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Gesandte zweiter Classe.

Grundsäßlich gehören hiezu alle Gesandten, die nicht Botschafter sind und doch beim Souverän beglaubigt sind, also auch die MinisterResidenten; sie stehen nur den Gesandten im engeren Sinne nach, welche jezt durchweg den Titel Envoyé extraordinaire et Ministre plénipotentiaire führen, obwohl sie in ordentlicher Sendung sich befinden und keineswegs unbedingte Vollmacht haben. Die Gesandten zweiter Classe des Papstes heißen Internuntien (früher hatte auch der Desterreichische Gesandte bei der Pforte diesen Titel), haben aber nicht dasselbe Privileg vor ihren Collegen wie die Nuntien, weil das diesen gewährte Aus. nahmerecht stricte auszulegen ist, wie dies 1849 in dem Fall festgestellt wurde, wo der Internuntius im Haag den Vorrang vor dem Doyen des diplomatischen Corps, dem Englischen Gesandten Sir Cromwell Disbrow, verlangte. Ebenso wurde nach Pradier-Fodéré (I. 230) hinsichtlich des apostolischen Delegaten in Lima, Mario Moncanni, 1878 vom diplomatischen Corps entschieden.

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Sonstige Gesandte.

Die dritte Classe bilden die Geschäftsträger, welche bei dem auswär tigen Minister beglaubigt werden. Es ist dabei aber zu unterscheiden zwischen ständigen und zeitweiligen Geschäftsträgern; die ersteren werden durch ein Schreiben ihrer Regierung beglaubigt und bleiben, bis sie von derselben abberufen werden, die leßteren werden dem auswärtigen Minister von dem ständigen Gesandten vorgestellt, wenn derselbe zeitweilig seinen Posten verläßt oder behindert ist, und ihre Functionen hören mit seiner Rückkehr von selbst auf.1) Einige große Staaten haben die Gewohnheit, die zeitweiligen Vertreter ihrer Botschafter besonders als Gesandte zweiter Classe zu beglaubigen.

Fast jeder Gesandte hat ein mehr oder weniger zahlreiches Personal, das ihm zur Erledigung seiner Geschäfte beigegeben ist, in größeren Verhältnissen einen Rath, Secretäre und Attachés; zu leßteren gehören auch die Offiziere, welche speciell für militärische Angelegenheiten bestimmt sind; nur Preußen und Rußland beglaubigen bei einander neben den Botschaftern auch noch militärische Gesandte.

Die Gesammtheit der bei einer Regierung beglaubigten auswärtigen Vertreter bildet das diplomatische Corps. Dasselbe ist keine juristische Person oder Corporation mit bestimmten Rechten und Pflichten als

solcher, sondern nur eine moralische Gemeinschaft, welche durch die Soli. darität gewisser Rechte und Interessen, die für alle gleich wichtig sind, zusammengehalten wird und deshalb activ nur wird, wenn diese Rechte oder Interessen verlegt werden oder doch speciell wahrzunehmen sind. In diesem Falle führt der älteste Gesandte der höchsten Klasse als doyen du corps diplomatique im Namen aller seiner Collegen das Wort. 2)

Was die Agenten betrifft, welche nicht beglaubigt, sondern nur durch private Schreiben eingeführt werden, so gehören sie nicht zum diplomatischen Corps, und es bleibt jeder Regierung überlassen, wie sie dieselben behandeln will. Ebenso haben Commissare, welche zur Verhandlung von Specialfragen gesandt werden, keinerlei Anspruch auf diplomatische Rechte; will ihre Regierung ihnen solche sichern, so muß sie dieselben besonders beglaubigen, wie dies z. B. mit Cobden für den Handelsvertrag Englands mit Frankreich von 1860 geschah.

1) Nicht richtig ist die Annahme von Martens (II, S. 35), daß dieselben nur die laufenden Geschäfte der Mission ohne politische Natur erledigen. Zeit, weilige Geschäftsträger großer Staaten verhandeln oft die wichtigsten politischen Fragen. 2) Die Ausschließung der Vertreter orientalischer Staaten vom corps diplomatique wird sicher mit Unrecht von Martens II. S. 36 behauptet; es ist nicht abzusehen, mit welchem Rechte ein Chinesischer oder Japanischer Gesandte, der sich übrigens dem diplomatischen Herkommen fügt, von dieser Gemeinschaft ausgeschlossen werden sollte.

§ 160.

Anfang und Ende der Gesandtschaft.

Der Gesandte tritt in die Rechte und Pflichten seiner Stellung mit dem Augenblick ein, in welchen seine amtliche Anerkennung von der Person erfolgt, bei. der er beglaubigt wird. Diese Anerkennung vollzieht sich durch den Empfang des Gesandten seitens des Souveräns oder der dazu Beauftragten und der Entgegennahme der ihm von seinem Auftraggeber ausgestellten Beglaubigungsschreiben.') Dasselbe, welches für die Gesandten erster und zweiter Classe von dem einen Staatsoberhaupt an das andere, für die Geschäftsträger von einem auswärtigen Minister an den andern gerichtet wird, enthält die Bezeichnung des Namens, Ranges und allgemeinen Auftrages der zu beglaubigenden Person. Den Nuntien dienen die Ernennungsbullen als Beglaubigungsschreiben. Der ankommende Gesandte fügt dem Schreiben, in welchem er den auswärtigen Minister um eine Audienz zur Uebergabe seines Creditivs ersucht, eine Abschrift desselben bei. Die bei der Pforte beglaubigten Gesandten erhalten auch ein besonderes Schreiben des auswärtigen Ministers an den Groß-Vezir. In Behinderungsfällen des

Souveräns vertritt denselben der Regent oder eine ad hoc ernannte Behörde; so beauftragte nach dem Tode des Prinz-Gemahls die Königin von England einen Rath von Ministern und hohen Würdenträgern, die Beglaubigungsschreiben der Gesandten in ihrem Namen entgegenzunehmen. Da die Beglaubigung für den Gesandten nur für die ihm verliehene Eigenschaft gilt, so muß sie erneut werden, wenn er einen höheren Rang erhält, und da sie von einem Souverän an den anderen geht, so muß auch eine solche Erneuerung bei dem Tode, der Abdankung oder Entthronung jedes der beiden Souveräne stattfinden.

Dasselbe gilt bei einem Wechsel der Regierungsform. In dem Schreiben des Ministers Drouin de Lhuys vom 1. December 1852, durch welches er den bisher beim Präsidenten Napoleon beglaubigten Gesandten die Annahme des Kaisertitels seitens des Staatsoberhauptes anzeigte, bemerkte er: „Cette transformation opérée dans la constitution politique de la France exige, selon l'usage, que les agents accrédités à Paris, comme ceux de S. M. l'Empereur des Français dans les cours étrangères, reçoivent de nouvelles lettres de créance."

Dagegen erfordert der Amtsantritt eines neuen Präsidenten in Republiken keine neue Beglaubigung und ebenso erfolgt eine solche nicht bei der Erwählung eines neuen Papstes. Der Wechsel der gegenseitigen auswärtigen Minister berührt die Beglaubigung der Geschäftsträger nicht.

Das Amt eines Gesandten endet, abgesehen von seinem eigenen Tode und den erwähnten Fällen seiner Rangveränderung, des Wechsels der Regierungsform und des Todes seines Souveräns oder desjenigen, bei dem er beglaubigt war;

1) durch die Erledigung des speciellen Geschäftes, für das er gesandt war, wie z. B. bei Beglückwünschungen, Entschuldigungen u. s. w. durch Widerruf des Auftraggebers oder durch Ablauf der Zeit, wenn für die Gesandtschaft eine bestimmte Frist bestimmt war.

2) durch seine Abberufung, in welchem Falle er ein Schreiben seines Auftraggebers überreicht, durch welches dieser die Person, bei welcher der Gesandte bisher beglaubigt war, von der Abberufung benachrichtigt. Ist der Gesandte bei seiner Abberufung abwesend oder ist er sonstwie verhindert, das Abberufungsschreiben persönlich zu übergeben, so wird sein Nachfolger damit beauftragt. Die Nuntien übergeben kein Abberufungsschreiben, ihre Abberufung wird nur durch den Cardinal-Staatssecretär dem Auswärtigen Minister angezeigt;

3) wenn der Gesandte in Folge irgend eines ernsten politischen Ereignisses es auf sich nimmt seine Sendung für beendet zu crklären;

4) wenn umgekehrt die Regierung, bei welcher er beglaubigt ist, dem Gesandten erklärt, sie könne ihn nicht länger als solchen betrachten, sei dies nun, daß eine Veränderung in der Stellung

seines Auftraggebers eingetreten ist, welche ihm nach Ansicht der
Regierung unmöglich macht, seine Stellung länger einzunehmen,
wie z. B., wenn sein Souverän enthront ist, sei es, daß er
nach Ansicht der Regierung seine Pflichten so schwer verletzt
hat, daß sie die Beziehungen zu ihm nicht fortseßen zu können
glaubt. Dieser Fall ist oft vorgekommen. 1654 empfing der
Französische Gesandte Le Bas, weil er in eine Verschwörung
gegen Cromwell verwickelt sein sollte, den Befehl, England in
48 Stunden zu verlassen; dasselbe geschah aus gleichen Gründen
mit dem Herzog von St. Aignan, Französischem Botschafter in
Madrid 1718, und dem Marquis de la Chétardie in Peters.
burg 1744. Als 1788 der Russische Gesandte in Stockholm,
Graf Rasumowski, an die Minister eine Note adressirt hatte:
,,aux ministres du roi et à tous ceux de la nation qui par-
ticipent au gouvernement", befahl ihm Gustav III., der dies
als Beleidigung empfand, Schweden zu verlassen. Als 1812
Frankreich ohne Weiteres Schwedisch-Pommern beseßte, erklärte
der Minister dem Französischen Geschäftsträger: „que sa
présence devenant absolument inutile, S. M. désirait, qu'il
quittât la Suède aussitôt que possible". 1848 erklärte die
Spanische Regierung dem Englischen Gesandten Sir H. Bulwer,
der sich in innere Fragen eingemischt hatte, er habe Spanien
sofort zu verlassen. 1871 erklärte der Amerikanische Staats-
secretär H. Fish dem Russischen Gesandten Catacazy, der sich
in innere Fragen eingemischt, daß er auf Befehl des Präfiden-
ten die geschäftlichen Beziehungen mit ihm abbreche und seine
Pässe für ihn bereit lägen;

5. durch Ausbruch des Krieges zwischen seiner Regierung und der,
bei welcher der Gesandte beglaubigt ist.

1) Selbstverständlich muß dabei der Gesandte sich im Allgemeinen ebenso gewiß dem Ceremoniell des Hofes fügen, als ihm dabei andrerseits keine Zumuthungen gemacht werden dürfen, welche mit der Würde seines Auftraggebers oder seiner Person unvereinbar sind, wie z. B. früher in China gefordert wurde, daß die Gesandten sich vor dem Kaiser niederwarfen. (Vgl. die deshalb geführten Verhandlungen Parl. Papers 1874 p. 702.)

IV. Rechte der Gesandten.

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Die Privilegien im Allgemeinen.

Alle von ihrer Regierung mit der Wahrnehmung gesandtschaftlicher Functionen im Gebiete eines dritten Staates beauftragten Personen ge

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nießen gewisse Rechte, welche ihnen theils die Erfüllung ihrer Aufgaben erst ermöglichen, theils dieselben erleichtern sollen. Diese Rechte stehen allgemein völkerrechtlich fest, sind daher von den Geseßen des Aufenthaltstaates unabhängig, so daß ein Mangel der landesgeseßlichen Sanction für eine Verlegung gesandtschaftlicher Rechte keine Entschuldigung bietet. Ein Staat, der diese Rechte nicht achtet oder beschränken wollte, schließt sich selbst von der Gemeinschaft aus, welche civilisirte Nationen verbindet; "the law of nations is part of the common

law", wie Lord Stowell sagte. Als 1789 die in Paris beglaubigten Gesandten sich durch die Erklärung der National-Versammlung beunruhigt fühlten, daß es keine privilegirten Personen mehr gebe, erwiderte die Versammlung dem auswärtigen Minister, ihre Erklärung berühre die Bestimmungen des Völkerrechts nicht, welches die Privilegien der Gesandten feststelle. (Moniteur v. 14. Dec. 1789.) Als 1810 Agenten der Russischen und Desterreichischen Botschafter sich durch Verbindungen im Kriegsministerium in Besiz der Pläne Napoleons gesezt hatten, schlug Fouché dem Kaiser vor, die diplomatischen Privilegien durch ein einfaches Decret aufzuheben. Graf Hauterive, ein hervorragender Beamter des auswärtigen Ministeriums, legte indeß in einer Denkschrift dar, daß ohne die diplomatischen Immunitäten alle internationalen Beziehungen unmöglich sein würden, und nachdem der Kaiser dasselbe gelesen, war von der Sache keine Rede mehr. (Vergé, Diplomates et publicistes.)1) Eben deshalb bilden die Rechte diplomatischer Agenten keinen Gegenstand vertragsmäßiger Feststellung, wie dies bei den Rechten der Consuln Gebrauch ist; geschieht dies ausnahmsweise doch, wie es früher in Verträgen mit der Pforte der Fall war und noch in solchen mit Asiatischen oder Südamerikanischen Staaten vorkommt, so ist das ein Beweis der niederen Culturstufe des einen Contrahenten, der gegen über der andere sich das ausdrücklich sichern zu müssen glaubt, was sich unter civilisirten Staaten von selbst versteht.2) Die einzelnen Rechte der Gesandten lassen sich auf zwei Grundrechte zurückführen: die Unverleg. lichkeit und die Exterritorialität; wie der auswärtige Souverän wegen seiner Person, so ist der Gesandte wegen seines Amtes der örtlichen Gerichtsbarkeit entzogen. Das Privilegium beider unterscheidet sich nur dadurch, daß der Souverän für Vergehen überhaupt nicht zur gericht. lichen Rechenschaft gezogen werden kann, der Gesandte nur von seinem Souverän und den einheimischen Gerichten, von diesen aber auch zur Rechenschaft gezogen werden muß, falls die Regierung, bei der er be glaubigt ist, Recht hat, sich über ihn zu beklagen, oder Ansprüche von Angehörigen des Aufenthaltsstaates vorliegen.

1) Dies erfuhr die Englische Regierung zu ihrem Schaden, als unter der Königin Anna der Russische Gesandte wegen einer Schuld von 50 £ verhaftet ward und die Queens Bench die betr. Beamten freisprach, weil das Gesez den Fall nicht vorgesehen. Es mußte eine außerordentliche Gesandtschaft bei Peter

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