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Die Beerdigung erfolgte in Leipzig in einer der Bedeutung des Verstorbenen würdigen Weise. Zwei Tage darauf verstarb in Blankenburg a. H. der Präsident des Kaiserl. Statistischen Amtes Dr. Leopold Wilhelmi. Der Ver.storbene, der nur ein Alter von 50 Jahren erreichte, war zunächst im Justizdienste der Reichslande beschäftigt, wurde 1886 in das Reichsamt des Innern als vortragender Rat berufen, bis er im Jahre 1902 die Leitung des Statistischen Amtes übernahm. Der Reichsanzeiger" gedenkt seiner erfolgreichen Tätigkeit mit den Worten: „Die Reichsverwaltung betrauert in ihm einen ihrer begabtesten Beamten, der seine ganze Arbeitskraft für die hohen Ziele der Sozialpolitik eingesetzt und sich um die Entwickelung der sozialen Gesetzgebung bleibende Verdienste erworben hat."Am 12. Januar verschied zu Berlin der Geh. Oberjustizrat, ehem. Obertribunalsrat Reinhold Johow im hohen Alter von 80 Jahren. In Johow verstarb ein um die preufsische Rechtspflege hochverdienter, feinsinniger Jurist. Auch bei der Ausarbeitung des Entwurfs des BGB. hat er eine bleibende verdienstvolle Tätigkeit entwickelt; er war bereits 1874 Mitglied der I. Kommission und übernahm 1888 als Nachfolger des Präsidenten Exz. Dr. Pape deren Vorsitz. Johow war bis zu seinem Tode, in Gemeinschaft mit Kammergerichtsrat Ring, Herausgeber der Entscheidungen des Kammergerichts" und hat an der letzten Ausgabe des Kochschen Kommentars zum Preufs. Allg. Landrecht wesentlich mitgearbeitet. Der bekannte Romanist Geh. Hofrat Prof. Dr. Otto Karlo wa verstarb im Alter von 67 Jahren zu Heidelberg. Unter der grofsen Reihe ausgezeichneter Arbeiten, die Karlowa der Wissenschaft hinterlassen hat, sind hervorzuheben: „Beiträge zur Geschichte des römischen Zivilprozesses" (1865), „Das Rechtsgeschäft und seine Wirkungen" (1877). Sein Hauptwerk, „Die römische Rechtsgeschichte", ein umfangreiches Werk in 2 Bänden von 2500 Seiten, das leider vollendet blieb, verfafste er, um der Geschichte des öffentlichen Rechts der Römer gröfsere Beachtung zu verschaffen. Die letzte gröfsere Arbeit widmete Karlowa der Festgabe zum 70. Geburtstage des Grofsherzogs von Baden (1896). Durch seinen Tod verliert nicht nur die Universität Heidelberg, sondern auch die Rechtswissenschaft einen ihrer besten Kenner des römischen Rechts.

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Vereine und Gesellschaften.

In der Dezembersitzung der Gesellschaft Ham= burger Juristen“ hielt Rechtsanwalt Dr. Wassermann einen Vortrag über „Streitfragen aus dem internationalen Patent- und Markenrechte," der mit Rücksicht auf den im Mai 1904 in Berlin stattfindenden Kongrefs für gewerblichen Rechtsschutz allgemeinere Bedeutung hat.

Nach der Pariser Konvention zum Schutze des gewerblichen Eigentums, der das Reich seit dem 1. Mai 1903 angehört, sollen Angehörige jedes Unionsstaates in jedem anderen Staate der Union bezüglich des gewerblichen Rechtsschutzes die Vorteile geniefsen, „que les lois respectives accordent actuellement ou accorderont par la suite aux nationaux". In der amtlichen, aber nach Ansicht

des Vortragenden nicht mit bindender Gesetzeskraft ausgestatteten Uebersetzung ist das Wort „nationaux“ mit „Staatsangehörige" wiedergegeben. Nun macht, wie die meisten Staaten, so auch Deutschland, hier gar keinen Unterschied zwischen Reichsangehörigen und Ausländern; wohl aber wird Niederlassung im Inlande u. dgl. als Voraussetzung des Schutzes erfordert. Wenn deshalb jetzt die Konvention nur gegen Differenzierung von fremden Staatsangehörigen als solchen geht, würde ihre Bedeutung allerdings, wie der Vortragende ausführte, eine weit geringere sein, als man vordem gedacht hatte. Verschiedene Schriftsteller Osterrieth, Axter, Alexander-Katz legten deshalb das „nationaux" weiter aus, so dafs damit alle jene Unterschiede beseitigt seien. Der Vortragende erklärte diese Auslegung für wissenschaftlich unmöglich und hielt die von Lau und ihm vertretene, die die deutsche Uebersetzung für richtig erklärt, aufrecht, unter Berufung z. B. auf die amerikanische Publikation, auf ein Urteil des Pariser Appellhofes u. a. Er verkannte aber nicht, dafs vom rechtspolitischen Standpunkte aus eine Erweiterung erwünscht sei, und sah in der Verhandlung dieser Frage eine wichtige Aufgabe des bevorstehenden Berliner Kongresses.

Neue Gesetze, Verordnungen u. dgl.

Deutsches Reich: Ges. v. 23. 12. u. Bk. v. 30. 12. 1903, bt. die Handelsbeziehgn. z. Britisch. Reiche (R.-Ges.-Bl. S 319 u. 320). Vo. v. 4. 1. 1904, bt. Abänd. der Vo. üb. Urlaub d. Reichsbeamt. u. deren Stellvertretg. v. 2. 11. 1874 u. d Vo., bt. Urlaub d. gesandtschaftl. u. Konsularbeamt. u. deren Stellvertretg, v. 23. 4. 1879 (R.G-Bl. 1904 S. 11. - Vf. v. 3. 1. 1904, bt. Bildg e. K. Bayer Staatsministeriums f. Verkehrsanglghtn. (Amtsbl. d. R-Post-A. 1904 S. 5). Preufsen: M.-Vf. v. 18. 12. 1903, bt. Grundb.-Anleg f. Bezt. d. A.-G. Diez, Höchst a. M., Langenschwalbach, Nassau, Rennerod, Wehen und Weilburg (Ges.-S. S. 254) Allg. Vf. v. 10. 12. 1903, bt. gutachtl. Vorschläge z. Ernenng. der Handelsrichter (JM -BI. S. 291). — Allg. Vf. v. 17. 12. 1903, bt. Erleichtrg. d. Zahlgsverkehrs b. d. gericht Kassen (S. 297). Allg. Vf. v. 28 12. 1903, bt. Anspruch auf Krankenunterstützg. der in Betrieben d. Just-Verwitg beschäftigt. Beamt. (S. 309) u. Allg. Vf. v. dems. T., bt. Krankenfürsorge f. die in dies. Kessort beschäft. Pers. (S. 309). Allg. Vf. v. 28 12. 1903, bt. Tagegelder und Reisekost. d. Staatsbeamt. (S. 310). M-Vf. v. 23. 10. 1903, bt. Mustersatzg. f. Pensions-, Witwen- u. Waisenkass. (M. Bl. f. inn. Verw. S. 250) Allg Vf. v. 6. 1. 1904, bt. Berechn. d. Tagegeld. u. Reisek. d. Justizbeamt. b. Reisen in gerichtl. Angelgh. (J.-M.Bl. 1904 S. 3).

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Württemberg: M-Vf. v. 10. 12. 1903, bt. Vollz. d. R.-G. v. 30. 3. 1903 üb. Kinderarbeit in gewerbl. Betrieben (Reg.-Bl. S. 570). Kgl. Vo. v. 7. 12. 1903, bt Befähig. f. höh. Justizdienst (S. 583, A.-BI. d. Just.-M. S. 139). Kgl. Vo. v. 7. 12. 1903, bt Befähig. f. hoh Verwitgsdienst. (Reg.-El S. 591, A.-Bl. d. Just -M. S. 145). Kgl. Vo. v. 7. 12. 1903, bt. Befähig. f. höh. Finanzdienst (Reg.Bl. S. 598, A.-Bl. d. Just-Min. S 150). - M.-Vf. v. 10. 12. 1903 z. Vollziehg. d. Kgl. Vo., bt. Befähig. f. höh. Justizdienst (A-Bl. d. Just.-M. S 156). M.-Vf v. 3. 14. 1903, bt. Bezüge d. Grundbuchbeamten (S. 169). - M.-Vf. v. 30. 12. 1903, bt. Mitt. gerichtl. Urteile an d. Kaiserl. Gesundheitsamt (S. 171).

Mecklenburg-Schwerin: M.-Bk. v. 21. 7. 1903, bt. d. dtsch.schweizerisch. Ausliefrgsvertrag. (Reg.-Bl. S. 165). -M-Bk. v. 18. 8. 1903, bt. den m. Schweden z. Erledig, aller Ansprüche aus d. Malmöer Konvention v. 26. 6. 1803 abgeschloss Staatsvertrag (S. 171). Vo. v. 18. 8. 1903 z. Abänd. u. Ergz. d. Vo. v. 17. 2. 1897, bt. Wegerecht (S. 175). - M.-Bk. v. 17. 9. 1903, b. Ausliefrgsverk. m. d. Schweiz (S. 193). M.-Bk v. 13. 10. 1903, bt. Grundb.Anleg. i. Bezt. d. A.-G. Grevesmühlen - Dassow - Klütz, Hagenow, Neustadt, Schwerin, Güstrow, Röbel, Stavenhagen u. Waren (S. 195). M.-Bk. v. 15. 10. 1903, bt. die auf Grund d. Vo. v. 22. 12. 1899, bt. Erhebg. einer Erbschaftssteuer, tätig werdenden Sachverständ. u. Obmännern zustehend. Gebühren (S. 201). - Vo. v. 17. 12. 1903, bt. öffentl. Ankündig. od. Anpreisg. v. Geheimmitt. (S. 235). - Vo. v 17. 12. 1903, bt. Verk. m. Geheimmitt. u. ähnl. Arzneimitt. (S. 239). Braunschweig: Ges. v. 10. 12. 1903, bt. Verk. m. Geheimmitt. u. ähnl. Arzneimitt. (G.- u. Vo.-S. S. 511). -M.-Bk. v. 10. 12. 1903, bt. Dienst- u. Geschäftsverhältnisse d. gerichtl. Rechngsrevisors. (S. 521). M.-Bk. v. 17. 12. 1903, bt. Ausf d. R.-Ges. v. 30. 3. 1903 üb. Kinderarbeit i. gewerbl. Betrieben (S. 525). Sachsen-Meiningen: M.-Ausschrb. v. 3. 11. 1903, bt. Aufsicht üb. Ausf. d. Kinderschutzges. v. 30. 3. 1903 durch Gemeindewaisenräte (Sml. d. Ausschrb. S. 689). M.-Ausschrb. v. 3. 12. 1903, bt. Strass.- u. Wege-Polizei (S. 713).

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Schwarzburg-Sondershausen: Allg. Vf. v. 3. 12. 1903, bt. Aend. u. Ergz. d. Geschäftsordn. f. d. fürstl. A.-G. u. deren Gerichtsschrbreien. (G.-S. S 111). Allg. Vf. v. 3. 12. 1903, bt. Aend. u. Ergz d. Bestimgr. tib. Aussond.. Veräufs. u. Vernichtg alter Akten (S. 113). - M.-Vo. v. 29. 12. 1903, bt. weitere Ausf. z. d. R.-G. v. 30. 3. 1903 üb. Kinderarb. in gewerbl. Betrieb (S. 115). Lippe-Detmold: M.-Bk. v. 12. 10. 1893 üb. Vollzieh. der v. lippisch. Gerichten erkannt Zuchthausstrfn. (G.-S. S. 665). Allg. Vf. v. 11. 11 1903, bt die auf bürgerl Behörd. übergehende Vollstrckg. militrgerichtl. erk. Gesamtstrfn. (S. 668). - M.-Bk. v. 28. 11. 1903, bt. die f. den Ausliefrgsverk des Reichs m. d. Schweiz ausgetauschten Gegenseitgktserklärgn (S. 671). M.Anw. v. 17. 12. 1903 z. Ausf. d. R.-Ges. v. 30. 3. 1903, bt. Kinderarb. in gewerbl. Betrieben (S. 673).

Hamburg: Ges. v. 11. 12. 1903, bt. Verstaatlichg. d. Pensionskasse f. Witwen u. Waisen der Angestellten d. hamb. Staats (Amtsbl. S. 665) u. Bk. v. 11. 12. 1903, bt. Inkraftsetz. dieses Ges. (S. 672). Ges. v. 11. 12. 1903, bt. die Stempelabgabe u. Bk. v. dems. T., bt. Inkraftsetz. dies Ges. (A.-Bl. S. 689 u. 711). - Bk. v. 29. 12. 1903, bt. Vollzug d. R.-Ges. v. 30. 3. 1903 üb. Kinderarb. in gewerbl. Betrieb. (S. 735).

Elsafs-Lothringen: Vo. v. 2. 1. 1904, bt. Eintrag. des vor d. Inkrafttret d. BGB. erworb. Eigentums i. d. Eigentumsbuch (Ges-Bl. 1904 S. 1). - M.-Bk v. 24. 12. 1903 z. Ausf. d R.-Ges, bt. Kinderarb. in gewerbl. Betrieben (Z.- u. Bez.-Amtsbl. 1904 S. 1). M. Vf. v. 22. 12. 1903. bt. Verrechng. d. Telegr- u. Fernsprechgebühren sowie der Frachtkosten f. dienstl. Sendgn. (S. 17).

Sprechsaal.

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Praktische Erfahrungen aus Oesterreich zur Frage der Vorbildung der Juristen und Verwaltungsbeamten. Geheimrat O. Fischer, Breslau, hat S. 457, 1903 d. Bl. in dieser Frage mehrfach auf Oesterreich verwiesen. Ich möchte, daran anknüpfend auf Grund mehr als zehnjähriger Erfahrung als Student, Lehrer und Prüfungskommissar in Oesterreich und nachdem ich auch in die preufsischen Verhältnisse Einblick gewonnen habe, einiges vorbringen. Ich glaube, dass die Berufung auf Oesterreich mehrfach zu anderen Resultaten führt, als sie Fischer gefunden zu haben meint. Grundlegend für den Studienplan der österreichischen Juristen1) ist die prinzipielle Gleichstellung der „judiziellen und politischen" Studien. Jeder österreichische Jurist mufs, wenn er seine Studien abgeschlossen haben will, sowohl eine „judizielle" als auch eine „politische“ Staatsprüfung machen. Ebenso ist der österreichische Dr. juris zugleich notwendig Dr. rerum politicarum. Das judizielle Examen enthält die in erster Linie für den Gerichtsbeamten erforderlichen Disziplinen: allg. und bes. PrivR., Zivilprozefs, Strafrecht und Strafprozess. politische Examen erstreckt sich auf die vor allem dem Verwaltungsbeamten notwendigen Gegenstände: Staatsund Verwaltungsrecht, Volkswirtschaftslehre, Finanzwissenschaft, Verwaltungslehre, Statistik. Mir scheint, dafs dieses System sich auch in Preufsen empfehlen würde.2) Die Staatswissenschaften kommen beim preufsischen Referendarexamen entschieden zu kurz; und zwar mit vernünftiger Notwendigkeit. Es kann dem Durchschnittskopf nicht zugemutet werden, dafs er auch in diesen Disziplinen in einem Examen ordentlich antworte.3) Vor einem Zuviel von Kenntnissen (Fischer, S. 461) brauchte man keine Angst zu haben auch das lehren die österreichischen Erfahrungen.

Das

Vor das Studium dieser Fächer, das in 4-5 Semestern erledigt wird. fällt in Oesterreich die rechtsgeschichtliche Grundlegung (3-4 Semester), die mit der rechtshistorischen Staatsprüfung, der in Deutschland sog. Zwischenprüfung, obligatorisch abzuschliefsen ist. Ohne aus

1) Vgl. Rosin in Verhandl. des 26. Juristentags, Berlin 1902, S. 158 ff.

2) Zum politischen Examen wäre jedenfalls auch Kirchenrecht zu ziehen. Ob Strafrecht und Prozefs da oder dort geprüft wird, ist eine Frage zweiten Ranges. Ich wäre für Zuteilung zum judiziellen Examen.

3) Die Dauer des preufsischen Referendar-Examens, 41/2-5 Stunden für 4 Kandidaten auf einmal, scheint mir unzweckmäfsig.

reichend bestandene Zwischenprüfung wird kein weiteres Semester in den gesetzlichen Studiengang eingerechnet. Die Prüfung erstreckt sich auf das römische Recht (Rechtsgeschichte, Institutionen, Pandekten [ausführlich]), das deutsche Recht (Rechtsgeschichte der heute wohl allgemein auch die Wirtschaftsgeschichte eingefügt wird und deutsches Privatrecht), die sog. österreichische Reichsgeschichte und das Kirchenrecht. Ausserdem werden Kollegien über praktische Philosophie, Geschichte der Rechtsphilosophie und allgemeine Geschichte gehört, eigentlich meist blofs belegt. Die Zwangsvorschrift, zuerst die historische Grundlegung zu erledigen, ist zweifellos von Vorteil. Auch die Zwischenprüfung hat sich insofern bewährt, als die Studenten dadurch schon in einem früheren Stadium als gegen Schlufs des (obligatorischen) Quadrienniums zur Arbeit angehalten werden. Aber gebummelt wird von den österreichischen Juristen nicht weniger als von ihren preufsischen Kollegen trotz Zwischenprüfung und trotzdem das studentische Verbindungswesen da im entferntesten nicht so ausgebildet ist wie in Preufsen.1) Die jeunesse dorée sieht man von wenigen Ausnahmen abgesehen überhaupt nicht im Kolleg, nicht einmal beim Testieren. Ebenso fehlt eine nicht geringe Zahl derjenigen, die darauf angewiesen sind, während der Studien namentlich durch Anstellungen

bei der Post, in Advokatenkanzleien u. dgl. - dem Erwerbe nachzugehen. Und dafs der Jurist während des ersten Jahres und dann zur Erholung nach der rechtshistorischen Staatsprüfung auch während des dritten Studienjahres bummeln dürfe, ist in Oesterreich eine sehr weit verbreitete hartnäckige Tradition. Was man zum Examen braucht, wird nach widerrechtlich angefertigten lithographierten Kollegheften meist ohne auch nur eine Ahnung von den Quellen eingebüffelt. Mit der Nachhilfe steht es in Oesterreich etwas besser als in Preussen. Der berufsmäfsige Einpauker, der in Preufsen das Studium im Keim vergiftet, existiert, so viel mir bekannt, in Oesterreich nicht. Als Nothelfer fungieren da (ausnahmsweise) meist fleifsige ältere Kollegen, die eine gute Prüfung gemacht und noch am Stoff selbst Interesse haben.

Die Zwischenprüfung hält also gar nicht vom Bummeln ab. Sie hat aber in Oesterreich noch einen weiteren, positiven, und zwar bedeutenden Nachteil im Gefolge: sie zerreifst vollständig das Studium. Nach der rechtshistorischen Staatsprüfung ist man mit dem rechtshistorischen Stoff für immer fertig. Je schneller man das Eingelernte vergifst, desto „freier" wird der Kopf für die dogmatischen Fächer. Dieser Uebelstand verschärft sich um so mehr, als die „Rechtshistoriker" in Oesterreich - vielleicht nicht de iure, gewifs aber de facto über geltendes Recht nicht lesen dürfen und es für die Regel auch nicht prüfen.2) Dadurch wird in den Augen des Studenten erst recht der Zusammenhang zwischen den beiden Studienhälften zerrissen; die historischen“ Fächer verschrumpfen ihm unwillkürlich zu blofs dekorativen Rechtsantiquitäten; im günstigsten Fall bleibt das Pandektensystem als eine Art Naturrecht haften. Alles das ist in Preufsen ungleich besser. Rechtsgeschichte und Dogmatik fliefsen in eins zusammen, sowohl beim Dozenten wie beim Studenten. Dabei ist der Individualität des einzelnen immer genügender Spielraum gelassen.

Aus dem Dargestellten ergibt sich, dafs eine Zwischen1) Von der immerhin stattlichen Anzahl Studenten in Preussen und in Oesterreich, die mit Interesse und Fleifs von vornherein arbeiten, wird hier abgesehen. Hier handelt es sich hauptsächlich um die enfants terribles. Von diesen ist ein grofser Teil unverbesserlich. 2) Die Differenzierung geht hier ins Unglaubliche. Es gibt besondere Professuren für Handels- und Wechselrecht, ja sogar für Bergrecht.

prüfung nach österreichischem Muster durchaus nicht die Vorteile bietet, die man darinnen zu suchen geneigt sein könnte. Wollte man es mit einer solchen in Preufsen versuchen, ohne unersetzlichen Schaden anzurichten, so dürfte sie nur provisorische Bedeutung haben; in dem Hauptexamen müfsten dann doch wieder Rechtsgeschichte und Dogmatik zusammen geprüft werden.1) Eine Zerreifsung wäre für beide Teile zu gefährlich. Eigentum, Familie, Monarchie sind heute noch für den Deutschen nicht blofs bestehende Einrichtungen, sondern Rechtsüberzeugungen, êwa. Dieses Bewusstsein kann aber nur durch lebendiges Ineinandergreifen von Rechtsgeschichte und Dogmatik wach erhalten und vertieft werden. Gerade die Zusammenfassung der beiden Seiten der Rechtswissenschaft wäre eine Reform, die für Oesterreich nicht dringend genug empfohlen werden kann.2)

Professor Dr. Schreuer, Münster i. W.

Die Lehren des Kwilecki-Prozesses für eine Reform des Strafverfahrens. Eingedenk der seitens der DJZtg. stets geübten Objektivität, möchte auch ich einige theoretische Anschauungen des Prof. Dr. Rosenfeld in seiner Abhandlung S. 38 d. Bl. vom Standpunkte der Praxis aus richtig stellen. (Vgl. auch die zutreffende Entgegnung des LGDir. Dr. Leuschner S. 109 d. Bl.)

1. Prof. Rosenfeld bemerkt richtig, dafs die Hauptverhandlung unter den Prinzipien der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit stehe, daher der Urteilsfällung nur zugrunde zu legen sei, was in der Hauptverhandlung vor dem Richter sich abspiele. Er bemängelt jedoch das Fragerecht des Vorsitzenden und die Art seiner Ausübung, wonach „der Geist des Vorverfahrens, die Voruntersuchung" in die Hauptverhandlung einziehe. Alles, was nach dem Ergebnisse der Untersuchung den Angeklagten belaste, werde ihm durch den Vorsitzenden vorgehalten und sei wie schon das vorbereitende Aktenstudium leicht das Urteil des Vorsitzenden beeinträchtige in hohem Masse geeignet, das Urteil der Richter, besonders der Geschworenen, zu beeinflussen. Zugegeben selbst, dafs es Geschworene geben mag, die nicht lediglich den Inhalt des durch die Hauptverhandlung erbrachten Beweises, sondern auch die durch den Vorsitzenden gestellten Fragen auf ihre Ueberzeugung einwirken lassen, in welcher Weise denkt sich der Verf. die Ausübung des Fragerechts durch den Vorsitzenden? Die Vernehmung soll dem Angeklagten Gelegenheit zur Beseitigung der Verdachtsgründe und zur Geltendmachung der zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geben (§ 242 Abs. 3, § 136 Abs. 2 StrPO.). Wie anders kann und soll ihm diese Gelegenheit gegeben werden, als durch Vorhalt aller gegen ihn sprechenden Verdachtsgründe, deren Kenntnis nicht anders als durch eingehendes Aktenstudium erworben werden kann? Und wie sollen Richter und Geschworene über die der Formel des Eröffnungsbeschlusses zugrunde liegenden tatsächlichen Verhältnisse, über den Gegenstand der Beschuldigung unterrichtet werden, um der folgenden Beweisaufnahme und den Erklärungen des Angeklagten das unumgänglich notwendige Verständnis entgegenbringen zu können?

1) Die Belastung der Professoren durch die Zwischenprüfungen scheint Fischer zu unterschätzen. In Prag, mit nicht ganz 650 Juristen, also mit nicht ganz 200 Stunden des vierten Semesters, die als Prüfungskandidaten in Betracht kommen, müssen der rechtshistorischen Staatsprüfung drei Wochen jährlich geopfert werden.

2) Auch die Einführung schriftlicher Arbeiten für die Staatsprüfung und für das Doktorat, wie sie das österreichische Unterrichtsministerium vor einiger Zeit angeregt hatte, ist für das Gedeihen wissenschaftlichen Studiums der österreichischen Juristen dringend notwendig.

2. Im Anschlufs hieran fällt Prof. Rosenfeld ein vernichtendes Urteil über den Untersuchungsrichter und wünscht die gänzliche Streichung der Voruntersuchung. Während bei den Beratungen der heutigen StrPO. im Reichstage fast Einstimmigkeit darüber herrschte, dafs bei der notwendigen Parteirolle und daher unvermeidbaren Einseitigkeit der Staatsanwaltschaft in der richterlichen Voruntersuchung die möglichst beste Garantie eines objektiven Vorverfahrens liege, ist Rosenfeld entgegengesetzter Ansicht. Er stellt dabei den Satz auf: „Unsere Voruntersuchung teilt den einseitig belastenden Charakter des vorbereitenden Verfahrens. Ist auch nominell ein Richter die leitende Person, so erhält er doch die mafsgebenden Gesichtspunkte nur von der einen Partei." Wenn der Verf. unter den „mafsgebenden Gesichtspunkten" den auf Eröffnung der Voruntersuchung gerichteten Antrag der Staatsanwaltschaft versteht, hat er freilich Recht; aber was beweist das für die Richtigkeit seiner Behauptung, dafs die Voruntersuchung einen einseitig belastenden Charakter habe? Nachdem der von der StA. als verfolgender Behörde notwendig ausgehende, die Erhebung der öffentlichen Klage bedeutende Antrag auf Eröffnung der Voruntersuchung gestellt und letztere selbst erfolgt ist, liegt die weitere Behandlung der Sache allein in der Hand des mit einer einzigartigen Selbständigkeit ausgestatteten Untersuchungsrichters, der nach eingehendem Verhör des Angeschuldigten alle Beweise pro und contra zu sammeln und die Ermittelung der Wahrheit anzustreben hat. Für eine Beeinflussung seitens der StA., selbst wenn man den Richter einer solchen für zugänglich hielte, ist im Laufe der ganzen Untersuchung kein Raum, und Rosenfeld verkennt die Tätigkeit des Untersuchungsrichters, wenn er bezweifelt, dafs er gerade in der Ermittelung aller zugunsten des Angeschuldigten sprechenden Beweistatsachen seine vornehmste Aufgabe erblicke. In wie vielen Fällen führen denn auch die Ergebnisse der Voruntersuchung zur Einstellung des Verfahrens, wovon die Oeffentlichkeit wenig oder nichts erfährt, wie der Aufsenstehende überhaupt schwerlich eine Vorstellung davon hat, wie sorgsame Prüfung jeder Anklageerhebung vorausgeht, wieviel Anzeigen mangels hinreichenden Verdachtes in dem grofsen Papierkorbe Einstellung des Verfahrens" verschwinden! M. E. darf man also nicht davon sprechen, dafs in dem Verfahren die Rolle des Verfolgers stets triumphiere!

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3. Wie nun Prof. Rosenfeld nach seinen Verbesserungsvorschlägen sich die Gestaltung des Vorverfahrens denkt, ist für den Praktiker kaum verständlich. In demselben sollen sich am besten vielleicht in voller Oeffentlichkeit allein Staatsanwalt und Angeschuldigter gegenüberstehen; falls richterliche Handlungen notwendig werden, sollen sie im Rahmen einer „wahren Gerichtsverhandlung“ vorgenommen werden. Da nun in allen gröfseren Sachen richterliche Handlungen, Zeugenverhöre und Augenschein, unentbehrliche Grundlagen der Wahrheitsermittelung bilden, dürften sich die Strafkammern an dieses Gericht ist wohl gedacht in der Besetzung von 5 oder 3 Richtern in Permanenz erklären müssen, nicht zu reden davon, dass oft in einer einzigen Untersuchung allein wochenlange Gerichtsverhandlungen mit häufigen, durch neue Beweisanträge hervorgerufenen Unterbrechungen notwendig werden müfsten, da das Gericht an Stelle des Untersuchungsrichters treten soll und durch die unbeschränkte Mitwirkung beider Parteien, Staatsanwalt und Verteidiger, der Verschleppung der Sache ins Endlose Tür und Tor geöffnet wäre! An solche in Form von öffentlichen Gerichtsverhandlungen auftretende Untersuchungsakte hätte sich dann erst die eigentliche Hauptverhandlung anzuschliefsen -ein geradezu monströser Prozefs wäre die Folge!

Es erscheint danach der Wunsch gerechtfertigt, es möge den in den wesentlichen Punkten unausführbaren Reformvorschlägen Rosenfelds gesetzliche Anerkennung versagt bleiben. Landgerichtsrat Oppler, Metz.

Die Ablieferung des im Banksafe verwahrten Testaments nach dem Tode des Erblassers. Wenn die eigenhändigen Testamente solcher Personen, welche bei einer Bank ein Stahlkammerfach in Miete haben, in diesem Safe verwahrt werden, so erscheint es zweifelhaft, wie nach dem Tode des Mieters die durch § 2259 BGB. vorgeschriebene Ablieferung des Testaments an das Nachlafsgericht zu bewirken ist.

Die Pflicht zur Ablieferung liegt demjenigen ob, welcher das Testament „im Besitze hat". Wie immer man das Rechtsverhältnis zwischen dem Mieter des Safe und der Bank konstruiert, auf keinen Fall wird man sagen können, dafs die Bank Alleinbesitzer des Inhalts des vermieteten Safe sei, vielmehr ist der Mieter, wenn nicht Alleinbesitzer, so doch zum mindesten Mitbesitzer. Da der Besitz auf den Erben übergeht, kann auch nicht etwa durch den Tod des Mieters die Bank Alleinbesitzer werden. Der Bank allein kann demnach die Ablieferungspflicht nicht obliegen; sie kann über den Inhalt des Safe nicht ohne Zustimmung der Erben verfügen.

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Durch den Tod des Erblassers sind dessen Erben Besitzer des Testaments geworden, soweit der Besitz dem Erblasser zustand. Solange aber das Testament in dem Safe liegt, bleibt es häufig ungewifs, wer der Erbe, mithin der Besitzer ist. Zwar pflegen die hiesigen Banken den gesetzlichen Erben, welche den Safe-Schlüssel präsentieren, eine Durchsicht des Inhalts des Safe zwecks Nachforschung nach einem etwaigen Testament zu gestatten. Ist das Testament offen, so wird sich aus demselben meistens der Erbe ergeben: dann wird dem Erben allein oder wenn man die Bank als Mitbesitzerin ansieht ihm in Gemeinschaft mit dem Bankvorstand die Ablieferungspflicht obliegen. Wenn jedoch das Testament verschlossen ist, so bleibt die Frage, wer Erbe sei, zunächst ungelöst, und mit Recht pflegt die Bank es abzulehnen, dem gesetzlichen Erben zu gestatten, dafs er das aufgefundene Testament an sich nimmt. Durch das vorhandene Testament kann eben die gesetzliche Erbfolge abgeändert sein, und dann fehlt dem gesetzlichen Erben jegliches Recht, über den Inhalt des Safe zu verfügen; gerade das Vorhandensein des Testaments wird der Bank die Pflicht auferlegen, Verfügungen des gesetzlichen Erben nicht zuzulassen.

In dem zweiten Falle ist es mithin nicht möglich, festzustellen, wer Besitzer des Testaments ist. Die gleiche Unmöglichkeit liegt vor, wenn das Safe ein offenes Testament enthält, die Bank aber, wozu sie berechtigt sein wird, sich weigert, den gesetzlichen Erben die Durchsicht des Safe-Inhalts vor dem Feststehen der Erbfolge zu gestatten.

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Der so sich ergebende Konflikt ist hier in manchen Fällen in der Weise gelöst worden, dafs der Bankvorstand gemeinsam mit dem gesetzlichen Erben das Safe öffnete, das Testament an sich nahm und es dann durch einen Beamten der Bank an das Nachlafsgericht ablieferte. Dies Verfahren wird in der Praxis häufig sich empfehlen. mufs aber anerkannt werden, dafs die Bank hierzu nicht verpflichtet ist. Vorsichtige Bankleiter werden auch zuweilen Bedenken haben, ohne gesetzlichen Zwang ein verschlossenes uneröffnetes Testament, wenn auch nur für vorübergehende Zeit, in ihre Obhut und Verantwortung zu übernehmen; die Erwägung, dafs später behauptet werden könnte, es sei ein anderes als das aus dem Safe

genommene Schriftstück an das Nachlassgericht abgeliefert, wird sie unter Umständen davon abhalten, sich auf dies ihnen nicht obliegende Verfahren einzulassen.

Reichsgesetzlich ist nicht geordnet, wie das Nachlafsgericht die durch § 2259 BGB. gebotene Ablieferung zu erzwingen hat. Die Ausführungsgesetze der Bundesstaaten geben durchweg dem Nachlafsgericht die Befugnis, Handlungen, die ausschliesslich von dem Willen einer Privatperson abhängen, durch Ordnungsstrafen zu erzwingen: Dies Mittel versagt in den zuletzt erörterten Fällen, da das Nachlafsgericht nicht feststellen kann, von wessen Willen die Ablieferung abhängt. Dem Nachlafsgericht ist aber in den meisten Ausführungsgesetzen das weitere Recht gewährt, falls eine Sache herausgegeben werden soll, die Anordnung unmittelbaren Zwanges anzuordnen, und auf dies Recht wird das Nachlafsgericht in den erwähnten Fällen zurückzugreifen verpflichtet sein. Wenn das Gericht weifs oder vermuten darf, dafs das Safe ein Testament enthält, wird es mithin, sofern die Beteiligten die Ablieferung nicht ermöglichen, sich zu entschliessen haben, selbst das Safe zu öffnen und das Testament herauszunehmen. Die Bank ist in ihrem Recht, wenn sie die Beteiligten darauf verweist, ein solches Einschreiten des Nachlafsgerichts zu veranlassen.

Nebenbei sei bemerkt, dafs die Darlegung von RGR. Brückner1), dafs die „Miete" eines Safe als wahre Miete eines Raumes i. S. § 580 BGB. angesehen werden müsse, mir durchaus überzeugend erscheint. Folgt man seiner Ansicht, so ist die Bank auch nicht Mitbesitzerin des Inhalts des Safe, hat demnach keinerlei Pflicht, zur Ablieferung eines in dem Safe befindlichen Testamentes an das Nachlafsgericht mitzuwirken.

Landrichter Dr. Lafrenz, Hamburg.

In dem Aufsatze des RA. Dr. Silberstein über die Reform des Fideikommifsrechts in Preufsen in No. 24 1903 d. Bl. findet sich eine Unrichtigkeit, die ich richtig stellen möchte.

Nach § 2 des Entwurfs mufs jedes Fideikommifs dem Fideikommifs besitzer ein Jahreseinkommen von mindestens 10 000 M. gewähren. Wie dieses Jahreseinkommen zu berechnen ist, wird in den §§ 3 und 4 bestimmt. Danach mufs das gesetzliche Mindesteinkommen dem Fideikommifsbesitzer als reines Einkommen verbleiben nach Abzug aller auf dem fideikommissarisch festzulegenden Grundbesitze ruhenden öffentlichen und privatrechtlichen Lasten und Abgaben, der Hypothekenzinsen und gleichstehenden Jahresleistungen und insbesondere auch der stiftungsmässigen Beiträge zur Verbesserungsmasse (§ 61 des Entwurfs) und zu der Abfindungs- und Ausstattungsstiftung (§§ 97 ff.). Es ergibt sich das unzweideutig aus dem Wortlaute des § 4 sowie aus der Begründung zu § 4, S. 52 Ziffer 2 Abs. 2.

Dagegen geht Dr. Silberstein unter No. 3 seines Aufsatzes davon aus, dafs die Beiträge zur Verbesserungsmasse und zur Abfindungs- und Ausstattungsstiftung noch von dem Mindesteinkommen abgehen, und gelangt auf diese Weise unter Berücksichtigung von 10% Staats-, Kommunal- und Kirchensteuern, was sehr hoch gegriffen ist, zu einem tatsächlichen Mindesteinkommen von 7000 Mark, während, wenn man wirklich die genannten Personalsteuern, die nicht unter § 4 des Entwurfs fallen, mit 10% in Ansatz bringen will, immer noch ein reines Mindesteinkommen von 9000 M. verbleiben muss.

1) Recht VI S. 251.

Regierungsrat Dr. Holtz, Posen.

Die seitens des Herrn Professors Dr. Rosenfeld S. 43 d. Bl. geübte abfällige Kritik meines im Kwilecka-Prozefs abgegebenen Gutachtens kann ich nicht als richtig anerkennen, da dem Kritiker das Gutachten selbst nicht vorgelegen hat. In demselben habe ich als geburtshilfliche Erfahrungssätze, von denen Ausnahmen sehr selten sind, folgende genannt:

1. In der Schwangerschaft bleibt die Menstruation aus. Wenn die Frau Gräfin, wie das bekundet worden ist, während der fraglichen Schwangerschaftszeit die Menstruation wie vor der Schwangerschaft hatte, so spricht dieser Umstand gegen eine Schwangerschaft.

2. Ein neugeborenes Kind wiegt gewöhnlich 61, Pfd. Das dem Sanitätsrat Rosinski präsentierte Kind wog nach dessen Bekundung 9-10 Pfund. Es ist kaum zu glauben, dafs dieses Kind ein neugeborenes war, zumal es nach der Angabe der Frau Gräfin selbst um 12 Tage zu früh geboren sein sollte.

3. Neugeborene Kinder werden stets nackt gebadet. Das fragliche Kind ist jedoch, nach Aussage der Frau von Zoltowska, mit der Nabelbinde versehen gebadet worden. Ein medizinischer Grund oder ein Volksgebrauch kommt hierfür nicht in Frage. Es lag nahe, aus dieser Tatsache den Schlufs zu ziehen, dafs der Nabel absichtlich verdeckt werden sollte, weil das Kind eben kein neugeborenes Kind war und den Nabelschnurrest schon verloren hatte.

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Auffällig erschienen mir ferner die Tatsachen, dafs die Gräfin nach dem Wagenunfall und auch zu der Geburt keinen Arzt hinzugezogen hatte, während sie bei den vier Vorausgegangenen Geburten operative ärztliche Hilfe benötigt hatte und dafs die Hebamme in Paris die Gräfin nach ihrer eigenen Angabe nicht untersucht hat. Denn nach meiner Ueberzeugung untersucht eine Hebamme eine 50jährige Dame, die mit der kaum glaublichen Angabe, sie selbst sei schwanger, zu ihr kommt und sie zur Hilfeleistung ins Ausland kommen lassen will, unter allen Umständen, um zunächst die Schwangerschaft und dann die Zeit derselben und damit den Termin ihrer Reise festzustellen. Ich habe ferner betont, dafs keine einzige der von Laien gemachten Beobachtungen einen Beweis für die Schwangerschaft geliefert hat. Bezüglich weiterer Details verweise ich auf die Medizinische Woche 1903, No. 49–51, in welcher mein Gutachten veröffentlicht ist. Dasselbe deckt sich übrigens völlig mit dem des Gerichtsarztes Dr. Störmer.

Professor Dr. med. Dührfsen, Berlin.

Die Rückgewähr bei der Anfechtung des Gläubigers und § 864 Abs. 2 ZPO. Nach § 864 Abs. 2 ZPO. ist die Zwangsvollstreckung in den Bruchteil eines Grundstückes nur zulässig, wenn der Bruchteil in dem Anteil eines Miteigentümers besteht, oder wenn sich der Anspruch des Gläubigers auf ein Recht gründet, mit welchem der Bruchteil als solcher belastet ist. Diese Vorschrift führt zu Schwierigkeiten auf dem Gebiete der Gläubiger-Anfechtung, wenn der Schuldner und ein dritter

etwa jeder zur Hälfte Miteigentümer eines Grundstückes waren, der Schuldner dann zum Nachteil der Gläubiger seinen Anteil an den dritten veräussert, und nun der Gläubiger, von dem Anfechtungsrechte Gebrauch machend, Rückgewähr von dem dritten verlangt.

Dann kann der Klagantrag gegen den dritten nicht, wie es sonst bei Anfechtungsklagen der Fall ist, dahin gestellt werden, dass der dritte sich die Zwangsvollstreckung des Gläubigers wegen seiner Forderung gegen den Schuldner in den früheren Miteigentumsanteil dieses Schuldners oder etwa in den halben Anteil des Grundstückes gefallen lasse. Denn diese Zwangsvollstreckung

ist, da eben der frühere Miteigentumsanteil des Schuldners jetzt nicht mehr vorhanden ist, nach dem angeführten § 864 Abs. 2 ZPO. unzulässig. Andererseits kann die Zwangsvollstreckung in das ganze Grundstück nicht beansprucht werden, da nur der halbe Grundstücksanteil zu dem Vermögen des Schuldners gehörte.

Eine Rückgewähr gemäfs § 7 des Anfechtungsgesetzes, die eine Befriedigung des Gläubigers aus dem früheren Miteigentumsanteil des Schuldners ermöglichen soll, kann vielmehr nur in der Art erfolgen, dafs dieser Miteigentumsanteil zunächst durch Zurückauflassung an den Schuldner wieder hergestellt wird; denn ohne diese Grundlage ist die Zwangsvollstreckung für den Gläubiger unmöglich.

Gegen den dritten Erwerber hat daher der Gläubiger, da dies zu seiner Befriedigung erforderlich ist, den Anspruch auf Rückauflassung des halben Miteigentumsanteils an den Schuldner. Der begrenzte Zweck, zu dem die Rückauflassung verlangt werden kann, „zur Befriedigung des Gläubigers wegen seiner Forderung gegen den Schuldner in Höhe von . . ." würde in den Klagantrag und in die Urteilsformel aufzunehmen sein, da dieser Zweck zugleich den Inhalt der Leistungspflicht in gewissem Umfange bestimmt. Insbesondere kann der dritte durch Auszahlung des Gläubigers die Rückauflassung jederzeit abwenden.

Die Rückauflassung ist indes ohne Mitwirkung des Schuldners nicht möglich. Ein unfreiwilliger Vertreter, etwa ein Sequester, kann dem Schuldner nicht bestellt werden, da es hierfür an einer gesetzlichen Grundlage fehlt. Hat also der Gläubiger gegen den Schuldner einen klagbaren Anspruch auf Mitwirkung bei der Rückauflassung?

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Das Anfechtungsgesetz gibt an sich nur Ansprüche gegen den dritten Erwerber (Wilmowski u. Levy, KO., Anm. 1 zu § 7 des Anfechtungsgesetzes; Petersen Kleinfeller, KO., Anm. 12 zu § 1 des Anfechtungsgesetzes; Entsch. des RG. in ZS. Bd. 35 S. 95 und bei Gruchot Bd. 41 S. 1144). Allerdings hat das Reichsgericht in den beiden letzten Entscheidungen ausgesprochen, dafs es ausnahmsweise zulässig erscheinen könne, den Schuldner mitzuverklagen, dann nämlich, wenn ein Interesse des Gläubigers es erfordere. Es mufs jedoch bezweifelt werden, ob diese Begründung ausreicht. Das Interesse des Gläubigers mag de lege ferenda eine Grundlage bieten, den Anspruch zu gewähren, das positive Recht aber hat keineswegs jedes Interesse auch mit einem Rechtsanspruch versehen, und es mufs daher geprüft werden, ob aus den Normen unseres Rechtes ein solcher Anspruch gegen den Schuldner auf Mitwirkung bei der Rückauflassung begründet werden kann.

Aus dem obligatorischen Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner als solchem wird sich dieser Anspruch auch unter weitestgehender Heranziehung des § 242 BGB. nicht herleiten lassen. Der Gläubiger hat nur einen Anspruch auf Bewirkung der geschuldeten Leistung, nicht auch allgemein darauf, dafs der Schuldner sein Vermögen zur Befriedigung der Gläubiger zusammenhalte. Es können daher nur die Grundsätze über unerlaubte Handlungen (BGB. §§ 823 ff.) in Betracht kommen. Soweit in der Veräusserung des Miteigentumsanteils eine unerlaubte Handlung des Schuldners gegen den Gläubiger lag, ist der Schuldner schadensersatzpflichtig und hat gemäss § 249 BGB. den früheren Zustand wiederherzustellen, also durch Mitwirkung bei der Rückauflassung das frühere Miteigentumsrecht wieder zu erwerben.

Nicht zur Anwendung gelangt § 823 Abs. 1 BGB.; schon deshalb nicht, weil das Forderungsrecht des Gläubigers als solches durch die Veräufserung nicht verletzt ist. Wohl aber kann § 823 Abs. 2 BGB. durch

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