Page images
PDF
EPUB

geworden ist. Von Lehmann rührt der zweite, das Sachen-, Familien- und Erbrecht enthaltende Band her.

Die Reihe seiner Veröffentlichungen vermehrt eine Anzahl von Aufsätzen. Vorträgen und Besprechungen; unter ihnen finden sich auch Beiträge für die Deutsche Juristen-Zeitung", der der Verstorbene von ihrem Beginn an reges Interesse entgegenbrachte. Neben dieser umfassenden literarischen Tätigkeit entfaltete Lehmann eine ausgedehnte, erfolgreiche Lehrtätigkeit. Er war ein eindringlicher, seine Zuhörer packender Dozent, denn was er lehrte, war das Produkt einer kräftigen, individuellen, von warmer Begeisterung für ihre Wissenschaft getragenen Natur.

Das Bild seiner Persönlichkeit würde ein unvollständiges sein, wollte man Lehmann nur nach dem messen, was er als Dozent und Schriftsteller geleistet hat. Sein starkes nationales Empfinden trieb ihn ins politische Leben, sein Gemeinsinn zur Mitarbeit an der städtischen Verwaltung Marburgs. Auch im kirchlichen Leben trat er in Wort und Schrift wiederholt hervor. Wie er dies alles scheinbar mühelos umspannte und bewältigte, das war dies Wort wurde an seinem Grabe ausgesprochen

das Geheimnis seiner Persönlichkeit. Denn er übertrug die Pflichttreue, die ihn in seinem Berufe beseelte und die ihn oft schwere körperliche Schmerzen heroisch zurückdrängen liefs, auch auf diese Gebiete seines öffentlichen Wirkens. Und wer ihm näher trat und sein Vertrauen gewann, der erkannte nicht nur sein vielseitiges, gediegenes Wissen, er empfand auch den erfrischenden Hauch der Persönlichkeit mit ihrem selten reichen Innenleben. So wird er in der Erinnerung derer leben, die mit den Seinen den Heimgang Heinrich Lehmanns betrauern. Geh. Justizrat Professor Dr. Arthur Schmidt, Giefsen.

Juristische Rundschau.

Dem preufsischen Landtag ist ein Gesetzentwurf zugegangen, wonach Wechselproteste nur von 9 Uhr vormittags bis 6 Uhr abends, zu einer früheren oder späteren Tageszeit aber nur mit Einwilligung des Protestaten erhoben werden. Die Einwilligung mufs ausdrücklich erklärt sein, sie ist in dem Protest zu beurkunden. Der Gesetzentwurf bezweckt die einheitliche Einführung von Proteststunden für die preufsische Monarchie. Die Zuständigkeit der Landesgesetzgebung für Gesetze dieser Art wird von der herrschenden Ansicht nicht bezweifelt (vgl. besonders das Urt. des Reichsgerichts v. 20. Okt. 1900 im Sächsischen Archiv, Band 11 S. 470). Zu wünschen wäre, dafs die übrigen Bundesstaaten die Materie in gleicher Weise regeln, oder dafs ein Reichsgesetz einheitliche Proteststunden für ganz Deutschland bestimmte. Es ist nicht ersichtlich, welchen Zweck die bunte Mannigfaltigkeit in diesem Punkte haben soll.

In der Veröffentlichung der halbamtlichen Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen ist wieder ein langsames Tempo eingetreten. Die erste Zeit nach Inkrafttreten der neuen Gesetzgebung wurde von dem höchsten Gerichtshofe eine solche Menge Sprüche von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung erlassen, dafs auch jene Sammlung schneller in Bänden und vor allem

auch in Heften zu erscheinen begann, um der Praxis so schnell als möglich Kenntnis zu geben von den ausgesprochenen neuen Rechtssätzen. Die Flut scheint aber jetzt wieder etwas abgenommen zu haben, denn zwischen dem ersten und zweiten Hefte des 55. Bandes lag eine Spanne von mehreren Monaten.

In Preufsen stöfst der neue Gesetzentwurf über die Amtsgerichtsdirektoren auf mannig-/ fachen Widerspruch. Sollte derselbe wirklich begründet sein? Der Gesetzentwurf will doch nicht eine Aufsicht einführen, wo sie nicht schon jetzt besteht, sondern nur die diesbezüglichen Kompetenzen ändern. Hat doch auch die Rechtsstellung oder das Ansehen der Berliner Amtsrichter dadurch keine Minderung erlitten, dafs ein Amtsgerichtspräsident die Aufsicht über sie führt.

Ebenso kann man sich durchaus einverstanden erklären mit der Schaffung der neuen Stelle eines Gerichtsvollzieher-Inspektors beim beim Amtsgericht I Berlin. Er soll ein Organ nicht nur zur Kontrolle, sondern zur Belehrung der Gerichtsvollzieher, insbesondere auch in bezug auf die Verteilungsstelle und den Verkehr mit dem Publikum bilden. Hoffentlich trägt die Schaffung dieser Stelle dazu bei, den vielfachen Beschwerden im Zustellungsund Pfändungswesen abzuhelfen.

Vermischtes.

Staub.

Vor

Zur Wirkung des preussischen Fürsorge-Erziehungsgesetzes. Bei der Begründung zum Etat für 1904 bemerkte der preufsische Finanzminister im Abgeordnetenhause, dafs von den verlangten Mehrausgaben für das Ministerium des Innern die Hauptsteigerung auf Kosten der Fürsorge-Erziehung entfalle. Schon im Jahre 1903 sei eine Steigerung um 430 000 M. vorgesehen. Der Etat für 1904 erfordere eine weitere um 1320 000 M., so dafs jetzt die gesamte staatliche Leistung für Fürsorge-Erziehung sich auf rund 3 000 000 M. jährlich stelle. Es ist interessant, die Wirkung des Gesetzes von 1900 zu ersehen. Erlafs des Gesetzes waren 10 884 Kinder in Zwangserziehung; nach Erlafs des Gesetzes, und zwar am 31. März 1903 (neuere Daten sind noch nicht vorhanden), stieg die Zahl der Kinder auf 24 000. Im Etatsjahre 1900 bezahlte der Staat für diesen Zweck 837 000 M. und jetzt belaufen sich seine Aufwendungen auf 3 000 000 M. Der Minister bemerkte dazu, das sei gewifs ein Beweis, wie dringend das Bedürfnis gewesen sei, die bessernde Hand hier anzulegen, um unserem Volke schwere sittliche und soziale Gefahren fernzuhalten.

von

Ein Neubau für das preufsische Oberverwaltungsgericht in Berlin ist geplant. Eine erste Baurate hierfür figuriert bereits in dem Etat 1904. Die Zustände in dem bisherigen Gebäude bezw. in den hierzu gemieteten 5 verschiedenen Häusern waren allerdings schon seit langer Zeit geradezu unerträgliche. Es ist daher zu wünschen, dafs es den Mitgliedern dieses wegen seiner ausgezeichneten Rechtsprechung anerkannt hervorragenden höchsten preuss. Verwaltungsgerichtshofes bald vergönnt sein wird, ihre Tätigkeit in einem würdigeren Gebäude auszuüben. Das neue Gerichtsgebäude soll an der Station „Zoologischer Garten“ der Stadtbahn Berlins (Westeisbahn) errichtet werden.

Personalien. In den Stellen der preufsischen Oberlandesgerichtspräsidenten sind mehrfache Veränderungen eingetreten. Der dienstälteste Präsident der Oberlandesgerichte,

Wirkl. Geh. Rat Exz. Dr. von Kunowski, Breslau, ist im Alter von fast 80 Jahren in den Ruhestand getreten, nachdem er seit dem 1. Oktober 1887 an der Spitze des OLG. stand. In v. Kunowski verliert die Provinz Schlesien einen ebenso ausgezeichneten Juristen wie hervorragenden Verwaltungsbeamten. Unter den zahlreichen Ehrungen, die ihm für seine langjährigen Verdienste um die Rechtspflege zuteil geworden sind, sei die Verleihung des Ehrendoktortitels seitens der Universität Breslau hervorgehoben.

An seine Stelle tritt der Präsident des OLG. Kiel Dr. Beseler, ein Sohn des berühmten Germanisten. Beseler geht durch seine bisherige Tätigkeit als Präsident des Amtsgerichts I Berlin und des OLG. Kiel der Ruf eines gleich ausgezeichneten Juristen und Verwaltungsbeamten voraus. Seine Wahl als Ersatz für Kunowski mufs daher als eine besonders glückliche bezeichnet werden.

Zu seinem Nachfolger in Kiel wurde der vortr. Rat im Justizministerium, Geh. Oberjustizrat Prof. Dr. Vierhaus, Berlin, ernannt. Vierhaus ist in verhältnismafsig Jungen Jahren zu dieser hohen Stellung gelangt. Er war Kreisrichter in Kassel, Landrichter in Hannover und Berlin I. 1885 Hilfsarbeiter im Reichsjustizamt, 1887 Oberlandesgerichtsrat in Kassel und wurde 1891 als Geh. Justizrat und vortrag. Rat in das preufs Justizministerium berufen. 1895 wurde er Mitglied der Justizprüfungskommission und 1901 ordentl. Honorarprofessor an der Universität Berlin. Der neue Präsident hat sich um die Gesetzgebung und Justizverwaltung in hervorragendem Mafse verdient gemacht und an der Ausarbeitung zahlreicher preufsischer Gesetze, insbesondere der Nebengesetze zum BGB., wesentlichen Anteil genommen. Vierhaus ist Ehrendoktor der juristischen Fakultäten der Universitäten Königsberg und Greifswald. Sein Name ist durch eine Reihe vorzüglicher wissenschaftlicher Arbeiten, auch in unserem Blatte, und durch die von ihm in Gemeinschaft mit Oberverwaltungsgerichtsrat Dr. Schultzenstein herausgegebene „Zeitschrift für Deutschen Zivilprozefs" allen Juristen geläufig. In dem „Gedenkblatte", das Geh. Rat Adolf Wach Vierhaus aus Anlafs seiner Tätigkeit als Herausgeber von 25 Bänden dieser Zeitschrift widmete, kennzeichnet er die Verdienste Vierhaus mit den Worten: Nicht vielen ist es beschieden, mit umfassender praktischer Durchbildung eindringende theoretische Kenntnis, den Blick für das Allgemeine, die volle Freiheit der Kritik und das Verständnis für die gesunden Instinkte des Volkes zu verbinden."

Felix Dahn, Geh. Justizrat und Professor zu Breslau, beging am 9. Februar seinen 70. Geburtstag. Zu dieser Feier ist ihm ein studentischer Fackelzug dargebracht worden, und die philosophische Fakultät der Univ. Königsberg ernannte ihn zum Ehrendoktor. Die zahlreichen Verehrer dieses besten Dichters unter den Juristen werden sich anlässlich dieses Tages in der Hoffnung mit uns vereinen, dafs es ihm beschieden sein möge, noch lange Jahre als deutscher Dichter, Historiker und Jurist tätig zu sein. Landgerichtsdirektor Dr. Meisel, unser langjähriger und verdienter Mitarbeiter, verstarb unerwartet und plötzlich am 2. Febr. in Darmstadt. Ferner verstarb am 7. Febr. der ehemalige Direktor im preufs. Justizministerium Exzellenz Dr. Droop, Berlin, der 30 Jahre lang ununterbrochen im Justizministerium wirkte, im Alter von 73 Jahren.

Vereine und Gesellschaften.

Wie bereits von uns mitgeteilt, wird der nächste (27.) Deutsche Juristentag in der zweiten September-Woche 1904 zu Innsbruck abgehalten werden. In der Haupt

stadt Tirols herrscht bereits jetzt das regste Interesse für diese nach so vielen Jahren wieder auf österreichischem Boden stattfindende Tagung, und es ist zu erwarten, dafs die Stadt bei dieser Gelegenheit ihren Ruf als Fremdenverkehrszentrum rechtfertigen wird. Der Ortsausschuss plant zahlreiche Veranstaltungen, u. a. auch einen Ausflug mit der im Sommer 1904 zu eröffnenden Bahn in das StubaiTal. Da auch das wissenschaftliche Programm eine grofse Reihe aktueller und bedeutungsvoller Themen umfassen wird (vgl. den einstweiligen Bericht S. 288, 1903 d. Bl.), ist zu erwarten, dafs der Juristentag in Innsbruck einen glänzenden Verlauf nehmen wird. Die Gutachten zu den zur Verhandlung gelangenden Fragen werden den Teilnehmern unentgeltlich abgegeben. Da die Drucklegung derselben demnächst erfolgt, liegt es im Interesse der Teilnehmer, welche noch nicht Mitglieder des Juristentages sind, ihre Anmeldung baldmöglichst zu bewirken. Die Listen hierzu sind bereits aufgelegt. Anmeldungen von Nichtmitgliedern des Juristentages sind unter Beifügung von 9 M., von Mitgliedern von 3 M., an den Ortsausschufs des Juristentages in Innsbruck zu richten.

Neue Gesetze, Verordnungen u. dgl.

Deutsches Reich: Bk. v. 16. 1. 1904, bt. Befähigungsnachweis 11. Prüfg. der Seeschiffer u. Seesteuerleute auf dtschn. Kauffahrteischiffen (R-G.-Bl. 1904, S. 3). Preufsen: M.-Bk. v. 18. 1. 1904, bt. die Bezirke, für die währ. d. Kalenderjahrs 1903 Anleg. d. Grundb. erfolgt ist, sowie die Bezirke, für welche d. Grundb. auch in Anschg. der v. d. Anleg. ursprüngl, ausgenomm. Grundstücke als angelegt gilt (Ges.-S. 1904, S. 5). Allg. Vf. v. 28. 1. 1904, bt. Verwltg. der Provinzialwaisenfond's (J.-M.-Bl. S. 13).

M.-Bk. v. M.-Bk. v.

Bayern: M.-Bk. v. 28. 12. 1903, bt. Geschäftsbehandlg. in den zur Zuständigk, der Schöffenger. gehörend. Strafs. (J.-M.-BI. 1904, S. 2). M.-Bk. v. 31. 12. 1903, bt. Verkehr der Justizbehörd. m. den in Bayern zugelass. fremden Konsularbehörd. (S. 2). 10. 1. 1904, bt. Anleg. d. Grundb. in d. Pfalz (S. 4). 20. 1. 1904, bt. Vornahme d. richterl. Leichenschau u. Leichenöffng. (S. 14). M.-Bk. v. 20. 1. 1904, bt. Vertretg. d. K. Eisenb. u. Postfiskus in Rechtsangelhtn. (S. 15).

Sachsen: M-Vo. v. 16. 12. 1903, bt. Auswerfg. v. Zeugen- u. Sachverständgngebühr. f. Gemeindebeamte (J.-M.-Bl. S. 103). M.-Vo. v. 23. 12. 1903, bt. Auslagenlisten der Gerichtsvollz. (S. 105). M.-Vo. v. 29. 12. 1903, bt. die v. d. Standesbeamten f. Zwecke d. Bevölkergsstatistik z. liefernd. Nachweise üb. Legitimationen unehel. Kinder d. nachfolg. Ehe, sowie üb. Scheidgn. u. Nichtigktserklärgn. v. Ehen (G.- u. Vo.-Bl. 1904, S. 40). M.-Vo. v. 13. 1. 1904, bt. Verkehr m. Geheimmitt. u. ähnl. Arzneimitt. (S. 44). Baden: M.-Bk. v. 11. 1. 1904, bt. örtl. Zuständigk. der Grundbuchämter (G.- u. Vo.-Bl. 1904, S. 3).

Hessen: M-Bk. v. 11. 1. 1904 z. Ausf. d. Ges. üb. Unfallfürsorge f. Gefang. v. 30. 6. 1900 (Amtsbl. d. M. d. Just. 1904, No. 1) M.-Bk. v. 15. 1. 1904, bt. Mittlgn. d. Staatsanwitschftn. an and. Behörd. in Straf-, Diszipl.- u. Ehes. (No. 2).

Mecklenburg-Strelitz: Vo. v. 17. 12. 1903, bt. öffentl. Ankünd. od. Anpreisg. v. Geheimmitt. (Off. Anz. S. 281; f Ratzeb. S. 274). Vo. v. 17. 12. 1903, bt. Verk. m. Geheimmitt. u. ähnl. Arzneimitt. (Off. Anz. S. 286; f. Ratzeb. S. 268). Vo. v. 21. 12. 1903, bt. Ausf. d. R.-Ges. v. 30. 3. 1903, bt. Kinderarb. in gewerbl. Betrieb. (Off. Anz. 1904, S. 2; f. Ratzeb. 1904, S. 1).

Oldenburg: M.-Bk. v. 14. 12. 1903, bt. Ausf. d. R-Ges. v. 30. 3. 1903 üb. Kinderarbeit in gewerbl. Betrieben (Ges.-Bl. f. Hzt. Old. S. 965, f. Fstt. Birkenf. S. 195. f. Fstt. Lübeck S. 589). M.-Bk. v. 6. 1. 1904, bt. gewerbsm. Ausübg. d. Heilkunde durch nicht approb. Pers. (Ges.-Bl. f. Hzt Old. 1904, S. 3).

Sachsen-Altenburg: M-Vo. v. 19. 12. 1903, bt. Verk. m. Geheimmitt. u. ähnl. Arzneimitt. (Ges.-S. S. 109). M.-Vo. v. 19. 12. 1903, bt. Kinderarb. in gewerbl. Betrieb. (S. 113). Sachsen-Koburg-Gotha: M.-Vo. v. 19. 11. 1903 üb. Verk. m. Aizneimitt. aufserh. d. Apotheken (Ges -S. f. Hzt. Gotha S. 145). M.-Vo. v. 28. 12. 1903 z. Ausf. d. R.-G. v. 30. 3. 1903, bt. Kinderarb. in gewerbl. Betrieben (S. 149). Vo. v. 18. 12. 1903 üb. Inkrafttreten d. Ges. v. 10. 5. 1901, bt. Dauer des Vorbereitgsdienstes d. Referendare (1904, S. 11. Anhalt: Pol-Vo. v. 19. 11. 1903, bt. Verk. m. Geheim mitt. u. ähnl. Arzneimitt. (Ges.-S. S. 491).

Schwarzburg-Rudolstadt: M.-Bk. v. 5. 12. 1903, bt. Ausf.Bestimgn. zu §§ 1 u. 3 d. Regulativs üb. jurist. Prüfgn. u. Vorbereitg. z. höh. Justizdienst (Ges.-S. S. 203). M.-Bk. v. 15. 12. 1903, bt. Abänd. bezw. Erweitrg. d. Uebereinkunft m. d. K. Preufs. Staatsreg. weg. Benutzg. K. Preufs. Strafanstltn. z. Strafvollstrekg. (1904, S. 1).

Waldeck: Bek. v. 10. 12. 1903, bt. Vorschrftn. üb. Verkehr m. Geheimmitt. u. ähnl. Arzneimitt. (Reg.-Bl. S. 57). Ges. v. 21. 12. 1903 z. Abänd. d. Ges., bt. Gewährg. v. Wohnungsgeldzuschüss, an d. unmittelb. Staatsbeamt., v. 17. 9. 1875 (1904, S. 3). Bk. v. 8. 1. 1904, bt. Kinderarbeit in gewerbl. Betrieb (S. 5).

[ocr errors]

Reufs . L.: Ges. v. 30. 12. 1903, bt. Unfallversichrg. f. Land- u. Forstwirtschft. (Ges.-S. S. 96). Ges. v. 29. 12. 1903, bt. Gewährg. v. Alterszulagen an Staatsdiener (S. 94). Reg.-Bk. v. 23. 12. 1903, bt. Kinderarb. in gewerbl. Betrieben (1904, S. 1). Reufs J. L.: M.-Vo. v. 7. 1. 1904, bt. Tragen u. Verkauf v. Waffen (G.-S. S. 89).

Schaumburg-Lippe: Ausf.-Anwsg. v. 30. 11. 1903 z. R.-Ges. v. 30. 3. 1903, bt. Kinderarbeit in gewerbl. Betrieben (L.-Vo. S. 399). Lübeck: Erbschaftssteuerges. v. 1. 12. 1903 (S. d. Ges. u. Vo. No 110). - Bk. v. 18. 12. 1903 z. Ausf. d. R.-Ges. v. 12. 5. 1901 üb. priv. Versichrgsunternehmgn. (No. 118).

Bremen: Vo. v. 3. 1. 1904, bt. beeidigt. Börsenmäkler (Ges.-Bl. 1904, S. 3). · - Vo. v. 3. 1. 1904, bt. Taxe f. Mäklergebühren (S. 9). Vo. v. 3. 1. 1904, bt. beeidigt. Güterbesichtiger (S. 14). Elsafs-Lothringen: M.-Vf. v. 18. 12. 1903, bt. Bestellg. v. Reichs- u. unmittelb. Landesbeamten als Sachverständige (Z.- u. Bez.-Amtsbl. 1904, S. 22). — M.-Bestmgn. v. 13. 1. 1904, bt. Besteuerg. ausländ. Lohnarbtr. (S. 22).

Sprechsaal.

Die Einheitlichkeit der Promotionsbedingungen bei den deutschen Juristenfakultäten. Die Juristenfakultät in Heidelberg, welche bisher ihren Doktoranden die Einreichung einer Doktordissertation freistellte,

was zur Folge hatte, dafs tatsächlich fast niemals eine Dissertation geliefert wurde, wird dem Vernehmen nach in Zukunft ebenfalls eine solche verlangen und deren Drucklegung obligatorisch machen. Damit würde in den zwei bedeutsamsten Punkten eine völlige äufsere Uebereinstimmung der juristischen Promotionsordnungen im Deutschen Reiche hergestellt sein.

Sämtliche 21 Fakultäten promovieren (abgesehen von Ehrenpromotionen) nur auf Grund

1. einer vor der Fakultät abzulegenden mündlichen Prüfung,

2. einer zu druckenden Doktordissertation.

Die damit errungene Einheitlichkeit in der Hauptsache wird nicht nur den Fanatiker der Gleichmäfsigkeit, sondern jeden erfreuen, der für die Würde des Doktors beider Rechte Verständnis und an ihrer Hochhaltung ein Interesse hat.

Die noch bleibenden Verschiedenheiten betreffen dann in der Hauptsache folgende Punkte:

1. 8 Fakultäten (darunter 7 preufsische) verlangen neben der Dissertation noch eine schriftliche Auslegung von 2-3 Quellenstellen. Da die grofse Mehrheit der Fakultäten dieses Erfordernis aufhob, so wird eine Einheitlichkeit nur durch Abschaffung dieser schriftlichen Nebenarbeiten zu erreichen sein. Diese ist auch einer für die Oeffentlichkeit unkontrollierbaren laxen Handhabung vorzuziehen. Das schriftliche Examen wird dann nur in der Dissertation bestehen, welche regelmässig auch die Befähigung des Promovierten zur Exegese dartun wird. Im übrigen bietet auch die mündliche Prüfung Gelegenheit zur Vorlegung von Quellenstellen.

2. Die öffentliche Disputation und Verteidigung der Doktorschrift und angehängten Thesen, welche früher allgemein war, ist allmählich überall zu einer blofsen Feierlichkeit herabgesunken, da sich die Promotion durch den Dekan unmittelbar anschliefst und daher der Beschlufs der Fakultät über die Erteilung der Doktorwürde und die Ausfertigung des Diploms vorangegangen sein mufs. Mit Rücksicht hierauf ist bereits in 12 Fakultäten diese Disputation abgeschafft, in einer unter Ersatz durch einen Promotionsvortrag. Drei Fakultäten können von der Disputation selbst dispensieren. Es besteht das Erfordernis also obligatorisch nur noch bei 6 Fakultäten. Aber auch bei ihnen wird vielfach durch die Ministerialinstanz anstandslos dispensiert.

Bei dieser Sachlage wird auch hier Einheitlichkeit nur durch Abschaffung der Disputation zu erzielen sein. Bei der sachlichen Bedeutungslosigkeit des Aktes bestehen dagegen keinerlei Bedenken. Es kommt hinzu, dafs die

Feierlichkeit nicht nur der Fakultät, sondern auch dem Doktoranden erheblichen Zeitverlust verursacht, dafs für den letzteren auch vielfach eine besondere Reise mit erheblichen Kosten notwendig wird.

3. Die meisten Fakultäten erfordern die Einreichung der Dissertation vor der mündlichen Prüfung, während einige die Ablegung des mündlichen Examens vor der Ablieferung der schriftlichen Arbeit gestatten. Eine Einheitlichkeit ist wohl nur durch allgemeine Adoptierung des bei der Mehrheit üblichen Modus zu schaffen. Immerhin läfst sich nicht leugnen, dass für den regelmässigen Fall, dafs die Staatsprüfung dem Doktorexamen vorangegangen ist, es viele Vorzüge hat, wenn dem Prüfling die Ablegung der beiden mündlichen Prüfungen bald nacheinander ermöglicht wird. Ein durch sein besonders vielseitiges Wissen ausgezeichneter auswärtiger Kollege meinte einmal: Die Ablegung eines mündlichen Examens fordert einen Zustand des Wissens in allen Fächern, den man nur künstlich auf kurze Zeit herstellen kann. Es ist kein Grund abzusehen, weshalb man den Kandidaten zwingen will, sich zweimal in diesen Zustand zu versetzen." Das ist wenigstens für den Fall völlig zutreffend, dafs es sich um eine in der Hauptsache dieselben Gegenstände betreffende Prüfung handelt.

Der Schwerpunkt der Promotionsleistungen wird in Zukunft noch mehr wie in der Gegenwart in der Dissertation liegen. Soll der Doktor auf seiner Höhe bleiben, bezw. allgemein auf die ihm gebührende Höhe gebracht werden, so mufs das Ziel aller Fakultäten sein, dafs die unter ihrer Autorität veröffentlichten Dissertationen ausnahmslos wissenschaftliche Leistungen seien. Es ist selbstverständlich, dafs die Erreichung dieses Zieles durch den blofsen Druckzwang noch keineswegs verbürgt ist, und es werden nur wenige unter den Fakultätsmitgliedern sein, die den Anspruch erheben, dafs es bei den unter ihrer Mitwirkung begutachteten Dissertationen immer erreicht sei. Aber durch den ausnahmslosen Druckzwang ist die Basis geschaffen, von der aus allein eine Besserung angestrebt und erreicht werden kann.

Es unterstehen in Zukunft sämtliche deutschen juristischen Doktordissertationen der Kontrolle der Oeffentlichkeit. Es ist nun möglich, dafs durch eine von berufenen Urteilern geübte sachliche und vorurteilsfreie, aber strenge Kritik unwissenschaftliche Dissertationen als solche gekennzeichnet werden und damit die betreffende Fakultät zu gröfserer Vorsicht gemahnt wird. Möge das Interesse zu und an dieser Kritik durch die Wichtigkeit des Zieles stetig angespornt werden, möge sie aber auch in Zukunft wenig Ursache zu gerechtem Tadel finden.

Professor Dr. Otto Fischer, Breslau.

Ein letztes Wort zur Frage: Haben die Gerichte Ordnungsstrafgewalt bei Ungebührlichkeiten in Schriftsätzen der Anwälte? Die von LGR. Wendler S. TI2, 1904 d. Bl. erwähnte Entsch. des OLG. Jena verneint diese Frage für das Gebiet der Reichsprozefsordnungen aus folgenden Erwägungen: Das gemeine Prozefsrecht und ihm folgend viele Partikularrechte sahen die Verletzung der den Anwälten auferlegten Pflicht, ungebührliche Schreibweise zu unterlassen, als ein Disziplinarvergehen an und bestraften sie als solches. Dabei unterschied man aber schon im gemeinen Rechte genau diejenigen Fälle, wo die Pflichtwidrigkeit bei der Führung eines einzelnen Prozesses stattgefunden hatte und im übrigen der sittlichen Qualifikation des Advokaten keinen Eintrag tat, von denjenigen Fällen, wo das letztere zutraf. Jene unterlagen der Bestrafung durch das mit dem Prozesse selbst befafste Gericht, diese wurden vor das Forum

der mit administrativer Disziplinargewalt ausgestatteten oberen Gerichte gezogen. Also trotz gleicher Bezeichnung als Disziplinarverfahren zwei wesentlich verschiedene Dinge: Ordnungsstrafgewalt der Gerichte innerhalb der Ausübung der Rechtspflege Disziplinargewalt der als Verwaltungsbehörden fungierenden oberen Gerichte. Die Ordnungsstrafgewalt steht den Gerichten zu zum Zwecke der ordnungsmässigen Durchführung des Rechtsganges und ist ein Teil von diesem selbst, die Disziplinargewalt ist eine den Gerichten aufserhalb ihrer Jurisdiktionszuständigkeit übertragene Verwaltungszuständigkeit.

Die Feststellung dieses Wesensunterschieds gibt die Grundlage für die Prüfung, inwieweit die neue Reichsgesetzgebung auf diese Gebiete des Landesrechts eingewirkt hat. Landesgesetzliche Vorschriften über das administrative Disziplinarverfahren gegen Anwälte sind durch die Rechtsanwaltsordnung, die prozessrechtlichen Vorschriften über die Ordnungsstrafgewalt sind durch die Prozefsordnungen beseitigt. Befremdlich ist die jetzige Regelung nicht, wonach nur Ungebühr in Sitzungen mit Ordnungsstrafe bedroht wird. Im schriftlichen Prozesse mag Anlafs gegeben sein, die Ungebührlichkeiten in Schriftsätzen mit Strafe zu bedrohen. Heute liegt der Schwerpunkt des Verfahrens nicht in den Schriftsätzen, sondern in den „Sitzungen“.

Ich glaube, dafs das OLG. Jena mit diesen Ausführungen das Richtige getroffen hat. Der Ruf nach dem Gesetzgeber in dieser Frage erscheint mir unberechtigt. Dafs Ungebührlichkeiten in jeder Form, nicht nur solche in der Sitzung, von dem betroffenen Gerichte selbst und sofort geahndet werden müssen (Heuer S. 366/1903, Wendler S. 113/1904 d. Bl.), diese Forderung kann m. E. mit dem Hinweise auf die Würde des Gerichts und die ihm geschuldete Achtung allein nicht begründet werden. Es mufs die Gefahr hinzukommen, dafs durch die Ungebühr der ordnungsmäfsige Gang des Verfahrens eine Störung erleide. Soweit dies nicht der Fall ist, bedarf das Gericht keines Ausnahmeschutzes. Wird allein die Würde des Gerichts und die ihm geschuldete Achtung ins Auge gefafst, warum soll dann nicht jeder Angriff auf diese Güter unter Ordnungsstrafe gestellt werden, z. B. Angriffe in Zeitungen usw.? Auf den ordnungsmäfsigen Gang des Verfahrens vermögen nun wohl Ungebührlichkeiten in der Sitzung störend einzuwirken, schwerlich aber solche in Schriftsätzen. Und deshalb ist es richtig, dafs man diese der Ahndung nach den allgemeinen Regeln des Strafrechts und Disziplinarrechts überlässt.

Selbstverständlich ist nicht zu erwarten, dafs die Disziplinarbehörden des Anwaltsstandes in allen Fällen mit dem betroffenen Gerichte in der Beurteilung der Vorgänge, worin eine Verletzung der Würde des Gerichts und der Achtung vor dem Gerichte gefunden wird, einer Meinung sein werden. Aus solchen Meinungsverschiedenheiten darf man aber wohl nicht den Schlufs ziehen, dafs den Gerichten der „nötige Schutz versagt" werde.

Oberlandesgerichtsrat Dr. Porzig, Jena.

Vernehmung des Angeklagten in der Hauptverhandlung vor der Beweisaufnahme. An einen über diesen Gegenstand S. 541, 1901 d. Bl. von mir veröffentlichten Aufsatz knüpfte LGDir. Kolligs S. 219, 1902 d. Bl. die Bemerkung: ich hätte mich damit befasst, offene Türen einzurennen. Gegen diesen Vorwurf rechtfertigt mich nun S. 109 ff. 1904 d. Bl. ein Ausspruch des LGDirektors Dr. Leuschner in einem Artikel zum Kwileckiprozefs, worin es heifst: „Die fragliche eingehende Vernehmung des Angeklagten ist aber erforderlich,

damit. . . . für den Mitwirkenden, der nur den unzureichenden Eröffnungsbeschluss kennt, die Sache überhaupt verständlich und übersichtlich wird." Wie hieraus hervorgeht, hat die Erkenntnis auch jetzt noch keineswegs überall Eingang gefunden, dafs die fragliche Vernehmung als Mittel zu dem angegebenen Zweck unzulässig ist, dafs derselbe vielmehr durch eine angemessen geordnete Vorführung des Beweismaterials erreicht werden mufs und erreicht werden kann. Näheres in meinem obigen Aufsatz, wo auch LGR. Oppler auf seine S. 158, 1904 d. Bl. aufgeworfenen Fragen die Antwort finden wird.

Landgerichtsrat Thomsen, Altona.

Schwurgerichtliche Fragestellung. Wie ist zu verfahren, wenn die Stellung einer Hilfsfrage nach einem Antragsdelikt beantragt wird und der Strafantrag fehlt (§§ 296, 2592 StrPO.)?

Das Reichsgericht (Entsch. V S. 329 und Rechtspr. IX S. 226) ist der Ansicht, dafs die Frage abzulehnen ist, v. Kries (Strafprozessrecht), dafs die Geschworenen darüber zu entscheiden haben, ob überhaupt der Tatbestand des fraglichen Delikts vorliegt, und dafs erst nach Bejahung der betr. Hilfsfrage vom Gericht eingestellt werden kann (vergl. Dalcke, Fragest. u. Verord. S. 17; Stenglein, StrPO. § 296 A. 1).

M. E. ist die reichsgerichtliche Ansicht nicht haltbar. Eine Begründung dahin, dafs der vorgeschriebene Strafantrag nicht vorliegt, ist keine rein rechtliche, sondern eine wesentlich tatsächliche, die Ablehnung der Frage ist? 2 also nach § 296 StrPO. nicht zulässig. Sie führt aber auch zu unhaltbaren Konsequenzen. Wird nämlich die betr. Fragestellung versagt, und verneinen dann die Geschworenen die Hauptfrage in der Annahme, dass nur der Tatbestand des Antragsdelikts gegeben ist, so mufs das Gericht freisprechen (§ 314 Abs. 1 StrPO.). Einstellen kann es nicht, denn jene Auffassung der Geschworenen hat keinen prozessualen Ausdruck gefunden, und es fehlt also an jeder Möglichkeit für das Gericht, dem die Feststellung eines Deliktstatbestandes ja nicht zusteht, im Urteile zum Ausdruck zu bringen, dafs die Tatbestandsmerkmale eines bestimmten, im Eröffnungsbeschlufs nicht enthaltenen Antragsdelikts gegeben waren, und dafs dieses Delikt nur wegen Mangels des Antrags nicht zum Gegenstande der Fragestellung und Bestrafung gemacht werden konnte. Der öffentliche Ankläger hat aber ein Recht darauf, dafs in einem solchen Falle nur auf Einstellung erkannt wird. Unter Umständen ist er ja in der Lage, den Strafantrag noch rechtzeitig nachholen zu lassen und das Verfahren von neuem aufzunehmen (RG. E. IV S. 211), während im Falle einer Freisprechung die Strafklage für jegliche weitere Verfolgung verbraucht ist (RG. E. III S. 385, VII S. 356).

Anders liegt die Sache, wenn was bei zusammenhängenden Strafsachen auch im schwurgerichtlichen Verfahren vorkommen kann von vornherein Gegenstand des Eröffnungsbeschlusses ein Antragsdelikt ist und es sich herausstellt, dafs der Strafantrag fehlt. In einem solchen Falle braucht es der Gerichtshof gar nicht bis zur Fragestellung kommen zu lassen. Er kann, da die Richtung der Strafklage bereits im Eröffnungsbeschlufs gekennzeichnet ist, das Verfahren schon vor der Fragestellung einstellen. Der § 296 kommt dann überhaupt nicht in Frage.

Landgerichtsrat Herold, Magdeburg.

Das Recht des Verteidigers auf Einsicht der staatsanwaltschaftlichen Ermittelungsakten. Der Beschuldigte kann sich in jeder Lage des Verfahrens des

Beistandes eines Verteidigers bedienen (§ 137 StrPO.). Eine erspriefsliche Tätigkeit des Verteidigers ohne Einsicht der Akten ist nur in seltenen Fällen denkbar. Es dürfte der allgemeinen Ansicht entsprechen, dafs für das Vorverfahren die Rechte der Verteidigung, besonders auch bezüglich der Akteneinsicht, erweiterungsbedürftig sind. Voraussichtlich wird auch die reformierte StrPO. diesem Bedürfnis Rechnung tragen. Bis dahin werden aber auch im günstigsten Falle noch viele Jahre vergehen. Um so wichtiger ist es, dafs in der Zwischenzeit nicht auch noch die bestehenden spärlichen Rechte der Verteidigung verkürzt werden. Dies scheint mir durch die Interpretation zu geschchen, die Abs. 3 des § 147 StrPO. bei einzelnen Staatsanwaltschaften, z. B. der Breslauer, finden. Denn danach wird dem Verteidiger die Einsicht der Akten prinzipiell und regelmäfsig verweigert.

Insoweit es sich dabei um das diskretionäre Ermessen aus Absatz 2 handelt, steht der Wortlaut des Gesetzes dieser Praxis zur Seite. Die Absicht des Gesetzgebers war eine andere. Die Entstehungsgeschichte des Gesetzes macht zweifellos, dafs, wenn nicht gewichtige Gründe entgegenstehen, dem Verteidiger auch im Vorverfahren die Akteneinsicht gestattet werden sollte". Die Verweigerung der Akteneinsicht sollte also die Ausnahme sein, eine Auffassung, die der vernünftigen Erwägung entspringt, dafs in der weitaus überwiegenden Anzahl aller Fälle durch die Akteneinsicht des Verteidigers der Untersuchungszweck nicht gefährdet werden wird.

Insoweit aber Absatz 3 in Frage steht, verstöfst die erwähnte Praxis m. E. gegen das Gesetz selbst. Hier handelt es sich nicht um eine nach diskretionärem Ermessen zu erteilende Erlaubnis, sondern um Ausübung eines gesetzlich gewährleisteten Rechts. Die Einsicht der in Absatz 3 aufgeführten Teile der Akten darf dem Verteidiger nicht verweigert werden. Die Auffassung, dafs dieser Absatz sich auf staatsanwaltschaftliche Ermittelungsakten nicht bezieht, findet in keinem Worte des Gesetzes eine Stütze. Im Gegenteil. Nachdem Absatz 1 und 2 des zit. § 147 das Recht des Verteidigers auf Akteneinsicht für verschiedene Stadien des Verfahrens verschieden geregelt, dabei auch implicite einen von der Praxis als entscheidend erachteten Unterschied zwischen „gerichtlichen“ und „staatsanwaltschaftlichen" Akten markiert haben, erklärt Abs. 3, dafs in dem dort angegebenen Umfange die Akteneinsicht keinesfalls, d. h. in keinem Stadium ¡des Verfahrens und gleichgültig, ob sich die Akten bei fdem Gericht oder der Staatsanwaltschaft befinden, verweigert werden darf. Für das Hauptverfahren wäre eine solche Bestimmung mit Rücksicht auf § 147 Abs. 1 überflüssig; sie ist also nur für das Vorverfahren getroffen, und es fehlt jeder Anhalt dafür, dafs sie etwa nur dann anwendbar sein sollte, wenn das Vorverfahren zu einem formellen Voruntersuchungsverfahren wird.

[ocr errors]

Und der Kommissionsbericht über den Entwurf der StrPO. bezeichnet den Abs. 3 als „die einfache Konsequenz der Vorschrift, nach welcher der Verteidiger einzelnen Verhandlungen im Vorverfahren beiwohnen und hierdurch von ihnen bereits unmittelbar Kenntnis nehmen kann.“

Ich habe in zahlreichen konkreten Fällen vergeblich versucht, dieser Auffassung Geltung zu schaffen. Die Breslauer Staatsanwaltschaft hat sie zwar niemals widerlegt, aber alle Anträge auf „Einsicht der Akten in dem in § 147 Abs. 3 bestimmten Umfange" abgelehnt. Die Oberstaatsanwaltschaft hat meine Ausführungen über die grundsätzliche Bedeutung des § 147 Abs. 3 als verfehlt" bezeichnet, und die zweimalige Bitte um eine autoritative Entscheidung des Justizministeriums als höchster Beschwerdeinstanz ist unerfüllt geblieben. Das eine Mal wurde sie

[blocks in formation]

Ist der Schuldübernehmer,,Rechtsnachfolger" im Sinne der §§ 325, 727, 729 ZPO.? Diese Frage ist schon wiederholt erörtert worden, und bereits in No. 23 1901 d. Bl. bejahte sie Haverkamp. Er folgerte daraus konsequent, dafs ein Gläubiger gegen den Uebernehmer einer rechtskräftig festgestellten Schuld ohne weiteres nach § 727 ZPO. die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils verlangen könne; im Gegensatze zu Staub, HGB. Anm. 26 zu § 17, welcher dem Gläubiger nur die actio judicati auf Grund der rechtskräftigen Entscheidung gegen den Urschuldner anheimgibt.

Die Ansicht von Staub ist jedoch m. E. zutreffend. Allerdings ist im Sinne der §§ 325, 727, 729 ZPO. unter Rechtsnachfolger auch der Singularsukzessor zu verstehen. Der Schuldübernehmer ist nun zwar Sondernachfolger des Urschuldners, er ist aber nicht sein Rechts nachfolger. Denn wäre dieses die Ansicht des zivilprozessualen Gesetzgebers, so wäre der Sinn des § 729 1. c. nicht einzusehen. In diesem Paragraphen wird nämlich einem Gläubiger das Recht zugebilligt, gegen denjenigen, der das Vermögen eines anderen durch Vertrag mit diesem nach der rechtskräftigen Feststellung einer Schuld des anderen übernimmt, sowie gegen denjenigen, welcher ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma fortführt, in Ansehung einer vor dem Erwerbe gegen den früheren Inhaber rechtskräftig festgestellten Verbindlichkeit, die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils nach § 727 1. c. nachzusuchen. Wären die Schuldübernehmer im Sinne dieser Paragraphen Rechtsnachfolger des Urschuldners, so wäre der § 729 1. c. überflüssig, weil dann bereits durch § 727 gedeckt. § 729 1. c. behandelt aber gerade Fälle, in denen an sich nach § 727 eine vollstreckbare Ausfertigung gegen bestimmte Personen nicht zu erteilen wäre. Die Schuldübernehmer sind keine Rechts nachfolger, weil sie nicht in ein Aktivum, in ein Recht des Urschuldners, sondern in dessen Verbindlichkeit sukzedieren, und nur aus Billigkeitsrücksichten hat der Gesetzgeber den Gläubigern in den erwähnten Fällen den einfachen Weg des § 727 überlassen (cfr. Begründung zur Novelle zu § 665b, Denkschr. zur Novelle S. 109 ff.). Aufserhalb der Fälle des § 729 also im Falle der reinen Schuldübernahme und im Falle des § 25 Abs. 3 HGB. greift daher nicht § 727 1. c. ein, es bleibt vielmehr dem Gläubiger überlassen, auf dem von Staub angeführten Wege gegen den Uebernehmer ein Judikat zu erlangen (Seuffert, ZPO. 1902 Bd. I zu § 325, StruckmannKoch, ZPO. 1900 zu § 727).

[ocr errors]

Rechtsanwalt Emil Jacoby, Berlin.

Welche rechtliche Stellung nimmt der Vormund einem Handelsgeschäfte gegenüber ein, das er im Namen des Mündels betreibt? Dem Vor

« EelmineJätka »