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Gerichte des ersuchten Staates oder endlich durch die Post geschehen. Wenn der ersuchte Staat, wie dies im Vorhergehenden auseinandergesezt wurde, außer der Besorgung der Zustellung selbst gar keine weitere Verpflichtung übernimmt und daher auch die Veranlassung derselben an gar keine besonderen Bedingungen knüpft, so empfiehlt sich wohl am meisten die Form der Zustellung durch unmittelbare Correspondenz der Gerichte. Gegen die Gegen die Zustellung auf dem Wege der Post spricht insbesondere das Bedenken, daß der Adressat, wenn er das Retourrecepisse unterschreibt, von welchem eine solche Sendung regelmäßig be gleitet sein dürfte, den Inhalt der Zusendung noch nicht kennt, und daß es der Würde eines unabhängigen Staates nicht entspricht, daß einer seiner Bestellten, z. B. ein Postbediensteter, von einem anderen Staate dazu benügt werde, um von Jemandem eine Erklärung zu er schleichen, deren Tragweite demselben unbekannt ist und die ihm vielleicht schwere Nachtheile bringt. Aus diesem Grunde dürfte ein Staat, durch dessen Post ein anderer eine Ladung der hier vorausgeseßten Art zu stellen ließ, wenn dieser fremde Staat zugleich von dem des Inhaltes der Zustellung Unkundigen eine Bestätigung über den Empfang derselben sich ausstellen ließ, berechtigt sein, gegen diesen Vorgang Beschwerde zu führen.5)

1) Achnliche Uebereinkommen bestehen auch zwischen Desterreich und Bayern (Ministerialerklärungen. ausgetauscht zu Wien am 29. October 1852, Desterreichisches R.-G.-BI. 204 ex 1852), sowie zwischen Oesterreich und Baden und Desterreich und Würtemberg (Desterreichisches R.-G.-Bl. Nr. 94 und Nr. 96 ex 1863). Vgl. Auslieferungspflicht und Asylrecht, S. 834 ff.

Vgl. Deutsch Belgischer Auslieferungsvertrag, Art. 15; Deutsch. Italienischer Vertrag, Art. 14; Deutsch. Schweizerischer Vertrag, Art. 14; Deutsch Schwedischer Vertrag, Art. 14 u. a. m.

3) Deutsch Italienischer Vertrag, Art. 12; Deutsch Schweizerischer Vertrag, Art. 12; Deutsch-Belgischer Vertrag, Art. 13 u. a. m.

*) Vgl. auch Billot, p. 412; Bernard II, 656; Fiore. Antoine, Nr. 509 und Antoine's Note ebendort p. 780.

5) Vgl. über Rogatorien überhaupt Auslieferungspflicht und Asylrecht, E. 832 ff.

§ 133.

Mitwirkung bei Beweiserhebungen.

Wie in Civilsachen, so wird die Erhebung von Beweisen, welche für einen im Gebiete eines anderen Staates zur Verhandlung kommenden Proceß nothwendig sind, auch in Strafsachen sehr häufig selbst zwischen solchen Staaten gewährt, welche nicht ein für allemal eine hierauf bezügliche gegenseitige Verpflichtung übernommen haben. — Außerdem aber enthält seit dem Französisch-Württembergischen Vertrage von

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1853 die große Mehrzahl der neueren Auslieferungsverträge Verein. barungen über die sogenannten Rogatorien in Strafsachen. Nur die Englische Regierung hat, obwohl Sect. 5, Extradition Act 1873 eine gesetzliche Pflicht der Gerichte begründet, über Aufforderung eines Englischen Staatssecretärs Beweise für ein im Auslande anhängiges, nichtpolitisches Strafverfahren zu erheben, in keinem ihrer Verträge eine Verpflichtung zur Leistung von Rechtshilfe dieser Art übernommen. 1)

Infolge dessen, daß die Staaten mitunter geradezu ein Interesse daran haben, zur Ermittlung der Thäter in einem anderen Staate ver übter politischer Delicte und zur Bestrafung derselben nicht beizutragen, oder daß sie doch regelmäßig wenigstens kein Interesse daran haben, die Urheber solcher Thaten der Bestrafung zu überliefern, über haupt mit Rücksicht auf die oben dargelegte eigenthümliche internationale Stellung der politischen Delicte, ist es begreiflich, daß die größte Mehrzahl dieser Vereinbarungen die Pflicht zur Aufnahme von Beweisen für in dem anderen Staate anhängige Processe auf jene nichtpolitischen Charakters beschränkt 2) und daß eine ziemlich constante Praxis selbst jene Verträge, welche eine solche Ausnahme nicht ausdrücklich enthalten, in einem die Verfolgung wegen politischer Delicte ausschließenden Sinne interpretirt.) In einer Anzahl von Verträgen, welche die politischen Delicte aus der Zahl jener ausnehmen, in Betreff deren die contrahirenden Staaten sich zur gegenseitigen Unterstüßung ihrer Verfolgung verpflichten, werden denselben auch die rein militärischen und rein fis. calischen Delicte 4) hinzugefügt. Der Begriff der politischen Delicte ist, was die gegenwärtige Frage betrifft, zweifellos in seinem oben ents wickelten weiteren Sinne zu nehmen, wie sich dies schon daraus ergiebt, daß allgemein die Fälle zulässiger Beweiserhebungen als Fälle „de la poursuite d'une affaire pénale, non politique" bezeichnet werden, durch welche Fassung die Verfolgung wegen relativ-politischer Delicte sicherlich mit ausgeschlossen ist. Allgemein aber ist man darüber einig, daß nur die Erhebung von Belastungsbeweisen in Fällen politischer Anklagen abzulehnen sei, daß hingegen Erhebungen zu Gunsten des Angeklagten zulässig seien.")

Keine Voraussetzung für die Pflicht, dem Ersuchen um Erhebung von Beweisen zu entsprechen, aber ist es, daß die dem Beschuldigten zur Last liegende That eine solche sei, wegen welcher auch Auslieferung stattfinden müßte, daß dieselbe also in der Liste der zur Auslieferung verpflichtenden Delicte aufgezählt sei. Der Grund hierfür dürfte insbesondere darin liegen, daß der ersuchte Staat, wenn er auch die Erfüllung des an ihn gerichteten Ersuchens ablehnte, doch in der Mehrzahl der Fälle den Gang des Verfahrens gegen den in der Gewalt des ausländischen Ge richtes befindlichen Beschuldigten nicht hindern könnte, sondern daß er höchstens bewirken würde, daß das Urtheil auf minder zuverlässiger Grundlage gefällt würde, was doch auch in seinem Interesse nicht gelegen ist. Zwar gilt dies ganz gleichmäßig auch von den beiden eben früher

besprochenen Fällen; aber in diesen kann es wenigstens unter Umständen als eine Forderung der Gerechtigkeit erscheinen, jede noch so geringfügige Unterstüßung einer Anklage wegen einer That, welche nach unserer Auffassung überhaupt nicht strafbar ist, abzulehnen, wovon nicht die Rede sein kann, soferne die Anklage sich gegen eine, auch nach unserer Auffassung strafbare That nichtpolitischen Charakters richtet.

Hingegen wird mit vollem Recht die Uebernahme einer Pflicht zur Erhebung von Belastungsbeweisen von manchen, insbesondere von allen Deutschen Verträgen in jenen Fällen abgelehnt, in welchen die Untersuchung eine Handlung zum Gegenstande hat, welche nach den Gesezen des ersuchten Staates nicht strafbar ist, ohne daß jedoch hieraus gefolgert werden dürfte, daß der ersuchte Staat in jedem Falle vor der Beweiserhebung erst prüfen müsse, ob die betreffende That auch nach seinem Rechte strafbar sei. Der empfohlene Vorbehalt bezicht sich vielmehr nur auf solche Fälle, in welchen es ganz einleuchtend ist, daß der ersuchte Staat sonst zur Bestrafung eines Verhaltens mitwirken müßte, welches nach seinen Anschauungen nicht bestraft werden darf.

Die Nationalität des Beschuldigten kann auf die Frage, ob einem Rogatorium stattzugeben sei oder nicht, keinen Einfluß üben. Es ist eine mit dem Wesen eines Rechtshilfevertrages ganz unvereinbare, engherzige Auffassung, wenn die Erhebung von Beweisen für ein gegen einen Inländer im Auslande anhängiges Strafverfahren abgelehnt wird. Gerechten Tadel hat daher die Fassung des Französisch. Bayrischen Vertrages von 1869, Art. 12 al. 2 gefunden.

Was die Arten der Beweiserhebungen betrifft, so begnügen sich die meisten Verträge damit, neben der Vernehmung von Zeugen noch ganz allgemein „irgendwelche andere Untersuchungshandlungen“, welche „der ersuchende Staat für nothwendig erachtet“, als solche auf. zuführen, die nach Maaßgabe der Gesetzgebung des Landes, wo der Zeuge vernommen oder der Act stattfinden soll", über Ersuchen des an deren Contrahenten vorgenommen werden sollen.

Es ist selbstverständlich, daß die Stellung des über auswärtiges Ersuchen zu vernehmenden Zeugen gegenüber dem Gerichte ganz dieselbe ist, wie die eines Zeugen, der für ein inländisches Verfahren vernommen wird. Er ist in ganz derselben Weise dem Gerichtszwange unterworfen wie dieser und kann unter denselben Bedingungen und mit allen jenen Mitteln zum Erscheinen vor dem ersuchten inländischen Gerichte, zur Beantwortung der an ihn gestellten Fragen, zur Ablegung eines Eides, zur Herausgabe von Ueberweisungsgegenständen verhalten werden, wie sie die Proceßordnung des ersuchten Staates überhaupt zuläßt. Selten jedoch finden sich ausdrückliche Entscheidungen dieser Fragen in den Verträgen, wie eine solche z. B. der Oesterreichisch-Schweizerische Vertrag Art. 7 enthält.

In manchen Fällen wird aber die Aufnahme der Aussage eines Zeugen vor den Gerichten des Staates seines Aufenthaltes für den Zweck

der Ermittelung der Wahrheit in dem in einem anderen Staate durchzuführenden Strafprocesse nicht ausreichen. Eine solche commissarische Vernehmung der Zeugen wird nämlich alle Nachtheile des schriftlichen Verfahrens im Strafprocesse mit sich bringen. Insbesondere entfällt bei derselben die Möglichkeit, die Vernehmung des Zeugen den lezten Ergebnissen der Beweisaufnahme in ihren übrigen Gliedern anzupassen; dieselbe wird sich vielmehr auf eine Reihe von vorneherein gewisser. maaßen der abstracten Natur des Falles entnommenen Punkten beschränken müssen. Ferner entbehrt diese Art der Vorführung des Beweises, was noch viel wichtiger ist, des unmittelbaren Eindruckes der Aussagen der Zeugen auf die zur Entscheidung des Processes berufenen Organe. Je mehr der Grundsag der unmittelbaren Vorführung der Beweise vor der Urtheils- Instanz in einem Strafverfahren verwirklicht ist, desto bedenk licher wird es, wenn ein Glied in der Kette des Beweisverfahrens nur in der vermittelten, den Eindruck desselben ungemein abschwächenden Gestalt der Vorlesung eines, noch dazu vielleicht in fremder Sprache und in den Formen eines fremden Rechtes aufgenommenen Protokolles den Urtheilern bekannt wird.

Unter diesen Umständen ist es zunächst nothwendig, die Zahl jener Fälle, in welchen wesentliche Beweiserhebungen in einem anderen Staate, als in dem des erkennenden Gerichtes erforderlich werden, möglichst zu verringern, weiterhin aber auch in Betreff der trozdem noch erübrigenden Fälle dieser Art jene Vorsorge zu treffen, welche eine gründliche Er forschung der Wahrheit trop des entfernten Aufenthaltes der Zeugen ermöglicht.

In der ersten Beziehung empfiehlt sich, wie bereits oben S. 514 f. aus geführt wurde, das strenge Festhalten an dem forum delicti commiss und die hieraus folgende Zulassung der Auslieferung von Inländern. Vernehmung von im Auslande sich aufhaltenden Zeugen wird aber nicht blos in Processen wegen im Auslande verübter Delicte, sondern unter Umständen auch in Verhandlungen wegen solcher Verbrechen nothwendig, welche im Inlande begangen worden sind. Insbesondere wird dies der Fall sein, wenn die Zeugen sich nachher in's Ausland begeben haben oder wenn etwa das Delict im Auslande vorbereitet worden war oder wenn der Angeklagte sich vor oder nach der ihm zur Last liegenden That im Auslande aufhielt und aus der Zeit dieses seines Aufenthaltes Indicien für die Verübung des Delictes durch ihn vorliegen. In Fällen dieser Art hat man regelmäßig nur die Alternative, entweder sich mit der commissarischen Vernehmung des Zeugen durch den ersuchten Richter des Staates seines Aufenthaltes und mit der Uebersendung des über diese Vernehmung aufgenommenen Protokolles an das erkennende Gericht zu begnügen, oder gegenseitig zu verabreden, daß auf Ansuchen der Ge richte des einen Staates die des andern jene Zeugen, deren persönliches Erscheinen vor einem Gerichte des ersteren nothwendig erscheint, ver anlassen sollen, sich bei jenem Gerichte einzufinden und vor demselben

ihre Aussage abzulegen. Mit Rücksicht auf die sehr großen Beschwerden und Nachtheile, welche die Nöthigung zu einer solchen Reise an den Siz des erkennenden Gerichtes, selbst im Verhältnisse zwischen anein. ander angrenzenden Großstaaten man denke nur an die Entfernungen zwischen Cattaro und Königsberg, zwischen Palermo und Brest oder zwischen Malaga und Lille für den requirirten Zeugen mit sich bringen kann, hat man in den neueren Verträgen regelmäßig von der Statuirung eines directen Zeugenzwanges, in dem Sinne einer Verpflich tung des in dem Gebiete des einen der contrahirenden Staaten wohnhaften Zeugen, sich persönlich vor dem Gerichte des anderen Staates zu stellen, abgesehen. M. W. besteht heutzutage eine entgegengesezte Norm nur für das Verhältniß zwischen Desterreich und der Schweiz auf Grund des Art. 9 des Auslieferungsvertrages von 1855, nach welchem „in außerordentlichen Fällen, wenn es zur Herstellung der Identität eines Verbrechers oder zur Erwahrung des corpus delicti nothwendig erscheint, .. die Zeugen gegenseitig auch persönlich jederzeit zu stellen“ find. 6) Alle übrigen, heute zu Recht bestehenden Verträge begnügen sich m. W., soferne sie des Falles überhaupt ausdrücklich gedenken, damit, daß sie für die contrahirenden Regierungen die Verpflichtung begründen, den Zeugen, dessen persönliches Erscheinen vor den Gerichten des anderen Staates nothwendig wird, zur Reise an den Siz des erkennenden Gerichtes aufzufordern, ihm die Nothwendigkeit derselben für die im allgemeinen Interesse gelegene Sicherung der Rechtspflege ernstlich vorzustellen und ihm die seinerzeit vom ersuchenden Staate zu ersehenden Kosten der Reise und des Aufenthaltes am Orte des Gerichtsverfahrens ganz oder theil. weise vorzustrecken. So sehr die Ausschließung eines Zwanges zum Erscheinen vor den Gerichten eines fremden Staates im Verhältnisse jener Staaten zu billigen ist, welche weit von einander abliegen, etwa durch einen Ocean von einander getrennt sind, so scheint mir doch die absolute Ausschließung desselben für aneinander grenzende Staaten in der Zurückseßung öffentlicher Interessen hinter die der Individuen zu weit zu gehen. Vielmehr schiene es mir, insolange als nicht neuerliche Fort. schritte der Technik, der elektrischen Zeichen und Schallübertragung, der Telegraphie und Telephonie, eine Vernehmung des abwesenden Zeugen vor dem erkennenden Gerichte ermöglicht haben werden, nothwendig, einen von zwei Wegen einzuschlagen, um in dieser Frage die Grenze abzustecken, bis zu welcher das Privat-Interesse auch auf Kosten der Rechtspflege geschüßt werden kann. Entweder man einigt sich darüber, daß für die aneinander angrenzenden Gerichtssprengel oder Provinzen benachbarter Staaten der Zeugnißzwang anerkannt werde, oder man überläßt es überhaupt dem Ermessen des um die Zustellung der Vor ladung ersuchten Gerichtes, ob mit Rücksicht auf die Wichtigkeit des per sönlichen Erscheinens des geladenen Zeugen für die betreffende Straf sache, sowie auf die Wichtigkeit dieser letteren selbst einerseits, andererseits aber auch mit Rücksicht auf die Größe und Unerseßlichkeit der Handbuch des Völkerrechts III.

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