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§ 195.

Consuln der Türkei.

Es ist eine begründete Forderung der Staaten einer völkerrechtlichen Gemeinschaft, und zu diesen muß doch die Türkei nach ihrer Aufnahme in das Europäische Concert durch den Pariser Vertrag von 1856 gerechnet werden, daß sie nicht blos anderen Staaten Rechte einräumen, sondern weil alle Staaten der Gemeinschaft nach dem Völkerrecht einander gleich sind (s. d. Recht der Gleichheit bei Bulmerincq, Völkerrecht § 24), ihnen auch Rechte gewährt werden. Das war aber bei den Capitulationen der Türkei in der Regel nicht der Fall, indem diese Vergünstigungen und Ausnahmsbestimmungen nur für die Consuln und Unterthanen des vertragsschließenden christlichen Staates enthielten. Dagegen haben der Zeit nach spätere Verträge dieser Staaten mit der Türkei auch deren Consuln im anderen Staat Rechte gewährt, und ist so das für völkerrechtliche Verhältnisse maßgebende Princip der Reciprocität, wenn auch nicht genügend, zur Verwirklichung gelangt. Denn es ist eine völlige und nicht blos eine theilweise Gleichheit zu fordern, wie lettere auch noch in neueren Verträgen mit der Pforte zum Nachtheil dieser sich geltend macht. Vor allem waren aber auch den Türkischen Staaten Consuln einzuräumen.

Schon der Passarowißer Vertrag von 1718 mit Desterreich gesteht im Art. 6 der Pforte zur Sicherheit und Ruhe ihrer Unterthanen und Kaufleute zu ihren nothwendigen Verhandlungen und Geschäften die Ernennung von Procuratores, gewöhnlich Shahbender, zu, damit sie mit einem Ottomannischen Diplom ausgerüstet an jenen Orten, wo es die Nothwendigkeit des Handels fordert, geschüßt seien und mit keiner Be Läftigung behelligt würden. Später räumen der Pforte solche Procuratores oder Shahbender oder Consuln ein Spanien im Vertrage von 1782 Art. 7, und Großbritannien im F. Vertrage vom 5. Januar 1809 (M. N. R. I. 160) Art. 8, mit dem Hinzufügen, daß die den Consuln Englands in der Türkei gewährten „traitements" und communities auch genau gegenüber den Shahbender (consuls) der Pforte beobachtet werden sollen. Nach dem Vertrage Sardiniens vom 25. October 1823 und 20. Januar 1825 Art. 4 sollen die von der Türkei bestellten Consuln als solche gebührend ausgezeichnet und denselben die üblichen Privilegien zugestanden werden; nach Art. 14 aber sollen, sowie den Consuln Sardiniens in der Türkei alle diejenigen Privilegien, Rechte und Immunitäten zugestanden werden, welche die bestehende Freundschaft gebietet und deren die Agenten der anderen Mächte ge nießen“, „in Erwiderung dessen und nach demselben Grundsaß, den Consuln und Vice-Consuln der hohen Pforte, welche in Sardinien ihren Amtssig haben, dieselben Privilegien, Rechte und Immunitäten bewilligt

werden." Die Vereinigten Staaten von Nordamerika haben im Vertrage vom 7. Mai 1830 Art. 2 der Pforte Shahbenders (consuls) zugestanden, indeß ohne eine ausdrückliche Einräumung von Rechten. Belgiens F. Handels- und Schifffahrts-Vertrag mit der Türkei vom 3. August 1839 (M. N. R. XVI. 958) beruht nicht nur überhaupt auf dem Grundsaß der Reciprocität (Art. 2), sondern vereinbart auch im Art. 6, daß die Pforte Shahbender (Consuln und Viceconsuln) in allen Städten und Häfen Belgiens placiren könne, und daß diese „überall Unterstüßung und Schuß finden und alle ihrem Charakter zukommende Distinction genießen sollen.“

So sind denn auch der Türkei Consuln gewährt mit gleichen Rechten, wie die Türkei sie in ihren Gebieten auf Grund der Capitulationen einräumte.

§ 196.

Erstreckung der von der Türkei den Consuln
gewährten Rechte auf andere Gebiete.

Im Allgemeinen gelten die von der Türkei für ihren Jurisdictions. bezirk" oder für alle ihre Orte in Capitulationen und Verträgen mit Europäischen Staaten den Consuln derselben eingeräumten Immuni täten, Vorrechte, Exemtionen und Ehrenrechte, wie im F. und Handels-Vertrage mit Preußen vom 22. März 1761 Art. 4, welcher nach Art. 1 der Convention vom 22. October 1840 (M. N. R. G. I. 444) und vom 20. März 1862 (ibid. IX. 230) auf alle Zollvereinsstaaten und mittelst Protokolls vom 5. November 1868 (ibid. 274) auf beide Mecklenburg ausgedehnt wurde, und in den Artikeln ewigen Friedens und ewiger Freundschaft mit Rußland vom 21. Juli 1774 (M. R. 2 II. 286) Art. 11, bestätigt durch Handels-Vertrag vom 21. Juni 1783 (M. R. 2. III. 615) Art. 52, auch für die von ihr abhängigen Gebiete in Nordafrika, insbesondere für Tunis und Tripolis. Indeß haben jene Staaten auch ihrerseits Verträge mit Europäischen Staaten und auch mit den Vereinigten Staaten von Nordamerika abgeschlossen, welche auch die Rechte der Consuln in ihren Gebieten betreffen. Andererseits ist aber auch in diesen Verträgen aus. drücklich die Erstreckung der Capitulationen und Verträge der Türkei mit Europäischen Staaten auf jene Staaten vereinbart worden. So z. B. auf Tunis im Handels- und Schifffahrts-Vertrage desselben mit Frankreich vom 8. August 1830 (M. N. R. IX. 169) Art. 7, auf Tripolis in den Verträgen desselben mit Spanien vom 10. September 1784 (M. R. 2 III. 761) Art. 2 und mit Frankreich vom 11. August 1830 (M. N. R. X. 52) Art. 8.

§ 197.

a. Tunis.

In den noch heute geltenden Verträgen mit Tunis finden sich Bestimmungen über die Rechte dort residirender Consuln zunächst im Friedensvertrage mit den Niederlanden vom 14. November 1622 (Miltiş II. II. 996). Nach Art. 10 desselben soll der Consul geziemend respectirt werden und darf er Consularabgaben von allen Niederländischen Waaren und von allen unter Niederländischer Flagge ein und aus. gehenden erheben, und braucht nach Artikel 8 der Friedensartikel vom 1. März 1662 (ibid. 997) nur für durch ihn schriftlich verbürgte Schulden seiner Nationalen aufzukommen. Der Consul Frankreichs aber soll nach Art. 15 des Vertrages vom 25. November 1665 (ibid. 186) mit diesem Staat geehrt und respectirt werden und den Vorrang vor allen übrigen Consuln haben, in seinem Hause seinen Gottesdienst ausüben und das Land wie ihm beliebt verlassen dürfen. Ferner wird auch ihm nach Art. 17 eingeräumt, von allen in Tunis handeltreibenden Nationen, mit Ausnahme der Engländer und NiederLänder, Abgaben zu erheben, während nach Artikel 20 wegen Schulden seiner Landsleute er nicht verhaftet und sein Haus nicht versiegelt werden darf. Der Vertrag vom 30. August 1685 (ibid. 191) fügt noch hinzu im Art. 20, daß er seinen Dolmetscher und Makler (courtier) wählen und eine weiße Flagge auf seinem Hause und seiner Schaluppe, wenn er sich zum Meer begiebt, aufziehen dürfe, und im Art. 22, daß er die Schulden seiner Nationalen nur im Falle seiner schriftlichen Ver. pflichtung dazu zu zahlen habe. Der Art. 23 aber gewährt ihm Exemtion von Abgaben für die zu seinem Haushalt erforderlichen Vorräthe, Lebensmittel und Waaren. Die späteren Verträge von 1710, 1729 und 1742 (ibid. 194-197) wiederholen die Bestimmungen der früheren, und nur der Vertrag vom 23. Februar 1802 (M. R. 2 VII. 402) gewährt noch im Art. 4, daß der Französische Consul sich seine Janitscharen beliebig auswählen könne. In den mit Desterreich vereinbarten Artikeln vom 23. September 1725 (Miltig II. II. 1452) werden im Art. 8 dessen Consuln zugestanden alle Ehren, Befreiungen, Freiheiten und Exemtionen, welche die Consuln anderer Mächte genießen und der Vorrang vor diesen; im Friedensvertrage vom 23. December 1748 (ibid. 1454) Art. 9 aber alle Privilegien und Auszeichnungen, welche dem hohen Range der Kaiserlichen Würde entsprechen, gleichzeitig aber einem etwa nach Desterreich gesandten Commissär des Pascha Bezeugungen der Freundschaft und Courtoisie. Der Friedens. und Handels-Vertrag mit Schweden vom 23. December 1736 (Wend I, 446) vereinbart im Art. 16, daß der Schwedische Consul bei allen seinen Privilegien und Freiheiten erhalten werde und für seine Person

und Eigenthum Sicherheit genießen solle. Ferner, daß er die Nationalflagge auf seinem Hause aufziehen, Dolmetscher, Wächter und Makler wählen, daß er seinen Gottesdienst in seinem Hause ausüben, in das Innere des Landes reisen und er und seine Bedienten auf einem be liebigen Schiff ab- und zureisen dürfen.

Aehnliche Rechte wie die Verträge mit Frankreich räumt der mit Spanien vom 19. Juli 1791 (M. R. 2 V. 208) dessen nach Art. 13 wie der Französische zu respectirendem und achtendem Consul in den Art. 15, 17 und 18 ein, welche den Art. 22 und 23 des Vertrages von 1685 mit Frankreich entsprechen. Art. 17 und 18 des Vertrages mit den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika vom August 1797 (M. R. 2 VI. 2 p., 405) entsprechen aber so ziemlich den Art. 17 und 18 des Vertrages mit Spanien, nur soll nach Art. 17 der Amerikanische Consul für eingeführte Waaren Abgaben zahlen und wird außerdem ihm, seiner Familie und Gefolge der Schuß der Regierung besonders zugesichert. Nach dem Vertrage mit Sardinien vom 17. April 1816 (M. R. N. S. I. 487) soll dessen Consul auf gleichem Fuß und mit derselben Achtung wie der Britische empfangen und behandelt werden. Dem Belgischen Consul wird aber durch F. Handels. und Schifffahrts-Vertrag mit diesem Staat vom 14. October 1839 (M. N. R. XVI. 2 p., 998) im Art. 10 die Stellung eines Consuls einer meistbegünstigten Nation eingeräumt, und im Art. 11 die Wahl des Dolmetschers, im Art. 12 wird er nur zur Zahlung der von ihm verbürgten Schulden seiner Landsleute verpflichtet. Am ausführ lichsten handelt von den Rechten des Consuls in Tunis die „allgemeine Convention" mit Großbritannien vom 19. Juli 1875 (M. R. II. Ser. II. 479) in Art. 2 und 3, welche nicht blos die Meistbegünstigungs. clausel enthält, den Consul, seine Familie und sein Haus für unantastbar erklärt, ihm Exemtionen von Abgaben gewährt und ungehinderte Hin- und Herreise, sondern auch die Tunesischen Autoritäten verpflichtet, etwaige Beleidiger desselben zu strafen und die aus den Eingeborenen oder Anderen zu wählenden Dolmetscher, Makler, Wächter und Dienstboten von der Conscription und der Zahlung irgend einer Kopfsteuer befreit.

§ 198.

b. Tripolis.

Von den zahlreichen Verträgen, welche Tripolis mit England seit 1662 geschlossen, enthält der vom 5. März 1675 (Miltig II. II. 856) die Mehrzahl der Bestimmungen über die Rechte des Englischen Consuls. Ihm wird (Art. 16) gewährt, vollkommen frei für seine Person und in Bezug auf seine Güter zu leben, sich überall zu Wasser und zu Lande hinzubegeben und seine Gebete an einer besonderen Stelle zu ver

richten. Außerdem hat er nach Art. 3 des Vertrages vom 1. Mai 1676 (ibid. 859) das Recht, zu jeder Zeit die Flagge auf seinem Hause und für eine Fahrt zum Meer auf seinem Boot aufzuziehen. Der Art. 2 der Additionalarlikel zu diesem Vertrage vom 11. October 1694 (ibid. 860) räumt aber dem Englischen Consul das eigenthümliche Vorrecht ein, daß dem Französischen Consul nicht gestattet sein soll, seine Visite dem Bey an den Tagen der feierlichen Türkischen Feste und bei anderen öffentlichen Gelegenheiten zu machen, bevor der Englische Consul diese Formalität erfüllt habe. Dagegen soll nach den Additionalartikeln vom 12. Februar 1781 mit Frankreich (ibid. 169) Art. 1 und nach Art. 35 des Friedensvertrages vom 19. Juni 1801 (M. R. N. S. IV. 121) der Französische Consul am Beiramsfest den Vorrang vor allen anderen haben, während schon nach dem Friedensvertrage mit Dester, reich vom 27. Januar 1749 dem Desterreichischen Consul der Vorrang vor allen übrigen Consuln eingeräumt wurde, sodaß in jedem dieser drei Verträge dem Consul einer anderen Macht der Vorrang zugetheilt wurde.

Während nun der Friedens-Vertrag mit den Niederlanden vom 6. September 1712 (Miltig II. II. 993) im Art. 10, der ebengenannte Desterreichische Vertrag nur noch im Art. 2, der Französische von 1801 in Art. 38 und 49 und der mit Sardinien vom 29. April 1816 (M. R. N. S. I. 491) nur noch im Art. 2 einzelne Vorrechte und Ehrenrechte der Consuln erwähnt, enthalten der Vertrag mit Spanien vom 10. September 1784 (M. R. 2. III. 761) und der mit Portugal vom 14. Mai 1799 (M. R. 2. VI. 617) die ausführlichsten Bestim mungen über die Rechte der bezüglichen Consuln in Tripolis. Hiernach kann zunächst Spanien einen Consul für Tripolis mit folgenden Rechten

ernennen:

1. daß der Cultus der christlichen Religion sowohl von seiner Person als von anderen Christen frei in seinem Hôtel ausgeübt werden dürfe;

2. daß er mindestens in jeder Beziehung den anderen Consuln gleich sei und keiner ihm den Vorrang streitig machen fönne;

3. daß er die Nationalflagge auf seiner Wohnung und auf seinem Boot, mit welchem er sich zum Meer begiebt, aufziehen dürfe; 4. daß er seinen Dolmetscher frei ernenne und

5. eximirt sei von jeder Abgabe von den für sein Haus nöthigen Vorräthen und Sachen.

Der Vertrag mit Portugal enthält nicht nur im Art. 13, Punkt 1, 3 und 4 die dem Spanischen Consul eingeräumten Rechte, sondern gewährt noch dem Portugiesischen außerdem völlige Freiheit und Sicher. heit seiner Person und Güter und die Wahl seines Maklers, sowie nach Art. 22, daß er bei den religiösen Festen mit den Ersten zur Audienz beim Pascha zugelassen werde.

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