch wegen anderer Thaten als jener, um derenwillen die Auslieferung gewährt wurde, vielleicht sogar wegen solcher, hinsichtlich deren der Zufluchtstaat eine Auslieferung niemals gewährt hätte oder gar nicht hätte gewähren können, in Untersuchung zu ziehen und zu be strafen. Daraus, daß der Zufluchtstaat nur wegen gewisser Delicte ausliefert, ergiebt sich vielmehr von selbst eine Beschränkung desjenigen Staates, an welchen die Auslieferung erfolgt, in seinem Rechte das ausgelieferte Individuum strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Der Anspruch auf Einhaltung dieser Beschränkung des Strafverfolgungsrechtes des requirirenden Staates stellt sich aber nicht als ein Recht des Ausgelieferten, sondern einzig und allein als ein Recht des ausliefernden

Staates dar. Das ausgelieferte Individuum ist ja an dem Vertrage, welcher jedem Auslieferungsacte vorhergeht, bez. demselben zu Grunde liegt, als Partei nicht betheiligt, es ist vielmehr nur Object dieses Vertrages, vermag daher aus demselben irgendwelche Rechte nicht zu er werben. 1)

Wohl aber ist der ausliefernde Staat zur Aufrechthaltung seiner eigenen Würde genöthigt, strenge darauf zu achten, daß der requirirende Staat bei der Verfolgung und Bestrafung des ausgelieferten Individuums nicht über den Umfang jener Befugnisse hinausgehe, welche er ihm durch dessen Ueberlieferung eingeräumt. Welchen Zweck hätte es, eine Auslieferung wegen politischer Delicte abzulehnen, wenn der requirirende Staat dem politischen Flüchtlinge nur ein gemeines Delict zur Last zu legen brauchte, um dessen Auslieferung wegen desselben zugestanden zu erhalten und ihn dann wegen des ihm allein zur Last fallenden politischen Verbrechens verfolgen zu können? Aber, selbst wenn wir von dem Falle eines dolosen Vorgehens des requirirenden Staates absehen, ist es nur eine Folgerung aus den oben entwickelten Grundsäßen, daß Derjenige, der wegen eines ihm wirklich zur Last fallen. den gemeinen Delictes ausgeliefert wurde, nicht auf Grund dieser Auslieferung wegen eines ganz unabhängig von dieser That und zu anderer Zeit von ihm verübten oder wegen eines ihm vielleicht nur irrthümlich imputirten politischen Delictes verfolgt und bestraft werden darf. Ja, sogar wenn wir die Frage der Verfolgung wegen politischer Delicte ganz bei Seite lassen und den Fall annehmen, daß irgend ein anderes dem Ausgelieferten zur Last liegendes gemeines Delict den Behörden des requi rirenden Staates erst nach der Einleitung des Auslieferungsverfahrens bekannt geworden ist oder daß dieselben es aus irgendwelchen Gründen unterlassen haben, dieses Delictes in dem Ansuchen um Gewährung der Auslieferung Erwähnung zu thun, so ergiebt sich aus dem Wesen und dem Begriffe der Auslieferung die Consequenz, daß der requirirende Staat auf die Verfolgung und Bestrafung des ausgelieferten Individuums wegen des in dem Auslieferungsbegehren ihm imputirten Verbrechens beschränkt sei.

Denn die Auslieferung eines Beschuldigten ist ja nicht eine Ueber= gabe desselben an eine andere Staatsgewalt zu beliebiger Verfügung über denselben, sondern sie ist eine Ueberlieferung zum Zwecke der Untersuchung und eventuellen Bestrafung wegen einer concreten, dem Beschuldigten imputirten Uebelthat, welche sich nach dem Rechte des ausliefernden, wie des um die Auslieferung ansuchenden Staates als ein Delict von bestimmter Art darstellt. Erfolgt doch, wie wir gesehen haben, die Auslieferung nur auf Grund einer mehr oder minder eingehenden Prüfung der von dem requi rirenden Staate vorgebrachten Thatsachen, woraus sich sofort ergiebt, daß der Ausgelieferte nicht auch wegen anderer Thaten, als jener, welche der ersuchte Staat zu prüfen in der Lage war, verfolgt werden könne. Und so ergeben sich aus dem Begriffe der Auslieferung die beiden Con

sequenzen, daß der requirirende Staat kein anderes Recht erwirbt als jenes, das requirirte Individuum wegen eben jener That zu verfolgen und zu bestrafen, hinsichtlich deren der ersuchte Staat ihm die Auslieferung gewährte, und daß er auch diese That dem Ausgelieferten nur als jenes Delict imputiren darf, als welches dieselbe bei Anbringung und Gewährung des Ansuchens um Auslieferung des Flüchtlings von beiden Staaten qualificirt wurde. 2) Man bezeichnet diesen Grundsah als den der Specialität der Auslieferung, weil in Folge desselben das Recht des requirirenden Staates auf die Verfolgung auf Grund jener speciellen Anschuldigung beschränkt wird, welche dem requirirten Indi viduum in dem Begehren um dessen Auslieferung zur Last gelegt wurde. Da sich dieser Grundsay aus dem Wesen der Auslieferung selbst ergiebt, so bleibt zum mindesten in Ermangelung einer entgegengesezten Vereinbarung über die Wirkungen der Auslieferung das Recht des requiri. renden Staates zur Verfolgung und Bestrafung des ihm Ausgelieferten auf das dargestellte Maaß beschränkt. 3)

Allerdings ist es möglich, daß durch eine entgegengesezte Verein. barung entweder für den concreten Auslieferungsfall oder ganz allgemein für alle zwischen zwei Staaten entstehenden Fälle einer Ausliefe rung, dem requirirenden Staate weitergehende Rechte eingeräumt werden. In Ermangelung einer besonderen oder allgemeinen Vereinbarung werden aber die eben entwickelten Grundsäße gelten müssen, insbesondere daher auch dann, wenn zwischen den beiden an der Auslieferung betheiligten Staaten ein Vertragsverhältniß nicht besteht. 4) Wie die Specialität der Auslieferung in dem Wesen dieses Rechtsinstituts selbst begründet ist, so folgt denn auch in der That eine große Zahl von Staaten dieser Auffassungsweise, zu der sich insbesondere die Französische, Belgische 3) und Englische Praxis bekennt.

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In England stellt sogar das Gesetz es als eine der Bedingungen auf, unter welchen die Englische Regierung allein Verträge über die Auslieferung von Verbrechern abschließen darf, daß dieselben Vorsorge dafür treffen, that the fugitive criminal shall not, until he has been restored or had an opportunity of returning to Her Majesty's dominions, be detained or tried in that foreign State for any offence committed prior to his surrender other than the extradition crime proved by the facts on which tho surrender is grounded."6) Demnach enthalten selbstverständlicherweise alle mit Großbritannien abgeschlossenen Auslieferungsverträge eine die volle Specialität der Auslieferung sichernde Bestimmung. Aber auch in viele Verträge anderer Staaten sind Ver. einbarungen übergegangen, welche entweder die volle Specialität der Auslieferung verbürgen oder doch die Rechte des requirirenden Staates auf Verfolgung und Bestrafung des ihm ausgelieferten Individuums ganz erheblich beschränken.

Wir haben bereits oben gesehen, daß nahezu alle heute in Kraft stehenden Verträge eine ausdrückliche Vereinbarung darüber treffen, daß

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