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§ 186.

3. Exemtionen.

Exemtionen der Consuln finden nach Consular-Verträgen statt von Militär-Einquartierung und Contributionen, von Waffendiensten jeder Art, d. h. im stehenden Heer, der Nationalgarde, im Marinedienst und in der Miliz und bei anderen öffentlichen Dienstleistungen, von directen Personal, Mobiliar- und Luxussteuern, mögen solche vom Staat, von den Provinzen oder von der politischen Gemeinde auferlegt sein. Welcherlei Art Consuln und in wie weit diese die Exemtionen genießen, ist weiter oben (S. 712), wo von dem Umfange des Genusses der Exemtionen gehandelt wurde, angeführt worden, und sind in den dort beigesezten Verträgen und citirten Artikeln derselben die Gegenstände der Exemtion verzeichnet. In dem daselbst vorkommenden Niederländisch-Spanischen und Italienischen und Deutsch-Brasilianischen Vertrage wird außerdem ausdrücklich hervorgehoben, daß eine Eremtion sich nie beziehen könne auf Zölle, Octroi-, Accise und Verbrauchssteuern, noch auf indirecte Steuern überhaupt. Der Art. 3 des Consular-Vertrags des Deutschen Reichs mit den Vereinigten Staaten vereinbart aber, daß das Einkommen vom consularischen Amt unter keinen Umständen irgend einer Abgabe unterliegen soll.

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4. Ehrenrechte.

Die Ehrenrechte der Consuln bestehen, nach Consular-Verträgen, darin, daß sie 1) über der äußeren Eingangsthüre des Consulats das Wappen ihres Landes mit der Umschrift Consulat oder Vice - Consulat oder Consularagentur" anbringen dürfen, 2) die Flagge ihres Landes auf dem Consulatsgebäude, an Tagen öffentlicher, religiöser oder nationaler Feierlichkeiten und in anderen durch das Herkommen eingeführten Fällen aufziehen dürfen, soweit sie nicht in einer Stadt ihren Amtssiz haben, in welcher sich eine Gesandtschaft oder Legation ihres Landes befindet. Indeß dürfen diese äußeren Zeichen niemals dahin ausgelegt werden, daß sie ein Asylrecht constituiren, sondern sollen sie nur dazu dienen, vor allem den betreffenden Seeleuten oder Landesangehörigen das Consulatsgebäude kenntlich zu machen, 3) die Flagge ihres Landes auf dem Boot aufziehen dürfen, in welches sie sich im Hafen zur Ausübung ihrer Functionen begeben. (Franz.-Ital. Art. 3, Ital. Portug. Art. 2, Desterr.-Nord-Amerik. und Portug. Art. 4, Franz.-Russ. Art. 4, Desterr.-Ital. Art. 6, Russ.-Deutsch. und Ital. Art. 4, Spanisch Belgischer Art. 4 und Niederl. Art. 5, Niederl..Jtal.

Art. 5, Deutsch.-Serb. und Franz. Griech. Art. 4, dabei werden in den fünf lezten Verträgen nur die beiden ersten Ehrenrechte zugestanden; Span. Ruff. und Deutsch-Nord.-Amerik. Art. 4, Brasil.-Jtal. Art. 7 und Deutsch. Art. 6, Deutsch. Griech. Art. 4.)

Die Rechte eines Consuls dauern von dessen Amtsantritt auf Grund des Exequatur bis zur Entziehung desselben oder bis zu seiner Entlassung seitens des ernennenden Staates und für die zum Verlassen des Landes seines Amtssiges erforderliche Zeit.

§ 188.

Rechte der Consulareleven, Canzler und Secretäre.

Nach einigen Consular Verträgen genießen die Canzler und andere Consularbeamten, namentlich die Secretäre, wenn sie Angehörige des sie ernennenden Staates sind, dieselben Immunitäten und Exemtionen wie die Consuln, aber mit denselben Ausnahmen und Lasten, wenn sie Grundeigenthümer sind oder irgend ein besteuertes Geschäft treiben. (S. Art. 2 des Desterreichisch-Nordamerikanischen, Französisch-Russischen, Deutsch Russischen, -Griechischen und Serbischen Consular Vertrages.) Auch genießen sie nach einigen Verträgen unter gleicher Vorausseßung in Bezug auf die Zeugnißablegung vor Gericht gleiche Berechtigung wie die Consuln. (S. z. B. den Desterreichisch-Nordamerikanischen Vertrag Art. 3.) Nach anderen Verträgen genießen aber nur die Canzler Exem. tionen von Militäreinquartirung und Contributionen und Steuern, das Vorrecht zur Zeugnißablegung nicht vor Gericht zu erscheinen und dürfen auch in ihrer Wohnung vernommen werden. (Oesterreichisch-Portugiesi scher Art. 2 und 3. Brasilianisch-Italienischer Art. 4.) Im Französisch. Griechischen Vertrage Art. 7 wird außer den Canzlern auch Con fular-Eleven das Vorrecht eingeräumt, nicht vor Gericht zu er scheinen. Oder es sind auch, nach Art. 3 der Französisch-Russischen und Deutsch-Russischen Consular-Verträge, die Canzler gleich den Consuln verpflichtet, Zeugniß vor Gericht abzulegen oder nach Art. 3 des Deutsch. Griechischen die Canzler und die Secretäre. Im Französisch-Griechischen Consular-Vertrage Art. 8 und 9 genießen aber die Consular-Eleven und Canzler die Immunität und Exemtionen. Endlich werden nach Art. 3 des Niederländisch-Brasilianischen und Deutsch-Nordamerikanischen ConsularVertrages den Consular-Eleven, nach Art. 17 des Italienisch-Nordamerikanischen und nach Art. 24 des Deutsch-Serbischen ConsularVertrages den Canzlern und Secretären alle Immunitäten, Vorrechte und Exemtionen eingeräumt, welche den Beamten desselben Ranges der meistbegünstigten Nation bewilligt sind oder in Zukunft bewilligt werden.

Da in mehreren Verträgen gar keine bezüglichen Bestimmungen über die hier behandelten Consularbeamten enthalten sind, in wenigen über

einstimmende, so ist die Bewilligung von Immunitäten und Exemtionen an Consular Eleven, Canzler und Secretäre nicht allgemein zugestanden. Auch ist es selbstverständlich, daß die Ehrenrechte Consularbeamten untergeordneter Reihe überhaupt nicht zugetheilt werden können. Ausnahmslos sprechen aber die Consular-Verträge den Genuß der Immunitäten Vorrechte, Exemtionen und Ehrenrechte der Consuln zu den Consular. eleven, Canzlern und Secretären, welche, nachdem sie in ihrer Qualität dem competenten Organ, insbesondere dem Ministerium des Auswärtigen des Landes ihrer Wirksamkeit vorher vorgestellt sind, nach hierarchischer Ordnung mit vollem Recht zugelassen werden, um ad interim die consularen Functionen auszuüben in Fällen der Verhinderung, Abwesenheit oder des Todes eines Consuls. Die localen Autoritäten dürfen aber nach Verträgen deren Functionirung nicht nur nicht hindern, sondern haben den Vertretern ad interim Beistand und Protection und den oberwähnten Genuß für ihre interimistische Geschäftsführung zu ge= währen.

II. Rechte der Consuln in Muselmännischen Staaten.

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Schmauß,

F. de Martens, Das Con

Literatur: Wend, Codex juris gentium. Lipsiae 1781, I. Corpus juris gentium academicum. II. jularwesen und die Consularjurisdiction im Orient, deutsch von H. Skerst. Berlin 1879. Dieses Handbuch, § 75. Miltitz, Manuel des Consuls. Martens, Guide diplomatique. I.

1. In der Türkei.

Die Stellung eines Consuls im Orient ist frühzeitig eine wesentlich andere, als die von Handelsconsuln, wir möchten sagen eine höhere, indem namentlich seine Rechte und seine Competenz umfassender und mannigfaltiger sind. Schon im 14. Jahundert wurde der Venetianische Consul in Alexandrien nicht als Handelsagent, sondern zu dem Zweck ernannt, sich seiner als Organ für die internationalen politischen Beziehungen zu bedienen", und diese Stellung haben heute noch Consuln Europäischer Staaten im Orient. Capitulationen sichern ihnen eine quasi diplomatische Stellung neben ihrer richterlichen Function. Der 1535 zwischen Frankreich und der Türkei abgeschlossene Ver trag ist der erste eigentliche Vertrag, welcher die Rechtsverhältnisse, insbesondere die Competenz der Consuln regelt. (Siehe den Ver

trag bei Miltig II. I. 216 ff.). Am ausführlichsten werden aber die Rechte der Französischen Consuln im Orient im Kaiserlichen Befehl (Commandement impérial) oder „Diplom“ des Sultans vom Jahr 1740 festgesezt (siehe denselben bei Wend I. 538), welchem Befehl Ver. handlungen zwischen dem Französischen Gesandten und hohen Türkischen Würdenträgern vorhergingen und welchen alter Gebrauch als Capitulation bezeichnet, weshalb wir denselben als solche in unseren Ausführungen citiren.

Die den Consuln Frankreichs zugestandenen Rechte erhielten durch mit der Türkei abgeschlossene Verträge die Consuln Englands im 17. und 18. Jahrhundert, die der Niederlande im 17., im 18. die Schwedens durch Vertrag vom 10. Januar 1737 Art. 13, Dänemarks durch Vertrag vom 14. October 1756 Art. 9, Preußens durch Vertrag vom 22. März 1761 (M. R. 2, I. 1.) Art. 4 und 5, Rußlands durch Vertrag vom 21. Juli 1774 (Mart. R. 2. II. 286) Art. 11, Spaniens durch Vertrag vom 14. September 1782 Art. 7 und Sardiniens durch Vertrag vom 25. October 1823. Durch diese Uebertragung der Rechte der Consuln Frankreichs im Türki. schen Staatsgebiet auf die Consuln der Mehrzahl der Europäischen Seestaaten in demselben Staatsgebiete ist einerseits eine Gleichartigkeit der Rechte Europäischer Consuln im Orient herbeigeführt, andererseits aber für den Inhalt und Umfang jener Rechte die Capitulation von 1740 noch heute, besonders auch für die den Consuln in der eigentlichen Türkei zustehende Consulargerichtsbarkeit von Bedeutung. Deren Vorläufer ist der Passarowiger Handels- und Schifffahrts-Vertrag der Türkei mit Desterreich vom 27. Juli 1718 (Schmauß II. 1714). Es beruhen auf dessen Bestimmungen die Ausübung der Functionen der Oesterreichi. schen Consuln im Gebiet der Pforte und die Rechte und Privilegien der heutigen Desterreichischen Consuln. Ueberhaupt aber hat kein Ver trag christlicher Staaten mit der Pforte früher so vollständig die Gerichtsbarkeit der Consuln im Orient festgestellt. Dieser Vertrag wurde später bekräftigt durch Sined (Handelsconvention) Desterreichs mit der Pforte vom 24. Februar 1784 (M. R. 2. III. 720) Art. 1, dieser aber durch Vertrag vom 4. August 1791 (M. Rec. 2. V. 244). Das Abnorme des der Souveränetät und der aus dieser sich ergebenden Ge. richtshoheit der Türkei widersprechenden Wesens der Europäischen Con sularjurisdiction erklärt schon Charles de Martens (Guide diplomatique I. § 83) aus dem extremen Unterschiede zwischen der Civilisation der zum Christenthum und zum Islam sich bekennenden Völker. Eben dieses Unterschiedes wegen hätten auch die christlichen Staaten in speciellen Verträgen mit der Pforte und den Fürsten auf der Afrikanischen Küste für ihre Agenten in den muselmännischen Staaten sich Privilegien ge fichert, welche sie in den Stand sehen sollten, wirksam die Sicherheit und die Güter ihrer Unterthanen zu schüßen, auch sei auf Grund dieser Verträge, abgesehen von gewissen politischen Gewalten, eine Ausnahms. -gerichtsbarkeit den Consuln über alle ihre Nationalen zugestanden worden. Handbuch des Völkerrechts III.

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Die Türkei hat in ihren neueren und neuesten Verträgen mit Europäischen Staaten wiederholt die von ihr früher abgeschlossenen Capitulationen bekräftigt, ohne daß je in jenen die Rechte der Consuln der christlichen Staaten in Türkischen Staatsgebieten im Einzelnen voll. ständig aufgeführt worden wären. Daß die Pforte sich durch die Capi tulationen für gebunden hält und demnach noch heute verpflichtet ist, die in denselben gewährten consularen Rechte anzuerkennen, unterliegt keinem Zweifel. Jeder etwaige Zweifel wird aber beseitigt durch die Erklärungen des Türkischen Bevollmächtigten auf dem Pariser Congres von 1856 (Protokoll Nr. 14, M. N. R. G. XV. 735), woselbst derselbe zwar die Nachtheile der durch die Capitulationen den Europäern erworbenen Privilegien in Hinsicht auf die Sicherheit und die Ent wickelung der Transactionen der Europäer selbst hervorhebt und die Jurisdiction der fremden Agenten über ihre Nationalen als eine Vervielfältigung von „Gouvernements im Gouvernement“ und da. her als ein unüberwindliches Hinderniß aller Verbesserungen bezeichnet, die Rechtsbeständigkeit dieser Rechte aber in keiner Weise anzweifelt. Indeß muß auch daran erinnert werden, daß die Bevollmächtigten der Congreßmächte die Nothwendigkeit ausdrücklich anerkann ten, die die Handelsbeziehungen der Pforte mit den anderen Mächten betreffenden Stipulationen, sowie die Bestimmungen über die Verhältnisse der in der Türkei sich aufhaltenden Fremden zu revidiren und daß sie den Wunsch äußerten, daß nach dem Friedensschluß eine Berathung in Constantinopel zwischen der Pforte und den Repräsentanten der anderen con trahirenden Mächte stattfinden solle, um allen legitimen Interessen gerecht zu werden. Ob solche Berathung und mit wel chem Erfolge sie stattgefunden, ist Uneingeweihten verborgen geblieben, wohl aber hat die Pforte seitdem sich in Verträgen mit Großmächten, wie mit Frankreich vom 29. April 1861 (M. N. R. G. XVII. 1 e. p. 322) Art. 16 und mit Rußland vom 3. Februar 1862 (Arch. dipl. III. I, 364) Art. 18 ausdrücklich stipuliren lassen, daß diese sie nicht in Ausübung der Rechte der inneren Verwaltung behindern sollen, freilich mit gleichzeitiger Anerkennung der Zugeständnisse der alten Verträge, deren Bestimmungen doch vielfach in die innere Verwaltung eingreifen. Andererseits haben aber nach 1856 in den Türkischen Staatsgebieten wesentliche und tiefgreifende Aenderungen in der Verwaltung, be sonders in der Rechtspflege Plaß gegriffen, welche zwar die consulare Gerichtsbarkeit einschränkten, aber doch zu Gunsten Europäischer Richter und Consuln wie in der Reform der Egyptischen Gerichtsbarkeit für ge. mischte Prozesse und in der Ausdehnung der Gerichtsbarkeit des Fran zösischen Consulats in Tunis auf andere Nationale. Jedenfalls bleibt aber die schon 1856 geplante Revision und Feststellung der consularen Befugnisse und Functionen auch in andren Türkischen Staatsgebieten ein dringendes Bedürfniß, im Interesse nicht nur der Türkei zur Begegnung.

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