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Kläger infolge des Unfalls um 15% in seiner Erwerbsfähigkeit beschränkt sei. Diese Entscheidung präjudiziert nach § 21 a. a. O. die Frage nicht, ob Kläger aus dem von der Verkl. geltend gemachten Grunde seine Ansprüche verwirkt habe. Die Vorinstanz hält diesen Grund aber nicht für stichhaltig. Im Lauf der letzteren hat die Verkl. ferner behauptet, dafs inzwischen die Folgen des Unfalls beseitigt seien. Nach den allgemeinen Bedingungen (§ 13) hat sie das Recht, die Ablehnung weiterer Rente aus diesem Grund zu verweigern, und der Versicherte mufs binnen vier Wochen nach Empfang dieser Ablehnung bei Verlust weiterer Ansprüche eine neue KommissionsEntscheidung beantragen. Vier Tage vor der Schlufsverhandlung in der Vorinstanz (6. Febr. 1903) liefs Verkl. durch ihren Anwalt dem Gegenanwalt mittels Schriftsatzes erklären, dafs sie aus dem angegebenen Grund Zahlung der Rente ablehne und den Kläger auffordere, neue Kommissionsentscheidung zu beantragen, widrigenfalls sie den aus dem Fristablauf ihr zustehenden Einwand erheben werde. In der Schlufsverhandlung gründete sie hierauf einen neuen Einwand. Die Vorinstanz verwarf auch diesen Einwand und verurteilte zur Zahlung der Rente über den 6. Febr. 1903 hinaus. Es bleibe der Klägerin überlassen, in einem neuen Prozefs die Aufhebung ihrer Rentenpflicht zu betreiben; sie könne eine solche nicht geltend machen, solange sie überhaupt jede Verpflichtung bestreite, und die an den Gegenanwalt zugestellte Erklärung sei ungültig, da ihm Vollmacht zur Entgegennahme fehle. RG. hebt dieses Urteil auf. Die Revision mache mit Recht geltend, dafs die Verkl. im Hinblick auf § 323 ZPO. ihren Einwand in diesem Prozess habe vorbringen müssen, es sei die Geltend machung des Wiedereintritts der Erwerbsfähigkeit auch nicht von einer vorherigen Feststellung der Entschädigungspflicht abhängig. Endlich sei auch kraft der Prozefsvollmachten sowohl der Anwalt der Verkl. legitimiert gewesen, die oben erwähnte Erklärung für die Verkl. auszusprechen, wie der Anwalt des Klägers, eine solche für diesen entgegenzunehmen. Die Prozefsvollmacht enthalte (§ 81 ZPO.) auch die Vollmacht zur Abgabe und zur Entgegennahme aller zum Angriff oder zur Verteidigung im Prozefs erforderlichen Erklärungen, auch wenn diese zugleich Rechtsgeschäfte des materiellen Rechts seien und deshalb zugleich materiellrechtliche Wirkung haben. Dieser schon in Anwendung auf das Anfechtungsrecht vom II. und V. Zivilsen. (Jur. Wochenschr. 1901 S. 493, und Entsch. Bd. 49 S. 392) ausgesprochene Satz sei richtig und müsse auch bei einer solchen, einer Kündigung ähnlichen Erklärung angewandt werden. (Urt. VII. 276/03 v. 13. Nov. 1903.)

2. Strafsachen.

Mitgeteilt von Unger, Reichsgerichtsrat, Leipzig.

5. (Beleidigung. § 263 StrPO.) Die Strafk. hat den im Eröffnungsbeschlusse wiedergegebenen Teil des Artikels nur zur Feststellung einer nach § 185 StrGB. strafbaren Beleidigung der Regierung zu D. und des Landrats zu N. verwertet und eine damit ideell konkurrierende, nach § 186 StrGB. strafbare Beleidigung des Landrats in einem anderen, in dem Eröffnungsbeschlusse nicht wiedergegebenen Teile des gedachten Artikels gefunden. Dies Verfahren enthält nicht den von der Revision be

haupteten prozessualen Verstofs. Die Veröffentlichung des Artikels bildete die vom Angekl. begangene einheitliche Tat. Nachdem die Stellung des Strafantrags wegen Beleidigung auf Grund des Artikels, ohne jede Einschränkung auf bestimmte Teile desselben, erfolgt war, bildete nach § 263 StrPO. den Gegenstand der Urteilsfindung die in der Anklage (dem Eröffnungsbeschlusse) bezeichnete Tat, wie sich dieselbe nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung gestaltete. Das Gericht hatte somit den Artikel in seinem ganzen Umfange seiner Prüfung zu unterziehen, und der Umstand, dafs in dem Beschlusse der Tatbestand einer zugleich gegen § 185 und 186 StrGB. verstofsenden Beleidigung nur aus dem Eingange des Artikels hergeleitet wurde, entband die Strafkammer nicht von der Verpflichtung, die Feststellung der Beleidigung

auch auf andere Teile des Artikels zu gründen, wenn diese ebenfalls die Tatbestandsmerkmale einer solchen enthielten. (Urt. II. 2351/03 v. 16. Okt. 1903.)

6. (§ 59 StrGB.) Angekl. hatte das voreheliche Kind seiner Ehefrau, dessen Erzeuger er nicht war, als von ihm erzeugt anerkannt und dadurch bewirkt, dafs dasselbe in das Standesregister als sein eheliches Kind eingetragen wurde. Die Verurteilung des Angekl. aus §§ 169 und 271 StrGB. wurde aufgehoben, weil die Strafkammer den Einwand des Angekl., dass er die Anerkennung eines unehelichen Kindes durch einen anderen als den natürlichen Vater für erlaubt gehalten habe, nur mit der Begründung zurückwies, diese angebliche Unkenntnis laufe auf Unkenntnis des Strafgesetzes hinaus" und schütze daher nicht vor Bestrafung. Das Reichsgericht sprach aus: Die nächstliegende Erklärung für den Einwand des Angekl. sei die, dafs er geglaubt habe, nach dem bürgerlichen Rechte könne er die Anerkennung vornehmen, auch wenn er nicht der Erzeuger sei. Würde der Angekl. sich aber über Normen des Zivilrechts geirrt haben, so würde das ein dem Irrtum über Tatsachen gleichstehender, nicht auf Normen des Strafrechts sich beziehender Irrtum sein, der seine Strafbarkeit ausschlösse. Die Sache wurde an die Vorinstanz zurückverwiesen. (Urt. II. 2892,03 v. 20. Okt. 1903.)

7. (Betrug. Vorspiegelung der Zahlungswilligkeit.) Das Urteil der Strafkammer, welches die Vermögensbeschädigung des getäuschten Warenlieferanten daraus herleitete, dafs der Angekl. den Willen zu zahlen nur vorgespiegelt hatte, wurde aufgehoben. Aus den Gründen: Eine Minderung des Vermögenswertes und damit eine Vermögensbeschädigung kann allerdings auch schon in einer Vermögens gefährdung enthalten sein, eine solche ist aber mit dem Mangel des Zahlungs willens des Käufers nicht ohne weiteres gegeben, da der Verkäufer gegenüber einem Schuldner mit erreichbarem Vermögen sich in der Lage befindet, die Leistung des Geschuldeten trotz der Böswilligkeit des Schuldners im Prozefswege zu erzwingen. (Urt. II. 1999/03 v. 27. Okt. 1903.)

8. (§ 56 Z. 3 StrPO.) Das Protokoll beurkundet: Von der Beeidigung der Zeugen K. und S. wurde auf verkündeten Gerichtsbeschlufs Abstand genommen, weil bezüglich derselben ein Verdacht der Teilnahme nicht ausgeschlossen erscheint. Diese Begründung ist nicht als genügend zu erachten. Nach § 563 sind unbeeidigt zu vernehmen Personen, welche hinsichtlich der den Gegenstand der Untersuchung bildenden Tat als Teilnehmer verdächtig sind. Als Teilnehmer verdächtig sind nicht diejenigen, gegen welche der Teilnehmerverdacht vielleicht vorhanden, deren Teilnahme lediglich möglich ist. Nur der positive Ausspruch, dafs die Voraussetzung der gesetzlichen Ausnahme vorliegt, rechtfertigt die Unterlassung der Beeidigung, nicht schon der Ausspruch, dafs das Vorliegen dieser Voraussetzung nicht ausgeschlossen erscheint. (Urt. II 2902/03 v. 27. Okt. 1903.)

II. Kammergericht.

1. Zivilsachen.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Magnus, Berlin.

2. (Passivlegitimation des Ehemannes einer Handelsfrau bei Klagen, welche sich aus dem Geschäftsbetriebe der Handelsfrau ergeben.) Eine Ehefrau betrieb mit Genehmigung ihres Ehemannes ein Handelsgeschäft, für welches ein Warenzeichen in die Warenzeichenrolle des Patentamtes eingetragen war. Kläger hat gegen beide Eheleute Klage auf Einwilligung in die Umschreibung des Warenzeichens erhoben. Beide Eheleute haben aus materiellen Gründen Klageabweisung beantragt, der beklagte Ehemann, weil er nicht passiv legitimiert sei, da das ganze Geschäft, in dem das Warenzeichen geführt würde, zum Vorbehaltsgut gehöre, und die Ehefrau darüber ohne Zuziehung des Mannes verfügen könne. Beide Eheleute sind verurteilt, und zwar der Ehemann aus folgenden Gründen: Mit Recht fordere Kläger die Feststellung, dafs hinsichtlich des bekl. Ehemannes in einer ihn

bindenden Weise erhellt, dafs seine maritalischen Rechte durch die von seiner Ehefrau abzugebende Einwilligungserklärung nicht berührt werden. Das Patentamt sei rechtlich gar nicht in der Lage, zu prüfen, ob tatsächlich Vorbehaltsgut vorläge. Da der Ehemann die Einwilligung nicht gutwillig abgäbe, so sei Kläger genötigt, die Einwilligung durch gerichtliche Entscheidung einzuholen. Abgesehen davon, habe auch der Kläger keinen sicheren Anhalt dafür, dafs die beklagten Eheleute darüber einig waren, dafs es sich im konkreten Falle um Vorbehaltsgut handele. Der Ehemann könne noch nachträglich geltend machen, dass eingebrachtes Gut vorliege, und dafs deshalb das ergangene Urteil gegen ihn unwirksam sei (§ 1400, Abs. 1 BGB.). Wenn der bekl. Ehemann dagegen geltend mache, dafs es sich um ein von der Beklagten gekauftes Erwerbsgeschäft handele, so erledige sich dieser Hinweis dadurch, dafs auch bei Erwerbsgeschäften durch die Bestimmung des § 1367 BGB. nicht ausgeschlossen sei, dafs auch ein derartiges Geschäft als solches in die Ehe eingebracht werde (cfr. Holdh. Monatsschr., 8. Jahrg. S. 71). (Urt. X. Z.-S. 10 U 3990/03 v. 11. Nov. 1903.)

2. Strafsachen.

Mitgeteilt vom Senatspräsidenten Lindenberg, Berlin.

3. (In Preufsen dürfen Versteigerer nicht zugleich Gast- oder Schankwirtschaft betreiben.) Der Handelsminister hat in der Anweisung v. 10. Juli 1902 u. a. den Versteigerern den Betrieb der Gast- und Schankwirtschaft und des Kleinhandels mit geistigen Getränken untersagt. Im Gegensatze zu der Strafkammer, die dies Verbot für unzulässig erachtete, hat das Kammergericht die Vorschrift für rechtsgültig erklärt. Sie ist erlassen auf Grund des § 38 Abs. 1 GewO. (Fass. des Ges. v. 30. Juni 1900.) Die dort gebrauchten Worte „über den Geschäftsbetrieb der Auktionatoren" sind nicht wie der Vorderrichter meint lediglich auf den Betrieb des Versteigerungsgeschäftes, sondern auf den gesamten Geschäftsbetrieb der Personen zu beziehen, die das Versteigerergewerbe betreiben. Der Strafsenat folgert dies aus dem Zwecke des Gesetzes, Unzuträglichkeiten zu beseitigen, die bei Ausübung des Versteigerergewerbes entstehen können, aus dem in § 38 Abs. 3 GewO. gebrauchten Worte insbesondere" und aus der Entstehungsgeschichte des Abs. 3. Auch der Ansicht des Vorderrichters, dafs § 33 GewO. der Vorschrift des Handelsministers entgegenstehe, kann nicht zugestimmt werden. § 38 ermächtigt die Zentralbehörden, den dort aufgeführten Gewerbetreibenden andere nebenbei betriebene Gewerbe zu verbieten, auch wenn die sonstigen Voraussetzungen für die Nichtzulassung oder die Untersagung nicht vorliegen. (Urt. S. 1085/03 v. 29. Okt. 1903.)

4. (Einflufs des Reichsgesetzes über die privaten Versicherungsunternehmungen v. 12. Mai 1901 auf die landesrechtlich vorgeschriebene Kontrolle von Feuerversicherungs-Verträgen.) Eine hannoversche Verordnung vom 24. Jan. 1824 schreibt vor, dafs Gebäude nur auf Grund einer vorgängigen, unter obrigkeitlicher Leitung vorzunehmenden Taxation gegen Feuersgefahr versichert werden sollen, und bedroht Zuwiderhandlungen der Agenten mit Strafe. Das Kammergericht hat diese Strafbestimmung für noch rechtsgültig erklärt. Durch § 1 des Ges. v. 12. Mai 1901 seien nicht alle Kontrollvorschriften beseitigt, wie ein Blick auf § 121 zeige. Die Beaufsichtigung des Gewerbes der Agenten sei in dem Reichsgesetze nicht geregelt. Das landesgesetzliche Verbot der Aufnahme von Gebäuden in die Versicherung ohne obrigkeitliche Taxation sei in dem Reichsgesetze weder durch eine widersprechende, noch eine gleichlautende oder ähnliche Vorschrift beseitigt. In § 121 Abs. 1 des Reichsges. sei keine Aufhebung zu finden. Zwar sei der Regierungsentwurf, der die landesrechtlichen Vorschriften über die polizeiliche Ueberwachung des Abschlusses von Feuerversicherungsverträgen aufrecht erhalten wollte, vom Reichstage geändert worden. Dieser habe aber nur diejenige Präventivkontrolle beseitigen gewollt, welche die Rechtsbeständigkeit des Vertrages von polizeilicher Prüfung

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und Genehmigung abhängig mache. Dies komme auch in § 121 Abs. 1 des Reichsgesetzes deutlich zum Ausdruck. Die hannoversche Verordnung sage aber nichts davon, dafs bei Aufnahme nicht taxierter Gebäude der Versicherungsvertrag ungültig sein, dafs seine Perfektion bis zur Genehmigung hinausgeschoben werden solle. Die Verordnung kenne überhaupt keine polizeiliche Genehmigung, sie führe keine Präventivkontrolle ein, erkläre die zuwiderlaufenden Verträge auch nicht für nichtig, sondern halte die Versicherungsanstalt sogar für verpflichtet, die Entschädigungsgelder „nach Mafsgabe des Assekuranzvertrages zu zahlen. (Urt. S. 1219/03 v. 23. Nov. 1903.) III. Preussisches Oberverwaltungsgericht.

A. I.-IV. Senat.

Mitget. v. Dr. Schultzenstein, Oberverwaltungsgerichtsrat, Berlin. 5. (Kommunalbesteuerung von Gesellschaftern als Geschäftsführern.) Es handelt sich um die Frage, ob die 9000 M., welche jeder der beiden Kläger jährlich in der Eigenschaft als Geschäftsführer der Firma H. gezahlt erhält, als Einkommen aus gewinnbringender Beschäftigung anzusehen sind oder nicht. Der Vorderrichter hat die Frage im letzteren Sinne entschieden, aber zu Unrecht. Denn er hat übersehen, dafs in Ansehung des Gewerbebetriebes einer Gesellschaft m. b. H. für die Kommunalbesteuerung die Gesellschafter und nicht die Gesellschaft als Gewerbetreibende gelten. Daraus folgt, dafs die Erwägungen, welche für die Staatseinkommensteuer in Betracht kommen und von denen der VI. Senat bei der Entscheidung v. 22. Juni 1899 (Entsch. in Staatssteuersachen Bd. 8 S. 388) geleitet ist, für die Gemeindeeinkommensteuer nicht passen. Für die letztere müssen vielmehr die Mitglieder einer Gesellschaft m. b. H. in derselben Weise behandelt werden, als wären sie Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft. Es bleiben deshalb im vorliegenden Falle dieselben Erwägungen mafsgebend, auf denen die diesseitige Entscheidung vom 16. Okt. 1900 (Preufs. Verwaltungsblatt Jahrg. 22 S. 372, 373) beruht. Hiernach bildet die einem Gesellschafter für seine Geschäftsführung zugesicherte Vergütung selbst dann Einkommen aus Gewerbebetrieb, wenn sie ohne Rücksicht auf eine Gewinnerzielung der Gesellschaft zu gewähren ist. (Urt. II. 957 v. 5. Juni 1903.)

6. (Gemeindesteuerpflicht der EinjährigFreiwilligen.) Die Einjährig-Freiwilligen gehören zu den servisberechtigten Militärpersonen des aktiven Dienststandes, welche gemäfs § 1 Ziff. 1 der nach § 42 des Kommunalabgabenges. geltenden Verordnung v. 23. Sept. 1867 von Kommunalauflagen befreit sind. (Urt. II. 1123 v. 19. Juni 1903 mit eingehenden Nachweisen.)

7. (Schlachthäuser.) Der in der Betriebsordnung für das Schlachthaus, für welches der Schlachthauszwang nach § 1 Abs. 1 des Ges. v. 18. März 1868/9. März 1881 eingeführt ist, ausgesprochene Zwang zum Gebrauche des Schufsapparats bezw. des Schlagbolzens besteht auch den jüdischen Gemeindeangehörigen gegenüber zu Recht. Denn es steht den Gemeinden frei, über die Einrichtung und Benutzung ihrer Schlachthäuser zu beschliefsen, Bedingungen für deren Benutzung aufzustellen (vgl. § 6 des Ges.), namentlich auch über die anzuwendende Schlachtmethode frei zu bestimmen, und sie bedürfen dabei einer Genehmigung der Aufsichtsbehörde nicht. Auch haben die Gemeinden keine Verpflichtung, Einrichtungen zu treffen, welche den Juden die Gelegenheit zur Vornahme der Schächtungen schafft. (Urt. II. 1170 v. 26. Juni 1903.) 8. (Schauspielunternehmen.) Der Antrag des Klägers geht dahin, ihm die Genehmigung zu erteilen, innerhalb des Deutschen Reiches theatralische Vorstellungen öffentlich zu veranstalten. Ein solcher Antrag war gesetzlich unzulässig. Seit dem Inkrafttreten des Ges., betr. die Abänderung der Gewerbeordnung, v. 6. Aug. 1896 kann die Erlaubnis, deren ein Schauspielunternehmer nach dem § 32 a. a. O. bedarf, nur noch für ein bestimmtes Unternehmen erteilt werden. Es ergibt sich das in unzweifelhafter Weise aus der Begründung zum Art. 2 der Novelle, welche die Geltung der Erlaubnis auf ein be

stimmtes Unternehmen beschränkt, weil andernfalls die Prüfung der finanziellen Zuverlässigkeit keinen Wert haben würde, aus dem Wortlaute der neuen Sätze 2 und 3 im Abs. 1 des § 32 und aus dem Art. 22 a. a. O., wonach eine bisher erteilte Erlaubnis nur für das beim Inkrafttreten des Gesetzes betriebene Unternehmen gilt. Daraus folgt aber, dafs der Konzessionssucher selbst das beabsichtigte Unternehmen bestimmt zu bezeichnen hat und sich nicht damit begnügen darf, eine unbeschränkte Konzession nachzusuchen. Der Bezirksausschufs hat daher den obigen Antrag des Klägers mit Recht abgewiesen, da dieser ganz allgemein auf die Erlaubnis zur Veranstaltung theatralischer Vorstellungen innerhalb des Deutschen Reiches gerichtet ist. (Urt. III. 1312 v. 29. Juni 1903.)

B. V. VII. Senat (Staatssteuersachen).
Mitgeteilt von Wirkl. Geh. Oberregierungsrat Fuisting,
Senatspräsident des Oberverwaltungsgerichts, Berlin.

(Einkommensteuersachen.)

9. (Eigenes Einkommen minderjähriger Kinder aus Arbeit.) Der minderjährige Sohn des Beschwerdeführers ist als Schlossergeselle nicht im Gewerbebetriebe des Vaters, sondern in einer fremden Fabrik tätig. Sein Verdienst gehört zu seinem freien Vermögen (§ 1651 BGB.) und darf dem Beschwerdeführer nicht angerechnet werden. Wenn der Sohn seinen Verdienst ganz oder teilweise dem Vater als Vergütung für die ihm von diesem gewährte Beherbergung und Verpflegung gibt, so könnte hieraus eine Ertragsquelle des Vaters nur dann entstehen, wenn sich insoweit die Voraussetzungen eines Gewerbebetriebes (Beherbergungs- oder Beköstigungsgewerbe) feststellen liefsen. Hier ist aber anzunehmen, dafs es sich um aufsergewerbliche, aus den Familienverhältnissen entspringende Leistungen und Vergütungen handelt. Dafs der Steuerpflichtige selbst in der Berufung sich mit der Anrechnung des Verdienstes oder der Vergütung des Sohnes einverstanden erklärt hat, ist unwesentlich, da ein solcher Rechtsirrtum nicht gegen ihn verwertet werden darf. (Urt. XII a. 265 v. 23. April 1903.)

IV. Sächsisches Oberverwaltungsgericht.

II. Senat.

Mitgeteilt vom Senatspräsidenten des OVG. Dr. Wachler, Dresden. 2. (Die Heranziehung von Aktiengesellschaften in Liquidation zur Einkommensteuer wegen verteilter Ueberschüsse) ist nur ausnahmsweise möglich, falls sie ihren Gewerbebetrieb fortsetzen. Unbedingt ausgeschlossen ist die Besteuerung deshalb nicht, weil eine Aktiengesellschaft durch den Eintritt in die Liquidation ihre Rechtspersönlichkeit noch nicht verliert. (Urteile II 115 u. 9 v. 11. Aug. u. 15. Dez. 1902.)

3. (Das den Braugehilfen für ihren persönlichen Bedarf während der Arbeitszeit gewährte Freibier) ist ein in Geldeswert zu schätzender Naturalbezug, der wegen seines Kausalzusammenhanges mit der Arbeitsleistung der Braugehilfen ein steuerpflichtiges Einkommen der letzteren bildet. Die Besteuerung dieses Einkommens ist nicht abhängig von einer besonderen Vereinbarung darüber, dafs das Freibier als Gegenleistung für die Arbeit der Gehilfen zu gelten habe. (Urt. II 7 vom 29. Jan. 1903.)

4. (Die einheitliche Besteuerung gewerblichen Einkommens wird dadurch allein, dafs der Gewerbetreibende von einzelnen Kunden eine vorher bestimmte Pauschalvergütung empfängt, nicht ausgeschlossen.) Dies gilt insbes. auch von dem Einkommen eines Zahnarztes, der ein festes Honorar von einer Krankenkasse erhält, ohne von der letzteren als ihr Angestellter dienstlich abhängig zu sein. (Urt. II 269 v. 5. Febr. 1903.)

Grundstückshandel

5. (Steuerpflichtiger kann auch dann vorliegen, wenn nicht schon bei Erwerbung des Grundbesitzes die Absicht ge

winnbringender Wiederveräusserung bestanden hat.) Es genügt, wenn die erfolgte Umwandlung der Grundstücke in Waren aus äufseren Veranstaltungen des Grundstücksbesitzers oder ähnlichen Tatsachen (Anlegung von Strafsen und Schleusen, Parzellierung u. dergl.) erkennbar ist. (Urt. II 39 v. 26 Febr. 1903.)

V. Oberlandesgericht Darmstadt. Mitgeteilt von Keller, Oberlandesgerichtsrat, Darmstadt. 1. (Der Konkursverwalter) kann den Rechtsanwalt des Gemeinschuldners nicht von seiner Pflicht der Zeugnisverweigerung entbinden. Zwar geht mit der Konkurseröffnung das Verwaltungs- und Verfügungsrecht auf den Masse-Verwalter über; aber der Anspruch des Gemeinschuldners auf Verschwiegenheit seines Anwalts gehört nicht zu den Vermögensrechten, also auch nicht zur Konkursmasse. Der Gemeinschuldner wäre eventuell strafantragsberechtigt aus § 300 StrGB. Dies gilt auch vom Konkurs einer Gesellschaft m. b. H. Der Konkursverwalter tritt nicht an die Stelle ihrer bisherigen Organe; den letzteren persönlich steht der Anspruch auf Verschwiegenheit des Anwalts zu, mit dem sie seinerzeit verhandelten. (Beschl. W. 120/02 I. ZS. v. 9. Juli 1902.)

2. (Die Gebühr aus § 13 Ziffer 4 und § 17 der Rechtsanwaltsgebührenordnung) ist abhängig von der Tatsache eines stattgehabten Beweisverfahrens. Zwar wird nicht gerade eine förmliche Beweisanordnung gemäfs § 359 ZPO. erfordert, auch nicht ein besonderer, der Verhandlung zeitlich nachfolgender Beweistermin. Aber es ist Voraussetzung der Gebühr, dafs eine Spaltung des Verfahrens in einen den Partei - Behauptungen und einen der Beweisaufnahme gewidmeten Abschnitt erkennbar hervortritt. Das trifft nicht zu auf ein Verfahren, dessen Gegenstand die Rechtmässigkeit eines verhängten Arrestes bildet, und in welchem eine einheitliche, dem beiderseitigen Vorbringen dienende und - zum Zweck der Glaubhaftmachung mit Zeugen-Vernehmungen durchsetzte Verhandlung stattfand; vgl. Jur. Wochenschr. 1894 S. 8418. (Beschl. W. 114/02 I. ZS. v. 19. Sept. 1902.)

VI. Oberlandesgericht Naumburg. Mitgeteilt von Greffrath, Staatsanwaltschaftsrat, Naumburg. 1. (Ordnungsstrafe, § 179 GVG.). Es ist nicht zulässig, für den Fall, dafs eine als Ordnungsstrafe festgesetzte Geldstrafe nicht beigetrieben werden kann, eine Haftstrafe festzusetzen. § 28 StrGB. ist nicht anwendbar, weil § 179 GVG. nicht dem eigentlichen Strafrechte angehört, sondern nur Bestimmungen zur Aufrechterhaltung der geschäftlichen Ordnung enthält. (Beschl. 3 W 198/03 v. 27. Juni 1903, ebenso Kammergericht, Johow VIII S. 258, a. M. OLG. Kolmar, Goltd. Arch. 39 S. 377.)

2. (Tagegelder und Reisekosten der Kommunalbeamten. § 6 Ges. betr. die Anstellung und Versorgung der Kommunalbeamten v. 30. Juli 1899.) Nachdem die Stadtgemeinde B. durch ein vom Bezirksausschuss genehmigtes Örtsstatut die den städtischen Beamten mit Ausnahme des Bürgermeisters zu gewährenden Tagegelder und Reisekosten festgesetzt hatte, ist nachträglich vom Magistrat mit Genehmigung der Stadtverordneten beschlossen worden, dafs dem Bürgermeister für Reisen 12 M. Tagegelder zu bewilligen seien. „Dieser Beschlufs ist für die Gerichtskassen und sonstige dritte unverbindlich. Hat die Stadt einmal die statutarische Form gewählt, so müssen auch ergänzende Vorschriften, welche sich auf andere Beamte als die bisher behandelten

beziehen, in der gleichen Form ergehen. Es entspricht nicht dem Gesetze, dafs Ortsstatute durch nicht genehmigungsbedürftige Beschlüsse ergänzt werden können. Da der nachträgliche Beschlufs des Magistrats ein Ortsstatut nicht ist, auch nicht vom Bezirksausschufs genehmigt ist, ist er nicht mafsgebend." (Beschl. 3 W 224/03 v. 8. Aug. 1903.)

Für die Redaktion verantwortlich: Justizrat Dr. Hermann Staub. Verlag von Otto Liehmann. Sämtlich in Berlin.

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Druck von Pass & Garleb

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Die Grenzen der Polizeigewalt beim Schutze gegen sich selbst.

Vom Oberverwaltungsgerichtsrat Dr. Schultzenstein,

Berlin.

(Schlufs.)

1896

Von selbst versteht es sich, dafs derjenige, dem gemäfs § 30 Gewerbeordnung die Konzession für eine Privatkrankenanstalt zur Aufnahme von Personen mit ansteckenden Krankheiten erteilt worden ist, die anderen Personen, ohne welche sich die Anstalt in der konzessionierten Weise nicht betreiben läfst, beschäftigen kann und hieran polizeilich nicht. gehindert werden darf, mag auch den beschäftigten Personen die Erkenntnis ihrer eigenen Gefährdung abgehen. Ein polizeiliches Einschreiten würde mit dem durch die Konzession erlangten Rechte unvereinbar sein. Aber auch ohne eine Konzession mufs derjenige, der ein erlaubtes Gewerbe in erlaubter Weise, also namentlich ohne Gefährdung dritter, betreibt, darin andere soweit beschäftigen können, als es der Gewerbebetrieb erfordert, trotz einer Gefährlichkeit für diese anderen. Das polizeiliche Einschreiten wird hier bereits durch den Grundsatz der Gewerbefreiheit ausgeschlossen. Das blofse Trocknen und Lagern von Tierhäuten z. B. ist nicht konzessionspflichtig, kann aber für den Unternehmer und die von ihm in dem Lagerraume beschäftigten Personen gesundheitsgefährlich werden, ohne es zugleich aufserhalb des Raumes für dritte zu sein. Die Beschäftigung der dazu unentbehrlichen Gehilfen hindern, hiefse, das doch freigegebene Gewerbe ganz hindern, nicht blofs, die Art seiner Ausübung regeln. Was so bei einem konzessionierten und bei einem nichtkonzessionierten, aber erlaubten Gewerbebetriebe gilt, hat folgerichtig bei jedem sonstigen erlaubten, d. h. nicht polizeiwidrigen, insbesondere dritte nicht gefährdenden Beruf oder Unternehmen zu gelten. Ob die dabei Helfenden die für sie bestehende Gefährlichkeit zu erkennen vermögen und erkennen oder nicht, ist durchaus unerheblich. So wenig wie derjenige, der den Beruf ausübt oder das Unternehmen ausführt, gegen die ihm bei seiner Tätigkeit drohenden Gefahren, dürfen sie gegen Gefahren geschützt werden,

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die ihnen aus ihrer Hilfe erwachsen. Ein mangelnder freier Wille bei ihnen liefse sich nur in der Gestalt eines erlittenen unberechtigten Zwanges zum Helfen berücksichtigen, und auch dies nur in der Weise, dass, wenn der Zwang als solcher noch nicht ein polizeiliches Einschreiten gestattet, er es wegen der Gefährlichkeit auch nicht tut, es müfste denn infolge des Zwanges ein Beschäftigungsverhältnis zu verneinen und deshalb der Gezwungene nicht mehr als ein Beschäftigter, sondern als ein dritter zu behandeln sein, der dann auch wie ein dritter zu schützen wäre.

Die Grenze für eine Unzulässigkeit des polizeilichen Einschreitens zum Schutze der Gehilfen ist hiernach erst da zu finden, wird anderseits aber auch in der Tat da zu finden sein, wo deren Gefährdung nicht mehr durch das Wesen des betreffenden Gewerbes, Berufs oder Unternehmens, wie es sich allgemein und nach dessen Art im einzelnen Falle ergibt, bedingt ist, sondern vermieden werden. kann, ohne in dieses Wesen einzugreifen und das Unternehmen überhaupt oder doch für den beteiligten Unternehmer unausführbar zu machen. Dafs alles geschieht, was bis hierher vernünftiger- und billigerweise verlangt werden kann, um die Gehilfen vor Gefahren oder vor einem Mehr von Gefahren zu schützen, mufs auch die Polizei fordern, also die Gehilfen vor einer unnützen, d. h. einer solchen Gefahr bewahren dürfen, bei deren Vermeidung das Unternehmen noch ausführbar bleibt. 1) Insoweit also darin, dafs z. B. die Polizei dem Dachdeckermeister, der durch einen Gesellen das Dach eines hohen Kirchturmes instand setzen läfst, unabhängig davon, dafs er sich einer fahrlässigen Tötung schuldig machen könnte, aufgeben darf und mufs, alle bei der Arbeit möglichen Vorsichtsmafsregeln zu treffen, jedoch auch nur insoweit besteht mithin ein Unterschied zwischen dem Unternehmer

1) In dieser Einschränkung hat der oben Seite 86 Anm. 2 besprochene Satz, dafs die Polizei befugt sei, eintretendenfalls das Erforderliche zur Vorbeugung einer unmittelbar bevorstehenden Lebensgefahr anzuordnen, seine Berechtigung. Die Polizei kann derartige Anordnungen zum Schutze der Gehilfen treffen, aber einerseits eben blofs zum Schutze der Gehilfen, anderseits dann allerdings auch bei jeder Gefahr im Sinne des § 10 II 17 ALR.

selbst, der grundsätzlich nicht einmal innerhalb dieser Schranke geschützt werden kann, und den Gehilfen. Es nähern sich hierdurch die letzteren daher hinsichtlich der Zulässigkeit eines polizeilichen Schutzes den dritten.

Wären dagegen die Gehilfen vollständig dritten gleichzustellen, so vermöchte die Polizei die für die Wissenschaft und die geistige Entwickelung der Menschheit wichtigsten und sogar zum wirtschaftlichen Gedeihen der Menschen unentbehrliche oder doch überaus nützliche Unternehmungen zu hindern. Es hätten dann Stanleys Zug in das Innere von Afrika und Nansens Fahrt zum Nordpol unmöglich gemacht werden können, da zu ihnen zahlreiche Gehilfen notwendig waren und deren Leben und Gesundheit in hohem Masse gefährdet wurden. Fast jeder Bergbau, viele Arbeiten an Maschinen, ein grofser Teil der erwähnten Dachdeckerarbeiten und dergleichen mehr könnten ganz verhindert werden. Bleibt aber der Schutz der Gehilfen auf die engen Grenzen beschränkt, die oben gezogen worden sind, dann ist hiervon nicht die Rede. Dann können nicht blofs der Hochtourist A und der Bergführer B jeder für sich oder unter Vereinigung zu einem gemeinschaftlichen Unternehmen eine gefährliche Bergbesteigung ausführen, sondern A kann die Besteigung auch als sein alleiniges Unternehmen ausführen, zu dem er sich B lediglich als seinen Gehilfen mitnimmt. Die Polizei darf nur verlangen wie von B, dass er die ihm als bestelltem Führer obliegende Pflicht zur Fürsorge für A erfüllt, so auch von A, dafs er die zum Schutze des B nach Lage des Falles möglichen Vorkehrungen trifft, also die erforderlichen Seile und Steigeisen für diesen mitnehmen läfst u. dergl. Für sich selbst kann ihm aber nichts vorgeschrieben werden. Ebenso wenig darf er gehindert werden, seine Frau und seine Kinder mitzunehmen, aufser es müfsten diese aus besonderen Gründen, zu denen z. B. zu jugendliches Alter gehören kann, aber noch nicht ohne weiteres der Umstand, dafs der Ehemann oder Vater allein die Kosten bestreitet, gehört, nicht als Mitunternehmer, sondern als dritte anzusehen seien. Entsprechend lassen sich das sog. looping the loop oder ähnliche halsbrecherische Darbietungen, das Vorführen wilder Tiere usw. polizeilich nur Von dem Standpunkte des Vorhandenseins einer Gefahr für dritte aufser dem Darbietenden oder Vorführenden selbst und seinen Gehilfen verbieten. Sind Vorkehrungen getroffen, welche für solche dritte, insbesondere die Zuschauer, jede Gefahr ausschliefsen, so ist daher polizeilich nichts weiter zu erreichen.

Der hiernach mafsgebende Grundsatz, dafs niemand polizeilich gehindert werden kann, sich einem gefährlichen Berufe zu widmen oder ein gefährliches Gewerbe oder sonstiges Unternehmen zu betreiben und sich dabei von anderen helfen zu lassen, erleidet indessen eine weitreichende Einschränkung dadurch, dafs die sog. Arbeiterschutzvorschriften ermöglichen, einen Arbeiter gegen sich selbst zu schützen, und ferner mehrfach eine mittelbare Handhabe bieten,

das Gleiche gegenüber einem Unternehmer zu tun. Das erstere ist ohne weiteres klar; der Arbeiter hat sich diesen Vorschriften zu fügen und seine Tätigkeit den nach ihnen zu treffenden und getroffenen Einrichtungen und Massnahmen anzupassen. Hierzu und somit dazu, dafs er sich selbst schützt, kann er polizeilich gezwungen werden. Die Möglichkeit aber, mittels der Vorschriften auch den Arbeitgeber gegen sich selbst zu schützen, ist z. B. dann gegeben, wenn, was wiederholt geschehen1), eine bestimmte Beschaffenheit der zur Herstellung gewisser Gegenstände benutzten Räume vorgeschrieben ist. Eine solche Vorschrift hat zwar ihren Grund zunächst in dem Bestreben, nur den Arbeiter zu schützen. Ihre Fassung geht aber wenigstens teilweise hierüber hinaus und ist so allgemein, dafs auch der Arbeitgeber zu seinem Besten gehindert werden kann, in anderen, jener Beschaffenheit entbehrenden und deshalb gefährlichen Räumen seinerseits den Gegenstand herzustellen. Was von den sog. Arbeiterschutzvorschriften gilt, gilt in ähnlicher Weise auch von so allgemeinen Verboten, wie dem in § 1 Abs. 1 des Gesetzes, betr. Phosphorzündwaren, v. 10. Mai 1903, das gleichfalls benutzt werden kann, um den Herstellenden lediglich gegen sich allein zu schützen, und von solchen Bestimmungen, die, wie der § 618 BGB., zweifellos neben dem privatrechtlichen noch einen polizeilichen Charakter haben, also zur Grundlage eines polizeilichen Einschreitens gemacht werden können, oder, wie der § 544 BGB., doch möglicherweise auch der Polizei Befugnisse geben.2)

Das Vorhandensein der Arbeiterschutzvorschriften liefert übrigens noch eine sehr wertvolle Unterstützung für die Annahme, dafs ein polizeilicher Schutz der Gehilfen grundsätzlich unzulässig ist. Denn wäre es anders, also ein Schutz der Gehilfen in gleichem Umfange wie der Schutz dritter statthaft, so würden diese Vorschriften, die in der Hauptsache bezwecken, einen polizeilichen Schutz für Leben und Gesundheit der Arbeiter, d. i. von Gehilfen, zu ermöglichen, mehr oder weniger ganz entbehrlich sein und konnten jedenfalls meist nicht so, wie geschehen, erlassen werden. Was durch sie erreicht werden sollte, und zwar offenbar erst als etwas Neues und so, dafs damit das Mafs des zu Leistenden erschöpft werde, war dann schon längst erreichbar, in Preussen nach dem § 10 II 17 ALR., in den übrigen Bundesstaaten aber nach entsprechenden Bestimmungen. oder in deren Ermangelung wegen der begrifflichen Befugnis der Polizei zur Abwendung von Gefahren, namentlich von solchen für Leben und Gesundheit der Menschen.

Was das polizeiliche Einschreiten bei Krankheiten anbetrifft, so unterliegt es keinem Zweifel, dafs die zwangsweise Heilung einer Prostituierten, die geschlechtskrank geworden, herbeigeführt werden kann, sobald die Voraussetzungen der besonderen

1) Vgl. etwa die Bek. v. 8. Juli 1893, RGBI. S. 213, §§ 1-5 und

v. 6. Febr. 1900, RGBI. S. 32. §§ 1, 3-8.

2) Vgl. jedoch zum § 544 BGB. meinen Aufsatz in der Deutschen Juristen-Zeitung Bd. 4 S. 431 ft.

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