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Da die Kaufmannsgerichte für Klagen der Rechts-, nachfolger der Handlungsgehilfen aus dem kaufmännischen Dienstverhältnisse zuständig sind, so kann es nach dem GewGerGes. für die Rechtsnachfolger der gewerblichen Arbeiter nicht anders sein. Die Grenzen zwischen Handlungsgehilfen und gewerblichen Arbeitern fliefsen ineinander. Wie zweifelhaft dann die Gerichtszuständigkeit und das Geschick der Klage werden, ist als Uebelstand bekannt. Um hier abzuhelfen, bestimmt der § 16 Abs. 3 KaufGerGes., dafs ein mit einer kaufmännischen Streitsache befafstes Gewerbegericht und ebenso ein mit einer gewerblichen Streitigkeit befafstes Kaufmannsgericht die Sache an das zuständige Kaufmanns- oder Gewerbegericht zu verweisen hat. Diese Vorschrift kann nur gleich gehandhabt werden, wenn gleiche Grundsätze im Punkte der Rechtsnachfolger gelten. Sonst würde ihr Zweck, bei beiden Gerichten in gleicher Weise unerwünschte Klageabweisungen zu vermindern, verkümmert. Ungleiches, unbilliges Recht bestünde, wenn das Gewerbegericht den Rechtsstreit der bei ihm klagenden Erben eines Handlungsgehilfen an das zuständige Kaufmannsgericht zu verweisen hat, wogegen das Kaufmannsgericht die bei ihm angestellte Klage eines Arbeitererben aus dem Arbeitsverhältnisse des Verstorbenen nicht an das Gewerbegericht verweisen dürfte, weil dieses für klagende Rechtsnachfolger unzuständig sei.

5. Zum Schlusse folgen zwei Fälle, in denen der Praktiker in die Enge gerät, wenn man die Zuständigkeit der Gewerbegerichte auf den persönlichen Kreis der Parteien des Arbeitsverhältnisses beschränkt.

a) Für gewerbegerichtliche Streitsachen ist nach § 6 Abs. 1 die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte ausgeschlossen. Sie bleibt auch ausgeschlossen, wenn bei ihnen ein Arbeiter eine Klage gewerbegerichtlicher Art erhoben hat, die sein Erbe nach dessen Tode aufnimmt.1) So kann das zwischen einem Arbeitgeber und einem Arbeiter in einer gewerblichen Streitsache erlassene. Urteil eines nach § 6 Abs. 1 ausgeschlossenen Amtsgerichts nicht nachträglich als das Urteil eines zuständigen Gerichts behandelt werden, wenn die Rechtsnachfolger des hernach verstorbenen Arbeiters Berufung einlegen. Diese Berufung ist wegen Unzuständigkeit der ordentlichen Gerichtsinstanzen zu verwerfen. Nach dem Reichsgerichte würde aber das ordentliche Gericht zuständig sein, wenn der Erbe die Klage daselbst aufs neue anstellt.

b) Der Arbeitgeber, dessen Forderung gegen seinen Arbeiter für einen Gläubiger gepfändet und diesem überwiesen ist (§§ 829, 835 ZPO.), kann gegen den Arbeiter trotzdem nach § 256 ZPO. auf Feststellung des Rechtsverhältnisses, auch nach § 1281 BGB. auf Hinterlegung für sich und den Gläubiger, sogar auf Leistung an beide gemeinschaftlich klagen.2) Ist für diese Rechts

1) A. M. Amtsgericht Mainz v. 5. Juli 1903 im Gewerbegericht 9, 93.

2) Gaupp-Stein, ZPO. 4. Aufl. § 829 IV, 2: vgl. Gewerbegericht Leipzig v. 3. Febr. 1903 im Gewerbegericht 8, 163.

streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Arbeiter das Gewerbegericht zuständig, so ist es nicht zu begründen, wenn der Gläubiger des Arbeitgebers, welcher kraft seines Pfandrechts die gleichen Klagen aus § 1281 anstellt oder auf Grund der Ueberweisung die Forderung gegen den Arbeiter klagend einzieht, daneben vor dem ordentlichen Gerichte Recht nehmen müsste.

Mögen diese Darlegungen helfen, den Gewerbegerichten ihre gesetzliche Zuständigkeit zu wahren!

Das neue preufsische Lotteriegesetz.
Von Amtsgerichtsrat Kirsch,
Reichs- und Landtags-Abgeordnetem, Düsseldorf.

Das neue Gesetz, betr. das Spiel in aufserpreufsischen Lotterien v. 29. Aug. 1904 (GS. S. 255) welches bestimmt ist, an die Stelle des gleichnamigen Gesetzes v. 29. Juli 1885 (G.-S. S. 317) zu treten, charakterisiert sich, wie es auch mehrfach in den parlamentarischen Verhandlungen bezeichnet wurde, als eine Notwehr-Mafsregel, als ein Kampfgesetz. Es ist bestimmt, im Interesse des preufsischen Fiskus den Staat gegen die Ueberschwemmung seines Gebietes mit aufserpreufsischen Losen zu schützen und durch Fernhaltung solcher Lose und durch scharfe Strafen gegen den Vertrieb derselben die anderen deutschen Staaten geneigter zu machen, die von Preussen erstrebte Lotteriegemeinschaft mit diesen Staaten herbeizuführen. Der Gesetzgeber ging davon aus, dafs die partikularrechtliche Regelung der Materie durch das RStrGB. und dessen Einführungsgesetz nicht verboten werde, dafs auch das bürgerliche Recht, namentlich § 763 BGB., einer landesgesetzlichen Bestrafung des Spielens in aufserpreufsischen Lotterien nicht entgegenstehe, dafs es endlich auch zulässig sei, in einem solchen Landesstrafgesetze die allgemeinen Bestimmungen des StrGB. aufser Kraft zu setzen und durch abweichende Vorschriften zu ersetzen.

Betrachten wir nunmehr einzeln die neuen Vorschriften, so beläfst es das Gesetz in § 1 gegenüber dem Spieler in aufserpreufsischen, in Preufsen nicht zugelassenen Lotterien bei der bisherigen Strafandrohung; nur ist hier bei Nichtbeitreibung der Geldstrafe nicht mehr auf Gefängnis, sondern auf Haft zu erkennen. Ganz anders und schärfer wie bisher soll aber der gewerbsmäfsige Losevertrieb bestraft werden. Es bleibt hier für den Fall der Nichtbeitreibung der Geldstrafe die Gefängnisstrafe bestehen; in ihrem Höchstbetrage ist aber abgesehen von dem in Abs. 1 des § 2 behandelten Falle eines nicht gewerbsmäfsigen Vertriebes - die Geldstrafe überall erhöht worden und wird für viele Fälle ein Mindestbetrag derselben, die hohe Summe von 100 M., eingeführt. Insbesondere aber enthält § 2 in Abs. 2 und 3 gegenüber dem bisherigen. Rechte weitgehende Aenderungen; die beiden Absätze mit ihrer übertriebenen und deshalb gerade nicht ausreichenden Spezialisierung der einzelnen Fälle lauten:

Ist die Zuwiderhandlung durch eine Person begangen, welche Losehandel gewerbsmässig betreibt, oder bei ihm gewerbsmässig Hilfe leistet, oder ist sie durch öffentliches Auslegen, Ausstellen oder Aushängen oder durch Versenden eines Loses, eines Losabschnittes, eines Bezugsscheines, eines Anteilscheines, eines Angebotes, einer Anzeige oder eines Lotterieplanes oder durch Einrücken eines Angebotes, einer Anzeige oder eines Lotterieplanes in eine in Preussen erscheinende Zeitung erfolgt, so tritt Geldstrafe von 100 bis zu 1500 M. ein.

Jede einzelne Verkaufs- oder Vertriebshandlung, namentlich jedes einzelne Anbieten, Bereithalten, Auslegen, Ausstellen, Aushängen, Versenden eines Loses, eines Losabschnittes, eines Bezugsscheines, eines Anteilscheines, eines Angebotes, einer Anzeige oder eines Lotterieplanes wird als besonderes selbständiges Vergehen bestraft, auch wenn die einzelnen Handlungen zusammenhängen und auf einen einheitlichen Vorsatz des Täters oder Teilnehmers

zurückzuführen sind.

Hiernach soll zunächst mit dem Begriff der fortgesetzten Handlung bei diesem Vergehen gebrochen, also abweichend von den allgemeinen Grundsätzen des Reichsstrafrechts jeder einzelne Fall der Zuwiderhandlung als selbständige Straftat für sich. beurteilt und bestraft werden. Hierbei wird aber nicht etwa nur jeder einzelne Verkauf oder Vertrieb eines oder mehrerer Lose als besondere Zuwiderbandlung betrachtet, sondern jede einzelne Verkaufsoder Vertriebshandlung. Was alles das Gesetz unter diese letzteren Handlungen begreifen will, sagt es zwar nicht, und auch die Begründung schweigt darüber; aber aus dem im Gesetzestexte folgenden Nachsatze, welcher einzelne Fälle als Beispiele anführt, wird man wohl den Schlufs ziehen müssen, dafs bei einem Verkaufe darunter die einzelnen Akte

der Tätigkeit des Verkäufers fallen, die notwendig waren, um im gegebenen Falle schliefslich ein Kaufgeschäft zum rechtsgültigen Abschlufs zu bringen. Es wird hier überhaupt bei Anwendung dieser Vorschriften in der Praxis recht schwierig sein, die Grenze zu finden, wo die einzelne, besonders zu bestrafende Handlung aufhört und nun eine neue, wieder für sich zu bestrafende Handlung beginnt, und um so schwieriger wird dies sein, als das Gesetz ausdrücklich eine Bestrafung der einzelnen Handlungen auch dann vorsieht, wenn sie zusammenhängen. Dies ist auch zum Teil schon in den Verhandlungen zur Sprache gebracht worden.1) Dort ist namentlich der Fall hervorgehoben worden, in welchem dasselbe Los vom Losehändler mehrfach derselben Person zum Kaufe angeboten, das Angebot zuerst zurückgewiesen, schliefslich aber auf erneutes Angebot hin doch das Los gekauft wird. Der Vertreter der Staatsregierung hat hierin nur ein einziges Delikt des Händlers finden zu sollen geglaubt und diese Auffassung nach seiner, in der HerrenhausKommission abgegebenen Erklärung (Sten. Ber. H.-H. S. 507) damit begründet, dafs, solange das Anbieten. nicht zu einem völligen Abschlufs gediehen sei es durch Kauf, sei es durch endgültige Aufgabe der Erwerbung des Loses, für eine weitere strafbare

1) S. Stenogr. Ber. d. Abg.-H. S. 6185 ft. und d. H.-H. S. 506.

Zuwiderhandlung kein Raum sei, weil die mehrfachen Tätigkeitsakte des Losehändlers alsdann immer nur auf ein einheitliches Verkaufsunternehmen hinausliefen. Aber mit dem Wortlaute des Abs. 3 a. E. wird sich eine solche mildere Auffassung wohl kaum vereinigen lassen.

Eigentümlich und schwer zu verstehen ist es auch, wie in Abs. 3 zuerst allgemein jedes einzelne Anbieten eines Loses und dann aufserdem noch jedes einzelne Versenden eines Angebots des Loses unter Strafe gestellt werden kann. Bei dem Versenden eines Loses wird dann dort nicht unterschieden, ob es sich um Zusendung eines noch nicht verkauften Loses zum Zwecke des Erwerbes oder um Zusendung eines bereits käuflich erworbenen Loses, ob es sich um Versendung des Loses im Inlande oder aus dem Inlande ins Ausland handelt. Was letzteres anbelangt, so scheint die Kommission des Abgeordnetenhauses die Versendung aus dem Inlande ins Ausland für straflos erachtet zu haben (Sten. Ber. S. 6187), während hierzu eine Erklärung der Staatsregierung fehlt.

Im § 2 wird endlich die gewerbsmäfsige Hilfeleistung im Losevertrieb, also die Tätigkeit der Geschäftsgehilfen oder Geschäftslehrlinge derselben Strafe unterworfen wie die des Geschäftsinhabers; auch eine fast mechanische Tätigkeit der Gehilfen, z. B. Verpacken von Losen zum Zwecke der Versendung, wird unter die Strafbestimmung des § 2 fallen.

Als ganz neue Vorschriften charakterisieren sich die §§ 3-5, die eine erhöhte Geldstrafe für den Fall des ersten und eines jeden ferneren Rückfalles hinsichtlich der in § 2 mit Strafe bedrohten Handlungen festsetzen und wieder Abweichungen von der Behandlung des strafbaren Rückfalles zeigen, wie er z. B. beim Diebstahl nach dem StrGB. geregelt ist.

Die §§ 6 und 7 wiederholen im allgemeinen die Bestimmungen der §§ 3 und 4 des bisherigen Gesetzes; § 7 trifft aber alle, und nicht wie bisher nur die öffentlichen Ausspielungen, und § 6 enthält, was die Veröffentlichung der Gewinnergebnisse anbelangt, Erweiterungen und Strafschärfungen gegenüber dem bisherigen Gesetz.

Das vorstehend skizzierte Gesetz sollte nach dem Entwurfe bereits am 1. Juli 1904 in Kraft treten, ist aber nach der im Landtage vorgenommenen Aenderung 4 Wochen nach der Veröffentlichung in Geltung getreten. Gleichzeitig ist mit diesem Tage das Gesetz betr. das Spiel in aufserpreufsischen Lotterien v. 29. Juli 1885 aufser Kraft gesetzt worden. Wenn dasselbe auch, wie erwähnt, als ein Kampfgesetz, und zwar als ein solches mit schneidigen, vielfach aber nicht leicht zu handhabenden Waffen aufzufassen ist, so wird die gerichtliche Praxis doch bei Auslegung und Anwendung seiner Vorschriften nicht aufser acht lassen dürfen, dafs das Gesetz immerhin ein Strafgesetz bleibt, und dafs Strafvorschriften keiner erweiternden, sondern nur einer strikten Auslegung fähig sind.

Juristische Rundschau.

Am 29. Oktober ist in der Sorbonne zu Paris die Hundertjahrfeier des Code civil, der am 21. März 1804 in Kraft getreten ist,1) mit glänzendem Pomp in Gegenwart des Staatsoberhauptes festlich begangen worden. Schwungvolle Festreden wechselten mit rauschenden Konzertstücken ab; gehören doch „Noten" seit Papinians Zeiten zum Rüstzeug der Juristen. Dem Festakt waren an den Tagen vorher Sitzungen voraufgegangen, die der Frage einer Revision des Code civil gewidmet waren. Durch die Einladung von Ausländern war gleichsam ein internationaler Gerichtshof zum Spruch zusammengetreten.

Sicherlich ist die grofse Feier in grofsen Vorzügen des Code civil begründet. Lebensdauer und Lebenskraft war ihm nicht nur in Frankreich beschieden. Einen Siegeszug durch Europa hat zugleich mit den Kriegszügen Napoléons sein Code gemacht. Und es waren moralische Eroberungen, die selbst nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs standhielten. Zu jenen Vorzügen gehört an erster Stelle: das Werk war ein Niederschlag der freiheitlichen Gedanken aus der Zeit der französischen Revolution, hielt sich aber von den Utopien des Jakobinertums fern. Es beseitigte für das Privatrecht die Folgen der alten ständischen Sonderungen. Sodann gab es neben einer hohen technischen Vollkommenheit dem richterlichen Ermessen durch die Kürze und Elastizität, die Klarheit und Folgerichtigkeit seiner Vorschriften freiere Bahn. Wie souverän die Gerichte ihrer Aufgabe walten, dafür mögen die Worte des höchsten französischen Richters Zeugnis ablegen: „Nicht der Gedanke des Gesetzgebers, den er vor hundert Jahren gehabt, sei zu suchen, sondern der Gedanke, den er unter den heutigen Verhältnissen gehabt haben würde." Noch einen Schritt weiter, sagt Geheimrat Rudolf Leonhard mit Recht in seinem fesselnden Aufsatz in der Schles. Ztg." über die Hundertjahrfeier, und die Herrschaft des Gesetzes sinkt neben der Allmacht des Richters zum Schattenbilde herab. Hat auch der Code die grofsen materiellen und geistigen Kräfte der Nation zu einer starken Entfaltung gebracht, so sind doch seine Schwächen in jenen Tagen nicht ungenannt geblieben. Den Bedürfnissen des Arbeiterstandes ist im Code civil, „der nur für die Reichen erträglich sei", nicht Rücksicht geschenkt. Mangelhaft ist das Hypothekenrecht, rückständig das Familienrecht, beklagenswert die Behandlung der Unehelichen, und vor allem die Zurücksetzung der Frauen. Brachte dieser Mangel doch einen schrillen Mifston selbst in die offizielle Feier. Von der Tribüne rief eine Frauenrechtlerin: Nieder mit dem Code Napoléon, er entrechtet die Frauen! Und an der Vendômesäule, vor der Statue des Kaisers, verbrannten Frauen ein Exemplar des Code. In der Tat ist die Umgestaltung des Code dringend. Konnten auch die Gäste dem Helden der Feier, wie einer der Redner witzig bemerkte, nicht gut zurufen: „tu es trop vieux," so ist doch, nachdem das Fest verrauscht, an eine durchgreifende Reform zu denken. Bleibt alles beim alten oder gibt es nur Flick werk, dann wird unser BGB. seine werbende Kraft bei den Kulturvölkern immer erfolgreicher erproben.

1) Vgl. auch den Aufsatz des RGR. Müller in Nr. 10 d. Bl.: Die Hundertjahrfeier des Code civil"

Von den westlichen Nachbarn sollten wir eines lernen: die hohe Wertung aller Glieder der Rechtspflege, auch der Advokaten. Laut Verordn. v. 7. Nov. 1904 tritt das Gesetz über die Gerichtsorganisation für Berlin am 1. Juni 1906 in Kraft. Das Gesetz stammt aus 1899. Aber noch immer wissen die Anwälte Berlins nicht, ob ihnen die Simultanzulassung an allen drei Gerichten eine Lebensfrage für eine gesunde Justiz in der Reichshauptstadt gewährt werden soll. Quousque tandem? Die Klagen über allzu späte Urteilsausfertigung mehren sich; oft vergehen Wochen, hin und wieder Monate. Die Vorschrift des § 315 ZPO.,

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das Urteil sei vor Ablauf einer Woche seit der Verkündung abzufassen, steht für die Mehrzahl der streitigen Sachen auf dem Papier. Dazu treten die Verzögerungen in den Gerichtsschreibereien. Abhilfe müfste durch strengere Aufsicht und Vermehrung der Bureaukräfte geschafft werden. In den schleunigen Sachen werde dafür gesorgt, dafs der Kläger sofort im Termin die vollstreckbare Ausfertigung namentlich der Versäumnis- und Anerkenntnis-Urteile erhalte. De lege ferenda empfiehlt sich für Fälle, wo die Zwangsvollstreckung eilt, zunächst eine vollstreckbare Ausfertigung der Urteilsformel allein; Sachdarstellung und Gründe mögen später ausgefertigt werden.

Anwalt sein, aber noch nicht mündig, klingt es nicht wie eine boshafte Ironie? Und doch, ein unlängst bei dem Hohen Rat von Haag beeidigter Rechtsanwalt, der jetzt 21 Jahre alt ist, mufste den Antrag stellen, ihn für grofsjährig zu erklären, da in Holland die Grofsjährigkeit erst später beginnt. Justizrat Dr. J. Stranz, Berlin.

Vermischtes.

Brief aus Oesterreich. Der österreichische Oberste Gerichtshof hatte, insbesondere in der ersten Zeit der Geltung der neuen ZPO., mit einer grofsen Geschäftslast zu kämpfen. Es haben sich aber in den letzten Jahren die Geschäftsverhältnisse, dank einer erheblichen Personalvermehrung und energischer Anspannung aller Kräfte, soweit gebessert, dafs eine drückende Ueberlastung nicht mehr besteht. Dagegen wird geklagt, dafs die Judikatur des höchsten Gerichtes nicht genügend gleichförmig

ist.

Zur Beseitigung dieses Uebelstandes hat der neuernannte erste Präsident Exz. Dr. Steinbach interne Einrichtungen geschaffen, die einen vollständigen Ueberblick über die Judikatur der einzelnen Senate geben sollen.

Kürzlich wurden unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten als Leiters des Justizministeriums Beratungen mit Delegierten des Notar- und Advokatenstandes abgehalten, bei denen über deren Wünsche und Beschwerden verhandelt wurde. Die Notare und Advokaten beschweren sich über die fortdauernde Beeinträchtigung ihrer Interessen durch die Konkurrenz der Gerichte. Die Notare klagen auch darüber, dafs die amtliche Nachlafsregulierung zum grofsen Teile von den Gerichten ohne Inanspruchnahme der Notare besorgt wird, und dafs sie dadurch den Kontakt mit der Bevölkerung verlieren. Sie besorgen, dass man die Verstaatlichung oder Aufhebung des Notariates plane und durch Kaltstellen der Notare vorbereiten wolle. In dieser Beziehung wurden sie durch eine in der Konferenz abgegebene Erklärung beruhigt. Inwiefern die Regierung .ihren Wünschen hinsichtlich der Nachlafsregulierung entsprechen wird, steht noch

dahin, da diese Wünsche mit jenen der Bevölkerung nicht ganz übereinstimmen. Die Vertreter des Advokatenstandes suchten durch die neue Konferenz eine Erweiterung ihrer Vertretungsrechte im Administrativverfahren und Abhilfe gegen die Beeinträchtigung ihrer Erwerbsinteressen durch die unentgeltliche Tätigkeit der Gerichte zu erreichen. Einen besonderen Beschwerdepunkt bildet eine systematisch durchgeführte Aktion der Gerichte behufs grundbücherlicher Löschung von indebite haftenden Pfandrechten und anderen bücherlichen Lasten, die bisher, obwohl nur in fünf Oberlandesgerichtssprengeln in Angriff genommen, zur Löschung von Pfandrechten im Betrage von 71 Millionen Kronen geführt hat.

In der Konferenz kam auch zur Sprache, dafs sich die Regierung mit einem Gesetzesprojekt beschäftigt, das die Mitwirkung von Universitätsprofessoren als Richtern in den Senaten der Gerichtshöfe betrifft. Näheres ist darüber nicht bekannt geworden. Bei der Eröffnung der Parlamentssession hat der Ministerpräsident die in nächster Zeit zu gewärtigende Einbringung eines Scheckgesetzes und eines Gesetzes, betr. die Entschädigung für ungerechtfertigt erlittene Untersuchungshaft, angekündigt. Die Entwürfe sind noch nicht veröffentlicht.

Der von der Regierung eingebrachte Gesetzentwurf über die Einberufung der Gläubiger betrifft ein Verfahren, das einem Schuldner, der ordnungsmässige Handelsbücher führt, die Erzielung eines Zwangsausgleiches mit seinen Gläubigern ohne Konkurseröffnung ermöglichen soll. Damit wird ein mehrfach geäufserter Wunsch der Geschäftswelt erfüllt, der sich an die Gesetzgebung zahlreicher Staaten, namentlich solcher des romanischen Rechtes, anlehnt, der aber auch im Deutschen Reiche, eben jüngst wieder in Berlin, aufgetaucht ist. Die Einleitung des neuen Verfahrens wird an die Voraussetzung geknüpft, dafs kein Verdacht eines strafbaren Tatbestandes vorliegt und dafs eine mindestens 30% ige Quote angeboten wird; sie ist aber jenen Schuldnern versagt, deren Jahresbilanz schon im vorletzten Jahre vor der Einleitung passiv war. Die Einleitung bewirkt Hemmung der Exekution und beschränkt den Schuldner auf die zur Fortführung des Geschäftes und zum Unterhalte für seine Familie unerlässlichen Rechtshandlungen. Die Gläubiger werden zu einer Versammlung auf einen Termin von zwei Wochen einberufen, in welcher das Stimmrecht festgestellt, sodann sofort zur Darlegung des Vermögensstandes und zur Abstimmung über den Ausgleich geschritten wird. Wenn die Einberufung verweigert wird, wenn ein Ausgleich nicht zu stande kommt oder wenn ein Hinderungsgrund erst nach Einleitung des Verfahrens sich ergibt, tritt Konkurseröffnung ein; doch kann an Stelle des Nachlafsvertrages eine von vier Fünfteln der Gläubiger (nach dem Betrage der Forderungen berechnet) bewilligte Stundung treten.

In Oesterreich existierten bisher keine Vorschriften ähnlich jenen des deutschen Reichsgesetzes über die freiw. Gerichtsbarkeit behufs Beseitigung erloschener Firmen aus dem Handelsregister. Die Regierung hat nun einen Gesetzentwurf eingebracht, der sich dem deutschen Vorbilde anschliefst, aufserdem aber noch in anderen Punkten die Registergesetzgebung novelliert. In das Handelsregister sind künftig auch obligatorisch einzutragen der Betriebsgegenstand des Unternehmens und in grösseren Städten Strafse und Hausnummer, ferner fakultativ die besondere Benennung der Niederlassung. Die Eintragungen in das Register der Zweigniederlassung sind beim Handelsgerichte der Hauptniederlassung anzumelden, um volle Uebereinstimmung herzustellen. In ähnlicher Weise wird der Vorgang bei Verlegung des Sitzes einer Firma in den Sprengel eines anderen Handelsgerichtes geregelt. Endlich

werden als Kundmachungsorgane gesetzlich die Amtsblätter der offiziellen Landeszeitungen in den einzelnen Ländern und ein vom Handelsministerium herausgegebenes „Zentralblatt für die Eintragungen in das Handelsregister" bestimmt.

Der neue Entwurf über Gesellschaften mit beschränkter Haftung schliefst sich im wesentlichen an das deutsche Gesetz an. Gleich diesem sieht er von einer subsidiären Haftung der Gesellschafter über den Betrag ihrer Stammeinlagen, mit Ausnahme der Kollektivhaftung für nicht eingezahlte Stammeinlagen und für gesetz- oder vertragswidrig ausgezahlte Beträge, ab, wenngleich die Motive eine solche Haftung als für gewisse Fälle sehr wünschenswert bezeichnen. Von bemerkenswerten Abweichungen gegenüber dem deutschen Gesetze seien erwähnt: 1. Jeder Gesellschafter besitzt jeweils nur einen Geschäftsanteil. Erwirbt er weitere Geschäftsanteile oder übernimmt er bei einer Kapitalserhöhung neue Stammeinlagen, so wachsen diese dem bisherigen Geschäftsanteile zu. Die Teilung der bei der Errichtung übernommenen Geschäftsanteile ist während einer einjährigen Sperrfrist untersagt. Beteiligungsurkunden dürfen weder auf Inhaber ausgestellt, noch durch Indossament übertragen werden. Selbst die Ausstellung von Dividendenscheinen (Coupons) ist untersagt.

2. Die Geschäftsführer haben ein Anteilbuch zu führen, aus dem nicht nur die Person der jeweiligen Gesellschafter, sondern auch die Höhe der geleisteten Einzahlungen zu ersehen ist. Aus diesem Buche ist jährlich ein Auszug dem Handelsgerichte einzureichen. Ist das Stammkapital nicht voll eingezahlt, so wird dies bei der Errichtung kundgemacht; ebenso mufs die Einforderung weiterer Einzahlungen angemeldet und kundgemacht werden.

3. Für Gesellschaften mit mehr als 20 Teilnehmern und mit einem 500 000 Kr. übersteigenden Stammkapitale ist der Aufsichtsrat obligatorisch. Für die Art der Ausübung der Obliegenheiten des Aufsichtsrates können allgemein oder für bestimmte Gattungen von Gesellschaften im Verordnungswege Anordnungen erlassen werden. Bei Gesellschaften ohne Aufsichtsrat steht jedem Gesellschafter das Recht der Büchereinsicht zum Zwecke der Prüfung der Bilanz zu.

4. Die Festsetzung der Nachschufspflicht mufs auf einen nach Verhältnis der Stammeinlagen bestimmten Betrag beschränkt sein. Damit ist auch der Anlass zur dispositiven Statuierung eines Abandonrechtes entfallen.

5. An Stelle der Klage auf Nichtigerklärung der Gesellschaft tritt das Recht der Finanzprokuratur (der zur Vertretung der Staatsinteressen im Zivilverfahren berufenen Behörde), die Auflösung einer Gesellschaft aus taxativ aufgezählten Nichtigkeitsgründen im Wege der freiwilligen Gerichtsbarkeit bei dem Handelsgerichte zu beantragen. Dem Erkenntnisse, das nach mündlicher Verhandlung gefällt wird, geht die Aufforderung zur Sanierung der Nichtigkeit voraus. Die Verwaltungsbehörde kann ein Auflösungserkenntnis fällen wegen rechtswidriger Handlungen, die das Gemeinwohl gefährden.

Mit spezifisch österreichischen Verhältnissen hängt die Bestimmung zusammen, dafs gewisse Gesellschaften (Bau und Betrieb von Eisenbahnen, Bergbau, Pfandbriefgeschäfte, Auswanderungsvermittlung) an staatliche Genehmigung gebunden sind und der Betrieb von Versicherungsgeschäften den Gesellschaften m. b. H. untersagt ist. Den Eisenbahngesellschaften werden wegen des Bestandes der Staatsaufsicht gewisse Begünstigungen eingeräumt.

Von Interesse für die deutsche Geschäftswelt wird der Abschnitt des Entwurfes über die Zulassung ausländischer gleichartiger Gesellschaften zum Geschäfts

betriebe im Inlande sein. Sobald durch eine Regierungserklärung der Bestand gleichartiger Gesellschaften in einem fremden Staate und die Reziprozität festgestellt sind, können diese Gesellschaften die Zulassung unter denselben Bedingungen erwirken, wie ausländische Aktiengesellschaften, ohne jedoch gleich diesen von Fall zu Fall einer besonderen staatlichen Genehmigung in Oesterreich zu bedürfen.

Der weiter eingebrachte Entwurf eines Gesetzes betr. die Haftung für Schäden aus dem Betrieb von Automobilen sucht den Grundsatz des Handelns auf eigene Gefahr beim Automobilverkehre zur Geltung zu bringen. Der Eigentümer eines Automobils oder .derjenige, dem vom Eigentümer der Betrieb überlassen wurde, soll neben dem Führer zur ungeteilten Hand für allen Schaden haften, wenn durch den Betrieb des Automobils jemand körperlich verletzt oder getötet, oder wenn ein Schaden an Sachen verursacht wurde. Der Haftpflichtige kann sich von der Haftpflicht nur befreien durch Berufung auf das eigene Verschulden des Beschädigten oder auf das Verschulden eines dritten, für den er nicht einzustehen hat (für seine Leute haftet der Betriebsunternehmer unbedingt), oder durch Berufung auf einen unabwendbaren Zufall. Die Wendung „höhere Gewalt ist wegen ihrer Unklarheit vermieden, vielmehr sind im Entwurf ausdrücklich jene Schadensursachen bezeichnet, für deren Folgen unter allen Umständen gehaftet wird, auch wenn sie als unabwendbare Zufälle erscheinen (Beschaffenheit des Fahrzeuges, Mängel oder Versagen seiner Funktionen, vorschrifts- oder sachwidrige Führung oder Behandlung des Fahrzeuges). Auf Automobile, die im unbelasteten Zustande auf guter, ebener Strafse höchstens 20 km in der Stunde zurücklegen können, finden die Bestimmungen über die Erfolghaftung keine Anwendung; jedoch haftet auch hier der Betriebsunternehmer für das Verschulden seiner Leute. Die Haftpflichtbestimmungen sind mit der Wirkung zwingenden Rechts ausgestattet.

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Neue Gesetze, Verordnungen u. dgl.

Deutsches Reich: Vo. v. 7. 11. 1904 üb. Inkrafttreten v. Vorschriften d. Ges., bt. weitere Abändrgn. d. Krankenversichrgsges., v. 25. 5. 1903 f. d. preufsisch. Knappschftskassen (R.-G.-Bl. S. 385). Bk. v. 7. 11. 1904, bt. den internation. Verband z. Schutze des gewerbl. Eigentums [Beitritt Cubas] (S. 440). — Vo. v. 6. 11. 1904, bt. Entschäd. Schutztruppen angehöriger f. unschuldig erlitt. Untersuchgshaft (S. 441).

Preufsen Allg. Vf. v. 8. 10. 1904, bt. Rechtshilfeverk. m. Bosnien u. d. Herzegowina (J.-M.-Bl. S. 282). Vo. v. 19. 10. 1904, bt Zugehörigk. zu d. Militärgemeinden (Ges.-S. S. 273). . M.Vf. v. 28. 10. 1904, bt. Anleg. d. Grund b. f. Bezt. d. A.-G. Sankt Goarshausen, Hachenburg, Idstein, Selters u. Wehen (S. 275). M.-Vf. v. 9. u. 10. 11. 1904, bt. Anleg. d. Grundb. f. Bezt. d. A.-G. Gladenbach, Katzenelnbogen, Langenschwalbach, Limburg a. L., Nassau, Rüdesheim u. Weilburg (S. 277 u. 278). M.-Vf. v. 13. 7. 1904, bt. Erhebg. v. Kompetenz-Konflikten (M.-Bl. f. inn. Verw. S. 232).

Bayern: Allh. Vo. v. 8. 11. 1904 2. Vollzuge d. R.-Ges. v. 30. 6. 1900, bt. Bekämpf. gemeingefährl. Krankhtn. (Ges.- u. Vo.Bl. S. 563). Allh. Vo. v. 10. 11. 1904, bt. Formation der Staatsministerien (S. 567). Württemberg: M.-Vf. v. 4. 10. 1904, bt. Kosten der Rechtshilfe unt. Behörd. verschied. Bundesstaaten (Amtsbl. d. Just.-M. S. 74). M.-Bk. v. 11. 10. 1904, bt. Ausliefrgsverk. m. Grofsbritannien (S. 76). M.-Bk. v. 27. 10. 1904, bt. vorläuf. Entlassg. Strafgefangener in Gemäfsh. d. § 23 StGB. (S. 77).

Baden: M-Bk. v. 12. 10. 1904, bt. Kosten d. Rechtshilfe unter d. Behörden verschied. Bundesstaaten (Ges.- u. Vo.-Bl. S. 419). Hessen: M-Bk. v. 21. 10. 1904 des Textes d. Ges., bt. Verfahr. in Forst- u. Feldrügesach., in der v. 1. 1. 1905 an geltend. Fssg. (Reg.-Bl. S. 355) nebst Ausf.-Vo. v. 2. 11. 1904 (S. 365). M-Bk. v. 28. 10. 1904, bt. Bewirkg. d. Zustellgn, in dem die öffentl. Klage vorbereitend. Verfahren, d. Voruntersuchg, bei Straf

vollstrckg. sowie in Forst- u. Feldrügesach. (Amtsbl. d. M. d. Just. Nr. 21). M.-Bk. v. 2. 11. 1904, bt. Zwangsvollstrckg. in bewegl. körperl. Sachen (Nr. 22).

Sachsen-Weimar: M.-Bk. v. 21. 10. 1904, bt. Kosten d. Rechtshilfe unter Behörd. verschied. Bundesstaaten (Reg.-Bl. S. 201). Hö. Vo. v. 25. 10. 1904, bt. Inkrafttret. d. Ges. v. 22. 6. 1904 ab. Erbschafts- u. Schenkgssteuer (S. 213).

Oldenburg: M.-Bk. v. 27. 10. 1904, bt. Einrichtg. u. Betrieb d. tierärztl. Hausapotheken (Ges.-Bl. f. Hzt. Old. S. 243). Reg.Bk. v. 7. 11. 1904, bt. Aendrg. der z. Ausf. d. Impfges. am 23. 2. 1901 erlass. Bestimgn. (Ges.-Bl. f. Fstt. Birkenf. S. 351).

Braunschweig: Ges. v. 5. 11. 1904 weg. Abänd. d. Ges. v. 23. 3. 1899, bt. Bestrafg. d. Polizeiübertreten. (Ges.- u. Vo.-S. S. 365). Ges. v. 5. 11. 1904, bt. Ausdehng. einiger Bestimgn. d. Bergges. v. 15. 4. 1867 auf Aufsuchg. u. Gewinng. v. Erdöl (S. 367). Waldeck: Vo. v. 13. 11. 1904, bt. Abänd d. fürstl. Hausges. v. 22. 4. 1857 (Reg -Bl. S. 87).

Schaumburg-Lippe: Allg. Vf. v. 10. 11. 1904, bt. Fortfall d. Vormundschftsbüch. (L.-Vo. S. 545). 31. 10. 1904 1. 11. 1904'

Lübeck: Ortsstatut v. ger. (S. d. Ges. u. Vo. Nr. 85).

11.

bt. Errichtg. e. Kaufmanns

Bremen: Ges. u. Vo. v. 11. 1904, bt. Kaufmannsgericht 12. (Ges.-Bl. S. 271 u. 272).

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Die im Laufe des Jahres 1904 erlassenen neuen Verordnungen v. 1. bezw. 2. Febr. 1904 über die Vorbereitung zum höheren Justizdienst und die Ausbildung der Referendare für das Königreich Sachsen (JMBI. f. Sachsen 1904 Nr. 1) enthalten in doppelter Hinsicht einen so bemerkenswerten Fortschritt, dafs es geboten erscheint, darauf die Aufmerksamkeit aller deutschen Juristen zu lenken. Zunächst ist die Frage nach der Verlängerung der Dauer des juristischen Studiums in derselben Weise gelöst worden, wie in Elsafs-Lothringen, Es bleibt bei der 3 jährigen Minimaldauer. Aber demjenigen, welcher sein Rechtsstudium um 1 Semester verlängert, wird von der 4jährigen praktischen Vorbereitungszeit ein halbes Jahr erlassen. Bei dem noch nicht völlig geklärten Stand der öffentlichen Meinung dürfte dieser Ausweg zur Zeit am meisten geeignet sein, allseitig zu befriedigen. Eine Verlängerung der gesamten theoretischen und praktischen Vorbereitungszeit über die Dauer von 7 Jahren hinaus ist nicht tunlich. Dafs der theoretischen und der praktischen Vorbereitung aber mindestens je 3 Jahre zuzuweisen sind, darüber ist alles einig. Streitig bleibt blofs die Verwendung des dadurch erst in Anspruch genommenen 7. Jahres. Und da erscheint es in der Tat bei dem Streite der Ansichten am besten, vorderhand dem Ermessen des einzelnen Spielraum zu gewähren und ihm die Entscheidung zu überlassen, ob er dieses Jahr in der einen oder der anderen Weise verwenden will.

Im weiteren aber ist nun das sächsische Regulativ in bemerkenswerter Weise dafür eingetreten, dafs der praktische Vorbereitungsdienst seinem grofsen Zwecke wiedergegeben und nicht dazu mifsbraucht werde, im fiskalischen Interesse Schreiber- und Gerichtsschreiberstellen zu ersparen, und dafs der Individualität und den verschiedenen Bedürfnissen der einzelnen Rechnung zu tragen sei. In dieser Hinsicht hat die Verordnung folgendes bestimmt:

1. Von jeder durch den Zweck des Vorbereitungsdienstes nicht gerechtfertigten, wesentlich nur zur Aushilfe anderer dienenden Tätigkeit ist der Referendar freizuhalten.

2. Auf Diktat ein Protokoll niederzuschreiben, ist ihm nicht anzusinnen. Im übrigen ist er nur soweit als Gerichtsschreiber zu beschäftigen, als es für seine Ausbildung erforderlich ist.

3. Jede einseitige, schablonenmässige Beschäftigung in einzelnen Zweigen ist zu vermeiden. Es ist deshalb auch

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