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nisse der bewaffneten Neutralität von 1780 und 1800 und durch die seerechtliche Declaration des Pariser Congresses von 1856 eingeleitet worden sind. 3) In den alten Verträgen des Mittelalters handelt es sich vorzugsweise um den Waarenverkehr und um Seeaffecuranzen, sowie um das Verhältniß zwischen Schiffern und Matrosen. Aber auch das internationale Seerecht hat durch diese Gewohnheiten bereits eine Ents wicklung erhalten. Im 12. Jahrhundert wurden dieselben bereits gesammelt und zu Compilationen verarbeitet, welche dadurch eine neue Autorität erhielten. Die wichtigsten Compilationen dieser Art, deren Einfluß bis in die neueste Beit geragt hat, sind im 13. und 14. Jahrhundert entstanden; darunter ist in erster Linie das in Catalonischer Sprache abgefaßte Consolato del mare zu erwähnen, dessen Abfassung im 13. Jahrhundert begonnen hat und im 14. Jahrhundert beendigt worden ist. Dieses Sammelwerk hat namentlich auf das Französische und Englische Seerecht großen Einfluß geübt, und überhaupt die Autorität eines internationalen Gesetzbuches gewonnen. Beide Mächte erkannten den von dem Consulate bereits ausgesprochenen Grundsaß an, daß neutrales Gut auf feindlichen Schiffen nicht der Confiscation unterworfen ist.

Frankreich hat im 16. Jahrhundert England gegenüber diesen Grundsatz in Frage gestellt, weil diese Macht sich weigerte, den Grundsah anzuerkennen, daß feindliches Gut auf neutralen Schiffen frei sei. Die Französische Auffassung gelangte in Ordonnanzen von 1538, 1543 und 1584 zum Ausdruck und wurden in der berüchtigten Ordonnance pour la marine de guerre bestätigt, welche Ludwig XIV. 1689 erneuerte. In der Französischen Ordonnanz von 1744, welche in gewissem Sinne als Vorläuferin der Bündnisse der bewaffneten Neutralität von 1780 und 1800 zu betrachten ist, wurden die beiden Grundsäße, daß neutrales Gut unter feindlicher Flagge, und feindliches Gut unter neutraler Flagge frei ist, anerkannt. Beide Grundfäße hat die seerechtliche Declaration des Pariser Congresses von 1856 jezt in das Völkerrecht eingeführt, da auch solche Staaten, welche, wie die Vereinigten Staaten von Nordamerika und Spanien, dieser Declaration nicht beigetreten sind, der Anerkennung dieser Grundsäße sich auch früher bereits nicht entzogen hatten. 4)

Für das Atlantische Meer enthielten die Rooles d'Oléron die Rechtsregeln, welche im Altfranzösischen Dialekte 1100 herausgegeben sind. Sie enthalten nicht das Seerecht der Insel Oleron, sondern der Französischen Häfen und find daher vorzugsweise für das Französische Seerecht von Bedeutung geworden. Ihre Autorität geht über die Grenzen des Gewohnheitsrechts weit hinaus. Das Seerecht von Damme oder Wertonspelle ist nur eine wörtliche Uebersetzung der ersten 24 Artikel der Rooles d'Oléron für die Niederlande.

Aus diesen rechtlichen Ausführungen geht die große Bedeutung hervor, welche die Staatsverträge von jeher und besonders seit der Zeit des West

fälischen Friedenscongresses für die Entwicklung des internationalen Rechts gehabt haben. Der Berliner Vertrag hat, wie bereits bemerkt wurde, namentlich durch die von dem leitenden Deutschen Staatsmann ihm gewordene Ausführung den Grundsaß bekräftigt, daß der einzelne civilisirte Staat den Einwirkungen der auf Congressen und Conferenzen vertretenen Mächte Folge leisten foll. Auf diese Weise sind in den letzten Jahren eine Reihe gefährlicher Conflicte auf friedlichem Wege erledigt worden. Auch das Russisch-Englische Zerwürfniß, welches noch vor kurzem so gefahrvoll aussah und mit dem Ausbruch eines Weltkrieges drohte, befindet sich auf dem besten Wege zu einem Ausgleiche zu führen, welcher nicht, wie vor kurzem noch vielfach gesagt wurde, blog die Natur eines Waffenstillstandes, sondern eines ernsten Friedenszustandes erlangen dürfte.

1) Erschöpfend ist die Frage behandelt von Gessner, Le Droit des Neutres sur Mer, Auflage II von 1876 S. 303 und 309. Die daselbst aufgeführten von England geschlossenen Verträge sind folgende: Vertrag mit Preußen vom 22. Januar 1818, mit Spanien von 1817 und 1836, mit Holland vom 4. Juni 1818, 31. December 1823 und 3. Januar 1830, mit Schweden vom 6. November 1824. Der Vertrag vom 20. December 1841 findet sich abgedruckt bei Perels, Internationales Seerecht, S. 331–345. Er enthält 14 Artikel und eine Instruction für die Kreuzer.

2) von Holtzendorff, Les droits riverains de la Danube. Leipzig 1884. 6. 47 ff.

3) Perels, Das internationale öffentliche Seerecht der Gegenwart. Berlin 1882. S. 3. Gessner, Le Droit des Neutres sur Mer. 2. Auflage 1876. S. 3ff. und S. 433 ff.

4) Gessner, Le Droit des Neutres sur Mer. S. 62 ff. und S. 246 ff. Perels, Das internationale Seerecht der Gegenwart, S. 8.

§ 22.

Bedeutung für die gesellschaftliche und wirthschaftliche Entwicklung.

Literatur: Perels, Handbuch des allgemeinen öffentlichen Seerechts im Deutschen Reiche, S. 411 ff. Derselbe, Deutsches öffentliches Seerecht, S 43 und S. 277.

Die wichtigen Verbindungen, welche für die civilisirten Staaten durch Staatsverträge in neuerer Zeit begründet worden sind, wurden in den vorigen Abschnitten bereits gewürdigt; es erübrigt noch die für das politische und wirthschaftliche Leben auf dieser Grundlage in heutiger Zeit ents wickelten Rechtsverhältnisse näher ins Auge zu faffen.

Vor allem ist der Seeverkehr auf das sorgfältigste geordnet worden. Perels zählt in seinem Deutschen öffentlichen Seerechte allein 34 internationale Vereinbarungen auf, welche von dem Deutschen Reiche und den Deutschen Staaten über die Verhältnisse des Seewesens geschlossen worden sind. Diese Handels-, Schiffahrts- und Confular-Verträge betreffen vorzugsweise folgende Gegenstände:

1. Die gegenseitige Zulassung der Schiffe des einen contrahirenden Theils in die Häfen des anderen Theils, beziehungsweise Einschrän= kungen nach dieser Richtung hin.

2. Gewährung des Asylrechts in besonderen Fällen, namentlich
bei Seenoth, Schuß bei Strandungen und Assistenz bei Havarie-
fällen.

3. Die Befugnisse zum Betriebe der Küstenfahrt, welche in
der Regel den Schiffen des anderen Theils nicht eingeräumt waren.
4. Gegenseitige Anerkennung der Nationalität der Schiffe
nach Maßgabe der Geseße des Landes, dessen Flagge sie führen.
5. Behandlung der Schiffe des einen contrahirenden Theils in den
Häfen des anderen, namentlich bezüglich der Abgaben, des Ein-
und Ausklarirens, des Löschens und Ladens, nach bestimm
ten Regeln, resp. nach dem Verhältniß des Meistbegünstigten.
6. Die Jurisdictions- und polizeilichen Rechte über die Schiffs=
besatzung, unter Vorbehalt der bezüglichen Befugnisse für die Consuln.
7. Die Auslieferung desertirter Mannschaften.

8. Embargo und Angarien.

9. Zulassung von Kriegsschiffen.

10. In einzelnen Verträgen sind auch für den Fall eines Krieges des einen oder des anderen Theils mit einer dritten Macht beziehungsweise zwischen den beiden contrahirenden Theilen die zu beobachtenden Normen über Prisenrecht, Blokade, Kriegscontrebande und Durchsuchungsrecht festgesetzt.

Von den Verträgen über Unterdrückung des Sclavenhandels ist bereits an anderer Stelle die Rede gewesen, ebenso wie über die seerechtliche Decla= ration des Pariser Congresses vom 30. März 1856, welche den ersten Schritt für die Begründung eines internationalen Seerechts gethan hat. Wir wollen aber bei dieser Gelegenheit nicht unerwähnt lassen, daß das völkerrechtliche Institut sich seit einer Reihe von Jahren mit der Aufgabe beschäftigt hat, ein solches internationales Recht im Sinne des heutigen Rechtsbewußtseins und der darauf gegründeten in neuerer Zeit entwickelten Rechtsgewohnheiten aufzustellen. Diese von den gründlichsten Commissionsarbeiten unterstüßten Verhandlungen, welche zu Zürich, Paris, Brüssel, Oxford, Turin und München stattfanden, haben bereits zu einem nahezu vollständigen Einvernehmen geführt, und werden auf der im September 1885 in Brüssel stattfindenden Zusammenkunft des Instituts voraussichtlich zu einem definitiven

Abschlusse gelangen. Da Autoritäten der Wissenschaft und Staatsmänner nahezu sämmtlicher civilisirten Staaten an diesen Verhandlungen sich betheiligt haben, so darf auch die erzielte Vereinbarung auf diesem vom Standpunkte der Civilisation aus betrachtet so hoch wichtigen Gebiete als ein bedeutsames Zeichen der Zeit angesehen werden. Bekanntlich sind die Vereinigten Staaten der feerechtlichen Declaration des Pariser Congresses lediglich aus dem Grunde nicht beigetreten, weil diese sich darauf beschränkte, die Kaperei, aber nicht gleichzeitig das Beuterecht zur See abzuschaffen. Hierzu haben sich bei den von den Vereinigten Staaten damals angeregten Verhandlungen sämmtliche civilisirte Staaten mit Ausnahme Englands geneigt gefunden, und es ist daher der Beweis geführt, daß nicht bloß in den wissenschaftlichen, sondern auch in den politischen und Regierungskreisen das Verständniß für die Reformbedürftigkeit des internationalen Seerechts weit verbreitet ist. Die seerechtliche Declaration dürfte sich daher in nicht zu ferner Zeit zu einem internationalen Uebereinkommen über die Reform des Seekriegsrechts erweitern, dem dann auch die Vereinigten Staaten, Spanien und Mexiko beitreten dürften, die von den civilisirten Staaten allein der seerechtlichen Declaration sich bisher nicht angeschlossen haben. 1)

Eine große Anzahl von Staatsverträgen hat das Deutsche Reich seit seinem Bestehen bereits geschlossen. Wir erwähnen darunter folgende: Mit Desterreich-Ungarn vom 23. Mai 1881, mit den Havaiischen Inseln vom 19. September 1879, mit Mexiko vom 5. December 1882, mit Perfien am 11. und 16. Juni 1871, mit Costarica am 18. Mai 1875, mit Portugal 2. März 1872, mit Rumänien am 14 November 1877, einen Freundschaftsvertrag mit Samoa am 24. Januar 1879, einen Consularvertrag mit Rußland am 8. December/26. November 1874, mit der Schweiz einen Niederlassungsvertrag am 27. April 1876, mit Serbien am 6. Januar 1883, mit Tonga einen Freundschaftsvertrag am 6. November 1876 und mit den Vereinigten Staaten von Nordamerika einen Confularvertrag am 11. December 1871.

Die auf dem Wiener Congresse begonnenen und auf den Congressen zu Paris und Berlin fortgesetzten Bestrebungen, die Schiffahrt auf den internationalen Strömen Europas zu ordnen, von denen im vorigen Abschnitte die Rede war, haben durch die Conferenz, welche in diesem Jahre zu Berlin getagt hat, auch auf einen für die internationalen Handelsverhältnisse hochwichtigen Strom des fernen Afrikas Ausdehnung gefunden. Im Jahre 1877 hatte Stanley durch seine unermüdlichen Forschungen die große Bedeutung des Congostromes festgestellt. Es bildete sich sehr bald ein allgemeines Verständniß dafür, daß die freie Schiffahrt auf diesem Strome durch ein internationales Uebereinkommen gegen egoistische Ausbeutung einzelner Staaten ge= sichert werden müsse.

In der im Herbst 1878 zu Paris tagenden Sigung des völkerrecht= lichen Instituts gab bereits Moynier, der Begründer und leitende Prä

sident der Gesellschaft zum rothen Kreuze diesem Gedanken Ausdruck, welcher den entschiedensten Beifall dieser Versammlung fand, der rechtsgelehrte und politische Männer aus beinahe sämmtlichen civilisirten Ländern angehörten. Es wurde beschlossen dieselbe in späteren Sizungen eingehend zu erörtern. Dies geschah auf Grund eines von Moynier eingereichten Memorandums in der Sigung des völkerrechtlichen Instituts, welche im Sommer 1883 zu München stattfand. Die darin vorgeschlagenen wesentlichen Grundsäße waren folgende: 1. Die Schiffahrt auf dem Congo und seinen Zuflüssen muß frei sein und darf Niemandem untersagt werden. Die Freiheit der Schiffahrt schließt das Recht für die Schiffer ein, in allen Häfen Waaren einzuladen und auszuladen, ohne daß Beschlagnahme oder Erhebung von Zöllen stattfinden dürfen. 2. Sclavenhandel darf auf dem Congo nicht getrieben werden, und die Sclaverei wird innerhalb des Gebietes desselben aufgehoben. 3. Eine internationale Commission, welche aus den Vertretern sämmtlicher Vertragsmächte besteht, hat die Aufgabe, alle Anordnungen für die Schiffahrt auf dem Strome und seinen Zuflüssen zu treffen, und die genaue Beobachtung des geschlossenen Uebereinkommens zu überwachen. Sie hat die Polizei auf dem Strome zu verwalten und steht ihr zur Ausübung ihrer Befugnisse eine hinreichende Militärmacht zur Verfügung. 4. Insofern hinsichtlich der Auslegung und Anwendung des Uebereinkommens Streitigkeiten entstehen, wird die Entscheidung Schiedsrichtern übertragen.

Nach eingehenden Verhandlungen, an welchen sich Deutsche, Englische, Belgische und Französische Mitglieder betheiligten, gelangte das völkerrechtliche Institut zu folgendem Beschlusse: »L'Institut de droit international exprime le voeu que le principe de la liberté de la navigation, pour toutes les nations, soit appliqué au fleuve du Congo et à ses affluents, et que toutes les puissances s'entendent sur les mesures propres à prévenir les conflits entre nations civilisées dans l'Afrique équatoriale.«<

Dieser Beschluß ist nebst dem von Moynier redigirten Memoire fämmtlichen Mächten mitgetheilt worden. Der Initiative des Deutschen Reichskanzlers ist es zu verdanken, daß im November 1884 zu Berlin eine Conferenz zusammentrat,,in der Absicht", wie es am Eingange des am 26. Februar 1885 abgeschlossenen Vertrages heißt,,,die für die Entwicklung des Handels und der Civilisation in gewissen Gegenden Afrikas günstigsten Bedingungen im Geiste eines guten gegenseitigen Einvernehmens zu regeln und allen Völkern die Vortheile der freien Schiffahrt auf den beiden hauptsächlichsten in den Atlantischen Ocean mündenden Afrikanischen Strömen (Congo und Niger) zu sichern, andererseits von dem Wunsche geleitet, Mißverständnissen und Streitigkeiten vorzubeugen, welche in Zukunft durch neue Besißergreifungen an den Afrikanischen Küsten entstehen könnten und zugleich auf Mittel zur Hebung der sittlichen und materiellen Wohlfahrt der eingeborenen Völkerschaften Bedacht zu nehmen." An der Conferenz nahmen die folgenden vierzehn Mächte Theil: Deutschland, Desterreich-Ungarn, Belgien, Däne

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