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gierungen, so wird das Ultimatum von einem besonders dazu beauftragten Vertreter der einen überbracht, doch kann die andere von demselben schriftliche Uebermittlung seines Auftrags verlangen. Co übergab am 23. April 1859 der Desterreichische Oberst von Kellersperg in Turin das vom 19. datirte Ultimatum des Grafen Buol, welches eine Erklärung verlangte, ob die Königlich Sardinische Regierung zustimme, ja oder nein, ohne Verzug ihr Heer auf den Friedensfuß zu seßen und die Freiwilligen zu verabschieden? Der Ueberbringer habe Befehl die Antwort binnen dreier Tage abzuwarten".

§ 172.

Verkehr des Gesandten mit seinem Minister.

Der Verkehr des Ministers mit seinen eigenen Gesandten besteht, abgesehen von mündlichen Unterhaltungen bei gelegentlicher Anwesenheit der lezteren am Siß seiner Regierung, in den Weisungen des Ministers, wie der Gesandte sich dem Staate gegenüber, wo er beglaubigt ist zu verhalten hat und den Berichten des Gesandten über seine Thätigkeit und Wahrnehmung. Die Weisungen und Aufträge werden entweder allgemein in einfachen Schreiben des Ministers an den Gesandten, Erlaffen, gegeben oder bei Unterhandlungen über bestimmte Gegenstände durch eingehende Instructionen, welche meist seiner Bewegungsfreiheit einen gewissen Spielraum gewähren, indem sie einerseits das Ziel bezeichnen, welches man zu erreichen wünscht, andrerseits das Minimum, mit dem man sich eventuell begnügen würde. Da diese In structionen lediglich als persönliche Weisungen des Gesandten bestimmt find, kann von dem andern unterhandelnden Theile niemals deren Mittheilung begehrt werden. Es muß dem Unterhändler vielmehr überlassen bleiben, ob er, sei es auf Weisung seiner Regierung, sei es weil er dies selbst geschäftlich richtig findet, seine Instruction ganz oder theilweise mittheilen will. Ist der Gesandte zweifelhaft, ob eine von dem andern Theile gewünschte Bestimmung den Instructionen oder Absicht seiner Regierung entspricht, so nimmt er dieselbe ad referendum.

Wenn demgemäß der Minister die auswärtige Politik macht, so hat doch der Gesandte innerhalb der ihm vorgeschriebenen Marschlinie eine sehr wichtige Stellung. Er ist in der Ferne, wohin der Blick des Ministers nicht unmittelbar dringen kann, zugleich das Auge und das aus. führende Organ seiner Regierung. Er soll nicht blos genau über seine Verhandlungen berichten, sondern durch selbständige Berichterstattung dem Minister das nöthige Material für seine Politik liefern. Ihm soll nichts Wesentliches entgehen, er soll die Absichten des Cabinets, mit dem er zu thun hat, durchdringen, die Dinge, welche sich etwa seiner Wahrnehmung entziehen, sich klar zu machen suchen und seinen Minister

Handbuch des Völkerrechts III.

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durch genaue und umfassende Darlegung der Verhältnisse des Landes, wo er beglaubigt ist, orientiren.

Andrerseits wird diesem Lande gegenüber seine Pflicht nicht durch die einfache Ausführung seiner Aufträge erschöpft; bestellt, um die guten Beziehungen zwischen zwei Mächten nach Maßgabe der Interessen seines Staates zu pflegen, hat er die Aufgabe die Regierung, mit welcher er verhandelt, möglichst für diese Interessen zu gewinnen, derselben die Absichten der seinigen klar zu machen, indem er die mitzutheilenden Depeschen mündlich erläutert, seine Berichte über wichtige Unterhaltungen mit dem auswärtigen Minister demselben vor Absendung vorliest, um deren Genauigkeit controliren zu lassen. Er muß beurtheilen, wie er die erhaltenen Instructionen am besten ausführt, in wie weit er hinter seiner dadurch gegebenen Vollmacht zurückbleiben darf, sie erschöpfen soll oder etwa wagen kann, in dringenden Fällen auf seine Verant wortlichkeit über dieselbe hinauszugehen. Bei längeren Unterhandlungen werden oft gewisse Punkte, über welche Einverständniß erzielt ist, vorläufig schriftlich aufgezeichnet, sei es in Artikeln (Punctation), sei es in Form eines Protokolls; es ist dies nur eine vorläufige Vereinbarung, vorbehaltlich der Einigung über die ganze Frage, kann aber doch oft gute Dienste leisten. In wie fern der Unterhändler dazu greift, hängt ebenso von seiner richtigen Beurtheilung der Umstände ab, wie überhaupt die Combination von mündlicher und schriftlicher Ver. handlung. Die mündliche bietet für den geübten, einsichtigen und ruhigen Diplomaten das wirksamste Mittel, er erfährt dadurch am meisten von den wirklichen Absichten der andern Partei, kann die Schwächen, welche dieselbe sich giebt, sofort benußen und findet leicht eine Auskunft, wenn er fühlt, daß er Zeit zu weiterer Ueberlegung braucht. Unterhandlung durch Schriftstücke hat diese Vortheile nicht, aber auch geringere Ge fahren und gewährt Zeit, um den Gedanken den entsprechendsten Ausdruck zu geben und das Erreichte außer Zweifel zu stellen.

Die Telegraphie spielt naturgemäß jezt eine große Rolle in den diplomatischen Beziehungen; sie hat indeß neben allen unleugbaren Vor theilen auch gewisse Nachtheile, indem, wenn von beiden Seiten telegraphirt wird, leicht verwirrende Kreuzungen vorkommen und der Bevollmächtigte nie weiß, wann die Unterhandlung aus ist. Eine solcher Austausch kommt der Schnelligkeit eines Gespräches nahe, ohne seine Hülfen zu haben, er hat die Unpersönlichkeit der schriftlichen Correspondenz ohne deren Genauigkeit und Vollständigkeit, läßt keine hinreichende Zeit zur Ueberlegung und theilt die Verantwortlich. teit; keine ernste Entscheidung sollte deshalb auf blos telegraphische Mel· dung getroffen werden. Namentlich bei Telegrammen, welche viele Hände durchlaufen, aber auch je nach Umständen in Schriftstücken, be dient sich die Diplomatie, um das Geheimniß zu wahren, der Zifferschrift.

Daß in unserer Zeit die auswärtige Politik sich in Fühlung mit der öffentlichen Meinung zu halten hat, ist unbestreitbar und der Minister

wird ebendeshalb bemüht sein, nicht blos durch parlamentarische Darlegungen, sondern auch durch Veröffentlichung von Actenstücken und Erörterungen in der Preffe die öffentliche Meinung aufzuklären und von der Richtigkeit seiner Politik zu überzeugen. Nach dem Vorgang Eng. lands ist es in vielen Staaten gebräuchlich geworden, der parlamenta. rischen Vertretung in sogenannten Blaubüchern die diplomatische Cor. respondenz über eine bestimmte Angelegenheit vorzulegen. Der Nußen derselben ist indeß nur ein bedingter, in sehr vielen Fällen ist es einer Regierung unmöglich, die wichtigsten Depeschen ihrer Gesandten oder Erlasse an dieselben vorzulegen, ohne die internationalen Beziehungen zu andern Staaten zu schädigen oder ihre Gesandten zu compromittiren; leztere können sich nicht unumwunden gegen ihre Regierung aussprechen, wenn sie gewärtigen müssen, ihre Mittheilungen baldigst veröffentlicht zu sehen, ihre Beziehungen zu dem Staate, wo sie beglaubigt sind wie zu ihren diplomatischen Collegen müßten dadurch gleichmäßig leiden. Nur in verhältnißmäßig seltenen Fällen oder in Fragen, welche bestimmte Gegenstände von geringerer politischer Bedeutung betreffen, werden daher die Umstände die Veröffentlichung der ganzen diplomatischen Correspon denz erlauben. Ist eine Regierung dennoch durch das Parlament genöthigt, solche Blaubücher zu veröffentlichen, so bleibt ihr nur über, eine Auswahl unter den Actenstücken zu treffen oder eine Art doppelter Buchhaltung einzurichten, indem die wichtigsten Verhandlungen in ge heimer Correspondenz geführt werden. Palmerston wie Guizot find wiederholt geradezu Fälschungen diplomatischer Depeschen nachgewiesen (cooked bluebooks), es war daher gewiß richtig, wenn Fürst Bismarck es abgelehnt hat, solche Blaubücher zu veröffentlichen; auch in England kommt es sehr oft vor, daß die Regierung, die Vorlage eines diploma. tischen Schriftwechsels als unvereinbar mit den Interessen des öffentlichen Dienstes ablehnt.

Die Presse hat ihrerseits volles Recht, die auswärtigen Fragen zu erörtern und es bleibt der Einsicht des Ministers überlassen, wie weit er auf ihre Kundgebungen Gewicht zu legen hat.

Eine keineswegs sehr empfehlenswerthe Neuerung in der Diplo. matie der Jeztzeit aber ist die Einmischung der Presse durch die aus Amerika eingeführte Praxis des sogenannten „Interviewens" der Politiker seitens der Berichterstatter von Zeitungen. Die Verantwortlichkeit hier. für trifft nicht die Leßteren, sondern die Personen, welche sich ausfragen lassen. Wenn schon in Privatangelegenheiten es häufig großer Discretion bedarf, um zu einem günstigen Abschluß zu kommen, so kann es bei den vielfach entgegengesetzten Interessen der Staaten, welche eben durch Unterhandlung möglichst ausgeglichen werden sollen, nur einen nach. theiligen Einfluß haben, wenn die stille Arbeit des Cabinets durch einen lauten Chor begleitet wird, welcher jede Phase der Unterhandlung mit einem Commentar versehen der Welt kundgiebt; was dem einen Theile an solchen Veröffentlichungen genehm sein mag, wird dem anderen um

so weniger willkommen sein und die Erledigung von Meinungsverschieden. heiten hängt sehr viel von der Stimmung ab, in der sie versucht wird.

§ 173.

Die Fassung diplomatischer Actenstücke.

Was den diplomatischen Stil und die Fassung von Actenstücken betrifft, so ist das erste Erforderniß Klarheit, es genügt nicht, verstanden zu werden, man muß auch nicht mißverstanden werden können. Dies hat sich in neuerer Zeit besonders in der Alabama-Frage gezeigt. Im Art. 1 des zwischen England und den Vereinigten Staaten am 8. Mai 1881 abgeschlossenen Vertrages von Washington war bestimmt, daß die schwebenden Streitigkeiten growing out of the acts committed by the several vessels", welche die Forderungen veranlaßt haben, die unter dem allgemeinen Namen der Alabama-Forderungen bekannt sind, einem Schiedsgericht unterbreitet werden sollten. Auf Grund dieses unbestimmten Ausdrucks growing out of the acts", den die Amerikanischen Unterhändler absichtlich in den Vertrag gebracht hatten, erhoben die Vereinigten Staaten den Anspruch auch für den indirecten Schaden, den sie durch die conföde rirten Kreuzer erlitten, entschädigt zu werden. Es ist hier nicht der Ort die materielle Unzulässigkeit dieses Anspruchs zu beleuchten; was die formelle Fassung des Vertrages betrifft, so konnte der Amerikanische Staatssekretär wohl geltend machen, der Ausdrud „growing out" spreche dafür, daß es sich nicht blos um Ansprüche handle, welche durch die Zerstörung der Schiffe der Nordstaaten selbst begründet seien. ..That which grows out of an act is not the act itself, but something consequent upon or incident to the act, the result of the act." Wenn darauf einer der Englischen Unterhändler, Sir Stafford Northcote er widerte: We understood a promise to be given that these claims were not to be put forward", so hat er damit nur seine diplomatische Schwäche zugestaanden, denn abgesehen davon, daß die Amerikanischen Unterhändler ein solches stillschweigendes Versprechen durchaus bestritten, so kommt es für die Auslegung eines Vertrages nicht auf vertrauliche Andeutungen, Winke und alles das an, was Staatssekretär Fish evidence of intent outside the instrument itself" nennt, für den Inhalt der Unterhandlungen sind nur die Protokolle maßgebend. Mißverständnisse fallen stets dem zur Last, der verabsäumt hat seine Rechte und Pflichten völlständig klarzustellen, und wenn ein anderer Englischer Unterhändler, Professor Bernard, sich damit entschuldigte, daß man bei internationalen Unterhandlungen, um die nationale Empfindlichkeit zu schonen, oft einen weniger genauen Ausdruck wählen müsse, so erwiderte die Times" mit Recht: What is less accurate is not accurate and what is not accurate is ambiguous." Ein Unterhändler, welcher wissentlich einem un

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flaren Compromiß zustimmt, giebt seinem Gegenpart das Recht aus dieser Unklarheit den möglichsten Vortheil zu ziehen. Obscuritas pacti nocet ei, qui apertius loqui potuit [1. 38, 18 Dig. XLV., 1.]1) Selbst ein Accent kann von entscheidender Wichtigkeit sein; in einem Vertrage zwischen Spanien und Rußland hatte der Abschreiber irrthümlich ge jest enfants légitimés statt legitimes, was das grade Gegentheil war.

1) cf. Geffden. Die Alabama-Frage. 1872

§ 174.

Die Sprache des diplomatischen Verkehrs.

Was die Sprache betrifft, so kann, da alle Staaten gleiches Recht haben, keinem derselben das Recht bestritten werden, in seiner Sprache zu schreiben, aber andrerseits kann auch keiner beanspruchen, daß fremde Staaten in der seinigen mit ihm unterhandeln. Daher hat man stets ein gemeinsames Verständnißmittel gesucht. Bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts war dies die lateinische Sprache, noch der Utrechter Friede 1713 und die Quadrupel-Allianz von 1718, sowie die Wiener Verträge von 1725 und 1738 wurden lateinisch geschlossen. Während des überwiegenden Einflusses der Spanisch-Habsburgischen Monarchie hatte das Spanische vielfach Eingang gefunden. Mit der steigenden Macht Frankreichs und der Verbreitung seiner Literatur und Bildung wurde im 18. Jahrhundert die Französische Sprache die der Höfe und Diplomatie, ein Umstand, den die Französische Politik sehr ausgebeutet hat. Gleichwohl ist Niemand rechtlich an dies Herkommen gebunden. Die General-Staaten verkehrten mit den fremden Gesandten in Hollän discher Sprache, legten aber eine Französische Uebersetzung bei. Auf dem Deutschen Reichstage legten auswärtige Gesandte ihren Mittheilungen lateinische Ueberseßungen bei. Auf dem Rastadter Congreß (1797-99) schrieb die Deutsche Reichs-Deputation an die Französische Gesandtschaft Deutsch, und diese an jene Französisch, beide ohne beigefügte Ueberseßung, dasselbe geschah auf dem Reichs-Deputations-Tag zu Regensburg 1802 und 1803. Der Vertrag von Luneville dagegen (1801) wurde Französisch abgefaßt, die Ratification des Kaisers aber Lateinisch. Art. 120 der Wiener Congreßacte von 1818 besagt: „La langue française ayant été exclusivement employée dans toutes les copies du présent traité, il est reconnu par les puissances qui ont concouru à cet acte, que l'emploi de cette langue ne tirera point à conséquence pour l'avenir; de sorte que chaque puissance se réserve d'adopter, dans les négociations et conventions futures, la langue dont elle s'est servie jusqu'ici dans ses relations diplomatiques, sans que le traité actuel puisse être

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