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schaftlichen Standpunkt aus der Vorzug gebührt, muss aufser Betracht bleiben. Verfolgen die Antragsteller, wie das Landgericht annimmt, einen erlaubten Zweck mit erlaubten Mitteln, so darf das Gericht ihrem Verlangen nicht deshalb entgegentreten, weil es von allgemeinen Gesichtspunkten aus ihre Interessen für nicht so berücksichtigenswert erachtet, wie die der Gegenpartei. Der Umfang, in dem die Interessen der einzelnen Aktionäre zu berücksichtigen sind, wird für solche Fälle durch das Gesetz und den Gesellschaftsvertrag bestimmt. Diejenigen Aktionäre, welche von der Annahme eines Antrages eine Schädigung ihrer Interessen besorgen, können durch Ausübung ihres Stimmrechtes und auf jede sonstige crlaubte Art die Annahme zu verhindern suchen. Gelingt ihnen dies aber nicht,

so ist der ordnungsmässig zustande gekommene Beschlufs auch für sie bindend, ohne Unterschied, ob er Tom wirtschaftlichen Standpunkt aus erwünscht ist oder nicht. Daraus folgt, dafs das Verlangen, einen Antrag der General-Versammlung zur Beratung und Beschlufsfassung vorzulegen, nicht um deswillen für ungerechtfertigt erklärt und zurückgewiesen werden darf, weil vom wirtschaftlichen Standpunkt aus die Interessen der Gegner des Antrages schwerer ins Gewicht fielen als die der Antragsteller und die Ablehnung des Antrages erwünschter sei als die Annahme. Die Abänderung des amtsgerichtlichen Beschlusses aus diesem Grunde verstöfst gegen das Wesen der Aktiengesellschaft und beruht daher auf Gesetzesverletzung.

Die angefochtene Entscheidung führt ferner aus, die Dresdner Bank habe den Kapitalserhöhungsbeschlufs im Wege der Klage angefochten. Es sei nicht angemessen, wenn durch Vermehrung ihrer Machtmittel durch Ankauf von Aktien die eine Partei auf die andere einen Druck auszuüben bestrebt sei, um zu erreichen, was sie ihrer Meinung nach im Klagewege erreichen könne. Es sei auch nicht richtig, dafs der Entscheidung des Prozesses durch eine erneute Beschlufsfassung vorgegriffen werde. Diese Erwägungen sind gleichfalls unzutreffend. Die Anfechtungsklage setzt voraus, dafs der Beschlufs der Gen.Vers. wegen Verletzung des Gesetzes oder des Gesellschaftsvertrages nichtig ist (HGB. §§ 271 ff.). Wird der Beschlufs durch einen neuen Beschlufs der Gen.-Vers. wieder aufgehoben, so wird er auch für den Fall für die Zukunft beseitigt, dafs er gültig ist. Der Entscheidung der Frage, ob der Beschlufs gültig oder nichtig, d. h. von Anfang an ungültig ist, wird durch den Aufhebungsbeschlufs nicht vorgegriffen. Keinesfalls ist ersichtlich, inwiefern das Verlangen, den Antrag auf Aufhebung der Gen.-Vers. zur Verhandlung und Beschlufsfassung zu unterbreiten, deshalb ungerechtfertigt sein soll, weil der Antragsteller den aufzuhebenden Beschlufs für nichtig hält und angefochten hat. Der Ankauf von Aktien stellt keine ungesetzliche oder unsittliche Handlung dar. Der Machtzuwachs, den der Käufer dadurch in den Angelegenheiten der Gesellschaft erlangt, ist eine auf dem Gesetz und dem Gesellschaftsvertrage beruhende Folge des Erwerbs der Aktien. Das Bestreben der Antragsteller, auf diesem Wege die Mehrheit in der Gen.-Vers., in der die Beschlufsfassung stattfinden soll, zu erhalten, kann nicht gegen, sondern nur für ihr Begehren sprechen. Der Beschlufs über die Erhöhung des Grundkapitals kann an sich unbedenklich durch einen neuen Beschlufs der Gen.-Vers. wieder aufgehoben werden. Der Vorstand erachtet diese Aufhebung auch nur deshalb für unzulässig, weil er einen Begebungsvertrag über die neuen Aktien abgeschlossen habe. Allein selbst wenn in einer Aufhebung des Kapitalserhöhungsbeschlusses eine mindestens zum Schadensersatz verpflichtende Verletzung der durch den Begebungsvertrag begründeten Rechte zu erblicken sein sollte, so ist doch immerhin die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit einer Beseitigung dieser Rechte durch einen zwischen der Gesellschaft und den Aktienzeichnern zu schliefsenden Vertrag vorhanden. Das Zustandekommen einer derartigen Vereinbarung erscheint um so weniger ausgeschlossen, als der Ausgang des Anfechtungsprozesses, selbst nachdem in erster Instanz die Klage abgewiesen worden ist,

bei der Zweifelhaftigkeit der in Betracht kommenden Fragen ungewifs bleibt, und als die Antragsteller durch Vorlegung von Bescheinigungen nachgewiesen haben, dafs sie mehr als die Hälfte des gesamten gegenwärtigen Grundkapitals vertreten, ihnen mithin ein mafsgebender Einfluss auf die Angelegenheiten der Gesellschaft nicht vorenthalten werden

kann.

Kann aber von der Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals Abstand genommen werden, ohne dafs dies notwendig zu unerlaubten Handlungen oder Unterlassungen führen mufs, so ist der vom Vorstande der Gesellschaft erhobene Einwand hinfällig und das Verlangen der Antragsteller, die Aufhebung des Beschlusses der Gen.-Vers. zur Beratung und Beschlufsfassung vorzulegen, als berechtigt anzuerkennen. (Beschl. I. Y 1029, 1030/04 v. 15. Okt. 1904.)

Dem Präsidenten der Justizprüfungskommission, Wirkl. Geh. Rat, Exz. Prof. Dr. Stölzel, ist die Entlassung aus diesem Amte nach fast 20jähriger Wirksamkeit unter Verleihung des Roten Adlerordens erster Klasse mit Eichenlaub bewilligt worden. Wir haben des sowohl um die gesamte Ausbildung der Juristen, als auch im Hinblicke auf seine zahlreichen ausgezeichneten Werke um die Wissenschaft hochverdienten bisherigen Präsidenten dieser verantwortungsvollen Kommission bei Anlafs seines 50jährigen Dienstjubiläums in unserem Blatte (1903 S. 312) eingehend gedacht. Nachdem Stölzel im Jahre 1898 aus dem Amte eines Vortragenden Rates im preussischen Justizministerium ausschied und nunmehr auch seine letzte amtliche Funktion niedergelegt hat, können wir uns, unter Verweisung auf das damals über seine Wirksamkeit Veröffentlichte, darauf beschränken, der Hoffnung Ausdruck zu geben, dafs es ihm beschieden sein möge, noch lange Zeit durch seine schriftstellerische und wissenschaftliche Betätigung sich auch ferner um die Rechtswissenschaft und Rechtspflege verdient zu machen. Zum interimistischen Präsidenten der Justizprüfungskommission ist im Nebenamte Oberlandesgerichtspräsident Dr. Eccius, Kassel, ernannt worden. Die Uebertragung dieses Amtes an diesen wissenschaftlich wie praktisch hochverdienten Juristen darf als eine besonders glückliche bezeichnet werden.

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Die XXIV. Jahresversammlung des Deutschen Vereins für Armenpflege und Wohltätigkeit tagte vom 25. bis 27. August in Danzig. Zur Verhandlung stand u. a. die bedeutsame Frage der Beratung Bedürftiger in Rechtsangelegenheiten. Dafs eine solche Beratung bei der Kompliziertheit unserer modernen Rechtsentwickelung, insbesondere auch auf dem Gebiete des Gewerberechts, ein dringendes Bedürfnis ist, ist nicht zu bezweifeln. Es wurde von den Referenten darauf hingewiesen, dafs die Unterstützung der Bedürftigen in den Anmeldestuben und Gerichtsschreibereien keine genügende sei, da es vielfach an Beamten fehle, welche über Zeit, Geduld und Kenntnisse verfügen, und weil der gröfste Teil der Anfragen sich auf Rechtsgebiete beziehe, welche der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte entzogen sind: Arbeiterversicherung und Gewerberecht. Die Rechtsanwaltschaft könne das Bedürfnis ebenfalls nicht befriedigen. Es

werde deshalb vielfach auf dem Wege der Selbsthilfe dem Notstande gesteuert. Der erste Schritt sei auf konfessionellem Boden getan; Arbeitervereinigungen gewerkschaftlichen Charakters seien nachgefolgt, und schliesslich hätten Gemeinden und freie Vereine sich der Angelegenheit bemächtigt. In vortrefflicher Weise arbeiteten das städtische Auskunftsbureau in Mülhausen i. E. und die Auskunftsstelle für Arbeiterangelegenheiten zu Frankfurt a. M. Zu empfehlen sei eine Verbindung der Auskunftsstelle mit der Stelle, welche die Versicherungs- und Gewerbesachen, insbesondere aber die Arbeitsvermittelung bearbeite. Es liefsen sich aber nicht allgemein gültige Regeln aufstellen; es sei jede Stelle zu unterstützen und zu fördern, welche sich eine unparteiische Auskunfterteilung angelegen sein lasse, wenngleich die kommunalen Auskunftsbureaus eben wegen ihrer selbstverständlichen Unparteilichkeit den Vorzug verdienten. Daneben sollten alle Behörden Rechtsuchenden in entgegenkommender Weise Auskunft erteilen.

Andererseits wurde darauf hingewiesen, dafs man zwischen kleinen, mittleren und ganz grofsen Gemeinwesen unterscheiden müsse. In kleinen Orten sei der Amtsrichter, wenn er sein Amt dem Geiste des Gesetzes entsprechend auffasse, der geborene Berater seiner Gerichtseingesessenen; in mittleren Städten sei der richtige Boden für die vorgeschlagenen Auskunftsbureaus, während solche in ganz grofsen Städten mit erheblichen Schwierigkeiten kämpfen würden. Es wurden schliefslich folgende Leitsätze angenommen:

1. Es ist auf allen Gebieten des Rechtslebens und der Verwaltung dahin zu streben, dafs rechtsuchenden unbemittelten Personen die Erlangung von Auskunft, Rat und Hilfe erleichtert werde.

2. Das Ziel ist zunächst durch entsprechendes Verhalten im unmittelbaren Verkehr der zuständigen Behörden mit den Beteiligten, durch Vereinfachung, Verbilligung und Beschleunigung des Prozefsverfahrens in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, soweit über dieselben nicht die Landgerichte in erster Instanz zu entscheiden haben, durch übersichtlichere, zweckmäfsigere Gestaltung der Arbeiterversicherungs- und Gewerbegesetzgebung und sachliche Belehrung der betr. Kreise über ihre Rechte und Pflichten zu verfolgen.

3. Zur Ergänzung ist es erwünscht, wenn diejenigen Einrichtungen, welche sich in unparteiischer Weise die Gewährung von Auskunft und Beistand an unbemittelte Rechtsuchende angelegen sein lassen, je nach den örtlichen Verhältnissen unterstützt, insbesondere durch die staatlichen, die Kreis- und Gemeindeorgane gefördert werden.

Amtsgerichtsrat Dr Köhne, Berlin.

Neue Gesetze, Verordnungen u. dgl.

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Preufsen: M.-Vf. v. 15. 9. 1904, bt. Grundb.-Anleg. f. Bezk. d. A-G. Braubach, Hachenburg, Hadamar, Höchst a. M., Niederlahnstein, Usingen, Wallmerod u. Gladenbach (Ges.-S. S. 252 u. 267). - Ges. v. 29. 8. 1904, bt. Spiel in aufserpreufs. Lotterien (S. 255). M.-Vf. v. 22. 7. 1904 üb. Zuziehg. fremd. Konsularbeamt. z. Amtshandlgn. inländ. Behörd, u. Beamten in preufs. Seehäfen (J-M.-BI. S. 250). Allg. Vf. v. 27. 9. 1904, bt. Kosten d. Rechtshilfe unt. d. Behörd. verschied. Bundesst. u. Verfahr. b. Zuziehg. v. Sachverständ, w. in e. and. Bundesst. wohnh. s. (S. 255). Allg. Vf. v. 1. 10. 1904, bt. Erläut. u. Ergzg. d. Allg. Vf. v. 16. 9. 1882 (Fürsorgeerziehg.) (S 259). - Allg. Vf. v. 3. 10. 1904, bt stempelsteuerl. Behandl v. Urkdn., für die der Stempel m§ 31 Preufs. Ger.-Kost.-Ges. z. d. Gerichtskosten einzuzieh. ist, u. bt. d. Stempelansatz zu lästigen Verträgen, die zugleich eine Schenkg enthalten (S. 265).

Sachsen: M.-Vo. v. 1. 10. 1904, bt. Messungen b. Grundstücksteilgn. (G- u. Vo -Bl. S. 409).

Württemberg: M.-Vf. v. 22. 9. 1904, bt. Vollzug d. Ges. v. 8. 8. 1903 üb. Besteuergsrechte d. Gemeinden u. Amtskörperschttn. (Reg.-Bl. S 263). - M.-Vf. v. 1. 9. 1904, bt. Vormundschafts- u. Nachlafswesen (Amtsbl. d. Just.-M. S. 61). M.-Bk. v. 22. 9. 1904, bt. Gefang.-Transp. auf d. Eisenb. (S. 62). M.-Vf. v. 29. 9. 1904, bt. Rechtshilfeverk. m Bosnien u. d. Herzegowina (S. 68). Hessen: Vo. v. 15. 9. 1904, bt. zweite Prüfung f. d. Staatsdienst im Justiz- u. Verwltgsfach. (Reg.-Bl. S. 343). M.-Bk. v. 16. 9. 1904,

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bt. Anleg. d. Grundb. in weiteren 46 Gemarkgn. (S. 348). — M.-Bk v. 3. 10. 1904, bt Kosten d. Rechtshilfe unt. Behörd. verschied Bundesstaaten u. Verf. b. Zuziehg. v. Sachverständ, die in einem and. Bundesst. wohnh. s. (Amtsbl. d. M. d. Just. No. 19). Mecklenburg-Strelitz: Reg.-Vo. v. 24. 9. 1904, bt. Rechtshilfeverk. m. Bosnien u. d. Herzegowina (Off. Anz. S. 261). .Reg.-Bk. v. 4. 10. 1904, bt. Vollstreckbkt. v. Entsch. dtsch. Ger. in Bosn. u. d. Herzegowina (S. 262). Vo. v. 15. 9. 1904 z. Ausf. der Einf.-Ges.

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z. Ger. Verf.-Ges. § 5, z. Z.-P.-O. § 5, z. Ges. üb. Zwangsversteig. u. Zwangsverwitg. § 2 Abs. 1, z. Konk.-O. § 7 u. z. St.-P.-O. § 4 (Of. Anz. f. Ratzeb. S. 277).

Oldenburg: Reg.-Bk. v. 22. 6. 1904, bt. Vorschrift, üb. Ordn. aut Kirchhöfen (Ges.-Bl. f. d. Fstt. Lübeck S. 657). M.-Bk. v. 22. 7. 1904 z. Ausf. d. R.-Ges. v. 6 7. 1904, bt. Kaufmger. (S. 703). - M.-Bk. v. 13. 9. 1904, bt. Prüfgs.-O. f. Apotheker (S. 709 u. Ges.-Bl. f. d. Fstt. Birkenf. S, 315).

Braunschweig: M.-Bk. v. 24. 9. 1904 z. Ausf. d. R-Ges. v. 6. 7. 1904, bt. Kaufmannsgerichte (G.- u. Vo.-S. S. 305).

Anhalt: M. - Bk. v. 20. 6. 1904, bt. Redaktion des Einkommensteuerges. (Ges.-S. S. 163) nebst Ausf.- Vo. hierzu v. 12. 7. 1904 (S. 205). - Ausf.-Vo. v. 20. 8. 1904 z. L.-Pol.-Vo. v. 1. 3. 1901 üb. Verk. m. Fahrräd. auf öffentl. Wegen, Strafsen u. Plätzen (S. 251). Schwarzburg-Rudolstadt: M-Vo. v. 17. 9. 1904 z. Ausf. d. R.-Ges. v. 6. 7. 1904, bt. Kaufmannsgerichte (Ges.-S. S. 203). Schaumburg-Lippe: Hö. Bk. v. 5. 10. 1904, bt. Prüfgs.-O. f. Apotheker (L-Vo. S. 515).

Lübeck: Vo. v.

u. Vo. No. 73).

18. 27.

8. 1904, bt. Verkehr m. Milch (S. d. Ges.

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Die Dresdner Bank trat mit einer günstigen Streitstellung in den Monat Oktober ein, hervorgerufen dadurch, dafs das Prozefsgericht die Eintragung des Kapitalserhöhungsbeschlusses bis zum Urteil erster Instanz untersagt hatte. Die Lage wurde geändert schon am 1. Oktober, indem das Beschwerdegericht die vom Amtsrichter erteilt gewesene Erlaubnis zurückzog, der Tagesordnung vom 22. Oktober „Aufhebung der Kapitalserhöhungsbeschlüsse vom 27. Aug." als weiteren Gegenstand hinzuzufügen. Indes mit Recht hob das Kammergericht am 15. Okt. diese Zurücknahme auf. Was schon ein Besitz von 5% des Aktienkapitals erlangen kann, darf um so weniger einem Aktienbesitz von mehr als 50% vorenthalten werden, zumal im Handelsrechte (HGB. § 304) der Verstaatlichungsgedanke nur als ein für die Gesellschaft höchst wichtiges, nicht als ein ihren Interessen schädliches Vorhaben in Betracht zu ziehen ist.

Allein vollständig in sein Gegenteil verkehrt wurde der günstige Streitstand der Dresdner Bankgruppe dadurch, dafs das Prozefsgericht schon vor der neuen Generalversammlung zu einem die Anfechtungsklage abweisenden Urteil gelangte. Der Registerrichter hielt dies Urteil für zutreffend und liefs sich daher nicht bereit finden, den Eintritt der Bedingungen für die Rechtswirksamkeit der Aktienzuteilung und der Stimmausübung der jungen Aktien noch weiter auszusetzen. Gewifs hätte derselbe die Anmeldungen zum Register als ungesetzlich zurückweisen können, weil ein Aufsichtsratsmitglied gegen das Verbot von HGB. § 246 die Teilnahme an der Anmeldung durch einen Vertreter betätigte. Allein dieser Verstofs ist durch die Tatsache der Eintragung geheilt, 1) Vgl. den bez. Auszug S. 1024 d. Nr.

weil wesentliche Voraussetzung" (RFGG. § 142) für die Eintragung nur ist, dafs sämtliche Aufsichtsratsmitglieder, nicht, dafs sie alle persönlich bei der Anmeldung mitwirken.

Auch darum ist die Teilnahme der Jungaktien an der neuen Generalversammlung vorläufig keine Gesetzwidrigkeit, weil diese Teilnahme nur durch den Vollzug angefochtener Beschlüsse ermöglicht wurde, denn ihre Anfechtung als solche macht Generalversammlungsbeschlüsse keineswegs unvollziehbar.

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So bleibt nur eines: Durften Berliner Handelsgesellschaft und Bleichröder bei dem Beschlusse über die Aktienbegebung am 27. Aug. mitstimmen? Die richtige Auffassung kann hier lediglich sein: sobald für die Gesellschaft nach der Beschlufsfassung die Möglichkeit verbleibt, ohne die Folge rechtlicher Nachteile mit irgend jemand anders als diesem Aktionär abzuschliefsen, betrifft die Beschlufsfassung kein Rechtsgeschäft mit ihm" im Sinne von HGB. § 252. Bei anderer Auslegung wäre es dem Bankier eines Aktienunternehmens unmöglich, als Aktionär auf die Geschäftsführung entscheidend einzuwirken. Denn als Grofsaktionär sitzt der Bankier zugleich im Aufsichtsrat und erfährt und beratschlagt demgemäfs den Begebungsplan. Dafs hierbei auch gegenseitig unverbindliche Erklärungen zwischen Vorstand und Bankier als draufsen stehender Finanzkraft des Unternehmens gewechselt werden, ist wohl unvermeidlich bei der Verbindung von Aufsichtsrats- und Kapitalgeber-Stellung in ein und derselben Person. Professor Dr. Rehm, Strafsburg i. E.

Neue Vorschläge zu einem prozessualen Notstandsgesetze. Ausser dem in No. 12 d. B. besprochenen Antrag Hagemann u. Gen. suchen die inzwischen in No. 19 und 20 von Geh. JR. Möller und RGR. Galli gemachten Vorschläge das Ziel der Entlastung des Reichsgerichts in Strafsachen auf verschiedenen Wegen zu erreichen.

Den beiden neuen Vorschlägen ist gemeinsam, dass sie nicht, wie Hagemann u. Gen., eine mittelbare Entlastung des Revisionsgerichts durch Abänderung der Zuständigkeit der unteren Instanzen (Schöffengericht und Landgericht) anstreben, sondern dafs sie diese Erleichterung direkt durch Uebertragung eines Teiles der bisher vom Reichsgericht zu bearbeitenden Revisionen auf die Oberlandesgerichte erreichen wollen. Dagegen unterscheiden sie sich wesentlich voneinander dadurch, dafs Möller im Einklange mit dem Antrage Hagemann die Revision bezüglich einzelner, speziell zu bestimmender Straftaten den Oberlandesgerichten zuweisen will, während Galli von einer solchen Spezialisierung ganz absieht und ohne Rücksicht auf die Art der Reate die Ausscheidung nur danach trifft, ob im einzelnen Falle auf eine höhere oder geringere Strafe (Haft oder Gefängnis bis zu 6 Monaten oder Geldstrafe bis zu 1500 M.) erkannt ist.

Es ist anzuerkennen, dafs beide Vorschläge den Vorzug grofser Einfachheit haben, dafs sie organisatorische Aenderungen in den unteren Instanzen nicht erfordern, und dafs sie dem Gesetzgeber die Beantwortung der schwierigen Entscheidung darüber, welche Vergehen sich zur Aburteilung durch die Schöffengerichte eignen, völlig ersparen.

Diesen Vorzügen gegenüber scheint der Vorschlag Möller die Gefahr zu bergen, dass bei Annahme desselben der Einfluss des Reichsgerichts kaum in dem für Aufrechterhaltung der Einheit der Rechtsprechung erforderlichen Mafse fortbestehen könnte. Besonders die Vergehen, welche der Antrag Hagemann u. Gen. dem § 75 GVG. einreihen und den Schöffengerichten bedingt, d. h. nach Ermessen der Strafkammer im einzelnen Falle, zugewiesen

haben will, müfsten nach dem Vorschlage Möllers beim Wegfall der dieses Ermessen ausübenden Zwischeninstanz den Schöffen unbedingt überwiesen werden. Damit würden aber wichtige und häufig vorkommende Vergehen (Körperverletzungen nach §§ 223a und 230 Abs 2 StrGB., Kuppelei nach § 180, Nötigung nach § 240, Veranstaltung von Lotterien und Ausspielungen nach § 286 usw.) der Judikatur des Reichsgerichts vollständig entzogen, und damit fiele jede Garantie für eine einheitliche Rechtsprechung der zahlreichen übrigen Revisionsgerichte weg. Wollte man aber mit Rücksicht hierauf die Revision bezüglich dieser Vergehen oder eines Teiles derselben dem Reichsgerichte belassen, so würde sich die Entlastung so reduzieren, dafs sie völlig ungenügend wäre.

Diese Gefahr vermeidet der Vorschlag Galli, indem er mittels seiner Ausscheidung nach der Höhe der erkannten Strafe den weiteren Vorzug bietet, dafs bei allen mit mehr als 6 Monaten Gefängnis bedrohten Vergehen die Revision auch künftig an das Reichsgericht gelangen würde, sofern nur ein höher zu bestrafender Fall vorläge, so dafs die sämtlichen Tatbestände je nach der Schwere des Vergehens abwechselnd beim Reichsgerichte und beim Oberlandesgerichte zur Beurteilung kämen, wodurch die Oberlandesgerichte in ständiger Fühlung mit der Rechtsprechung des Reichsgerichts bleiben würden. Auch der Vorbehalt, dafs die Staatsanwaltschaft in einzelnen Fällen mit Ermächtigung der Landesjustizverwaltung befugt sein soll, die Entscheidung des Reichsgerichts zu beantragen, bietet eine Garantie für die Wahrung der Rechtseinheit (vgl. § 136 GVG.). Welche Wirkung diese Ausscheidung quantitativ haben würde, dürfte sich nicht allzu schwer durch statistische Erhebungen die auch Galli vorbehält

ermitteln lassen. Es wird angenommen werden dürfen, dafs die Ausscheidung nach dem vorgeschlagenen Strafmasse zur Entlastung reichlich genügen würde; dafs die Revisionen gegen freisprechende Urteile beim Reichsgerichte zu verbleiben hätten, würde bei der geringen Zahl dieser Fälle dieses Ergebnis kaum beeinflussen.

Nachdem es nicht gelungen ist, den Antrag Hagemann u. Gen. im Interesse sofortiger Abhilfe noch bei der vorigen Tagung des Reichstages zur Verhandlung und Annahme zu bringen, dürfte es sich bei der notwendigen neuen Inangriffnahme der Sache empfehlen, auch die späteren Vorschläge, insbesondere den Gallis, ernstlich in Erwägung zu ziehen.

Senatspräsident beim Reichsgericht a D. Dr. v. Bomhard, Leipzig.

Gültigkeit der zweiten Ehe trotz Aufhebung des Scheidungsurteils? Hellwig hat S. 834 ff. d. Bl., im Gegensatze zu Planck, Dernburg u. a., die Ansicht verfochten, dafs trotz Aufhebung des Scheidungsurteils auf Restitutionsklage hin die zweite Ehe gültig bleibe. Die neue Theorie kann nicht gebilligt werden.

Eine Restitutionsklage gegen ein Scheidungsurteil, die zwar zur Urteilsaufhebung, nicht aber zur Wiederherstellung der geschiedenen Ehe führte, wäre nur etwa der französischen Nichtigkeitsbeschwerde im Interesse des Gesetzes vergleichbar. Dieser Rechtsbehelf aber ist dem Reichsprozefsrecht unbekannt.

Wird das Scheidungsurteil im Wiederaufnahme-Verfahren aufgehoben, so ist damit nachträglich die Scheidungsklage abgewiesen. Die Scheidung aber hängt mit der Bejahung des Scheidungsanspruchs untrennbar zusammen. Sie kann, nachdem ihr dieses Fundament entzogen ist, nicht selbständig fortbestehen, das gesetzliche Scheidungsrecht nicht durch Fälle grundloser Ehescheidung erweitert

werden. Nach der Ansicht Hellwigs erhielte der Abschlufs neuer Ehe nach zu Unrecht erfolgter Scheidung zwar nicht den Namen, aber die Kraft eines Scheidungsgrundes. Die Scheidung der Ehe würde, auch wenn das Scheidungsurteil auf Restitutions-Klage hin wieder fallen sollte, doch erreicht durch den Abschlufs neuer Ehe, möchten selbst die Eheschliefsenden den Mangel der Berechtigung des Scheidungsurteils genau gekannt haben.

Die zweite Ehe zu schonen, gibt es kein anderes Mittel als den völligen Ausschlufs der Restitutionsklage. Der Versuch, mit der Restitutionsklage den Fortbestand der zweiten Ehe zu vereinigen, ist Versuch, zwischen unvereinbaren Gegensätzen zu vermitteln. Wird der Klage die Wirkung versagt, zur Aufhebung der Scheidung zu führen, so kann auch nicht die Aufhebung des Scheidungsurteils durch sie erreicht werden, und sie ist überhaupt nicht mehr Restitutionsklage, sondern ein der ZPO. unbekannter und dem Parteiinteresse nicht dienlicher Rechtsbehelf.

Hellwig ist von dem konstitutiven Charakter des Ehescheidungsurteils ausgegangen und hat, von der Spezies zum Genus, den rechtsgestaltenden Staatsakten, fortschreitend, die Frage gestellt, inwieweit deren Wiederbeseitigung durch die Rücksicht auf inzwischen entstandene Rechtssituationen zu begrenzen sei. Eine in Tat sehr dankenswerte Anregung! Rechte, die auf Grund konstitutiven Staatsakts von dritten erworben worden sind, müssen bei Wiederaufhebung des Akts in möglichst weitem Umfange respektiert werden. Aber die Anwendung, die Hellwig von diesem Prinzip auf unsern Fall macht, ist nicht zu billigen. Das lehrt deutlich ein Vergleich mit dem auch von Hellwig herangezogenen § 32 FGG. (und den verwandten Normen in § 115 Abs. 1 S. 2 usw. BGB.).

Nach diesem Gesetze hat die Aufhebung einer Verfügung, durch die jemand die Fähigkeit (= Geschäftsfähigkeit, z. B. infolge Volljährigkeitserklärung) oder die Befugnis (= Befähigung, mit Wirkung für andere, als Vormund, Pfleger, Beistand, Nachlafsverwalter etc., oder für eine mit andern gemeinsame Vermögensmasse, Gesamtgut z. B., zu handeln) zur Vornahme eines Rechtsgeschäfts etc. erlangt hatte, auf die Wirksamkeit der inzwischen von ihm... vorgenommenen Rechtsgeschäfte keinen Einfluss. Es wird also zum Schutze dritter der Ex-tunc Wirkung der abändernden Verfügung eine bestimmte Konsequenz abgebrochen.

Aufhebung des Ehescheidungsurteils aber kann nicht geschehen unbeschadet der Gültigkeit inmittelst geschlossener neuer Ehe. Das hiefse nicht eine einzelne Wirkung der Aufhebung verneinen, sondern dieser selbst den wesentlichen Inhalt nehmen. Die Ehe war durch den konstitutiven Staatsakt, das Scheidungsurteil, vernichtet; wird dieses aufgehoben, so ist sie es nicht mehr. Das Wesen des Scheidungsurteils liegt in der Vernichtung der Ehe, nicht in Erlangung der Befugnis zur Wiederverheiratung. Wem das ideelle Gut der Ehegattenqualität zu Unrecht genommen worden ist, mufs das Recht haben, es sich wieder zu erstreiten, was auch inzwischen geschehen sein mag. Wie die Scheidung nicht ausgesprochen wurde, um Wiederverheiratung zu ermöglichen, so kann ihre Wiederaufhebung nicht versagt werden wegen der Wiederverheiratung. Deutet man die Aufhebung dahin, dafs sie nur deklariere, die erste Ehe würde als nichtgeschieden zu erachten sein, wenn nicht inzwischen eine neue Ehe geschlossen wäre, so wird dieser letztere Tatbestand zum Träger der fortdauernden Scheidung, also selbst zu einem Scheidungsgrunde (vel quasi) gemacht.

Wenn irgendwo, so mufs für die Frage, ob der frühere oder jetzige Ehegatte des Binubus nach Aufhebung des Scheidungsurteils die Ehegattenqualität verlieren soll, das

Prinzip durchschlagen: prior tempore, potior jure. Wohin führte auch die Bevorzugung des neuen Gatten! X will von der Y loskommen, um die Z zu heiraten. Es gelingt ihm, durch die Aussagen er kaufter Zeugen das Scheidungsurteil zu erwirken, und er könnte dann im sicheren Besitze seiner neuen Ehefrau Z der Restitutionsklage der Y mit Ruhe entgegensehen. Während in solchem Falle der Y die Fortsetzung der Ehe nicht zugemutet werden kann (§ 1568 BGB), schneidet man ihr die Wiederherstellung der Ehe ab! Und während ihr ein vollgewichtiger Scheidungsgrund (§ 1568) zur Seite steht, hätte es der Mann grundlos zur Scheidung getrieben!

Aber ist es nicht unerträglich, dafs Rechtsgeschäfte, die der geschiedene Ehegatte in der Zwischenzeit geschlossen hat, durch Wiederherstellung der Ehe unwirksam werden könnten, dafs auf die von der geschiedenen Ehefrau in der Zwischenzeit geborenen Kinder die Ebelichkeitsvermutung anzuwenden wäre? Mit vollem Rechte bezeichnet Hellwig diese Annahmen als absurd. Aber sind sie mit Wiederherstellung der ersten Ehe notwendig verbunden? Können sie nicht durch analoge Anwendung des im § 32 FGG. niedergelegten Prinzips und durch rationelle Gesetzesauslegung vermieden werden? Durch Aufrechterhaltung der zweiten Ehe wird weit über das Ziel hinausgeschossen und für den Wegfall zivilistischer Abnormitäten die begriffliche Unmöglichkeit einer rechtsbeständigen Ehescheidung trotz rechtskräftig festgestellten Mangels eines gesetzlichen Scheidungsgrundes eingetauscht. Aber verdienstlich bleibt, dafs Hellwig durch den Hinweis auf § 32 FGG. und die verwandten Normen des BGB. den Weg angedeutet hat, der zur Beseitigung der Schwierigkeiten führt, auch wenn verworfen wird die Gültigkeit der zweiten Ehe trotz Aufhebung des Scheidungsurteils".

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Professor Dr. Oetker, Würzburg.

Ein alter Zopf. Jedesmal, wenn ich am Quartalsersten neben dem Gehalt an einer besonderen Kasse und gegen besondere Quittung den Betrag von sechs Mark als Schreibmaterialiengelder" in Empfang nehme, habe ich das Gefühl, dafs der sonst so karge Fiskus hiermit seinen Richtern eine Art Geschenk macht, da sie gar nicht imstande sind, so viel Papier, Federn und Tintenflaschen anzuschaffen, als sich für 6 M. kaufen läfst, so dafs noch vierteljährlich ein hübscher Barbetrag übrig bleibt. Namentlich, wenn man keine Urteile mehr selbst zu verfassen braucht, ist der amtliche Papierverbrauch sehr gering, und während man als Referendar für seine bogenlangen Berichte und Voten oft erhebliche Auslagen hatte, für die man keinen Ersatz erhielt, weifs man jetzt häufig gar nicht, was man mit den 6 M. „extra" machen soll. Diese Extravergütung des Richters, die mit dem, wofür sie geleistet wird, eigentlich in gar keinem Verhältnis steht, hat fast etwas Lächerliches an sich, obgleich noch keiner darüber gelacht, vielmehr jeder das Geld schmunzelnd als kleinen „Zuschufs" zum Gehalt eingesteckt hat; man ist eben an diesen alten Zopf gewöhnt und nimmt ihn schweigend hin, weil man's nicht anders gekannt hat.

Ich habe mich vergeblich bemüht, zu erforschen, worauf diese alte Einrichtung beruht,1) die es dem Richter ermöglicht, mit der überschüssigen Tinte auch seine anderen literarischen Arbeiten, ja sogar seine Privatkorrespondenz zu besorgen, und ich kann mir nur folgendes als Grund denken. Als der frühere Stadt- oder Kreisrichter noch sein kärgliches Gehalt erhielt, da war das gewöhnliche

1) Aufser einem Staatsministerialbeschlufs v. 11. Mai 1963 (JMBI. S. 214) habe ich nichts entdeckt.

Aktenpapier aus so dürftigem Strohstoff gefertigt, die Gänsefeder so mangelhaft und die Tinte so leicht schimmelnd, dafs man es vorzog, auf dem Gericht zu arbeiten und dort das bessere kgl. Material zu benutzen. Da dies aber dem Fiskus zu kostspielig wurde, so verbot man dies anscheinend, und um eine Prämie darauf, dafs das Gebot befolgt wurde, zu setzen, gewährte man jedem Richter pro Vierteljahr „zwei Taler", was ja zu jenen Zeiten eine schöne Summe Geldes war. Jetzt, nachdem Papier, Tinte und Federn billiger geworden und uns ersteres obendrein aus den Gerichtsbeständen zu Vorzugspreisen verabfolgt wird, haben jene Schreibmaterialiengelder keinen rechten Sinn mehr, und man würde gern darauf verzichten, wenn statt dessen etwa jährlich ein Equipierungsgeld für die stets reparaturbedürftige Robe (die übrigens jetzt auch ihr Jubiläum gefeiert hat) oder ein höherer Wohnungsgeldzuschufs etwa mit Rücksicht auf die Erhöhung des Strafsenbahnabonnements uns aus fiskalischen Fonds gewährt würde. Aber darauf ist wohl nicht zu rechnen?

Senatspräsident Eichhorn, Berlin.

Ist gegen einen Untersuchungsgefangenen wegen ungebührlichen Verhaltens in der Hauptverhandlung die Verhängung von Disziplinarstrafen auf Grund der preufs. Gefängnisordnung zulässig? Diese S. 853-854 d. Bl. besprochene und bejahte Frage hat das OLG. Naumburg m. E. mit Recht kürzlich verneint aus folgenden Gründen: „Die Festsetzung von Disziplinarstrafen auf Grund des Abschnittes D. der Gefängnisordnung findet gegen Straf- oder Untersuchungsgefangene statt, die gegen die Verhaltungsmafsregeln für die Gefangenen verstofsen haben; dabei ist es selbstverständlich gleichgültig, ob es sich um Verfehlungen handelt, die im Gefängnisse selbst oder aufserhalb desselben, sei es etwa auf Aufsenarbeit oder auf einem Transporte (wohin auch die Vorführung zu einer Sitzung zu rechnen ist), begangen sind. Das Wesentliche ist immer, dafs es sich um die Verfehlung eines Gefangenen handelt, die er unter solchen Umständen begangen hat, dafs er dafür als Gefangener verantwortlich zu machen ist. Das trifft aber nicht zu, wenn ein Untersuchungsgefangener sich während der Hauptverhandlung einer Ungebühr schuldig macht. Während dieser Zeit steht er dem Gerichte in erster Linie als Angeklagter gegenüber und kann das Gericht gegen ihn, vorbehaltlich strafgerichtlicher Verfolgung, nur die in § 179 des GVG. vorgesehenen Strafen festsetzen."

Erster Staatsanwalt Greffrath, Meseritz.

Ist das Eintrittsgeld die Voraussetzung für statutarische Mehrleistungen der Zwangskrankenkassen? Die Ansicht des GAss. Dr. Adam S. 644 d. Bl., nach welcher es zulässig ist, diejenigen statutenmässigen Leistungen einer Orts-, Betriebs- (Fabrik-), Bau- oder Innungskrankenkasse, welche über das gesetzlich vorgeschriebene Mindestmafs hinausgehen, von der vorher erfolgten Zahlung eines Eintrittsgeldes abhängig zu machen, veranlafst mich zur Darlegung meines abweichenden Standpunktes.

Schon das natürliche Rechtsgefühl sträubt sich dagegen, dass der versicherte Arbeiter durch die Säumigkeit seines Arbeitgebers bei der Anmeldung und der vorschufsweise zu entrichtenden Zahlung des Eintrittsgeldes leiden und in seinen Forderungen gegenüber der Kasse beschränkt werden soll. Auch Zweckmässigkeitsgründe lassen sich für diese Auffassung nicht ins Feld führen: einem Kassenmitglied, das in den ersten Stunden oder Tagen der Kassenzugehörigkeit erkrankt, ehe überhaupt das Ein

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trittsgeld mit dem ersten Beitrage zugleich fällig geworden war, gebührt die volle statutenmässige Unterstützung, von Säumigkeit des Arbeitgebers kann hier noch gar nicht die Rede sein; liegt aber letztere vor, so ist es gleichwol besser, die Krankenkasse zur ungeschmälerten Zahlung an das Mitglied zu verpflichten und ihr den Rückgriff gegen den nachlässigen Arbeitgeber nach § 50 KVG. zu geben. Die Arbeitgeber werden um so sorgfältiger ihrer Anmeldepflicht genügen, wenn sie wissen, dafs sie es im Unterlassungsfalle nicht mit dem Versicherten, sondern mit der zahlungspflichtigen und rückgriff berechtigten Krankenkasse zu tun bekommen. Ebenso nötigt zu dieser Anschauung der Wortlaut des § 26 Abs. 3 KVG., der den Kassen lediglich gestattet, die Bestimmung zu treffen, dafs neu eintretende Mitglieder ein Eintrittsgeld zu zahlen haben. Nicht erlaubt und auch keineswegs selbstverständlich ist es, wenn eine Kasse das Anrecht auf die volle satzungsmässige Unterstützung an die Voraussetzung der Zahlung des Eintrittsgeldes knüpft. Die Einschränkungen, die das Gesetz zuläfst, sind in demselben (vgl. §§ 26, 26a) ausdrücklich erwähnt; dahin gehört z. B. die in § 26 Abs. 3 angeführte Vorschrift, dafs eine Karenzzeit Platz greifen darf von einer Versagung der Mehrleistungen bis zur Entrichtung des Eintrittsgeldes ist dagegen nirgends etwas gesagt, abgesehen von der Aufrechnung, die § 56 den Kassenverwaltungen zugesteht. Und wie sollte denn die Abhängigkeit der Mehrleistungen von der Eintrittsgeldzahlung aufzufassen sein? Soll die nachträgliche Entrichtung rückwirkende Kraft haben, so dafs dadurch der volle Anspruch erwächst? Oder glaubt Adam, dafs die Zahlung erst mit dem Augenblick ihrer Ausführung die Mehrleistungen für die Zukunft sichert? Oder hält er die verspätete Zahlung für ganz einflufslos bei einem schon vorher eingetretenen Unterstützungsfall? Ich glaube, dafs seine Ansicht ihre Erklärung findet in der allzu starken Berücksichtigung zivilrechtlicher Gesichtspunkte von Leistung und Gegenleistung, wie sie dem privaten Versicherungsrecht wohl entsprechen würden: der öffentlich-rechtliche, zwingende Charakter des im KVG. festgelegten Arbeiterversicherungsrechts nötigt dagegen zu der Annahme, dafs durch die Tatsache der versicherungspflichtigen Beschäftigung ohne weiteres das Anrecht auf die statutenmässigen Kassenleistungen als Folge der Zwangsmitgliedschaft erworben wird, es sei denn eine Karenzzeit im Statut vorgesehen, und dafs die Frage, ob überhaupt und ob rechtzeitig das Eintrittsgeld gezahlt ist, die Ansprüche der Pflichtmitglieder gegen die Kasse nicht berührt. Stadtrat H. von Frankenberg, Braunschweig.

Mangel der schriftlichen Form bei einem Mietvertrage über Gebäude. Die O.-Brauerei stand mit dem Eigentümer D. einer Wirtschaft in Unterhandlungen wegen der Vermietung der letzteren auf 5 Jahre. Bei Feststellung der Bedingungen wurde schriftliche Beurkundung des Mietvertrages vereinbart, dieselbe aber nicht vollzogen. Die O.-Brauerei hat infolgedessen die Wirtschaft nicht angetreten und den Mietzins verweigert. Das Landgericht verurteilt sie zur Zahlung des Mietzinses mit der Begründung:

„Der Umstand, dafs entgegen der Bestimmung des § 566 Satz 1 BGB. der Mietvertrag zwischen den Parteien nicht schriftlich beurkurdet ist, hat nicht die in § 125 BGB. vorgesehene Nichtigkeit des Vertrages zur Folge, sondern bewirkt gemäfs § 556 Satz 2 BGB. nur, dafs der Vertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt und die Kündigung für den Schlufs des ersten Mietjahres zulässig war.“

Dafs § 125 BGB. nicht zur Anwendung kommt, ist richtig. Das Landgericht irrt aber m. E., wenn es der Nichtbefolgung der Formvorschrift des § 566 Satz 1 aus

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