Page images
PDF
EPUB

Fünfzehntes Stüd.

Die Staatsverträge im Allgemeinen.

Von

Legationsrath Dr. Ludwig Geßner.

Erstes Kapitel.

Historische Uebersicht der Staatsverträge seit 1648.

§ 1.

Bis zum Frieden von Utrecht.

[ocr errors]

Literatur: Ranke, Die Deutsche Geschichte Bd. I, S. 33 ff. Meyer, Acta pacis Westphalicae, Hannover 1754-1756. Ranke, Englische Geschichte, Th. VII, S. 32 ff., S. 167 ff. Dumont, Corps diplomatique, t. VIII, p. 339.

Im 16. Jahrhundert gab die Reformation zu großen politischen Bewegungen Veranlassung, welche in erster Linie einen politischen Charakter hatten und unter den Völkern Europas weitgehende politische Spaltungen herbeiführ ten. Die größten politischen Gegenfäße veranlaßte die Reformation in ihrem Geburtslande, dem Deutschen Reiche. Das Ergebniß dieser Gegenfäße war der große Krieg, welcher 30 Jahre lang auf Deutschem Boden ausgefochten wurde und durch den Westfälischen Friedensvertrag vom 24. Oktober 1648, dem langedauernde Verhandlungen in Münster und Osnabrück vorangegangen waren, sein Ende fand.

An dem Westfälischen Friedens congreffe betheiligten sich sämmt= liche Mächte Europas mit Ausnahme von Rußland, Polen und England; das Deutsche Reich, dessen Zusammenhang durch die Ausbildung der fürstlichen Gewalt bereits erheblich gelockert war, erhielt durch den Congreß einen tödtlichen Stoß. In dieser Hinsicht war namentlich die Bestimmung von großer Tragweite, daß sämmtlichen 355 Staaten, welche das Deutsche Reich bildeten, die Selbständigkeit ertheilt wurde, mit der Beschränkung keine Staatsverträge schließen zu dürfen, wodurch ein anderer Deutscher Staat geschädigt werde. Außerdem enthielt der Westfälische Friedensvertrag noch fol= gende besonders wichtige Bestimmungen.

Für das Verhältniß der beiden christlichen Kirchen wird der 1. Januar 1624 in der Weise als Normaljahr bestimmt, daß der Zustand, in welchem damals beide Religionsgesellschaften sich befanden, für dieselben auch

Handbuch des Völkerrechts III.

1

in Zukunft maßgebend sein soll. Dem Landesherrn verbleibt die durch den im Jahre 1555 geschlossenen Vertrag von Augsburg ihm verliehene Gewalt, nach dem Grundsage cujus regio ejus religio alle Andersgläubigen, welche der einen oder der anderen christlichen Religionsgemeinschaft angehören, aus seinem Lande zu verweisen.

Der Schweizerbund und die Niederlande, welche bisher bereits thatsächlich in völliger Unabhängigkeit sich befanden, werden jezt auch durch das Congreßübereinkommen als selbstständige Staaten anerkannt.

Von den beiden siegreichen Mächten Frankreich und Schweden erhält das erstere einen Theil von Elsaß und überdies Souzerainetätsrechte über 10 freie Städte im Elsaß; darunter befand sich auch Straßburg. Schwe= den erhielt Pommern und mehrere Städte, darunter Wismar und Rostock.

Der Westfälische Friedenscongreß ist das erste Beispiel einer internationalen Versammlung, welche sich mit der Regelung allgemeiner politischer Fragen, sowie gleichzeitig mit internen Angelegenheiten einzelner Staaten beschäftigt hat. Das Deutsche Reich wurde durch die Erklärung der Selbstständigkeit der Deutschen Staaten des ihm verbliebenen Restes politischer Macht beraubt und der Einmischung der Europäischen Mächte preisgegeben. Frankreich hatte sein Ziel erreicht, seine Erbfeinde Deutschland und Dester= reich zu besiegen und war auf dem Höhepunkt seiner Macht angelangt.

§ 2.

Bis zum Wiener Congreß.

Literatur: Meier, Corpus juris Confoederationis Germanicae, Bd. I, p. 1–4 und p. 240-246.

Das Uebergewicht, welches der Westfälische Frieden Frankreich in Europa gegeben hatte, suchte Ludwig XIV. demnächst in der rücksichtslosesten Weise auszubeuten. In dem Kriege gegen Spanien, der durch den Frieden von Aachen 1668 beendigt wurde, erwarb er 12 Flandrische Städte, und in dem 1671 gegen die Republik Holland geführten Kriege durch den 1678 geschlossenen Friedensvertrag von Nymwegen eine Anzahl von Städten und die Franche-Comté. Durch die im Jahre 1680 von ihm eingesetzten berüchtigten Chambres de réunion bemächtigte er sich durch gewaltsame Auslegung der Verträge von Münster und Aachen einer großen Anzahl von Städten in Deutschland und den Niederlanden. Der Energie und staatsmännischen Weisheit des großen Oraniers, nachdem er vom Statthalter der Niederlande König von England geworden war, gelang es endlich diese Uebermacht zu brechen. Die Coalition, welche König Wilhelm zu Stande brachte, als der Französische König 1689 dem Deutschen Reiche den Krieg erklärte, führte noch nicht zu einem glücklichen Erfolge. In dem 1697 zu Ryswick

geschlossenen Frieden erwarb Frankreich noch Straßburg und erhebliche Gebietstheile auf Kosten Spaniens. Der Spanische Erbfolgekrieg von 1701 bis 1713 sezte endlich durch den 1713 zu Utrecht geschlossenen Frieden der Französischen Uebermacht ein Ziel. Frankreich mußte die Festungswerke von Dünkirchen schleifen, sich der Bestimmung unterwerfen, daß die Kronen Frankreichs und Spaniens niemals auf einem Haupte vereinigt sein dürfen, und einen Theil seiner Nordamerikanischen Colonien an England abtreten.

Der am 9. Februar 1800 zwischen Frankreich und dem Deutschen Kaiser geschlossene Vertrag von Lüneville vollendete das von dem Westfälischen Congreffe begonnene Werk der Auflösung des Deutschen Reichs dadurch, daß das linke Rheinufer an Frankreich übertragen werden mußte. In Art. 7 des Vertrages wurde dann noch bestimmt: L'Empire sera tenu de donner aux Princes héréditaires qui se trouvent à la rive gauche du Rhin, un dédommagement, qui sera pris dans le sein de l'Empire.«1) Die Säcularisation der geistlichen Territorien und die Mediatisirung der Mehrzahl der Reichsstände, wozu man zur Durchführung der von dem Lüneviller Friedensvertrage für die dadurch depossedirten Fürsten angeordneten Entschädigungen schreiten mußte, waren ein, wenn auch durch die Nothwendigkeit veranlaßter Rechtsbruch. In dem Art. VII des am 26. December 1805 geschlossenen Friedensvertrages von Preßburg hatte Frankreich sogar die Dreistigkeit, das Deutsche Reich als »conféderation germanique« zu bezeichnen, wozu es kaum ein Jahr später thatsächlich gemacht wurde. Der Art. VII lautet wörtlich: Les Electeurs de Bavière et de Wurtemberg, ayant pris le titre de roi, sans néanmoins cesser d'appartenir à la conféderation germanique, Sa Majesté l'Empereur d'Allemagne et d'Autriche les reconnait en cette qualité«.

Am 12. Juli 1806 wurde die Rheinbundsacte unterzeichnet. Sämmtliche Deutsche Fürsten traten nothgedrungen diesem schmachvollen Bündnisse bei, welches wohl nicht zustande gekommen wäre, wenn Desterreich nicht Preußen ein festes Zusammengehen mit dieser Macht unmöglich gemacht hätte. Na= poleon glaubte in seiner Verblendung und seiner hochmüthigen Erhebung, daß er durch das von ihm übernommene Protectorat den ersten Schritt zur Wiederherstellung der Krone Karls des Großen gethan habe. Die Memoiren, welche er später in der Verbannung auf St. Helena schrieb, beweisen, daß es mit ihm ganz anders kam. Nachdem auch Bayern die Rheinbundsacte am 12. Juli 1806 gezeichnet hatte, legte Kaiser Franz II. am 6. August 1806 die Deutsche Kaiserkrone nieder, indem er erklärte, der Umstand, daß ein Theil der mächtigsten Reichsstände das Reich verlassen und zur Conföderation übergetreten seien, mache es ihm unmöglich, die Pflichten des kaiserlichen Amtes noch länger zu erfüllen. Von Preußen, welches damals bemüht war als Gegenwehr gegen den Rheinbund einen Norddeutschen Bund zu stiften, sagte man damals zuerst, sein Fürst müßte eines Tages die Deutsche Kaiserkrone tragen.

« EelmineJätka »