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sammlung tagt, i z. B. Graf Walewski auf dem Pariser Congreß, Fürst Bismarck auf dem Berliner Congreß. Eine Ausnahme ist, wie Martens bemerkt, in neuerer Zeit nur gemacht auf der Brüsseler Conferenz von 1874, wo der Belgische Vertreter zu Gunsten des Russischen verzichtete, dessen Regierung die Berufung veranlaßt, und auf der von Constantinopel 1876-1877, die unter Leitung des Russischen Gesandten als Alters. präsidenten des dortigen diplomatischen Corps berieth. Der Vorsizende eröffnet dann nach Austausch der Vollmachten) die Verhandlungen mit einer Ansprache, welche den Zweck derselben zusammenfaßt, und schlägt die Secretäre vor, welche das Protokoll der Verhandlungen führen; dasselbe wird zu Anfang jeder nächstfolgenden Sizung verlesen und von allen Bevollmächtigten unterzeichnet. Die Verhandlungen werden münd lich geführt, bestimmte Anträge und Erklärungen der einzelnen Theil. nehmer indeß meist schriftlich eingereicht, wie auch jeder Theilnehmer besondere Vota zu Protokoll geben kann. Für bestimmte Fragen werden Special-Commissionen ernannt, welche das Ergebniß ihrer Berathungen der Versammlung unterbreiten. Fast immer besteht eine besondere Redac tionscommission, deren Aufgabe es ist, den gefaßten Beschlüssen in Artikeln des abzuschließenden Vertrages eine bestimmte Form zu geben. Die Beschlüsse können, da alle Theilnehmer gleichberechtigt sind, nur mit Einstimmigkeit gefaßt werden, eine Majorisirung ist demnach ausgeschlossen, jeder Staat hat nur eine Stimme. Kann eine Einigung über einen Punkt der Berathung nicht erzielt werden, so scheidet derselbe aus dem anzu. strebenden Vertrage aus, und betrifft dieser Mangel wesentliche Punkte, so ist die Berathung als gescheitert zu betrachten. So gingen die Congresse von Cambray (1721-1725), von Soissons (1729), von Breda (1747), von Focsani (1772), von Bukarest (1773,) von Lille (1797), von Rastatt (1799,) von Châtillon (1814) fruchtlos auseinander. Ist dagegen die Einigung erfolgt, so erhält dieselbe ihren Ausdruck durch die Unterzeichnung des Vertrages, zu dem die Berathungen geführt, seitens sämmtlicher Bevollmächtigten. Das Alternat bei Unterzeichnung von Verträgen, d. h. das Recht eines Staates in dem Instrument des Vertrages, das für ihn bestimmt ist, mit seinen Bevollmächtigten zuerst ge nannt zu werden, hat früher zu unzähligen Streitigkeiten geführt. Der Römische Kaiser wollte es keiner anderen Regierung zugestehen, Frankreich weigerte es bis Ende der Regierung Ludwigs XVI. den Höfen von Berlin, Lissabon und Turin und gewährte es Rußland erst im Vertrage von Teschen 1779. Bei Verträgen zwischen zwei Staaten wird es jezt herkömmlich beobachtet, doch weigern manche große Staaten kleineren es noch heute. Bei mehreren Theilnehmern hat das Reglement des Wiener Congresses, Art. 7 bestimmt,,dans les actes ou traités entre plusieurs puissances qui admettent l'alternat, les sort décidera, entre les ministres, de l'ordre qui devra être suivi dans les signatures." Es ist also der Vorbehalt gemacht, daß die Betreffenden das Alternat überhaupt anerkennen, und es ist, wenn dies der Fall, bei der Praxis ge

blieben, daß jede Regierung in dem für sie bestimmten Exemplar zuerst genannt wird. Für die folgenden anderen Theilnehmer aber ist durchweg die alphabetische Ordnung an die Stelle des Looses getreten, so schon bei der Ratification des Wiener Vertrags nach Beschluß von vier Großmächten (Desterreich, Großbritannien, Preußen, Rußland) vom 4. November 1815, so beim Pariser Vertrag von 1856, beim Berliner Vertrag von 1878. Der Austausch der Ratificationen findet gewöhnlich an dem Orte der Berathung und durch Vermittlung der vorsißenden Regie. rung statt.

Neben den praktischen Congressen und Conferenzen gehen die Pläne der Theoretiker einen allgemeinen Staaten-Congreß als höchste streitschlichtende Behörde einzusehen, so des Abbé St. Pierre (1712), des Cardinal Alberoni (1735) auf Theilung des Türkischen Reiches unter die christlichen Mächte und Berufung eines Congresses, „der als immerwährender Europäischer Reichstag versammelt bleiben wird und alle Streitigkeiten zwischen den Europäischen Staaten nach Stimmenmehrheit ent scheiden wird", Kant's Entwurf zum ewigen Frieden (1795) und ähn. liche Pläne Englischer Friedensapostel und Gesellschaften. Eine praktische Bedeutung für das Völkerrecht ist diesen Träumereien nicht beizulegen. (cf. v. Holzendorff, Die Jdee des ewigen Völkerfriedens, 1882.) Alle derartigen Pläne übersehen, daß, wie die Reihe der ohne Ergebniß aus. einander gegangenen Congresse und Conferenzen beweist, dieselben nur dann Erfolg haben, wenn vollendete Thatsachen eine Frage der Hauptsache nach spruchreif gemacht haben und es sich immer nur darum handelt, die Consequenzen für das internationale Recht zu ziehen.

1) Revue de droit internat. 1885 p. 201.

2) Durch diese legitimiren sich die Congreßgesandten ihren Collegen gegen. über; eine besondere Beglaubigung bei dem Souverän des Aufenthaltsstaates ist durch die Natur des Congresses ausgeschlossen, mit dem Austausch der Vollmachten ist derselbe constituirt.

Vierundzwanzigstes Stück.

Confularrecht.

Von

Geh. Rath Profeffor Dr. A. v. Bulmerincq in Heidelberg.

Erstes Kapitel.

Geschichtliche und allgemeine Bestimmungen.

§ 176.

Ursprung und Entwickelung des Consularwesens. Literatur: Mirus, Das Europäische Gesandtschaftsrecht. Leipzig 1847. I. Leop. Neumann, Handbuch des Deutschen Consulatswesens. Wien 1854. Heffter, Völkerrecht. 6. Ausgabe. 1873. König, Handbuch des Deutschen Consulatswesens. 1878. Bulmerincq, Handbuch des Völker. rechts. Freiburg 1884. A. de Miltitz, Manuel des Consuls. Londres et Berlin 1837. De Clercq et de Vallat, Guide pratique des Consulats. 4. éd. Paris 1880. Calvo, Le droit international. 3. éd. Paris 1880. I. Fiore, Droit international public, traduit par Antoine. Paris 1885. II. Ch. de Martens, Guide diplomatique. 4. éd. Paris und Leipzig 1851. I. Phillimore, International law. 2. Aus. gabe 1871. II.

Zur etymologischen Erklärung des Wortes Consul wird von einigen Autoren auf die Consuln des alten Roms zurückgewiesen, weil die Functionen der Römischen Consuln darin bestanden, den Staat durch ihren Rath zu leiten, sich selbst vom Senat Rath zu erholen und das Volk um Rath zu fragen. So z. B. von Alex. von Milti (I. 3) und im Anschluß an ihn von Leopold Neumann (I.). Daß aber die alten und heutigen Consuln in Beziehung zum Begriff Rath stehen, genügt zur Ableitung dieser aus jenen nicht. Ebensowenig kann eine blos gleichlautende Bezeichnung einer ungleichen Thätigkeit zur Erklärung wesentlich verschiedener Institutionen dienen, also auch nicht des heutigen Consulats aus dem Roms oder gar aus nur verwandten Bil dungen wie consulares und proconsules. (Miltig 1. c.) Völlig be. deutungslos sind aber für solche Erklärung die blosen Titularconsuln, indem die Römischen Kaiser, später auch Herrscher anderer, anfangs nur größerer, dann aber auch kleinerer Staaten, noch später aber auch die ersten Municipalbeamten der ihre Unabhängigkeit erringenden Italienischen Städte und eines Theiles der Communen Frankreichs den Titel Consuln

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