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spruchen? Die Ausnahme von der Unterzeichnung letztwilliger Verfügungen ist für die des Schreibens unkundigen Personen gemacht, nicht aber für solche, die zu Unrecht ihre Schreibfähigkeit verneinen.

Legt man die Rechtsanschauung des Kammergerichts zugrunde, so kommt man zu einem auffallenden Ergebnis. Wenn der Erblasser unwahrerweise seine Schreibfähigkeit verneint hat, so ist das Testament bei Feststellung dieser unwahren Angabe wirksam, während das Testament nichtig wäre, in welchem die Schreibunfähigkeit festgestellt ist; folgt doch aus dieser Feststellung, dafs der Erblasser die Erklärung seiner Schreibunfähigkeit der Wahrheit gemäfs abgeben musste. Der Schutz der Form ist gröfser als der Schutz der Wahrheit!

Der Zufall hat es gefügt, dafs die vom Kammergericht gerügte Unrichtigkeit des Feststellungsvermerkes sich in ähnlichem Falle unmittelbar im Gesetze selbst findet. § 179 Abs. 1 Satz 1 des Reichsgesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit lautet:

„Erklärt ein Beteiligter, dafs er der deutschen Sprache nicht mächtig sei, so muss bei der Beurkundung ein vereideter Dolmetscher zugezogen werden "

Abs. 3 daselbst lautet:

Im Protokolle mufs festgestellt werden, dass der Beteiligte der deutschen Sprache nicht mächtig ist.“

Wir sehen ab von der eigentümlichen Entstehungsgeschichte dieser Gesetzesstelle sowie von den verschiedenen Auslegungen derselben1) und halten uns nur an den Wortlaut, wie ja auch das Kammergericht dem Wortlaut bei Wahrung der Formvorschriften des § 2242 BGB mafsgebende Bedeutung zuspricht. Alsdann ergibt sich folgendes: Im Protokoll mufs der Vermerk stehen: „Es wird festgestellt, dafs N. N. der deutschen Sprache nicht mächtig ist." Diese Feststellung ist alsdann im Gesetz vorgeschrieben mit Rücksicht auf Abs. 1 a. a. O., also für den Fall, dafs der Beteiligte erklärt hat, er sei der deutschen Sprache nicht mächtig. Dieselbe Ungenauigkeit, die in jenem testamentarischen Vermerk enthalten ist, findet sich also im Gesetz. Entweder hat der Reichstag bei Begründung des § 179 a. a. O. die Fassung des Abs. 3 für genügend erachtet. Dann wird man auch den testamentarischen Vermerk für genügend halten müssen. Oder der Reichstag hat sich bei der Fassung der Gesetzesstelle geirrt; dann wird die Feststellung des Vermerks in der Urkunde, „der Beteiligte ist der deutschen Sprache nicht mächtig", dahin aufgefafst werden müssen, dafs der Beteiligte erklärt habe, er sei der deutschen Sprache nicht mächtig, eine Auslegung, die wir für jenen testamentarischen Vermerk gleichfalls beanspruchen. Ob, wie das Kammergericht 2) (Rechtspr. d OLG. Bd. 1 S. 408) angenommen hat, die Feststellung genügt, dafs der Beteiligte erklärt habe, er sei der deutschen Sprache nicht mächtig, ist für die Entscheidung unserer Frage unerheblich.

1) Vgl. Dronke in D. Jur.-Ztg. 1901 S. 495 und die dort zit. Literatur. Lehmann in Jur. Monatsschr. f. P. 1900 S. 1 und 69.

2) Desgl. LG. Meseritz in Jur. Monatsschr. f. P. 1900 S. 81 LG. Gleiwitz in Breslauer Anwaltsztg. 1900 S. 25.

Wenn aber bei Wahrung der Formvorschriften die Gesetze streng auszulegen sind, so mufs diese Regel auch überall Anwendung finden. Aber selbst das Kammergericht hat diesen Grundsatz keineswegs durchgeführt und auch nicht durchführen können. § 2242 Abs. 1 BGB. enthält die Vorschrift: „Das Protokoll mufs vorgelesen, von dem Eblasser genehmigt und von ihm eigenhändig unterschrieben werden. Im Protokoll mufs festgestellt werden, dass dieses geschehen ist.“

Eine entsprechende Vorschrift enthält § 177 Abs. 1 Reichsges. über freiwillige Gerichtsbarkeit.

Das Kammergericht selbst aber hat die Feststellung der Eigenhändigkeit der Unterschrift nicht für erforderlich erklärt.1) Zur Begründung dieser Ansicht wird unter Hinweis auf die Motive gesagt: „Ist das Protokoll so gefafst, dafs aus ihm unmittelbar hervorgeht, dafs jeder Beteiligte seine Unterschrift selber persönlich geschrieben hat, dann ist der Form Genüge getan."

Darüber hinaus hat das Kammergericht2) und auch das Reichsgericht3) den Vermerk v. g. u. für eine genügende Feststellung i. S. des § 177 angesehen.

Ist in diesem, wie in vielen anderen Fällen, von der strengen Beobachtung der Formvorschriften abgesehen, so ist nicht ersichtlich, warum nicht Gleiches auch bei Auslegung des Testamentsvermerks über die Schreibunfähigkeit der Erblasserin geschehen konnte.

Warnend hat Dernburg in der Deutschen Jur.-Ztg. 1904 S. 1 sein wichtiges Wort erhoben. Gerade die Testamente, ruft er aus, bedürfen der wohlwollenden Auslegung. Er weist auf die Gefahr hin, difs der Wille des Erblassers durch ängstliches Anklammern an Worte gefährdet wird. Wir fügen hinzu: Es ist undenkbar, dass der instrumentierende Beamte, der häufig im letzten Augenblicke zur Errichtung eines Testaments an das Sterbebett des Erblassers hinausgerufen wird und mit möglichster Beschleunigung den letzten Willen zu Protokoll nehmen mufs, stets so korrekt alle Worte des Gesetzes beobachten kann, dafs nicht hin und wieder eine geringfügige Ungenauigkeit mit unterläuft. Mit solchen Möglichkeiten mufs die Rechtsprechung rechnen und deshalb tunlichst im Rahmen des Gesetzes nach zulässigen Regeln der Auslegung auf Erhaltung der letztwilligen Verfügungen bedacht sein.

Immanuel Kant.

Ein Gedenkblatt.

Vom Professor Dr. Ernst Heymann, Königsberg i. Pr.

Mit der ganzen Welt beging Deutschland in diesem Monat eine stille Säkularfeier für den grofsen Denker, der die Grundlage für unser wissenschaftliches Leben geschaffen und wie kein zweiter durch seine Werke den Ruhm deutscher Geisteskraft über den Erdball getragen hat. Auch uns Juristen war er Bahnbrecher.

Oberflächlicher Betrachtung erscheint Kant als

1) Rechtspr. d. OLG. Bd. 1 S. 342.

2) Jahrb. d. Kammerg. Bd. 25 S. A. 53.

3) Jur. Wochenschr. 1903 S. 31 Nr. 36.

ein Vertreter des alten Naturrechts; äufserlich zeigen seine hier interessierenden Werke, insbesondere die -Grundlegung zur Metaphysik der Sitten" (1785) und die Metaphysischen Anfangsgründe der Rechtslehre (1797), ganz die aprioristisch deduzierende Art der Naturrechtler, und besonders die dem beginnenden Greisenalter entstammenden Anfangsgründe der Rechtslehre enthalten manche Einzelheiten, die man getrost als Belege für die Verirrungen jener Schule ausgeben kann. Und doch ist Kant im Grunde der eigentliche Ausgangspunkt für die historische Rechtserkenntnis, die seit Beginn des 19. Jahrhunderts das deutsche Rechtsleben mit Fug beherrscht. Wenn in neuerer Zeit mit Recht auf Herder als den eigentlichen Herold der traditionell auf Savigny zurückgeführten historischen Rechtsschule hingewiesen worden ist, so darf man nicht vergessen, dafs Herder als Schüler Kants an dessen Lippen hing, gerade als Kant unter dem Einfluss der Engländer und Rousseaus mit der alten Schulmetaphysik gebrochen hatte und in seine empiristische Epoche eingetreten war. Aber ganz abgesehen von äufseren Zusammenhängen ist entscheidend, dafs Kant die alten Hauptgedanken der Naturrechtsschule aufgegeben hat; der Staatsvertrag als Ausgangspunkt der Rechts- und Staatsordnung ist für ihn nicht mehr ein historisches Ereignis, sondern lediglich eine Vernunftsidee, ein philosophischer Rechtfertigungsgrund des Staates; und wenn Kant auch nicht bis zur Erkenntnis der realen Gesamtpersönlichkeit des Staates vorgeschritten ist und sich damit begnügte, statt der Summe der empirischen Willen die Summe der vernünftigen Willen als allgemeinen Willen anzusehen, so kann man doch mit Gierke sagen, dafs er damit der Auffassung des Staats als individualistische Sozietät die gefährlichste Spitze abgebrochen hat, wie er denn auch durch seine Auffassung des Staatsoberhauptes als „Agenten des allgemeinen Willens", durch seine Zeichnung des konstitutionellen Staates und seine Negierung des Revolutionsrechtes der modernen Staatsauffassung entscheidend vorarbeitete. Vor allem aber war es nicht Kants Meinung, dafs die natürliche Rechtslehre etwa positive Rechtssätze schaffen könne: sorgfältig unterscheidet er das ius naturae von dem, was die Gesetze an einem gewissen Ort und zu einer gewissen Zeit sagen". Zwar kann man kaum mit Landsberg annehmen, dass Kants Rechtslehre lediglich Beispiele einer Prüfung der wichtigsten positiven Rechtssätze auf ihre Uebereinstimmung mit den höchsten Prinzipien der Sittlichkeit und Natur enthält; vielmehr hat Kant wirklich eine ideale Rechtsordnung auch in den Einzelheiten deduktiv zu gewinnen gesucht und ist nur in der Weise der Naturrechtler immer wieder bei seinem heimischen Recht gelandet. Aber immerhin hat ein Geist wie Kant natürlich auch auf diesem Umwege die unentbehrliche begriffliche Durchdringung unseres empirisch gegebenen Rechtsstoffes mächtig gefördert (hat er doch z. B. bekanntlich zuerst das Urheberrecht als Persönlichkeitsrecht konstruiert): mag seine Arbeit auch hier und da einem heute überwundenen Formalismus und einseitigen Romanismus zugute gekommen sein. allem aber bleibt sicher richtig, dafs auch in der Rechtsphilosophie Kants als oberste Leistung sich die kritische Sonderung der Gebiete empirischer und aprioristischer Betrachtung ergibt". Der grofse

Ausgangspunkt der kritischen Philosophie bildet auch den Grundstein der modernen Rechtserkenntnis. Wie aber der letzte Zielpunkt Kantschen Philosophierens für ihn selbst die Gewinnung einer metaphysischen Gesamtanschauung war, wie insbesondere die Sittlichkeits- und Freiheitsidee und weiterhin die Gottes- und Unsterblichkeitslehre für ihn den Mittelpunkt seiner Weltanschauung bildeten, so hat er der Rechtswissenschaft sein Höchstes geboten durch die Aufstellung eines edlen Rechtsideals. Als letztes Prinzip allen Rechts, als Richtmass und Leitstern soll es uns vorschweben, damit wir nicht als Rechtsspezialisten nach seinem bekannten Wort Cyklopen bleiben, sondern ein zweites Auge der Selbsterkenntnis der menschlichen Vernunft" haben. Recht ist der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetz der Freiheit zusammen vereinigt werden kann." In seinem Rechtsprinzip hat Kant in für immer mustergültiger Weise das Gebiet des Rechts als Reich der äufseren Normierung von dem Gebiete der Sittlichkeit, dem Reiche der inneren Normierung, scharf geschieden. Er hat aber trotzdem Sittlichkeit und Recht auf einen letzten einheitlichen Grundbegriff, den der Freiheit, zurückgeführt. Auch hierin ist er vorbildlich, denn ein letztes, im Grunde ethisches Prinzip mufs auch der Rechtsordnung in der Form der Gerechtigkeitsidee zugrunde liegen, nicht im Sinn einer Norm für die Gesinnung des e nzelnen im Rechtsleben, sondern als Richtmafs für den Interessenausgleich bei der Findung von Rechtsformen für die Lebensverhältnisse als Massenerscheinungen. Und dafs dieses Prinzip ein absolutes, ewiges, ein für allemal feststehendes sei, fordert gebieterisch die praktische Vernunft. Aber freilich, soweit wir die Geschichte der menschlichen Ideen kennen, ist es Menschen bisher noch niemals gelungen, das Gerechtigkeitsideal ungetrübt zu erkennen; wo immer edle Hirne sich darum bemüht haben, trägt das Ergebnis Spuren der Zeitgeschichte. Auch Kants Aufstellung zeigt das Gepräge der Aufklärungs-Humanität des mächtig aufstrebenden damaligen Bür ertums, und wir werden heute wie wohl auch die Ausführungen Stammlers, des modernen Fortbilders Kantscher Gedanken zeigen geneigt sein, neben dem blofs negativen Postulate der wechselseitigen Wahrung der Freiheit und Menschenwürde im Gemeinschaftsleben das der positiven Förderung des Nächsten stärker zu betonen. Und weiter. Auch wenn man glaubt, das absolute Gerechtigkeitsprinzip gefunden zu haben, entsteht für unsere Wissenschaft die Frage, wie weit wir das so Gefundene praktisch verwerten dürfen. Dafs es als letztes legislatorisches Prinzip mafsgeblich wäre, bleibt freilich zweifellos. Aber ob man überall, wo die Rechtsordnung durch Hinweis auf Billigkeit, Treu und Glauben, gute Sitte, wichtige Gründe und durch ähnliche Wendungen einen freien Spielraum für die Entscheidung lässt, ob man insbesondere bei der Ausfüllung sog. Lücken der Rechtsordnung (bei Verneinung logischer Geschlossenheit des objektiven Rechts) das nach eigener Ueberzeugung als absolutes erkannte Gerechtigkeitsprinzip zugrunde legen darf, erscheint trotz Stammlers Darlegung noch nicht völlig ausgetragen: vom Standpunkte der Positivität des konkreten Rechts wird man sich wenigstens in einer

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Reihe dieser Fälle, insbesondere bei der sog. Lückenausfüllung, an das der jeweilig historisch gegebenen Rechtsordnung latent zugrunde liegende historisch bedingte Gerechtigkeitsprinzip halten müssen. Wie dem aber auch sei, und ob nun Kant den richtigen Weg zur Auffindung eines absoluten Gerechtigkeitsprinzips endgültig gefunden habe oder nicht: immer bleibt seine geistige Arbeit ein ungeheurer Fortschritt in der Entwickelung menschlicher Ideen und damit der menschlichen Kultur. Vor allem war ein Fortschritt die Gestaltung seines Prinzips zum formalen und in sich selbst seinen höchsten Zweck findenden, im Gegensatze zu den eudämonistischen Bestrebungen der Naturrechtsschule: denn nur losgelöst von der Güterlehre vermag das Gerechtigkeitsprinzip ein brauchbares Richtmafs für den Ausgleich menschlicher Zweckbestrebungen zu bieten, vor Klassengesetzgebung und Klassenrecht zu schützen. Und so wurde Kants Grundgedanke mafsgebend durch ein Jahrhundert. Es ist nicht Zufall, dafs sowohl das preufsische Beamtentum des von Stein und Hardenberg reformierten Staates wie andererseits der gesamte vormärzliche Liberalismus unter Kants Zeichen stand. Es ist nicht Zufall, dass die ganze Rechtsphilosophie des 19. Jahrhunderts, sei sie historisch oder antihistorisch orientiert, Kants Gerechtigkeitsideal irgendwie verwertete, dafs gerade die neuere Zeit ihn in steigendem Masse beachtet, und dafs seine Ausführungen in vielen Fragen Gemeingut des Jahrhunderts in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Lehre wurden. Seine Strafrechtstheorie insbesondere, aus seinem Prinzipe gefolgert, ist in Verbindung mit seiner Willenslehre der Grundstein der klassischen Strafrechtsschule geworden und bleibt auch mit der modernen soziologischkriminalistischen Strömung vereinbar.

Gerade weil er Grofses zu rechter Zeit ersann, war Immanuel Kant der Gröfsten einer.

Juristische Rundschau.

In Hannover hat der Erste Staatsanwalt eine Anordnung erlassen, wonach die unterstellten Amtsanwälte angewiesen werden, gegen alle freisprechenden Urteile der Schöffengerichte Berufung einzulegen. Eine solche generelle Verfügung erscheint nicht nachahmungswert. Einmal enthält sie ein Mifstrauensvotum gegen die Schöffengerichte, welches diese nicht verdient haben und das den Behörden so lange nicht ansteht, als die Schöffengerichte eine gesetzliche Institution sind. Sodann erscheint die Anordnung einseitig. Es ist nicht ersichtlich, warum die Berufung stets nur gegen freisprechende Urteile erfolgen soll. Hält der Herr Erste Staatsanwalt die Rechtsprechung der Schöffengerichte in Bausch und Bogen für bedenklich, dann fragt man sich vergebens, warum er nicht für die Aufhebung der verurteilenden Erkenntnisse die gleiche Fürsorge an den Tag legt.

Das Recht am Namen, welches das BGB. statuiert hat, hat dem Anschein nach manche Leute nervös gemacht. Ein Herr Dambitsch fühlt sein Namensrecht verletzt, weil eine Theaterfigur seinen Namen erhalten hat. Wenn das auf häufig vorkommende Namen ausgedehnt wird, dann kann dies den Schriftstellern arge Verlegenheiten bereiten. Ja selbst seltene Vornamen dürften die Schriftsteller

dann nicht wählen. Denn auch für sie können bereits Träger vorhanden sein, und diese könnten dann klagend vorgehen. Hier mufs die Rechtsprechung vernünftige Grenzen ziehen.

Ein Oberlandesgericht in Düsseldorf wird nun doch geplant. Dem preufs. Abgeordnetenhause ist ein Gesetzentwurf, betreffend die Errichtung eines OLG. in Düsseldorf, zugegangen, nachdem diese Frage (auch in unserem Blatte 1903 S. 95) vielfach diskutiert wurde. Dem neuen OLG. Düsseldorf sollen zugewiesen werden: unter Abtrennung von dem OLG. Köln: die Bezirke der Landgerichte Kleve, Düsseldorf und Elberfeld, unter Abtrennung von dem OLG. Hamm: die Bezirke der Landgerichte Duisburg und Essen. Der Tag des Inkrafttretens des Gesetzes soll wegen der notwendigen Ueberleitungsarbeiten und räumlichen Unterbringung durch besondere königliche Verordnung bestimmt werden. Gegen dieses Gesetz ist aller Wahrscheinlichkeit nach ein erheblicher Widerspruch nicht zu erwarten, nachdem, wie es in der Begründung heifst, sich die unbedingte Nötigung zu einer Entlastung des OLG. Köln durch einschneidende organisatorische Mafsnahmen ergeben hat. Ob aber damit der „Prozefsverschleppungsfrage" in der Rheinprovinz ein Ende bereitet sein wird?

Vermischtes.

Staub.

Brief aus Oesterreich. Abgesehen von dem Gesetz über die obligatorische Revision der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, ist im vergangenen Jahre kein Justizgesetz von gröfserer Bedeutung zustande gekommen. Die Obstruktion im Reichsrate machte fast jede gesetzgeberische Arbeit unmöglich. Auch der allseits verlangten Reform des Militärstrafprozesses werden aus den weitgehenden sprachlichen Anforderungen manche Schwierigkeiten erwachsen. Von dem neuen Prefsgesetze, das im Ausschusse des Abgeordnetenhauses fertiggestellt ist, ist vorläufig nicht die Rede. Man darf überhaupt bezweifeln, ob der Presse viel an der gesetzlichen Regelung liegt, solange die gegenwärtige Verwaltungspraxis fortbesteht. Im Falle der subjektiven Verfolgung hat die Presse von den Geschworenen nichts zu fürchten, von der Beschlagnahme und dem objektiven Verfahren wird aber nur sehr zurückhaltender Gebrauch gemacht, so dafs zur Zeit weitgehende Prefsfreiheit besteht. Man kann aber konstatieren, dafs sich deshalb die Haltung und Schreibweise der Zeitungen nicht ver

schlimmert hat.

Mittels einer administrativen Verfügung ist auf dem Gebiete des Verwaltungsverfahrens durch einen Erlafs des Ministerpräsidenten als Leiters des Ministeriums des Innern eine Verbesserung der Praxis angebahnt worden. Es wird da Gewährung des beiderseitigen Gehōrs, eingehende Begründung der Entscheidungen, insbesondere solcher, welche subjektive Rechte betreffen, verlangt und Gewährung der Akteneinsicht, sowie Verständigung der rechtsfreundlichen Vertreter der Parteien gefordert. Auch dem Wunsche der Advokaten nach einem gleichmässigen, die einseitige Begünstigung einzelner Anwälte ausschliefsenden Vorgehen der Gerichte in Wien bei Bestellung von Advokaten zu Konkursmasseverwaltern und Kuratoren wurde Rechnung getragen durch Einführung eines alle Advokaten und berufsmäfsigen Parteienvertreter umfassenden Turnus, von dem nur in besonderen Fällen abgegangen werden kann.

Die Advokaten haben den Kampf gegen die Justizverwaltung auf der ganzen Linie eingestellt, und dies in einem kürzlich vom Ausschusse der Advokatenkammer veranstalteten Silvesterkommers, der von Funktionären der Justizverwaltung, von Anwälten und Richtern zahlreich besucht war, bestätigt. Der Ministerpräsident hielt hierbei eine vielbemerkte Rede, in der er auch Fragen der Zivil- und Strafrechtspflege in interessanter Weise erörterte. Der Festredner der Advokaten erklärte, dafs die Anwälte unumwunden das grofse Werk anerkennen, auf das Oesterreich stolz zu sein allen Anlafs habe, und dafs es eine Freude sei, unter der Herrschaft der neuen Zivilprozefsgesetze zu wirken. Indem damit der Wahrheit die Ehre gegeben wurde und nunmehr die übelwollende Phrase von der Fixigkeit auf Kosten der Richtigkeit“ auch von dieser Seite als solche gekennzeichnet ist, haben sich die Advokaten selbst geehrt.

Zur Zeit wird zwar auch der Strafrechtspflege und ihrer Hebung mehr Aufmerksamkeit zugewendet als früher, es wird jedoch das alte Strafgesetz von Tag zu Tag schwerer ertragen. Die Praxis bemüht sich, durch Milderung der harten Strafsätze, so gut es geht, den heutigen Anschauungen gerecht zu werden; über die harten und weitgehenden Bestimmungen, durch die die Verbrechenstatbestände normiert sind, kommt man aber nicht hinaus. Der Oberste Gerichtshof erliegt unter einem Wust von Nichtigkeitsbeschwerden in Sachen, denen ihrer wirklichen Bedeutung nach der Zugang zur höchsten Instanz versagt sein sollte.

An der Schaffung eines neuen Strafgesetzes wird von dem vor kurzem zum Oberstaatsanwalt in Wien ernannten Referenten des Justizministeriums, Dr. Hoegel, und von Prof. Dr. Lammasch fleifsig gearbeitet. Der Entwurf mufs aber noch wiederholten Lesungen unterzogen werden, ehe er der Oeffentlichkeit übergeben werden kann. Er ist dem Vernehmen nach ein selbständiges Werk, das sich nicht wie seine Vorgänger auf das deutsche RStrGB. stützt; er wird der Richtung der klassischen Schule entsprechen, aber die damit vereinbarlichen Ergebnisse der modernen Strafrechtswissenschaft unter Beachtung der neuesten Gesetzbücher zu verwerten suchen. Auch die Frage der Reform der Strafprozessordnung kommt nicht zur Ruhe. Der beklagenswerte Justizirrtum, dem Therese Gietzinger und Karl Harter zum Opfer fielen, erregte das gröfste Aufsehen und lenkte die Aufmerksamkeit der Oeffentlichkeit auch auf die Ausgestaltung des Gesetzes über die Entschädigung unschuldig Verurteilter. Therese Gietzinger und Karl Harter wurden auf Grund einhelligen Wahrspruches der Geschworenen des Kreisgerichts Ried im Jahre 1899 wegen Mordes zu zwanzig Jahren Kerkers verurteilt. Harter starb vor zwei Jahren im Kerker, Gietzinger ist lungenkrank geworden. Im November 1903 kam zu Tage, dafs der Mord von einem gewissen Kaufmann verübt worden ist. Dieser hat die Tat auch schon eingestanden. Die Verurteilung stützte sich auf einen Indizienbeweis, in dem übler Ruf, die Möglichkeit der Verübung der Tat, ferner die unrichtige und schwankende Verantwortung der Beschuldigten und eine, durch gegenseitige Verdächtigung hervorgerufene Meinung eine grofse Rolle spielten. Dem Vernehmen nach sollen schon bei der Verhandlung bei den Richtern Bedenken gegen die Richtigkeit des Wahrspruches bestanden haben. Da aber nicht alle drei Richter der Ansicht waren, dass sich die Geschworenen geirrt haben, so unterblieb die Anwendung des § 332 StrPO., wonach Einstimmigkeit des Beschlusses vorausgesetzt der Gerichtshof die Entscheidung bis zur nächsten Schwurgerichtssession auszusetzen berechtigt ist. Man hat nun mit Recht angeregt,

dafs schon die Bedenken von zwei Votanten zur Aussetzung der Entscheidung genügen sollen. Der Straffall bekräftigt aber vor allem die von mafsgebender Stelle wiederholt an die Staatsanwaltschaften gerichtete Mahnung, eine Anklage nur zu erheben, wenn sie fest begründet ist.

Personalien. Anlässlich der Kantfeier wurden von der Universität Königsberg zu Ehrendoktoren ernannt: von der juristischen Fakultät Exz. Prof. Dr. Kuno Fischer, Heidelberg, von der philosophischen Fakultät Professor Dr. Stammler, Halle a. S. Ord. Prof. Dr. Heymann, Königsberg i. Pr., hat von den beiden an ihn ergangenen Berufungen nach Jena als Prof. und Oberlandesgerichtsrat für Prof. Dr. Alfred Schultze und nach Marburg als Nachfolger für Prof. Dr. H. O. Lehmann den Ruf nach Marburg angenommen. Gerichtsassessor Dr. Meumann wurde als Professor für deutsches Zivilrecht an die Univ. Genf berufen. Kammergerichtsrat Eichelbaum, Berlin,

wurde zum Reichsgerichtsrat ernannt. An Stelle des in den Ruhestand tretenden Oberstaatsanwalts, Geh. Oberjustizrates Laue, Celle, wurde der Erste Staatsanwalt, Geh. Justizrat Grospietsch, Breslau, zum Oberstaatsanwalt in Celle ernannt.

Vereine und Gesellschaften.

Internationaler Juristenkongress 1904 in St. Louis. Im Anschlufs an unsere Mitteilung 1903, S. 393 d. Bl. über diesen, anlässlich der Weltausstellung geplanten Kongrefs, der sämtliche Geisteswissenschaften und Künste umfassen soll, bringen wir noch zur Kenntnis, dafs die erste Sitzung am 19. Sept. 1904 um 10 Uhr vormittags stattfinden wird. Der Kongrefs gliedert sich in 7 Haupt-Abteilungen mit 26 Unter-Abteilungen, die wieder in 131 Sektionen zerfallen. Die Jurisprudenz bildet die 22. Unter-Abteilung und teilt sich in Sektionen für a) Internationales Recht, b) Staatsrecht, c) Strafrecht, d) Bürgerliches Recht.

Die 26 Departements-Sitzungen werden am 20. Sept. beginnen. Insgesamt sollen 322 Vorträge gehalten werden, die auf Kosten der Ausstellung gedruckt werden. „Die Leitung des Kongresses ist sich wohl bewufst, dafs der Kongrefs sein Ziel nur erreichen kann durch unermüdliche Arbeit, ein sorgfältig vorbereitetes Programm und umsichtige Auswahl der Redner. Sie hofft immerhin, dafs ihr Werk, trotz der Kühnheit und Originalität des Planes, durch die Fülle der gebotenen wissenschaftl chen Anregung beim Zusammenwirken der richtigen Elemente auch die weitgehendsten Erwartungen erfüllen wird."

Neue Gesetze, Verordnungen u. dgl.

Deutsches Reich: Vf. v. 25. 1. 1904, bt. Prüfg. der Quittg. b. Zahlgn. aus d. Postkasse an Behörd., Korporationen, Institute, Stiftgn. etc. (Amtsbl. d. R.-Post-A. S. 29).

Preufsen: M.-Vf. v. 9. 12. 1903, bt. Berichtg. d. Strafregister (M. Bl. f. inn. Verw. 1904, S. 3). — M.-Vf. v. 30. 12. 190s, bt. Flaggen preufs. Staatsgebäude b. Ableben aufserdtschr. Souveräne (S. 3). M.-Vf. v. 27. 12. 1903, bt. Mitwirkg. d. Polizeibehörden z. Ermittlg. vermifster Pers. (S. 14). M.-Vf. v. 26. 1., 1. u. 6. 2. 1904, bt. Grundb.-Anleg. f. Bezt. d. A.-G. Eltville, St. Goarshausen, Herborn, Idstein, Katzenelnbogen, Nastätten, Rennerod, Selters, Dillenburg, Hadamar, Marienberg, Nassau, Wallmerod u. Biedenkopf (J.-M.-BI. S. 19 u. 20). Allg. Vf. v. 29. 1. 1904, bt. Benutz. v. Büch. u. Schriften durch Gefang. (S. 32).

Bayern: Alh. Vo. v. 31. 1. 1904 z. Ausf. d. Ges. v. 20. 12. 1903, bt. Aendrgn. d. Hypothenges. (G.- u. Vo.-Bl. S. 31).

Baden: M.-Vf. v. 8. 1. 1904, bt. Verzeichn. d. Notariate u. ihrer Distrikte mit Angab üb. Grundbuchführg. u. Zersplittrg. des Grundeigent. (St.-Anz. 1904, S. 19).

Sachsen-Weimar-Eisenach: M.-Vo. v. 16. 12. 1903, bt. Vorschrftn. üb. Verkehr m. Geheimmitt. u. ähnl. Arzneien (Reg.-B. S. 211). M.-Bk. v. 1. 11. 1903, bt. Erlafs e. neuen Unterwsg, f.

Standesbeamte d. Ghz. Sachsen (S. 215). Ausf.-Anw. v. 15. 12. 1903 z. R.-Ges. v. 30. 3 1903, bt. Kinderarb in gewerbl. Betrieb. (S. 245. M.-Vo. v. 3. 2. 1904, bt. Beschränkg. d. Aufenthalts poln. Arbtr. russ. u. österr. Staatsangehörigk im Ghzt (19 4, S. 9). Mecklenburg-Strelitz: Rg-Bk. v. 22. 1. 1904, bt. Abänd. der Vorschriften f. d. baulichen Einrichtgn. in d. Städten u. Vorstädten v. 20. 6. 1901 (Offiz. Anz. S. 17).

Sachsen-Meiningen: Ges. v. 23. 12. 1903, bt. Abänd. einzelner Bestimgn. d. Bergges. v. 17. 4. 1868 (Sml. d. Vo. B. 24, S. 177) M.-Ausschrb. v. 23. 12. 1903 z. Ausf. d. R.-Ges. üb. Kinderarb. in gewerbl. Betrieben (Sml. d. Ausschrb B 12, S 727).

Sachsen-Altenburg: Ges. v. 4. 1. 1904. bt. weitere Abänd. d. Ges. v. 31. 5. 1870 üb. Wahlen d. landschaftl. Abgeordn. (Ges.-S. S. 1). M-Bk. v. 1 2. 1904, bt. Aufsicht d. Gemeindewaisenräte bei Durchführg. d. R.-Ges. üb. Kinderarb. in gewerbl. Betrieben (S. 4).

Reufs . L.: Ges. v. 18. 1. 1904 z. Abänd. u. Ergz. der Ges. v. 6. 5 1884. bt. gewisse Abändrgn. d. Gemeinde-O., u. v. 3. 7. 1879 üb. Vollstreck. d. Entschden. u. Verfgn d. Verwaltungsbehörden (Ges.-. S. 11). Reg.-Vo. v. 27. 1. 1904 z. Ausf. d. R.Ges., bt Kinderarb. in gewerbl. Betrieben (S. 16). Lübeck: Vo. v. 20. 1. 1904, bt. Arzneitaxe (Sml. d. Ges. u. Vo. No 41.

Bremen: Vo. v. 11. 2. 1904 weg. Ausf. d. Ges. v. 31. 12. 1901, bt. d Gewerbegericht in Brem. Ges.-B1 S. 39.

Hamburg: Bk v. 18. 1. 1904, bt. neue Veröffentlichg. d. Wahlgesetzes für die Wahlen zur Bürgerschaft (Amtsbl. 1904, S. 163) u. Pk. dieses Wahlges. v. dems. 1. (S. 164). - Bk. v. 18. 1. 1904, bt. Abänd. d. § 14 d. Einkommensteuerges (S. 219). Bk v 29. 1. 1904, bt. Abänd. d. § 32 Baupolizeiges. v. 23. 6. 1882 (S. 279). Elsafs-Lothringen: M.-Vf. v. 17. 1. 1904, bt. Verfahren b. Bildg. autorisierter Genossenschftn. (Z.- u. Bez.-Amtsbl. 190+ S. 23).

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Sprechsaa l.

Polnische Vornamen. Die Kritik, die OLGR. Schönfeld S. 108, 1904 d. B. an der S. 527, 1903 mitgeteilten Entsch. des Kammergerichts1) übt, scheint wenig berechtigt. Das KG. zieht die Folgerung, der polnische Vorname sei der wahre, nicht daraus, dafs die katholischen Geistlichen das Kirchenbuch lateinisch, und wenn sie das nicht könnten, polnisch führen sollten. Es erblickt auch nicht von vornherein" in dem gebuchten Namen etwas anderes als den eigentlichen Vornamen, sondern es erklärt es für rechtlich bedenkenfreie, also in der Revisionsinstanz nicht anfechtbare tatsächliche Feststellung des Vorderrichters 2), dafs der Vorname „Ioannes“ im Kirchenbuche lateinische Uebersetzung des in andrer Sprache angemeldeten Vornamens sei, und dafs die von Polen abstammenden, selbst polnischen Eltern den Namen in der auch vom Angekl. geführten polnischen Form "Jan" angemeldet hätten. Die Befugnis des lateinisch buchenden Pfarrers, aus den Anmeldungen alles Uebersetzbare, also auch den Vornamen, in die Sprache des Kirchenbuches zu übersetzen, folgert das KG. aus der über die Sprache des Buches bestehenden Vorschrift. Gegen diese Urteilsbegründung finde ich bei Schönfeld nichts Stichhaltiges. Aus der Verpflichtung des Pfarrers, die Kirchenbücher richtig zu führen (ALR. II 11, §§ 481, 485), und gar aus seiner Verpflichtung, sich nach den Staatsgesetzen zu richten (das. §§ 27, 29), würde die Folgerung, dafs bis zum Gegenbeweise der Name buchstäblich so, wie eingetragen, als angemeldet gelten müsse, nur dann gerechtfertigt sein, wenn im Gegensatz zu der Auslegung des Kammergerichts zuvor feststände, dafs von dem, was die Eltern anmelden (Ort und Zeit der Geburt, Abstammung des Kindes usw.), gerade der Vorname nach gesetzlicher Vorschrift nicht übersetzt werden dürfe.3) Diese Folgerung läfst sich aus

1) Vollständig jetzt in Johows Jahrb. Bd. 26 S. C. 81.

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2) Bei diesem, wohl aus Höflichkeit statt des ältern Unterrichter jetzt sehr gebräuchlichen Ausdruck kann ich mich leider nie der Frage erwehren, ob als Gegensatz zu denken sei „Hinterrichter oder Nachrichter".

3) Die Pflicht der Pfarrer, richtige Kirchenbücher zu führen, bestand übrigens (ebenso wie die, den Staatsgesetzen zu gehorchen) large vor den zitierten Landrechtssätzen. Das hat, zumal in der mit der Reformation zusammenfallenden Zeit des Humanismus, keinen „gelehrten kathol. wie evang. Piarrer gehindert, selbst die Familiennamen in den Kirchenbüchern zu latinisieren oder zu gräzisieren, und daher stammen zum guten Teil die vielen noch heute bestehenden

der Vorschrift, dafs das Buch lateinisch zu führen ist, nicht herleiten. Anderes ist dafür nicht beigebracht. Dann bleibt aber auch die Entsch. des KG. nach den für es bindenden tatsächlichen Grundlagen richtig. Nur gegen diese letztern kann sich Schönfeld wenden mit den Sätzen: 1. es werde schwer sein, einen Geistlichen zu suchen, der dem Polentum „seinerseits" Abbruch getan hat, 2 es sei Gepflogenheit der „polnisch sprechenden Deutschen kathol. Bekenntnisses", den Taufnamen aus dem Kalender zu wählen. Aus beiden will Schönfeld Vermutungen herleiten, die die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts widerlegen sollen. Aber zu 1 kann doch der Geistliche, der im lateinischen Kirchenbuch auch den Vornamen die lateinische Form gibt, damit ebenso wenig seine Muttersprache zu schädigen glauben, als jeder, der in lateinischen Urkunden lateinische Vornamen gebraucht. Wer hält es denn für eine Schädigung der deutschen Sprache, dafs in allen lat. Inschriften, Diplomen usw. der Name unsres Kaisers Guilelmus heifst? Und zu 2 besteht oder bestand die gleiche Sitte auch bei andern christlichen nicht blofs katholischen Nationen1), und schwerlich wird je ein deutsch sprechender Deutscher christlichen Bekenntnisses", der zuliefs oder gar half, dafs in ein lateinisch geführtes Taufbuch der Name seines Kindes als Ansgarius, Guarnerius, Guilelmus eingeschrieben wurde, beabsichtigt haben, dass das Kind so und nicht Oskar, Werner, Wilhelm genannt werde. Eine Vermutung, dafs der Name Ioannes und nicht Jan dem Kinde beigelegt sei, folgt also aus jener Sitte nicht. Der Vergleich mit den statt eines angemeldeten deutschen Namens im Leben gebrauchten fremdländischen Formen pafst ebenso wenig, wie ein Vergleich etwa mit Kosenamen (Gretchen, Lieschen) oder sonstigen Verhunzungen.

Der weitere Hinweis auf das Interesse gerade des preufsischen Staates an Einheit auf dem Namensgebiete, z. B. auch in Lothringen (ist das preufsisch?), könnte nur de lege ferenda, nicht für die Rechtsprechung, Bedeutung haben. Die Polizei betätigt aber auch im allgemeinen ein solches Interesse nicht; auf den Geschäftsschildern in allen preufsischen Städten lesen wir unbeanstandet fremdsprachige Vornamen vor etymologisch rein deutschen Zunamen (William Rothschild, Jean Feilchenfeld). Auch im vorliegenden Falle ist es der Polizei weder um die Wahrung der Namen-Einheit, noch um die Wahrung der Präsumtion für die buchstäbliche Richtigkeit des Kirchenbuchs zu tun gewesen; denn noch die Revision hat dem Angekl. statt des poln. Jan die Wahl gelassen zwischen dem lateinischen Ioannes des Kirchenbuchs und dem, sicher weder von den Eltern, noch von dem Kirchenbuchführer gewollten deutschen Johannes. - Dafs sein Hinweis auf die Unzulässigkeit sittlich anstöfsiger oder schimpflicher Vornamen mit der Frage, ob Jan, Jean, John, Johannes oder Ioannes, Berührung habe, wird wohl Schönfeld selbst nicht meinen.

Befremdlich ist am Schlusse die Behauptung, dafs die Vorschriften des ALR. und des BGB., nach denen die Frau den Namen des Mannes, das ehel. Kind den des Vaters führt, die „Abweichung" der weiblichen Familiennamen (Talarowna und Talarowska statt Talar), in amtlichen Urkunden verbieten. Diese Abweichungen“ sind latinisierten Familiennamen Pistor, Pistorius für Bäcker, Prätorius für Schulz usw. Noch im ausgehenden 18 Jahrhundert finde ich den niederdeutschen Namen meiner Grofsmutter, Korte, in den Kirchenbüchern verhochdeutscht als Kurz und latinisiert als Curtius, je nachdem das Buch hochdeutsch oder lateinisch geführt wurde. Das alles geschah optima fide und ist den Pfarrern wohl noch nie als gesetzwidrige, unrichtige" Buchführung vorgeworfen worden.

1) So bei lutherischen Deutschen, Jobsiade Kap. 4 Vers 10-12. (vgl. Kap. 2 Vers 5.)

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