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dorthin flüchtete, verhaftet werden konnte. Nichtsdestoweniger führte die durchaus berechtigte Aufhebung dieses Mißbrauchs durch Innocenz XI. (1676) zu Feindseligkeiten Frankreichs, welches jedoch schließlich nach. geben mußte.

1) R. Str. Ges..B. § 104, Gefängniß oder Zuchthausstrafe bis zu 1 Jahr. Art. 17 des Französ. Gesches vom 17. Mai 1819 bedroht die diffamation eines Gesandten mit Gefängniß bis 18 Monat und Geldstrafe bis 3000 Fr., Art. 19 die injure mit Gefängniß bis 1 Jahr und Geldstrafe bis 2000 Fr. je nach Umständen.

2) R.-Str. Ges.-B. § 104 Al. 2, — Art. 5 des Französ. Geseßes vom 26. Mai 1819 fordert gleichfalls Antrag des Beleidigten, Art. 5 des Gesetzes vom 29. December 1875, der Verfolgung von Amtswegen verfügt, geht nur auf aus. wärtige Souveraine und Regierungsoberhäupter. Dagegen gilt in der Franzö. sischen Praxis der Sat: „La preuve de la vérité des faits diffamatoires allégués contre des agents diplomatiques est inadmissible." (Chassan, Traité des délits de la parole II. p. 443.)

3) Déclaration des États-Généraux des Pays-Bas Unis au sujet de l'inviolabilité des Ambassadeurs, 1651. Dänisches Gesez von 1683. Amerikanische Congreßacte von 1790, sect. II. Belgisches Gesetz vom 12. März 1858.

4) In der Angelegenheit des Russischen Gesandten in Washington, Cala, cazy, erklärte der Amerikanische Staatssecretär Mr. Fish (16. Nov. 1871):,,The official or authorized statement, that a minister has made himself unacceptable or even that he has ceased to be persona grata to the government to which he is accredited, is sufficient to invoke the deference to a friendly power and the observance of the courtesy and the practice regulating the diplomatic intercourse of the powers of Christendom. For the recall of an objectionable Minister the declaration of the authorized representative of the power to which an offending minister is accredited is all that can properly be asked and all that a self-respecting power could give.“ (Staatsarchiv XXI. no 4606.) Dies geht grundsäßlich gewiß zu weit; jede Regierung wird, ehe sie einer solchen Forderung nachgiebt, verlangen, die Gründe derselben zu hören und ihrem Ver. treter Gelegenheit geben, sich seinerseits zu äußern, wie denn thatsächlich Mr. Fish seine Gründe ausführlich angiebt.

5) In diesem Falle war dem Gesandten keine specielle Verschuldung vorge worfen und es traf die Bemerkung Merlin's zu: „Qu'on dise tant qu'on voudra que la perfidie du maître nous autorise à ne plus regarder son ministre comme ambassadeur: la convention particulière et tacite que nous avons faite avec le ministre même, nous défend de punir dans sa personne l'innocent pour le coupable." (Répert. de jurispr. Sect. V. § 3, Nr. 5.)

6) So z. B. von Stanhope (Hist. of England I. p. 171.): „A foreign minister who conspires against the very Government, at which he is accredited has clearly violated the law of nations. He is, therefore, no longer entitled to protection from the law of nations"; ebenso ist es irrig, wenn Hall, § 50 sagt: „but if the alleged act is one of extreme gravity, he can be arrested and kept in custody while application for redress is being made", denn damit wird der Aufenthaltsstaat zum alleinigen Richter darüber gemacht, ob die Verleßung hinreichend schwer war, um solches Vorgehenzu rechtfertigen. 7) Phillimore, II. 208. Stanhope, 1. c.

9) Martens, Causes célèbres I. 104.

§ 163. Exterritorialität.

Das Recht der persönlichen Unverleßlichkeit genügt nicht, um dem Gesandten volle Sicherheit für die Ausübung seiner Functionen zu ge währen, er muß auch von der Landesgerichtsbarkeit des Staates, wo er beglaubigt ist, vollkommen unabhängig sein, denn könnte er von dieser zur Rechenschaft gezogen werden, so wäre der Regierung fortwährend Gelegenheit gegeben, unter dem Vorwand eines Verdachts und nöthiger Untersuchung, die Freiheit des Gesandten zu beschränken. Diese Befreiung von der Gerichtsbarkeit des Aufenthaltsstaates bezeichnet man mit der Exterritorialität der diplomatischen Agenten. Diese Fiction ist nicht buchstäblich zu nehmen, denn würde z. B. die gesandtschaftliche Wohnung wirklich als außerhalb des Gebietes des Aufenthaltsstaates betrachtet, so hätte letterer auch keine Gerichtsbarkeit darüber, wenn zwei seiner Unterthanen dort ein Verbrechen begingen. Man kann auch nicht sagen, der Gesandte werde so behandelt, als ob er seinen Heimathsstaat nie verlassen, denn derselbe ist unstreitig verpflichtet, die Geseze des Aufenthaltsstaates zu achten. Die diplomatische Exterritorialität bedeutet einfach eine Ausnahme von dem sonst unbedingten Grundsatz der Gebietshoheit, wonach alle Personen und Sachen, die sich auf dem Gebiet eines Staates befinden, seiner Gerichtsbarkeit unterworfen sind. Der Gesandte, seine Familie, alle Personen und Sachen, deren er zur Erfüllung seiner amtlichen Aufgabe bedarf, sind der Gerichtsbarkeit des Aufenthaltsstaates entzogen.1) Für alles, was er sich etwa zu Schulden kommen läßt, kann er nur von seiner Regierung, bez. von den Gerichten feines Landes zur Verantwortung gezogen werden. Als unter Jacob I. die Spanischen Gesandten Inoyosa und Colonna den Prinzen von Wales und den Herzog von Buckingham verleumdet hatten, erklärte Sir R. Cotton in einem Gutachten: that an ambassador representing the person of a sovereign Prince, is by the law of nations exempt from Regale Tryale, that all actions of one so qualified are made the acts of his master, until he disavow them, and that the injuries of one absolute Prince to another is factum hostilitatis, not treason, so much does public conveniency prevail against a particular mischief". (Phillimore, II. p. 280.) 1646 erklärte der Großvezir, als Kaufleute den Englischen Gesandten vor dem Divan verklagen wollten, „er wisse sehr wohl, daß es unerhört wäre, einen Gesandten vor den Divan zu laden, was das Gesandtschaftsrecht und das Völkerrecht zerstören würde". Als 1654 der Französische Gesandte de Bass einer Verschwörung gegen das Leben Cromwell's angeklagt wurde, erklärte sich derselbe bereit, dem Protector persönlich zu beweisen, daß der Verdacht unbegründet sei, aber weigerte sich, sich von einem Richter verhören zu lassen, weil er

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damit die Würde seines Gebieters verlehen würde, dem er allein verantwortlich sei, und dies ward anerkannt. (Ibid. p. 209.)

Diese Befreiung von der Gerichtsbarkeit ist jezt überall auch an erkannt.) Der Grundsat gilt so unbedingt, daß ein Gesandter selbst nicht darauf verzichten könnte; denn das Privileg ist nicht in seinem, sondern in einem öffentlichen Interesse gegeben. Eine Folge desselben ist, daß ein Gesandter auch nicht genöthigt werden kann, in einem Proceß als Zeuge aufzutreten, höchstens kann man von ihm begehren, daß er in seiner Wohnung seine Aussage zu Protokoll gebe, weigert er dies, so kann man ihn indeß nicht dazu nöthigen. So fand 1856 in Gegenwart des Holländischen Gesandten in Washington, Dubois, ein Todtschlag statt; der Staatsanwalt ließ ihn durch den Staatssecretär um sein Zeugniß ersuchen, der Gesandte lehnte dies auf einstimmigen Rath aller seiner Collegen ab, aber erklärte sich bereit, eine beeidigte Erklärung abzugeben, wenn seine Regierung ihn dazu ermächtige. Der Staatssecretär anerkannte in einer Depesche an den Amerikanischen Gesandten im Haag, daß Dubois' Weigerung berechtigt sei, machte aber gleichwohl geltend, daß derselbe seinem Rechte nichts vergebe, wenn er das gewünschte Zeugniß ablege, um die Entscheidung des Gerichtes zu ermöglichen, da das Gesez fordere, daß der Angeklagte den Belastungszeugen persönlich gegenübergestellt werde. Die Holländische Regierung lehnte es ab, ihren Gesandten dazu zu veranlassen, ermächtigte ihn aber, eine eidliche Erklärung dem Staatssecretär zu machen. Dubois benachrichtigte lezteren hiervon mit dem Vorbehalt, daß dabei von keinem Verhör die Rede sein könne, dem er sich nicht unterwerfen könne, worauf der Staatsanwalt nicht eingehen zu können glaubte, weil eine solche Erklä rung nicht genüge. (Calvo, I. p. 594, Note 1.)

Ein verwickelter Fall ereignete sich 1867 in Paris, wo ein Russischer Unterthan im Gesandtschaftsgebäude auf den Secretär der Botschaft schoß und auf Ansuchen des letteren von der Französischen Polizei verhaftet wurde. Der Russische Botschafter, der bei Begehung des Verbrechens abwesend war, vertrat zuerst die Ansicht, daß der Schuldige vor ein Russisches Gericht zu stellen sei, da das Verbrechen in der Russischen Gesandschaft von einem Russen gegen einen Russen verübt sei, trat aber hernach der Ansicht der Französischen Regierung bei, daß, da von der Gesandtschaft selbst die Hilfe der Französischen Behörden angerufen und diese auch die Voruntersuchung geführt, das Französische Gericht competent für die Aburtheilung sei.

Die Befreiung von der Gerichtsbarkeit geht ebenso wohl auf die bürgerliche wie die Strafgerichtsbarkeit, der Gesandte kann in seiner Eigenschaft weder verklagt werden, noch können irgend welche ihm gehörige Sachen, welche er als Gesandter besißt, mit Beschlag belegt werden. Diesen Grundsaß hat schon Grotius (II. cap. 18. 9) klar festgestellt: „Bona quoque legati mobilia et quae proinde habentur personae accessio, pignoris causa, aut ad solutionem debiti capi non posse,

nec per iudiciorum ordinem, nec, quod quidam volunt, manuregia verius est, nam omnis coactio abesse a legato debet, tam quae res ei necessarias quam quae personam tangit, quo plena ei sit securitas. Si quid ergo debiti contraxit et ut fit res soli eo loco nullas possideat, ipse compellendus erit amice et si detrectet is qui misit." Der Entwurf des Code civil besagte dies ausdrücklich. „Les étrangers revêtus d'un caractère représentatif de leur nation, en qualités d'ambassadeurs, de ministres, d'envoyés ou sous quelque autre dénomination que ce soit, ne seront point traduits, ni en matière civile, ni en matière criminelle, devant les tribunaux de France. Il en sera de même des étrangers qui composent leur famille ou qui seront de leur suite". Dieser Artikel wurde gestrichen, weil wie Portalis erklärte, der Code sich nicht mit völkerrechtlichen Fragen zu beschäftigen habe. Der Grundsaß ist aber stets beobachtet. So erklärt ein Erkenntniß des Pariser Appellhofes vom 12. Juli 1867: que ce principe se fonde sur la nature des choses, qui dans l'intérêt respectif des deux nations, ne permet pas que les agents diplomatiques soient exposés dans leurs personnes ou dans leurs biens à des poursuites qui ne leur laisseraient pas une entière liberté d'action et qui gèneraient les relations internationales auxquelles ils servent d'intermédiaires". Im Gegensaze hiezu behauptete 1839 die Preußische Regierung in einem Streitfall des Amerikanischen Gesandten Mr. Wheaton mit seinem Hauseigenthümer, welcher für Schadensersat gewisse Mobilien des Gesandten mit Beschlag belegte, die völkerrechtliche Exemtion gehe nur auf die Gerichtsbarkeit, ein Gericht könne allerdings nicht die Beschlagnahme von gesandtschaftlichem Eigenthum verfügen, etwas anderes aber seien die Beziehungen des Gesandten zu Privatpersonen, ersterer habe sich durch seinen Miethsvertrag dem Retentionsrecht unterworfen, welches das Preußische Gesez dem Eigenthümer gegen den Miether gebe. Der Gesandte erwiderte mit Recht, daß es auf die Bestimmungen des Preußischen Gesezes nicht ankomme, da diese die völkerrechtlich feststehende Befriedung seines Eigenthums nicht aufheben könnten und kein Landesgesez einen Gesandten auf denselben Fuß stellen könne wie die Unterthanen. Wenn man behaupte, daß er sich durch den Vertrag stillschweigend unterworfen habe, so würde bei Nichtzahlung eincs von ihm angenommenen Wechsels auch der Personalarrest gegen ihn verhängt werden können. Ebenso ist es nicht gerechtfertigt, einem Gesandten wegen Schulden bei seiner Abreise die Pässe zu verweigern, wie dies seitens der Französischen Regierung 1772 gegen den Hessischen Gesandten geschah. Wenn also ein Gesandter seine Schulden nicht bezahlt, müssen die Gläubiger sich entweder durch Vermittlung des Auswärtigen Ministeriums an seine Regierung wenden oder ihn bei dem competenten Gericht seiner Heimath verklagen. So sagt ein Erkenntniß des Pariser Gerichts vom 22. Juli 1815: „Pendant l'exercice de ses fonctions à l'étranger, l'ambassadeur ou le ministre ne cesse point d'appartenir à sa patrie, il y conserve son domicile et le juge de ce

domicile exerce la juridiction sur lui comme s'il était présent". Ebenso das Deutsche Reichsbeamten-Gesetz § 21: „Reichsbeamte, deren dienstlicher Wohnsit sich im Auslande befindet, behalten den ordentlichen persönlichen Gerichtsstand, welchen sie in ihrem Heimathsstaat hatten. In Ermangelung eines solchen Gerichtsstandes ist ihr ordentlicher persönlicher Ge richtsstand in der Hauptstadt des Heimathsstaates, und in Ermangelung eines Heimathsstaates vor dem Stadtgericht in Berlin begründet". Aber die Exemtion erstreckt sich der Natur der Sache nur auf die gesandtschaft. liche Wohnung und die in derselben enthaltenen Mobilien; Grundstücke, die der Gesandte als Privatmann im Aufenthaltsstaate besißt, bleiben. der Gerichtsbarkeit des lezteren unterworfen, nur kann nie gegen ihn eine Verfügung erlassen werden, welche seine Person berührt oder ihm Sachen nimmt, welche für seine amtlichen Functionen nothwendig sind. Der Fall, daß sich ein Gesandter mit Handelsgeschäften befaßt, wird schwerlich vorkommen; sagt doch schon das Römische Recht: „Eum qui legatione fungitur, neque alienis neque propriis negotiis se interponere debere" (1. 8 § 2 D. de legat. 50, 7). Deutsches Reichs-BeamtenGesetz § 16.) Sollte er sich in Börsenspeculationen einlassen, so können seine Gläubiger im Nichtzahlungsfalle gegen ihn nur wie bei andern Schulden verfahren.) Maßregeln, welche nur Rechte sicherstellen sollen, z. B. Protest wegen eines auf einen Gesandten gezogenen und nicht bezahlten Wechsels können sein Privileg nicht berühren. Ist der diplomatische Vertreter als Unterthan des Aufenthaltstaates zugelassen, so kommt ihm die Exemtion nicht zu, nur können seine Archive nicht mit Beschlag belegt werden. Gleichwohl erklärte fich 1875 bei einer Klage gegen den Gesandten von Honduras, der Französischer Unterthan geblieben war, das Pariser Gericht incompetent, weil die Regierung ihn als Gesandten angenommen hatte. (Journ. de dr. intern. privé 1875, p. 90.) Hat der Gesandte selbst geklagt, was er nicht ohne Ermächti gung seiner Regierung thun sollte, da er nicht eigenmächtig auf seinen repräsentativen Charakter verzichten kann, was aber das betreffende Gericht nicht zu untersuchen hat, da dies eine Frage zwischen ihm und seinem Souverän ist, so muß er natürlich auch die Folgen tragen, wenn er z. B. in die Unkosten verurtheilt wird. Eben deshalb erkannte das Englische Gericht 1854 gewiß richtig in dem Falle des Belgischen Legationssecretärs Drouet, der wegen Handelsschulden verklagt ward, die Thatsache, daß er sich in finanzielle Speculationen in London eingelassen, unterwerfe ihn an sich nicht der örtlichen Gerichtsbarkeit, sondern müsse, sofern dies eine Verlegung seiner amtlichen Stellung einschließe, von seiner Regierung geahndet werden, daß er aber, da er die erste Citation frei willig angenommen, sich im Fortgang des Processes nicht mehr auf seine Exemtion berufen könne. Richtig bleibt dabei die Bemerkung Calvo's (Dictionnaire, p. 25): Il ne faut pas se dissimuler cependant que l'exécution d'un jugement prononcé contre un agent diplomatique présente toujours de graves difficultés, puisqu'elle ne peut être poursuivie

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Handbuch des Böllerrechts III.

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