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ganze Frage der Geiseln bei Verträgen gehört seit einem Jahrhundert der Geschichte an.

Auch die Bedingung einer Conventionalstrafe für Nichterfüllung eines Vertrags, im Unterschied von einer verabredeten alternativen Geldzahlung wird kaum noch vorkommen, schon weil dieselbe unwirksam wäre, wenn das Interesse des betreffenden Contrahenten für Nichterfüllung überwöge. Ein Staat, der sich seiner Vertragspflicht entzieht, kann sich außerdem ebensowohl der Zahlung der bedungenen Conventionalstrafe entschlagen. Vollends kann nicht mehr die Rede sein von Clauseln, wie sie bei mittelalterlichen Verträgen vorkamen, wonach der Bruch des Versprechens mit Ehrlosigkeit, Excommunication u. s. w. bedroht wurde.

Dagegen kommt die früher im weitesten Maße geübte5) Pfandnahme als Bürgschaft für die Erfüllung von Verträgen noch heute vor, zwar nicht mehr beweglicher Sachen wie der Kronjuwelen und nicht für Geldschulden des Fürsten oder Staates, wohl aber als Besetzung bestimmter Gebietstheile für die Erfüllung eines Vertrages bis zur Verwirklichung desselben; solche Verpfändungen aber werden freiwillig nur bei Anlehensverträgen, unfreiwillig als Pfandnahme nur bei Friedensverträgen vorkommen, speciell für Zahlung einer Kriegsentschädigung, wie z. B. durch Art. 7 und 8 des Frankfurter Friedensvertrages vom 10. Mai 1871 die Räumung des Französischen Gebietes von der Zahlung der 5 Milliarden abhängig gemacht war, während im Pariser Frieden vom 20. November 1815 die mehrjährige Besetzung Französischer Gebietstheile durch Art. 5 nur als »mesures de précaution et de garantie temporaire pour la sûreté des états voisins« bei dem erschütterten Zustande Frankreichs motivirt ward. Immerhin wird eine solche Besetzung als eine Ausnahme anzusehen sein.

Von den früher zur Sicherung internationaler Verträge üblichen Mitteln hat sich nur eines im heutigen Völkerrecht in allgemeiner Wirksamkeit erhal ten, die Garantie. Warandia, guarantia, warandare, warantizare heißt im mittelalterlichen Latein »cavere ab evictione« und kommt nach Ducange von creantare, fide aut sacramento interpositis promittere« (verbo: creantare p. 648). Es ist also an sich nur eine Form eidlichen Versprechens, weshalb der, welcher es leistet, großjährig sein muß.6) Eine weitere Bedeutung aber erhielt diese Verpflichtung, indem auch dritte, als warandi, custodes, conservatores pacis, plegii, plegiarii herangezogen wurden. Es waren dies der Natur des Lehenswesens gemäß bedeutende Vasallen, ohne deren Beistand der Lehensherr keinen Krieg führen konnte und die sein Versprechen mitgelobten,7) zusagten, ihm nicht beizustehen, wenn er sein Versprechen verleze, 8) ja sich anheischig machten, dem worthaltenden Theile gegen den bundbrüchigen beizustehen. 9) Auch für längere Waffenstillstände wurden Gardiens de la trève bestellt, so von England und Frankreich beiderseits bei dem zweijährigen Waffenstillstand nach der Schlacht von Poitiers. 10) Meist war damit Stellung von Geiseln verbunden 11) und kaum irgend ein wichtiger Vertrag

wurde ohne beides geschlossen; die Conservatoren stellten eigene Urkunden über ihre Bürgschaft aus. 12) Dieses Mittel mußte mit der Unterordnung der Vasallen unter eine feste Staatsordnung in Wegfall kommen und man nahm nun darauf Bedacht die warandi, die man im eigenen Lande der anderen Partei nicht finden konnte, in dritten Staaten zu suchen, welche sich für die Erfüllung des Vertrages verbindlich machten. Der dritte Staat verspricht also den Contrahenten seine Hilfe, wenn einer von ihnen sich der Erfüllung des Vertrages entziehen oder das garantirte Rechtsverhältniß angegriffen werden sollte. Es geschah dies zuerst in dem Friedens- und Allianzvertrag von Blois (12. October 1505) zwischen Frankreich und Aragonien, wo man verabredete den König von England zu ersuchen Conservator des Vertrages zu sein, dann in dem Vertrage von Cambrai zwischen Kaiser Maximilian, Frankreich und Aragonien (10. December 1508), für den die Kurfürsten, daß Reich und der König von England als Conservatoren eintreten sollten 13), und seitdem in zahlreichen Verträgen, weshalb es sehr auffallend ist, daß Grotius, der so ausführlich von den Geiseln handelt, die Garantie, welche er doch kennen mußte, ganz mit Schweigen übergeht.

1) Leibnitz Cod. iur. gent. I, 73 § 4 »Renonçons de notre certaine science et par notre dict serment à la action et exception sans cause et sans justice et à toute erreur de droict et de fait et à toute decevance et lésion (specieД die laesio enormis) et à tout droict escrit et non escrit, coustume générale ou spéciale, usage de lieu et de païs, par lesquels les choses dessus dictes pourraient être empechées ou annullées en tout ou en partie.<<

2) Eine Reihe von Beispielen bei Ducange, Glossar. verbo: obses p. 686, ed. Paris. und bei Sted 1. c.

3) Deshalb sagt Ducange l. c.: »unde eius hospes esse dicebatur, quod in eius tenebatur domo manere, quamdiu is, qui in pacto defecisset, fecisset satis.<< 4) Ducange 1. c. »De obsidibus vero haec lex data est, ut ubi unus mortuus fuerit, alter in eius locum mox subrogetur.<<

5) Leibn. Cod. iur. gent. I, 51: »Per observationem huiusmodi Rex ipse obligat omnia bona sua praesentia et futura.« Kaiser Ludwig der Bayer vers pfändete sogar das Reich »sub rerum nostrarum et Imperii hypotheca« (ibid. 55 § 3).

6) In einer Urkunde von 1212 geben die Eltern ein Eheversprechen für ihre Tochter »cum non haberet aetatem creantandi. Ducange p. 648.

7) So in einem Vertrage von 879: Dipsis et communibus fidelibus ipsorum faventibus et consentientibus« (Dumont Corps dipl. p. 277), beim Wormser Concordat von 1122: Haec omnia acta sunt consensu et consilio principum, quorum nomina subscripta sunt. (Walter fontes iur. eccl. p. 76.)

8) So bei dem Vertrage von 842 zwischen Ludwig II und Karl dem Kahlen (Dumont Corps dipl. I, p. 9). »Si Lodhwig sacrament que sos fradre jurat et Karlus meos sendra de suo part nen los tanit, si jo returnar non lint pois, ne jo, ne neuls cui eo returnarint pois, in nulla adjutra contra Lodhwig nun li

iver.<

Ebenso umgekehrt Deutsch die Vasallen Ludwigs. Declaratio Procerum Galliae, de non assistendo, nec servitia praestando Regi Galliae contra Comitem Flandriae, si rex pacem violet, data 7. Jan. 1319. Leibnitz Cod. iur. gent. I, 51.

9) So bei dem Vertrag Kaiser Ottos IV. mit dem Erzbischof Siegfried von Mainz von 1112 (Origin. Guelf. III, p 801).

10) Rymer, Foedera Angl. III, p. 135.

11) So bei dem Frieden von Brétigny zwischen England und Frankreich 1360, dem Vertrag von 1413 zwischen denselben (ibid. P. II, p. 6. IV, P. 2 p. 49). 12) cf. die vorerwähnte Declaratio Procerum Galliae. 13) Dumont Corps dipl. IV, P. 1, p. 40, 113.

§ 26.

Wesen der heutigen Garantie.

Eine Garantie kann einfach ein vertragsmäßiges Versprechen begleiten. Tritt z. B. ein Staat eine Provinz uti possideo einem andern ab, so ist er nur zur Cession verbunden, nicht zur Eviction eines Dritten, der dem andern den Besitz streitig macht; thut er dasselbe mit Garantie, so muß er die Cession gegen jeden Dritten vertheidigen. Regelmäßig aber ist die Garantie der Act eines Dritten, der dadurch eine Intercession übt, eine Verpflichtung im fremden Interesse eingeht, indem er verspricht aus einer fremden Verbindlichkeit haften zu wollen, als ob es seine eigene wäre. Die Garantie in diesem Sinne ist also ein accessorischer Vertrag und nach den Regeln der Bürgschaft zu beurtheilen. Der Garant ist erst dann einzuschreiten berechtigt und verpflichtet, wenn der vorgesehene Fall des Bedürfnisses einer Hilfe eingetreten ist und er von der berechtigten Vertragspartei um Hilfe angerufen ist. Indeß bei der Garantie zeigt sich der Unterschied des öffentlichen von dem Privatrecht. Es giebt auch Fälle, wo sie nicht als accessorischer, sondern als selbständiger Vertrag erscheint, wenn nämlich mehrere Mächte aus eigener Initiative sich zur Aufrechthaltung eines bestimmten völkerrechtlichen oder staatsrechtlichen Rechtsverhältnisses verbinden. In solchem Falle, den Bluntschli passend als „Garantiebeschluß" bezeichnet, erscheint Pflicht und Recht der Garantie nicht lediglich abhängig von dem Recht des Staates, zu dessen Gunsten die Garantie übernommen ward, weil sie nicht blos oder sogar nicht hauptsächlich um des Garantirten willen, sondern aus allgemein politischem Interesse, woran die Garanten selbst betheiligt sind, gegeben wird, weshalb eben die legteren dieselbe in selbständiger Weise verabreden. Daher wirkt diese Art der Garantie verschieden von der einfach accessorischen (cf. § 37 in fine). Wenn z. B. die Großmächte die Neutralitität der Schweiz oder Belgiens garantirten, so thaten sie dies nicht blos um dieser Länder willen, sondern aus Gründen allgemein Europäischen Interesses; sie wären also berechtigt einzuschreiten, selbst wenn sie von den betr. Staaten nicht dazu angerufen wären, sobald eine dritte Macht

die Neutralität der Schweiz oder Belgiens verlegte. Ein seltsames Beispiel eines solchen Garantiebeschlusses bietet die Offensiv- und Defensivallianz zwischen Brasilien, Argentinien und Uruguay vom 1. Mai 1865 (Arch. dipl. IV p. 1692), wonach die Contrahenten sich verbinden, nicht eher Frieden zu schließen, ehe die gegenwärtige Regierung von Paraguay gestürzt; der Krieg hat auch keineswegs uninteressirte Zwecke, denn alle »immunités, privilèges et concessions qu'elles pourront obtenir du Paraguay seront communs à toutes, gratuitement s'ils sont gratuits, et moyennant la même indemnité s'ils sont conditionnels«, fie erklären aber doch, daß der Krieg nicht gegen das Volk von Paraguay gehe und sie dessen Unabhängigkeit, Souverainetät ung Gebietsstand nicht antasten werden, und daß »l'indépendance, la souveraineté et l'intégrité territoriale seront garanties collectivement conformément à l'art. qui précède par les Hautes Parties contractantes pendant une période de cinq années.<< (Art. 2.) Der Vertrag sollte geheim bleiben »jusqu'à ce que le but principal de cette alliance ait été atteint.<< (Art. 18.)

§ 27.

Gegenstand der Garantie.

Garantien lassen sich an jedes Rechtsverhältniß knüpfen, sie können also sowohl die äußeren als die inneren Verhältnisse eines Staates betreffen. Allerdings wird nicht leicht ein Staat, der auf seine Unabhängigkeit etwas hält, auswärtigen Mächten das eventuelle Einmischungsrecht zugestehen, das in einer Garantie seiner Verfassungszustände liegt. Die Garantie des früheren Deutschen Bundes für die zu Recht bestehenden Verfassungen der Einzelstaaten (Art. 60 der Wiener Schlußacte), sofern dieselbe nachgesucht wurde, wird freilich nicht hierher zu rechnen sein, da, wenn auch der Bund selbst ein völkerrechtlicher Verein war, die Bundesversammlung, welche die Garantie übernahm, doch nicht als fremde Macht angesehen werden konnte. Um so uns heilvoller war die Garantie für die Deutsche Reichsverfassung, welche im Westphälischen Frieden Frankreich und Schweden übernahmen und die für ersteres der Anlaß zu fortwährenden Einmischungen in die inneren Angelegenheiten Deutschlands wurde; behauptete doch 1741 der französische Gesandte bei Kurmainz, diese Garantie gebe seiner Regierung das Recht bei der Wahlcapitulation mitzusprechen.1) Und der Russische Gesandte in Regensburg erklärte später fogar, weil die Czarin den Frieden von Teschen (1779) garantirt, welcher in Art. 12 den Westphälischen Frieden bestätigt, werde Rußland „so viel es ihm gefällig ist, sich in die politischen und kirchlichen Angelegenheiten des Reiches einmischen." Nach der gewaltsamen Wegführung des Herzogs von Enghien aus Baden forderte Rußland als Garant der Deutschen Reichsverfassung den Reichstag auf, mit ihm für diese Verlegung des Völkerrechts Genugthuung von

Frankreich zu verlangen. (Hardenberg's Denkw. II. S. 621). Ebenso war die Garantie, welche Desterreich, Rußland und Preußen durch die Verträge vom 18. September 1773 für die polnischen Verfassungsgeseße »qui seront faites d'un parfait concert avec les Ministres des trois Cours contractantes<< eine aufgedrungene, die nur zu weiteren Einmischungen in die inneren Angelegenheiten der Republik führte. Auch die frühere Bundesverfassung Deutschlands, soweit sie in der Bundesacte niedergelegt war, stand unter der Garantie der Unterzeichner der Wiener Congreßacte, von welcher die Bundes acte einen Theil bildete (Art. 53-64). Mit Rücksicht darauf protestirten England und Frankreich 1851 gegen den beabsichtigten Eintritt Gesammt - Desterreichs in den Bund; Art. 53 der Congreßacte, erklärte Lord Palmerston, zähle auf, welche Souveräne und Staaten den Deutschen Bund bildeten und sage ausdrücklich, daß der König von Preußen und der Kaiser von Desterreich Mitglieder für ihre Besitzungen seien, die früher zum Deutschen Reich gehörten. Diese Bestimmung eines Europäischen Vertrages könne nicht durch einen Beschluß der Deutschen Staaten, wonach sie sich 1820 vorbehalten hätten, neue Mitglieder aufzunehmen, einseitig abgeändert werden, vielmehr müßten alle Contrahenten von 1815 zustimmen.

Anders steht es schon mit der Thronfolge, da eine neue Dynastie oder eine Aenderung der Successionsordnung innerhalb desselben Hauses der Anerkennung der anderen Mächte bedarf. So hat England nicht verschmäht, sich durch die Verträge von 1713 von Frankreich, Desterreich, Spanien und namentlich Holland im Art. 1 des sog. Barrièrevertrages vom 30. Januar die protestantische Thronfolge garantiren zu lassen, was dann in vielfachen späteren Verträgen, so dem Aachener von 1748 Art. 19 und 20 wiederholt ward; die Spanische Erbfolge wurde durch die Utrechter Verträge von 1713 garantirt. Desterreich suchte für die pragmatische Sanction, welche Maria Theresia zur Thronfolge berief, die Garantie der Hauptmächte nach, der Friede von Teschen regelte und garantirte die Bayerische Erbfolge. Durch Art. IV und VIII des Vertrages vom 7. Mai 1832 garantirten England, Frankreich und Rußland die Unabhängigkeit Griechenlands, als »état monarchique sous la souveraineté du Prince Othon de Bavière nach Primogeniturordnung, was durch Art. III des Vertrages vom 13. Juli 1863 und Art. I des Vertrages vom 29. März 1864 auf den Prinzen Wilhelm von Dänemark als Georg I. in erweiterter Form, als »état monarchique, indépendant, constitutionnel«, und mit Ausdehnung auf die Griechenland einverleibten Jonischen Inseln übertragen ward. In diesem Falle rechtfertigte der Beistand der Mächte und die Art der Bil dung des Griechischen Staates diese Bestimmung, im Allgemeinen aber wird man sagen müssen, daß Garantieen für eine bestimmte Regierungsform eines Staates am wenigsten zu rechtfertigen sind, denn sie constituiren ein eventuelles Interventionsrecht in die inneren Angelegenheiten des betreffenden Staates, der anerkennt, daß er selbst nicht im Stande ist, seine Selbständigkeit zu be haupten.

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