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Soll er infolge des fallen gelassenen Verlangens des einen Zinsprozents des Rechtsmittels aus § 99 Abs. 2 verlustig gehen? Soll gar aus demselben Grunde dem Gegner der Weg des § 99 Abs. 2 verschlossen sein, wenn die Voraussetzungen des § 93 ZPO. zu Unrecht verneint sind? Obwohl § 99 Abs. 1 die Regel ist, die Absätze 2 und 3 die Ausnahmen sind, ist die engste Auslegung dieser Bestimmungen nicht die richtige. 1) Gemeint dürfte mit § 99 Abs. 2 und 3 sein, dass, sobald ein kontradiktorisches Urteil vorliegt, mag es auch nur einen Teil des Rechtsstreits betreffen, die Regel des § 99 Abs. 1 durchgreift, dafs aber in anderen Fällen beim Vorliegen eines Anerkenntnisurteils die ganze Kostenentscheidung dem ordentlichen Rechtsmittelzuge unter Ausschlufs der sofortigen Beschwerde unterliegt, gleichviel, ob vor Anerkenntnis noch mehr im Streite war, und dafs drittens der Weg des $99 Abs. 3 das Fehlen jeder Entscheidung über die Hauptsache voraussetzt. Letzteres ergibt sich aus dem in den Motiven angegebenen Grunde der Zulassung der Ausnahme. Der von der Reichstagskommission zugesetzte Abs. 2 erweitert nicht die Fälle der Zulassung der auch hier ursprünglich gewollten, aber nicht in das Gesetz aufgenommenen sofortigen Beschwerde, gibt sie also auch nicht für den Fall, dafs ein Teil des Rechtsstreits durch Anerkenntnisurteil erledigt ist; für alle Fälle des Anerkenntnisurteils aber, abgesehen von solchen, bei denen eine kontradiktorische Entscheidung vorliegt oder noch aussteht, läfst er den ordentlichen Rechtsmittelzug für die Kostenentscheidung zu. Wegfall der Notwendigkeit kontradiktorischen Spruchs ist in Absatz 2 der Sinn des sonst in anderer Bedeutung gebrauchten Wortes erledigt“. Als Wille des Gesetzgebers kann nicht präsumiert werden, dass er, hätte er an die Schwierigkeit gedacht, dem Rechtsmittelgerichte nur einen Teil des Kostenstreits hätte vorlegen und damit die Prozefslage noch hätte komplizieren wollen, und dafs er Fälle, wie die oben erörterten, die Fälle des Fallenlassens, Vergleichs usw. bez. eines Teils des Anspruchs vor Anerkenntnis von der Anfechtung habe ausschliefsen wollen. Der Reichstag hielt für nicht wesentlich bedenklicher als die Anrufung der höheren Instanz nach erledigter Hauptsache ihre Anrufung nach Anerkenntnis. Ueber die Unbedenklichkeit im Falle des reinen Kostenurteils waren die Regierungen und die Volksvertretung von vornherein einig. Darauf allein bezog sich die Bestimmung, von der man ausging, nicht auf den in der Entscheidung bei Mugdan 3 S. 134 erörterten kombinierten Fall, den man hätte treffen können, aber, wie die Begründung ergibt, nicht im Auge gehabt hatte. Man bemerkte ausdrücklich, dafs man von der Annahme ausgehe, dafs beim Fehlen jeder Sachentscheidung die Gefahr eines Widerspruchs zwischen ihr und dem Kostenurteile ausgeschlossen sei. Den Fall der Anfechtbarkeit der Kostenentscheidung beim Vorliegen eines Anerkenntnisurteils schuf man obwohl

1) Vgl. die Entsch. S. 11 der Jurist. Monatsschrift für Posen etc.

dessen Anfechtbarkeit in der Hauptsache denkbar ist ohne Erweiterung der Fälle der sofortigen Beschwerde neu; sollte man nun, wenn man die immerhin zweifelhafte Frage, ob die Ausnahme von Absatz 1 für den Fall des Anerkenntnisurteils auch unbedenklich sei, bejahte, Bedenken getragen haben für den Mischfall die Anfechtbarkeit zuzulassen, in dem das Bedenken, das zum Fehlen des jetzigen Abs. 2 im Entwurfe geführt hatte, nur einen Teil des Anspruchs betrifft? Das wäre unlogisch und ist nicht gemeint. Die Entscheidung des Reichsgerichts Bd. 55, S. 395 ff. berührt einen Teil der hier erörterten Fragen und einige Spezialfragen. Sie legt den Satz fest, dafs eine Entscheidung über den. Kostenpunkt, durch die die Kosten einer zum Teil zurückgenommenen, zum Teil durch Entscheidung in der Hauptsache erledigten Berufung oder Klage nach Quoten der Gesamtkosten verteilt sind, deshalb schon wegen ihrer Einheitlichkeit wenigstens in bezug auf den Verteilungsmodus keine mit der sofortigen Beschwerde nach § 99 Abs. 3 anfechtbare Kostenentscheidung ist. Die Entscheidung läfst dahingestellt, ob § 99 Abs. 3 voraussetzt, dafs überhaupt keine Entscheidung in der Hauptsache ergangen sei oben bejahend beantwortet —, ob

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§ 99 Abs. 2 voraussetzt, dafs das Anerkenntnisurteil den ganzen Streit betreffe oben verneint mit der Mafsgabe, dafs kontradiktorische Teilentscheidung oder Fortbestehen eines Teiles des Hauptstreites neben dem vom Anerkenntnisse betroffenen Teile den § 99 Abs. 2 ausschliefst —, ob bei Kollision von kontradiktorischer und auf Anerkenntnis ergangener Entscheidung Abs. 2 anwendbar ist oben verneint und ob bei Kollision von Abs. 2 und 3 in bezug auf die verschiedenen Teile der einen Entscheidung die verschiedenen Rechtsmittel zulässig sind, ob insbesondere Teilung nach Quoten der Gesamtkosten die Anfechtung auch dann ausschliefst und ob nicht, wie oben dargelegt, § 99 Abs. 2 trotz Erledigung eines Teils des Rechtsstreits ohne Entscheidung den ordentlichen Rechtsmittelzug für den ganzen Kostenstreit eröffnet, wenn das Anerkenntnis auch nur einen Teil der Hauptsache betrifft. Sicherung der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung ist auch bei Kollision von Abs. 2 und 3 vorhanden, wenn man diesen Kollisionsfall in meinem Sinne löst. Die Ansicht des Kammergerichts (Mugdan, 3 S. 437) sichert die Einheitlichkeit nicht und wird auch der erörterten Entstehungsgeschichte des Gesetzes nicht gerecht.

Die Entscheidung des Reichsgerichts läfst erkennen, dass es der Ansicht zuneigt, dafs im Sinne des § 99 Abs. 3 Entscheidungen in der Hauptsache alle Entscheidungen sind, die nicht den Kostenpunkt betreffen, auch die Verlustigkeits- und Anerkenntnisurteile, die einen Teil des Rechtsstreites oder den ganzen Hauptstreit erledigen.

Die Entscheidung bei Mugdan 3 S. 133 erklärt es mit Recht für gleichgültig für die Anwendbarkeit des Abs. 3, ob das Kostenurteil äufserlich

getrennt ist von dem eine Entscheidung über die Hauptsache enthaltenden, Abs. 3 ausschliefsenden Urteile. Die Trennung berührt nicht das Wesen der Entscheidung und ändert nichts daran, dafs in solchen Fällen die ratio des Abs. 3 seiner Anwendung entgegensteht.

Die bei Petersen erörterten Fälle der Anfechtbarkeit von Kostenentscheidungen aus §§ 102, 101 und 89 ZPO. sind dort überzeugend entschieden; der Fall der unter Belastung des Beschwerdeführers mit den Kosten erfolgenden Zurückweisung der Beschwerde eines Zeugen, der das Zeugnis verweigert hat, bietet keine Besonderheiten; eine Entscheidung in der Hauptsache liegt vor, Abs. 1 ist daher zweifellos anwendbar. Die Erörterung der Komplikationen, die eintreten, wenn es sich auf einer oder auf beiden Seiten um Streitgenossen der einen oder anderen Art handelt, und wenn Anfechtung dann nur durch einige von ihnen oder gegenüber einem Teile von ihnen geschieht, gehört nicht hierher. Die Konsequenzen der Auffassung des § 99, die man als richtig anerkennt, sind nach deren Festlegung unter Anwendung der Bestimmungen über die Streitgenossenschaft zu ziehen; §§ 59 ff. ZPO. sind dafür sedes materiae.

So wird der heutige Rechtszustand aufzufassen sein. De lege ferenda aber ist zu bemerken: Das Richtigste wäre gänzliche Beseitigung des § 99, Beseitigung auch der Revisions- und der Beschwerdesumme, da keineswegs immer Kostenentscheidungen unbedeutender für den einzelnen und für die Rechtspflege sind als andere anfechtbare und § 99 eine ebenso willkürliche Begrenzung des Rechtsmittelzuges ist, wie die durch Beschwerdesummen. Manche Materien werden durch die einschränkenden Bestimmungen von höchstrichterlicher Sicherung einheitlicher Rechtspflege ganz ausgeschlossen, und mancher kleine Mann wird von den durch jene Grenzen anfechtbar gemachten Entscheidungen hart betroffen oder gar vernichtet, während manche revisible Sache längst entschiedene und oft wirtschaftlich wenig wichtige Fragen betrifft, das Reichsgericht unnütz belastet. Das Reichsgericht soll nun zwar vor allem der Rechtseinheit und Rechtssicherheit, weniger der einzelnen Prozesspartei Schutz gewähren. Auch ist es richtig, dafs mancher kleine Mann durch die Unanfechtbarkeit gewinnt1); aber es ist doch nicht wünschenswert, durch Ausschlufs fast nur bei kleinen Objekten vorkommender Rechtsfragen von höchstrichterlicher Rechtsprechung die Rechtssicherheit zugunsten das Reichsgericht unnütz belastender Sachen zu beeinträchtigen, und der Schutz, den die Unanfechtbarkeit dem kleinen Manne bisweilen geben kann, ist doch kein Schutz des Rechts; denn wo die Unanfechtbarkeit Umstofsung eines wirklich unrichtigen Urteils verhütet, schützt sie ja doch den, der nicht im Rechte ist. Beseitigung solcher durch den Streitwert bestimmter Grenzen ist eine Aufgabe von wesent

1) Vgl. Motive zu dem neuen Gesetzentwurfe, der Entlastung des Reichsgerichts anstrebt.

licher Bedeutung, und ihre Lösung ist keineswegs unmöglich. Die Wege dazu zu zeigen, ist nicht Aufgabe dieses Aufsatzes, der sich mit dem Spezialthema der Anfechtbarkeit von Kostenentscheidungen befafst. Dafs aber das Ziel das richtige ist, liegt auf der Hand. Liegt von den drei Hindernissen (Unzulässigkeit der Anfechtung von Kostenentscheidungen, Fehlen der Revisionssumme bezüglich der Kostenhöhe oder der Höhe der früheren Hauptsache und Fehlen der Beschwerdesumme) zufällig eines vor, so ist die Anfechtung versagt; rein zufällige, nicht sachlich begründete Momente geben oder versagen in sonst gleich liegenden Fällen den Rechtsmittelzug. Insbesondere ist auch der in der Denkschrift für Aufrechterhaltung des Prinzips des § 99 Abs. 1 angeführte Grund kein stichhaltiger. Möglichkeit des Abweichens der Anschauung des Rechtsmittelgerichts von der des Vorderrichters ist kein Nachteil, sondern ein Vorteil für die Rechtspflege. Ist ein Fehler von der Vorinstanz begangen, so ist es besser, dafs er sich teilweise beseitigen läfst, als dafs seine Folgen ganz eintreten. Schutz bietet dem Gegner sein Recht zur Anschliefsung. Wir haben aber mit solchen Reformen einstweilen nicht zu rechnen. 1) Aus guten Gründen wird man die Rechtsmittelinstanzen nicht neu belasten, solange nicht die allgemeine Revision der ZPO. erfolgt ist und mit ihr eine Begrenzung des Rechtsmittelzuges, die gleichzeitig die Rechtsmittelgerichte entlastet und sie andererseits Ansprüchen aller Art ohne Rücksicht auf den Streitweit zugänglich macht.

Erörterungen über den Weg zu diesem Ziele, speziell über gemachte Vorschläge mehr oder weniger beachtlichen Inhaltes, über Vorzüge und Gefahren einer Einschränkung des Mündlichkeitsprinzips, einer Ausdehnung des Prinzips der Unanfechtbarkeit beim Vorliegen von duae conformes würden den Zweck dieses Spezialaufsatzes überschreiten. Mit kleinen Mitteln ist hier nicht zu helfen, der Fehler liegt tiefer. Mit der Wurzel mufs seinerzeit das Uebel beseitigt werden. Die Neuordnung des Zivilprozesses kann aber ohne Entlastung des Reichsgerichts nicht abgewartet werden. Heute ist der Notbehelf der Erhöhung der Revisionssumme geboten.

Juristische Rundschau.

Im Lippeschen Thronstreit ist unter vermittelnder Einwirkung des Reichskanzlers eine Einigung zustande gekommen. Die Entscheidung über die Frage, ob und inwieweit die Mitglieder der Gräflich Lippe-Biesterfelder Linie zur Thronfolge berufen sind, wird dem Schiedsspruch des Reichsgerichts anvertraut. Das Schiedsgericht soll unter dem Vorsitz des Präsidenten des Reichsgerichts aus dem 4. und 7. Zivilsenate in der Besetzung von 15 Mitgliedern gebildet werden. Eine befriedigende Lösung, die zugleich Zeugnis ablegt von dem Vertrauen, das überall unserem höchsten Gerichtshofe entgegengebracht wird.

Unverletzlichkeit, wie für Souveräne, wird als

1) Vgl. Vierhaus, S. 389/390 d. Bl.

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Vorrecht auch der Prinzen aus Genieland in Anspruch genommen. Doch hart im engen Raum der Paragraphenwelt stofsen sich die Sachen. Das rauhe Gesetz verstrickt den Dichter in seine Schlingen. Und nicht nur hierzulande, wo das Verbot des „toten Löwen", die Verurteilung des Autors der Erstklassigen Menschen" warnende Beispiele aus letzter Zeit sind. In Frankreich mufs der Dichter selbst vor dem Warenzeichengesetz auf der Hut sein. Georges Ohnet bekämpft in seinem Roman: Marchand de poison" den Alkohol-Mifsbrauch. In dem Grofsdestillateur Vernier schildert er einen skrupellosen Geschäftsmann, der namentlich durch den Verkauf eines gesundheitschädlichen Likörs „l'Abricotine Reichtümer aufhäuft. Nun wollte es die Tücke des Objekts, dafs ein Fabrikant in Enghien einen Likör l'Abricotine herstellt, dafs er auch diesen Namen zu den regelmässigen Fristen an der entsprechenden amtlichen Stelle anmeldet. Der Fabrikant ging mit Erfolg vor die Gerichte. Ohnet mufs, abgesehen von einer Schadenssumme, jeden weiteren Verkauf des Romans, soweit er das ominöse Wort enthält, bei einer Strafe von 10 Frcs. für das Exemplar unterlassen.

Der Gerichtshof

zweifelte zwar nicht an dem guten Glauben Ohnets, der weder den Fabrikanten noch seinen Likör kannte. Aber da es sich um ein eingetragenes Warenzeichen handele, habe er eine strafbare Fahrlässigkeit begangen, wenn er sich nicht an der amtlichen Stelle Gewifsheit verschaffte. Der bon sens, französischen Urteilen sonst eigen, stand an diesem nicht Pate. Die Dichtkunst müfste verkümmern, wäre sie gezwungen, den starken Anregungen aus Leben und Verkehr zu entsagen.

Hier

Wie anders wird den Anforderungen des Verkehrs und den Geboten der Billigkeit das Urteil des Reichsgerichts (aus dem neuesten Heft der Entscheidungen) über die Aussperrung eines Arbeiters durch einen Arbeitgeberverband gerecht. In einer zeitlich unbegrenzten Arbeitssperre wird eine unerlaubte Handlung im Sinne von § 826 BGB. gefunden. Sie verstofse gegen die guten Sitten und verpflichte zum Schadensersatz. bei richtet das Reichsgericht bedeutsame Rechtsschranken für den modernen Wirtschaftskrieg auf. Rechtlich unzulässig seien in den Kämpfen, die der Interessen- und Klassengegensatz zwischen den Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Grossbetriebe mit sich bringe, nicht blofs an sich rechtswidrige Kampfmittel, sondern auch solche, die nach allgemeinen Sittenanschauungen als unbillig und ungerecht erscheinen. Die meisterhafte Anwendung dieser Grundsätze auf die Lage des Einzelfalles lese man in dem Urteile selbst nach.

Fern und fremd dem Pulsschlag gesunden Lebens erscheint dagegen ein Strafurteil aus jüngster Zeit. Die Strafkammer in Lissa hat den dreizehnjährigen Schüler Adalbert Grzybka wegen Majestätsbeleidigung zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. Lex ita scripta. Aber gegen ein Strafrecht, das solche Urteile ermöglicht, bäumt sich nicht nur das Empfinden des Volkes, sondern auch das Urteil der Zünftigen auf. Juristen und Mediziner haben auf dem letzten Juristentage nahezu einstimmig beschlossen: „Die Strafmündigkeit ist bis zum vollendeten vierzehnten Lebensjahre hinaufzurücken." Früher erreicht das Kind weder die geistige noch die sittliche Reife für eine strafrechtliche Verant

wortlichkeit. Bis dahin dauert die Volksschulpflicht, bis dahin die Schulzucht. Erzieht der Büttel besser als der Lehrer?

dem

Justizrat Dr. J. Stranz, Berlin.

Vermischtes.

In

Aus französischen Prozefsrecht. den Zivilsitzungen der Tribunaux d'arrondissement (unseren Landgerichten) fällt dem deutschen Juristen die regelmässige Mitwirkung der Staatsanwaltschaft auf. Diese unterzieht sich ihrer Aufgabe teils in der Eigenschaft einer partie principale (Klägerin), teils in der einer partie jointe. Klägerin ist sie z. B. in den Fällen, wenn es sich um eine im öffentlichen Interesse liegende Berichtigung des Personenstandes handelt, oder wenn die Gültigkeit einer Ehe auf Grund eines absoluten Ehehindernisses in Frage gestellt ist. Die Frage, ob die Staatsanwaltschaft über diese Fälle hinaus bei Vorhandensein eines öffentlichen Interesses die Rechte und Pflichten einer partie principale wahrnehmen darf, ist von der französischen Rechtsprechung bejaht worden. Von partie jointe ist dann die Rede, wenn der Staatsanwaltschaft keine Parteirolle zukommt. Ihre Tätigkeit beschränkt sich darauf, nach den Parteivorträgen ihrer Ansicht Ausdruck zu verleihen. Hiermit wird ein doppeltes bezweckt. Einmal soll die Staatsanwaltschaft der ihrer Aufgabe nicht gewachsenen Partei (Anwaltszwang in unserem Sinne besteht für die Tribunaux d'arrondissement nicht) eine Stütze sein. Dann soll die Meinungsäufserung einer über den Parteien stehenden Person die Aufgabe des Richterkollegiums erleichtern.

Im Gebiete des Strafprozesses zeichnen sich die flagrants délits durch das schnelle Vorverfahren sowie die kurze, zwischen der Begehung der Tat und ihrer Aburteilung liegenden Frist aus. Als flagrant délit ist ein Vergehen dann anzusehen, wenn der Täter entweder auf frischer Tat betroffen oder unmittelbar nach deren Begehung ergriffen wird. Zuweilen genügt die mittelbare, d. h. eine nicht allzu fern von dem Zeitpunkte der Tat liegende Ergreifung, z. B. wenn der Täter im Besitze von Werkzeugen oder Papieren befunden wird, die auf Begehung der Tat schliefsen lassen. Die besonderen, bez. der flagrants délits geltenden Regeln sollen den Beschuldigten vor einer längeren Untersuchungshaft bewahren. Deshalb ist die sofortige Vorführung des Beschuldigten vor die Staatsanwaltschaft angeordnet. Nach stattgehabtem Verhör veranlafst die Anklagebehörde die Vorführung vor das Tribunal correctionnel. In Ermangelung einer Sitzung am Tage der Festnahme ist der folgende Tag zur Aburteilung bestimmt, und zwar selbst dann, wenn dieser Tag kein Sitzungstag ist. Aufgabe der Staatsanwaltschaft ist es, den Zusammentritt des Gerichtshofes zu veranlassen. Auf Verlangen des Angeklagten hat das Gericht eine Frist von mindestens drei Tagen als Vorbereitungszeit für die Verteidigung zu bestimmen. Bei nicht ausreichender Aufklärung des Falles vertagt das Gericht die Sache zwecks Information auf eine der nächsten Sitzungen.

Aberkennung eines Preises. Die rechts- und staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg i. B. hat der Arbeit des Dr. jur. Wiegner über „Kriegskonterbande", die im Jahre 1903 mit dem Preise der Schleidenstiftung ausgezeichnet wurde, diesen wieder aberkannt, da sich nachträglich herausgestellt hat, dass sie in umfangreichen Teilen aus älteren Schriften, namentlich den Dissertationen von Lehmann und Hirsch über denselben Gegenstand, wörtlich oder fast wörtlich entnommen ist.

zum

Wechsel im Präsidium des Oberlandesgerichts Braunschweig. Oberlandesgerichtspräsident Sommer, Braunschweig, ist am 15. Okt. verstorben. Sommer, 1837 in Wolfenbüttel geboren, war zunächst Amtsrichter, dann Staatsanwalt und gehörte 5 Jahre einer Zivil-Kammer des LG. Braunschweig an. Im J. 1888 wurde er zum Oberlandesgerichtsrat, 1895 zum Oberstaatsanwalt und Mitgliede der juristischen Prüfungskommission und 1898 zum Oberlandesgerichtspräsidenten ernannt. Sommer war zugleich Mitglied der Ministerialkommission und Vorsitzender mehrerer Disziplinarhöfe. Seine hervorragende Begabung war gepaart mit unermüdlichem Fleifs und gröfster Gewissenhaftigkeit. In seiner hohen Stellung hatte er sich anspruchslose Bescheidenheit bewahrt und war wegen seines lauteren Charakters und seiner Liebenswürdigkeit allgemein geschätzt. Der Verstorbene hat sich um die Rechtspflege Braunschweigs bleibende Verdienste erworben. An seiner Stelle ist der im 55. Lebensjahre stehende Senatspräsident Dr. Hans Wolf zum Oberlandesgerichtspräsidenten ernannt worden. Wolf, der das Amt eines Senatspräsidenten seit 1. Januar 1900 bekleidete, ist literarisch insofern tätig gewesen, als er im Jahre 1881 eine Monographie, Die legitimatio per subsequens matrimonium nach Justinianischem Rechte, herausgegeben hat.

Personalien. Der vortr. Rat im sächsischen Justizministerium Geh. JR. Ohnsorge, Dresden, ist zum Senatspräsidenten b. OLG. daselbst, Oberstaatsanwalt Graf Vitzthum v. Eckstädt, Dresden, z. Geh. JR. u. vortr. Rat im Justizministerium ernannt worden. Prof. Dr. v. Franklin, Tübingen, der Senior der Juristenfakultät daselbst, ist, im 75. Lebensjahre, in den Ruhestand getreten. Graf zu Dohna habilitierte sich an der Universität Halle für Strafrecht.

Vereine und Gesellschaften.

Der Deutsche Verein für Versicherungswissenschaft hielt seine diesjährige Generalversammlung am 3. Okt. ab. Den Hauptgegenstand der Tagesordnung bildete die Erörterung der Frage, was zur Pflege der Versicherungswissenschaft in Deutschland geschehen könne. Der Staatssekretär von Posadowsky hatte den Verein um Mitteilung von Vorschlägen ersucht. Die Versammlung sprach sich dafür aus, dafs eine möglichst weitgehende Verbreitung der Versicherungswissenschaft und des Versicherungsrechts versucht werden müsse, und erklärte die Gründung einer Zentralstelle in Berlin für wünschenswert. Die angeregte Errichtung einer besonderen Akademie für Versicherungswissenschaft stiefs auf Widerspruch bei der Mehrheit, welche die Universitäten und die Handelshochschulen als geeignete Stätten zur Pflege der Versicherungswissenschaft ansah. In den Sitzungen der Fachabteilungen wurden Referate über Entscheidungen in Unfallversicherungssachen von RA. Rau und Generaldirektor Gerkrath, ferner vom Unterzeichneten über Entscheidungen in Haftpflichtsachen erstattet. Die ersten Referate beschäftigten sich u. a. mit der Erörterung der Fragen, ob die Unfallversicherung eine Summen- oder Schadensversicherung sei, und wie Rechtsfälle mit Rücksicht darauf zu entscheiden wären, z. B. in Fällen, in denen eine schon vom Arzte aufgegebene Person, deren Tod doch nach wenigen Tagen eingetreten wäre, durch eine von der Wärterin gereichte unrichtige Medizin verstirbt. Kann bei Annahme einer Schadensversicherung der Anspruch verneint werden, oder besteht er unter dem Gesichtspunkt der taxierten Schadensversicherung dennoch? Ist mit Rücksicht auf das Kausalitätsprinzip anders zu entscheiden? Auch die Frage der Einrichtung von Schiedskommissionen oder Schiedsgerichten wurde erörtert und

besprochen, wie sich das Aufsichtsgesetz, der Gesetzentwurf über den Versicherungsvertrag und das Kaiserliche Aufsichtsamt zur Errichtung solcher Kommissionen oder Schiedsgerichte stellen. Das Referat des Unterzeichneten erörterte neben der Rechtsprechung in eigentlichen Haftpflichtsachen (Haftung von Eigentümern bei Glatteis, von Kommunen bei mangelnder Strafsenbeleuchtung, von Eltern für Kinder, von Tierhaltern für Tiere usw.) auch Rechtsfälle aus der Haftpflichtversicherung selbst. Besteht für die Versicherungsgesellschaft eine Regrefspflicht auch für die eigentliche Vertragsleistung oder für Schäden wegen Mängel der verkauften Sachen? Erstreckt sich die Haftpflichtversicherung auch auf Regrefsverpflichtungen von Angestellten des Versicherungsnehmers? Auch hier war man sich in der Diskussion einig, dafs die definitive Fassung des Entwurfs über den Versicherungsvertrag für eine Entscheidung derartiger, für den Begriff der Haftpflichtversicherung ungemein wichtiger Fragen entscheidend sei. Justizrat Gerhard, Berlin.

Neue Gesetze, Verordnungen u. dgl.

Preufsen: M.-Vf. v. 2. 6. 1904, bt. Entweichg. v. Fürsorgezögl. aus Unterkunftsstellen (M.-Bl. f. inn. Verw. S. 221). — M.-Vt. v. 29. 6. 1904, bt. korrektionnelle Nachhaft bezgl. Fürsorgeerziehgs.pflichtiger (S. 222). M.-Vt. v. 8. 7. 1904, bt. Kost. d. Transp. v. Gefang. zu gerichtl. Terminen (S. 222). M.-Vf. v. 17. 9. 1904, bt. ausschliefsl. Zuständigk. d. ord. Ger. f. d. Verfahr. weg. der in §§ 22 bis 26 d. Schaumweinsteuerges. m. Strafe bedroht. Handlgn. (Z-Bl d. Abg.-Gesetzgeb. S. 228). M.-Vf. v. 17. 9. 1904, bt. Zuständigk. der Ger.- u. Steuerbehörden z. nachträgl. Einziehg. zu wenig verwendeter Stempel zu aufsergerichtl. u. insbes. z. notariell. Urkdn. (S. 229). Allg. M.-Vf. v. 17. 9. 1904, bt. steuerl. Behandl. der sog. gemischten Schenkgn. (S. 230). Allg. Vf. v. 15. 10. 1904, bt. Anwendg. d. § 616 BGB. in Ansehg, der i. d Justizverwltg auf Grund e. Dienstvertrags beschäftigt. Pers. (J.-M.Bl. S. 271).

Sachsen: M.-Vo. v. 17. 9. 1904, bt. Abliefrg. v. Geldern etc. an Finanzbehörd. i. Fällen d. § 430 d. Geschäftsordn. (J-M.-BI. S. 71). M.-Vo. v. 22. 9. 1904, bt. Aendrgn. d. Geschäftsordn. in Erbschftssteuerangelegh. (S. 72). M.-Vo. v. 29. 9. 1904, bt. Vertretg. d. Reichs- (Militär-) Fiskus b. Pfändgn. als Drittschuldner (S. 74). Spez.-Vo. v. 5. 10. 1904, bt. die Protokolle üb. Einnahme e. richterl. Augenscheins in Strafs. (S. 76). M.-Vo. v. 6. 10. 1904, bt. Rechtshilfe unt Behörd. verschied. Bundesstaaten (S. 77). — M.-Vo. v. 15. 10. 1904, bt. die baren Ausign, nichtsächs. Gerichtsvollz. (S. 79). - M.-Vo. v. 17. 10. 1904, bt. Stellvertrtg. i. d. ev.luth. Gefängnisseelsorge (S. 79). Württemberg: M.-Vf. v. 14. 10. 1904, bt. Vollzug d. R.-Ges. v. 6. 7. 1904 üb. Kaufmannsger. (Reg -Bl. S. 347). · M.-Vf. v. 21. 10. 1904, bt. Vollz. d. Ges. v. 20. 12. 1899 üb. Anleg. u. Fortführg. d. Steuerbücher (S. 351).

Hessen: M.-Bk. v. 28. 9. 1904 z. Ausf. d. Ges. v. 6. 7. 1904 üb. Kaufmannsgerichte (Reg.-Bl. S. 353). M.-Bk. v. 17. 10. 1904, bt. Weiterzahlg. d. Vergütg. an staatl. verwendete Pers. währ. d. Dauer e. m. Erwerbsunfähigk. verbund. Krankh. (Amtsbl. d. Min. d. Justiz No. 20).

Mecklenburg-Strelitz: Reg.-Bk. v. 14 10. 1904, bt Kosten d. Rechtshilfe unt. Behörd. verschied. Bundesst. u. Verfahr. b. Zuziehg. v. Sachverständ., w. in e. and. Bundesstaate wohnh. s. (Off. Anz. S. 274). Reg.-Bk. v. 24. 9. 1904, bt. Rechtshilfeverk. m. Bosnien u. d. Herzegowina (Off. Anz. f. Ratzeb. S. 293). Reg.-Vo. v. 4. 10. 1904, bt. Vollstreckbkt. v. Entsch. dtsch. Ger. in Bosnien u. d. Herzegowina (S. 294)

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Oldenburg: Ges. v. 19. 10. 1904, bt. Zusatzbestimmen. z. revid. Staatsgrundges. f. d. Ghzt. Oldenb. v. 22. 11. 1852 (Ges.-Bl. f. Hzt. Old. S. 229; f. Fstt. Birkenf. S. 339). Vo. v. 19. 10. 1904, bt. Zusatzbestimmgn. z. d. Hausges. f. d. Ghzl. Haus v. 1. 9. 1872 (Ges.-Bl. f. Hzt. Öld. S. 231; f. Fstt. Birkenf. S. 340).

Schwarzburg-Rudolstadt: M.-Bk. v. 12. 10. 1904, bt. Kosten d. Rechtshilfe unt. Behörd verschied. Bundesst. u. Verfahr. b. Zuziehg. v. Sachverständ., w. in e. and. Bundesst. wohnb. s. (Ges.-S. S. 207).

Waldeck: Vo. v. 8. 8. 1904 weg. Abänd. d. Vo. v. 17. 1. 1900 bt. Verwitgszwangsverfahr. weg. Beitreibg. v. Geldbeträgen (Reg.Bl. S. 81) u. Reg.-Anweisg. v 13. 10. 1904 z. Ausf. dieser Vo. (S. 82). Reufs ä. L. Reg-Vo. v. 10. 10. 1904, bt. Zwangsvollstrckg. im Verwitgswege (Ges.-S. S. 190).

Schaumburg-Lippe: Allg. Vf. v. 27. 9. 1904, bt. Kosten d. Rechtshilfe unt. Behörd. verschied. Bundesst. u. Verfahr. b. Zuziehg. v. Sachverständ., w. in e. and. Bundesstaate wohnh. s. (L.-Vo. S. 539).

Sprechsaa 1.

Der soeben erschienene, im Bureau des Justizministeriums redigierte Terminkalender für preufs. Justizbeamte für das Jahr 1905 gewährt einen interessanten

Einblick in die Personalverhältnisse der Juristen in Preussen. Da ich im vorigen Jahre in d. Bl. (S. 511 ff. und S. 533 ff.) eingehende justiz-statistische Betrachtungen veröffentlicht habe, so beschränke ich mich heute darauf, im Anschlufs an diese Betrachtungen einige neuere Ziffern hervorzuheben.

-

Das Jahr 1904 hat eine starke Vermehrung der Justizstellen gebracht, nämlich um 150, eine Ziffer, die bisher noch in keinem Jahre erreicht ist, und durch die sich die Gesamtzahl der preufs. Justizbeamten um 2,9% erhöht hat. Unter den neuen Stellen befinden sich 27 höhere Stellen 2 Senatspräsidenten, 15 Oberlandesgerichtsräte und 10 Landgerichtsdirektoren -, die Stellenvermehrung ist also zu 18% den höheren Stellen zugute gekommen, so dafs sich das bisherige Verhältnis der höheren Stellen zu der Gesamtzahl aller Stellen 15,73% etwas gebessert hat, es beträgt jetzt 15,8%. Es bleibt aber immer noch hinter dem Reichsdurchschnitte von 16,1% nicht unwesentlich zurück. Hoffentlich werden auch bei den weiteren Stellenvermehrungen, wie sie zur Befriedigung des Bedürfnisses in den nächsten Jahren zu erwarten sind, die höheren Stellen in erster Linie bedacht; denn gerade durch den bestehenden Mangel an höheren Stellen werden die wenig erfreulichen Personalverhältnisse bei den Gerichten verschärft. Wenn eine ganze Anzahl Landrichter ständig zu den Oberlandesgerichten eingezogen sind, und wenn die Stellen der Kammervorsitzenden bei den Landgerichten wegen der ungenügenden Zahl von Landgerichtsdirektoren mit Landrichtern besetzt sind, so müssen für diese and erweitig beschäftigten Landrichter regelmäfsig sind es die tüchtigsten Mitglieder des Landgerichts Hilfsrichter einberufen werden. Geeignete Hilfsrichter für die Landgerichte zu finden, ist aber oft sehr schwer, da viele Amtsrichter die Einberufung zum Landgericht, bei dem ihnen eine viel gröfsere Arbeitslast als auf ihrer Amtsrichterstelle bevorsteht, ablehnen. Die Folge ist, dass sich bei den Landgerichten eine so grofse Zahl von Assessoren in Hilfsrichterstellen befindet, wie sie sicherlich den Ansprüchen einer geordneten Rechtspflege nicht entspricht (vergl. die Ausführungen von Gumbinner S. 717 ff. d. Bl.). Also, man fange bei der Richter vermehrung von oben an!

Die Anstellungs- und Beförderungsverhältnisse sind im Jahre 1904 fast genau dieselben gewesen wie im Vorjahre. Die neuernannten Oberlandesgerichtsräte hatten ein durchschnittliches richterliches Dienstalter von knapp 18 Jahren, die neuernannten Ersten Staatsanwälte von 19 Jahren und die neuernannten LGDirektoren von reichlich 19 Jahren Aus dem Assessoren-Jahrgange 1886 gab es am 1. Oktober 1904: 24 OLGRäte, dagegen nur 4 LGDirektoren und 1 Ersten Staatsanwalt; während die Ernennung zu Ersten Staatsanwälten und zu LGDirektoren vorzugsweise aus den Jahrgängen 1884 und 1885 erfolgte, waren bereits 4 OLGRäte aus dem Jahrgange 1887 vorhanden. Es wäre sehr wünschenswert, wenn sich diese grofsen Unterschiede bei den Beförderungen in gleiche Rangstellen allmählich bessern würden.

Die durchschnittliche Zeitdauer vom Assessor-Patente bis zur ersten Anstellung betrug wie im Vorjahre 5 Jahre. Am 1. August 1904 waren 198 Richter und Staatsanwälte angestellt, deren richterliches Dienstalter unter 5 Jahr war, 47 Stellen waren unbesetzt, und es gab 245 Assessoren mit einem Patente über 54 Jahr. Unter den Richtern mit einem richterlichen Dienstalter von weniger als 514 Jahren waren 22 bei Landgerichten angestellt, während früher sehr selten so junge Assessoren direkt zu Landrichtern ernannt worden sind. Es dürfte nicht ohne Interesse sein, die Landgerichte anzuführen, bei denen sich so junge Landrichter befinden: es hatten am 1. August 1904

Dortmund 4, Elberfeld und Bochum je 3, Beuthen, Gleiwitz, Konitz, Bartenstein, Gnesen je 2, Essen und Lyck je 1 Landrichter mit einem Assessorpatente von weniger als 514 Jahren. Es sind also in der Hauptsache die stark beschäftigten Landgerichte des rheinisch-westfälischen und des schlesischen Industriebezirks, an denen sich die jungen Landrichter befinden.

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Die Besoldungsverhältnisse der Landrichter, Amtsrichter und Staatsanwälte haben sich im allgemeinen wenig verändert. Am 1. August 1904 war die entsprechenden Angaben vom 1. Aug. 1903 sind in Klammern beigefügt das richterliche Dienstalter des jüngsten Beamten der Gehaltsklasse I (6600 M.): 18. Juni 1879 (9. Okt. 1878) II (6000 M): 4. Febr. 1885 (5. Mai 1884) III (5400 M.): 25. Jan. 1888 (27. April 1887) IV (4800 M.): 4. April 1891 (22. März 1890) V (4200 M.): 18. April 1894 (12. Jan. 1893) VI (3600 M.): 3. April 1897 (25. März 1896). Der Zeitraum bis zur Erreichung der drei ersten Gehaltsstufen hat sich um etwa 3 Monate erhöht. Es sind jetzt mehr als 25 Jahre erforderlich, um das Höchstgehalt zu erreichen. Die Notwendigkeit, das System der Dienstaltersstufen, wie es bei allen anderen Beamten bereits besteht, auch bei den Richtern einzuführen, wird immer dringender.

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Die Zahl der Assessoren ist von 2065 auf 2209, die Zahl der Referendare von 5718 auf 6160 gestiegen. Die Einsicht, dafs der Juristenstand übersetzt ist, müfste sich bei diesen Ziffern doch allmählich durchringen.

Landgerichtsdirektor Dr. Aschrott, Elberfeld.

Ein Schlufswort über die Frage: Gültigkeit der zweiten Ehe trotz Aufhebung des Scheidungsurteils? Auf S. 834 d. Bl. habe ich diese Frage bejaht. Fast gleichzeitig ist es von Kohler in der Ztschr. f. Zivilprozefs Bd. 33 S. 226 geschehen, während Oetker in d. Bl. S. 1030 die herrschende Ansicht gegen mich verteidigt. Kohler stützt sich einmal darauf, dafs das von uns beiden bekämpfte Ergebnis „so trostlos und gesellschaftswidrig sei, dafs die Jurisprudenz es bei Auslegung des Gesetzes, wenn irgend tunlich, vermeiden mufs". Das ist richtig, aber noch kein juristischer Grund. Was Kohler als solchen anführt, ist m. E. kaum haltbar. Er meint, der Grund der Rechtsänderung, die in der Ehescheidung liegt, sei „das Parteiwirken, und die Feststellung sei nur die notwendige Begleiterscheinung". Ich halte die hierin zum Ausdruck kommende Auffassung des Wesens der konstitutiven Urteile für unrichtig; sie widerspricht dem Gesetz, welches sagt, dafs „die Scheidung durch Urteil erfolgt" (§ 1564), und sie ist innerlich deshalb nicht richtig, weil sie das Wesen des publizistischen Staatsakts verkennt und die dem Scheidungsurteil aus diesem Gesichtspunkte zukommende Bedeutung ganz hinter den in der Klage liegenden Parteiakt zurücktreten läfst. Wäre es übrigens richtig, dass das Scheidungsurteil nur ein Feststellungsurteil sei und dafs es „die Partei sei, welche durch ihre ,,,,Kündigung“ die Ehe löst", so würde sich daraus gerade das Gegenteil von dem ergeben, was Kohler ohne weiteres als Folgerung aus der von ihm vertretenen Anschauung hinstellt. Denn wenn durch das Restitutionsurteil festgestellt ist, dafs der Ehescheidungskläger kein Scheidungsrecht hat, so kann nimmermehr seiner „Kündigung“ eine Kraft verbleiben, die sie nie gehabt hat. Kündigung ohne Kündigungsrecht ist und bleibt wirkungslos.

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Sonach glaube ich nach wie vor, dafs die Rechtfertigung des auch von Kohler gebilligten Ergebnisses sich nur auf dem von mir eingeschlagenen Wege wirklich begründen läfst. Was Oetker dagegen vorgebracht hat, hat

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