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Sechszehntes Stück.

Garantie verträge.

Von

Geh. Rath Prof. Dr. Geffcken.

§ 25.

Mittel zur Sicherstellung der Verträge.

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Literatur zu §§ 25 ff.: Die Garantieverträge, die zu den wichtigsten und schwierigsten Berträgen des Völkerrechts gehören, sind in den allgemeinen Systemen meist sehr ungenügend behandelt, Calvo z B. widmet ihnen in seinem vierbändigen Werke eine Seite, Halled einen Paragraphen von 14 Zeilen. -- Phillimore, Comm. II, 5, ch. 7. Vattel, ch. XV, XVI. WheaTwiss, 1, § 231. ton, § 278. Seffter, §§ 96. 97. Hall, Internat. Law, p. 287. v. Martens, Völkerrecht, I, S. 420. Bluntschli, §§ 425-441. - Berner, Bölkerrechtliche Garantie. (Bl. u. Br. Staatswörterbuch IV, S. 65 ff.) J. J. Moser, Versuch des neuesten Europäischen Völkerrechts 1779. VIII, S. 335. X, 2 W. v. Sted, Versuche über einige erhebliche Gegenstände. V. Von den Geiseln und Conservatoren mittlerer Zeiten und dem Ursprung der Garantien. 1772. Neyron, Essai historique et politique sur les garanties. 1779. Munro, England's Treaties of guarantee. The Law Magazine and Review. 1880/81. p. 215.

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Die Heiligkeit des gegebenen Wortes tritt in besonderem Maße bei den Verträgen hervor, welche Interessen ganzer Nationen regeln. Von Alters her suchte man denselben Kraft zu geben durch besonders feierliche Formen oder materielle Bürgschaften, welche ihre Erfüllung sichern sollten. Wir sehen daher, daß die internationalen Verträge unter den Schuß der Gottheit gestellt wur= den: in ihren Tempeln wurden die steinernen oder ehernen Tafeln aufbewahrt, auf denen die Verträge geschrieben waren, sie wurde beim Abschluß derselben feierlich als Zeuge der übernommenen Verpflichtung angerufen, ihr wurden demgemäß dabei Opfer und Trankspenden gebracht, woher der Name oлovda der Verträge selbst kommt. In Rom war der Abschluß jedes wirklichen foedus mit genau vorgeschriebenen Cärimonien verbunden, die den Fetialen übertragen

waren.

Die erste Art der besonderen Bürgschaften für die Aufrechterhaltung der Berträge, war der Eid. Allerdings war schon den Römern klar, daß der Vertrag, nicht der Eid die Verbindlichkeit begründe, also letterer nicht einen an sich ungiltigen Vertrag giltig machen könne. Curtius (Vita Alex. II, § 8 in fine)

läßt die Scythischen Gesandten sagen: »Jurando gratiam Scythas sancire ne credideris, colendo fidem iurant«. Cicero (pro Roscio) meint sogar, der Eid nüße nichts, denn »qui mentiri solet, pejorare consuevit. und die Götter zürnten nicht sex pactione verborum, quibus jusjurandum comprehenditur, sed ex perfidia et malitia, per quam insidiae tenduntur alicui.« Aber wenn dies an sich unbestreitbar ist, so läßt sich dasselbe von allen sonftigen Bekräftigungen eines vertragsmäßigen Versprechens, wie sie noch heute in der Ratification der Verträge üblich sind,,,auf unser königliches Wort“ u. s. w. sagen und diese Rücksicht hat sowenig wie Christi Verbot des Schwörens den Eid im öffentlichen wie im privaten Recht beseitigen können. Der Eid, sagte ein Griechischer Redner, ist das Band, das den Staat zusammenhält, denn die Menschen kann man täuschen, aber vor den Göttern kann der Meineidige nicht verborgen bleiben noch ihrer Strafe entgehen. (Schömann, Griechische Alter= thümer II, S. 274.) Auch der Einwand Vattel's trifft nicht zu, daß der Eid nur ein persönlicher Act sei, der nur den Schwörenden binde, da der betreffende Souverän oder Priester nur als bevollmächtigter Vertreter des Staates handelt, andernfalls aber eine bloße Sponsion vorliegt. Die Griechen schickten eigene Gesandten (ópzóras) zu dem anderen Staate um den Eid abzunehmen oder abzulegen, beides vor der Volksversammlung; auch Beispiele, daß der Eid von der ganzen Bürgerschaft geleistet wurde, finden sich. Ausnahmslos wurden alle Verträge beschworen und jenes Wort Cicero's hinderte nicht, daß den Römern nur solche Verträge heilig galten, welche beschworen waren. Ebenso finden wir im Mittelalter, daß von dem ersten bekannten Vertrage von 587 zwischen den Fränkischen Fürsten Childebert und Guntram (Greg. Turon. 1. 9. c. 20) an, alle bedeutenderen Verträge unter Anrufung Gottes, der Dreieinigs keit, des letzten Gerichtes, in animam suam u. f. w. auf das Evangelium, das Kreuz, Reliquien u. s. w. beschworen wurden, ja der Eid wurde für wichtiger angesehen, als die schriftliche Aufzeichnung und selbst die Päpste leisteten ihn; man verzichtete dadurch ausdrücklich auf alle Einreden; 1) auch Eideshelfer werden wie bei anderen Verhältnissen in der Person mächtiger Vasallen herangezogen. Hier trat nun der früher erwähnte Mißbrauch auf, daß die Päpste sich anmaßten, wie überhaupt so auch Fürsten und Staaten von ihrem Eide zu entbinden. So erklärte Johann XXII. den Eid für nichtig, den Ludwig von Bayern und Friedrich von Desterreich sich geschworen hatten, Herzog Philipp von Burgund ließ sich durch den Papst und das Concil von Basel von der beschworenen Allianz mit England lösen, ebenso Ferdinand der Katholische von Julius II., Franz I. von Leo X. und Clemens VII. Dieser Mißbrauch gab denn Anlaß zu der Clausel, durch welche die Contrahenten versprachen, eine solche Absolution nicht nachzusuchen oder anzunehmen, auch in solchem Falle Kirchenstrafen auf sich herabriefen, obwohl natürlich ein solches Versprechen auch keine Sicherheit gab, wo mala fides vorhanden war, wie denn Ludwig XI. in ähnlichem Falle sagte, er habe wohl den Vertrag beschworen, aber nicht geschworen, daß er den Eid halten werde. Gleichwohl

sehen wir die eidliche Bekräftigung der Verträge bis tief ins 18. Jahrhundert fortdauern. Das letzte Beispiel ist ein Vertrag von 1777 zwischen Frankreich und der Schweiz; jest kommt dies nicht mehr vor und ebenso verschwindet in neuester Zeit die Anrufung der »très sainte et indivisible Trinité« im Eingang der Verträge, die nach dem Inhalt derselben oft wie Hohn klang, indem man hierbei wie bei dem Eid fühlte, daß derartige Formen die bindende Kraft der Verträge nicht verstärken können.

Neben diesen ideellen Bürgschaften suchte man auch materielle und fand sie in den Geiseln, der Uebergabe gewisser, durchweg angesehener Personen seitens des einen Contrahenten in die Gewalt des anderen bis zur Erfüllung des vertragsmäßig Versprochenen. Solche Stellung von Geiseln war im Alterthum wie im Mittelalter2) allgemein und es begreift sich, daß Grotius (III c. 20, 52–58), ja sogar noch Vattel (II A. 15) eingehend von ihnen handeln konnten, da noch 1748 beim Aachener Frieden England sich verpflichtete »à faire passer auprès du Roy Très - Chrétien, aussitôt après les ratifications du présent traité, deux personnes de rang et de considération, qui y demeureront en ôtage jusqu'à ce qu'on ait appris d'une façon authentique la restitution de l'île Royale.« Grotius wirft die Frage auf, ob man Geiseln bei Nichterfüllung tödten dürfe und glaubt dies nach äußerem Völkerrecht bejahen zu dürfen, aber nicht nach innerem, sofern sie sich nicht selbst eines besonderen Vergehens schuldig gemacht hätten, da sie doch auch nicht Sclaven würden und ihre Vermögensrechte behielten. Um so mehr hätte er die Frage allgemein verneinen müssen, da nur die Freiheit, nicht das Leben der Geiseln verpfändet ist. 3) Dagegen geht er andererseits zu weit, wenn er glaubt, sie dürften fliehen, sofern sie nicht das Gegentheil versprochen, um sich mildere Behandlung zu sichern, denn es sei Sache der betreffenden Partei, sie zu bewachen; ein Recht zur Flucht kann schon deshalb nicht anerkannt werden, weil der andere Theil sie jedenfalls wieder ausliefern mußte. Starb einer der Geiseln, so mußte nach mittelalterlicher Anschauung ein Anderer dafür bestellt werden. *) Vattel dagegen bestreitet dies, sofern es nicht besonders stipulirt, und sieht den Tod als casus an. Selbstverständlich mußten die Geiseln mit der Erfüllung des Versprochenen entlassen werden, sofern sie sich nicht eines persönlichen Vergehens in der Zeit ihrer Haft schuldig gemacht hatten; sie durften also nicht, wenn sie für einen Fall gegeben waren, für einen anderen zurückbehalten werden, wo keine Geiseln versprochen waren. Eine besondere Art dieser Bürgschaft war das Einlagerrecht, das obstagium, das Ducange folgendermaßen definirt: »Est promissio sponsorum vel debitoris ipsius, si certo die debitum solutum non sit, cum numero definito equorum et servitorum intrandi diversorium publicum, neque inde recedendi usque donec creditori plane sit satisfactum.«< Die Verpflichteten hießen ostagii. (Zahlreiche Beispiele bei Ducange und Steckt seit dem Frieden von 1200 zwischen Johann I. von England und Philipp II. von Frankreich.) — Dię

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