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ziehenden Sachen etwas vermindern; immerhin aber wird das Bild ein völlig anderes. Tatsächlich ist auch, wie sich auf Grund des amtlichen Materials feststellen läfst, die Belastung nur etwa halb so grofs gewesen, wie nach Jastrows Berechnung. Bei der Beurteilung der den Zivilsenaten des Obertribunals obliegenden Arbeitslast ist der 5. (rheinische) Senat auszuscheiden, der eine Ausnahme: stellung einnahm. Dieser Senat, dessen 9 Mitglieder zugleich Mitglieder der beiden Abteilungen des Kriminalsenates waren, fand nur geringe Beschäftigung in Zivilsachen; so wurden 1878 nur 68 Sachen durch Urteil erledigt. An den übrigen 5 Zivilsenaten waren zuletzt 43 Räte beschäftigt. Die Zahl der bearbeiteten Referate betrug1876 2072, 1877 2141, 1878 2060. Auf jeden der Räte entfielen daher, bei Berücksichtigung des Umstandes, dafs 1876 nur 40 Räte an den Zivilsenaten beschäftigt waren, 1876 52, 1877 50, 1878 48 Sachen, im Durchschnitt also 50 Sachen, nicht 96 Sachen, wie Jastrow berechnet.

Bei dem Reichsgericht betrug die Zahl der i. J. 1903 bei den Zivilsenaten bearbeiteten Referate bezw. abgesetzten Urteile 2726. Auf jeden der bei den 7 Zivilsenaten beschäftigten 52 Räte entfielen somit mehr als 52 Sachen.

Die Zivilsenate des Obertribunals hatten im Jahre 1877 nur 1157 Beschwerden zu bearbeiten; die Zivilsenate des Reichsgerichts im Jahre 1903 dagegen 1936. Die Räte beim Reichsgericht hatten demnach je 37 Beschwerden zu bearbeiten, gegen 27, die auf jeden Obertribunalsrat im Jahre 1877 entfielen.

Aus vorstehendem ergibt sich, dafs die Obertribunalsräte nicht, wie Jastrow annimmt, fast doppelt so viel Sachen wie die Reichsgerichtsräte bearbeiteten, sondern dass vielmehr die Räte unseres höchsten Gerichtshofs der Zahl nach mehr Sachen zu bearbeiten haben als die Räte des preussischen Obertribunals.

Gerichtsassessor Dr. von Simson, Berlin.

Welche rechtliche Stellung nimmt der Vormund einem Handelsgeschäfte gegenüber ein, das er im Namen des Mündels betreibt? Hierüber führt Dr. Court S. 212 d. Bl. folgendes aus: Der Vormund habe die rechtliche Stellung eines Handlungsbevollmächtigten gemäss § 54 HGB., da er durch seine Bestellung zum Vormunde zum Betriebe des Handelsgewerbes des Mündels ermächtigt sei und diese Ermächtigung von dem Berechtigten ausgehe, nämlich von dem Vormundschaftsgerichte, das bis zur Bestellung des Vormundes der einzige Vertreter des Mündels sei. Kraft seiner Handlungsvollmacht sei der Vormund zwar berechtigt, alle Geschäfte vorzunehmen, die der Betrieb des Handelsgewerbes mit sich bringe, dagegen ohne Genehmigung des Vormundschaftsgerichts gemäfs § 54 Abs. 2 a. a. O. zur Veräusserung von Grundstücken, zur Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, zur Aufnahme von Darlehen und zur Prozessführung nicht befugt usw.

Hiergegen ist folgendes einzuwenden:

Auf Grund seiner Bestellung durch das Vormundschaftsgericht (§ 1789 BGB.) überkommt der Vormund das Recht und die Pflicht, für die Person und das Vermögen des Mündels zu sorgen, insbesondere den Mündel

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(§§ 1821 Z. 1, 1822 Z. 8 u. 9 BGB.), ebenso wie ähnlich der Handlungsbevollmächtigte zur Vornahme dieser Rechtsgeschäfte nur ermächtigt ist, wenn ihm eine solche Befugnis besonders erteilt ist. Während aber ferner der Handlungsbevollmächtigte auch zur Prozessführung der besonderen Befugnis bedarf, ist die Prozessführung des Vormundes für den Mündel, sei es als Kläger oder als Beklagter, auf dem vermögensrechtlichen Gebiete von einer Ermächtigung des Vormundschaftsgerichts nicht abhängig gemacht (Motive, Bd. 4. S. 1147, §§ 51, 612, 641 ZPO.). Aber auch sonst ist eine Gleichstellung des Vormundes mit einem Handlungsbevollmächtigten ausgeschlossen; in dieser Beziehung sei hier nur darauf hingewiesen, dafs der Vormund für den Mündel Handlungsvollmacht und mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts (§ 1822 Z. 11 BGB.) sogar Prokura erteilen kann (§ 48 HGB.), während der Handlungsbevollmächtigte von der Vornahme solcher Rechtsgeschäfte ausgeschlossen ist usw. Die Formel: Der Vormund, der ein Handelsgewerbe des Mündels in dessen Namen betreibe, habe die Stellung eines Handlungsbevollmächtigten, ist daher m. E. als unzutreffend zu bezeichnen.

Ebensowenig begründet erscheint Courts Stellung gegenüber der Frage: ob der Vormund zum Prokuristen des von ihm im Namen des Minderjährigen betriebenen Handelsgeschäfts ernannt werden kann. Dr. Court hält dies für ungesetzlich, weil durch die Bestellung des Vormundes zum Prokuristen das Vormundschaftsgericht demselben mehr Rechte übertragen würde, als das Gesetz zulasse, und weil ferner der Vormund, der doch zur Erteilung der Prokura der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedürfe, falls er die Stellung eines Prokuristen für sich beanspruche, sich selbst dazu bestellen müsse, was durch §§ 1795, 181 BGB. untersagt sei.

Hierbei ist zunächst übersehen, dafs das Vormundschaftsgericht, wenn es dem Interesse des Mündels entspräche, dem Vormunde Prokura zu erteilen, auf Grund der §§ 1795, 1796, 1909 BGB. für den Mündel einen Pfleger zu dessen Vertretung bei der Erteilung der Prokura an den Vormund (oder der Gesamtprokura an den Vormund und an einen dritten) bestellen und sodann die vom Pfleger dem Vormund erteilte Prokura nach Anhörung des Gegenvormundes, des Mündels und Verwandter und Verschwägerter des Mündels (§§ 1826, 1827, 1847 BGB.) genehmigen kann. Die Rechtsgültigkeit der Prokura des Vormundes kann in diesem Falle nicht bezweifelt werden, da sie von dem für diese Angelegenheit bestellten gesetzlichen Vertreter des minderjährigen Inhabers des Handelsgeschäfts mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erteilt ist (§ 48 HGB., 1822 Z. 11 BGB.). Hierdurch wird auch der Einwand: durch die Bestellung des Vormundes zum Prokuristen würde das Vormundschaftsgericht dem Vormunde mehr Rechte übertragen, als das Gesetz zulasse, hinfällig, weil der zum Prokuristen bestellte Vormund seine Prokura nicht auf Grund seiner Bestellung als Vormund erlangt hat, sondern auf Grund der vormundschaftsgerichtlich genehmigten Erteilung durch den gesetzlichen Vertreter des Geschäftsinhabers.

Amtsgerichtsrat Marcus, Tilsit.

Beschlagnahme ärztlicher Krankenjournale. Eine Lücke der StrPO. Wie die Presse kürzlich berichtete, hat anläfslich der Wahlkrawalle in Laurahütte (Oberschlesien) der Untersuchungsrichter das Krankenjournal eines Arztes, trotzdem derselbe widersprach, beschlagnahmen und am nächsten Tage einige Teilnehmer an den Krawallen, deren Namen und Adressen er aus dem Krankenjournal ermittelt hatte, verhaften lassen. Diese Nachricht hat besonders in den Kreisen der praktischen

Aerzte Beunruhigung hervorgerufen. Der Kranke, sagt man, müsse sich unbedingt darauf verlassen können, dafs nichts von dem, was er dem Arzt anvertraue, zur Kenntnis anderer gelange. Denn sonst könne das für erfolgreiche Behandlung unerlässliche Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patienten nicht bestehen. In Anerkennung dieses Grundsatzes habe die Gesetzgebung den Aerzten die unbefugte Offenbarung der ihnen anvertrauten Privatgeheimnisse unter Strafandrohung verboten; 1) sie in Ansehung desjenigen, was ihnen bei Ausübung ihres Berufes anvertraut wurde, vom Zeugniszwange befreit 2) und sie bei Beschlagnahmen insofern privilegiert, als sie ihnen gegenüber die Anwendung von Zwangsmitteln zum Zwecke der Auslieferung der zu beschlagnahmenden Gegenstände untersagt habe.3) Das Krankenjournal sei das Geheimbuch des Arztes, in dem er gerade das aufzeichne, was ihm kraft seines Standes anvertraut werde, und dessen Geheimhaltung im Interesse der Kranken liege. Die Beschlagnahme des Krankenjournals widerspreche deshalb den gesetzlichen Bestimmungen und sei geeignet, die Vertrauensstellung des Arztes dem Kranken gegenüber zu erschüttern. Da diese Bedenken nicht von der Hand zu weisen sind, und die Angelegenheit von allgemeinem Interesse ist, dürfte eine Erörterung der Rechtsfragen am Platze sein.

Unter Beschlagnahme i. S. der StrPO. versteht man nach der herrschenden Ansicht die (wenn nötig, gewaltsame) Wegnahme eines Gegenstandes durch die strafverfolgende Behörde, um ihn in amtlichen Gewahrsam zu bringen.*) Um sie zu ermöglichen, ist der Behörde das Recht der Durchsuchung eingeräumt. Diese ist zulässig, wenn ein bestimmter Gegenstand beschlagnahmt werden soll, der als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein kann, und wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schliefsen ist, dafs dieser Gegenstand sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet.) Die Durchsuchung mufs sich jeder ohne Ausnahme gefallen lassen, wenn die angegebenen Voraussetzungen vorliegen. Auch ist sie nicht auf die Räumlichkeiten beschränkt, sondern kann auf die Person des mutmafslichen Besitzers ausgedehnt werden.") Es versteht sich von selbst, dafs der Widerstand, den etwa der Besitzer der Durchsuchung entgegensetzen wollte, mit Gewalt gebrochen werden kann. Seine Schränke dürfen erbrochen werden, wenn er die Schlüssel nicht herausgibt.

Wird der gesuchte Gegenstand vorgefunden, so geschieht die Beschlagnahme entweder mit dem Willen des Besitzers oder gegen ihn. Gibt der Besitzer die Sache freiwillig heraus, so handelt er niemals rechtswidrig. Er erfüllt im Gegenteil eine ihm vom Gesetz auferlegte Pflicht. Denn § 95 Abs. 1 StrPO. bestimmt, dafs der Besitzer eines der Beschlagnahme unterliegenden Gegenstandes auf Erfordern zu dessen Vorlegung und Auslieferung verpflichtet ist. Verweigert der Besitzer die Auslieferung des vorgefundenen Gegenstandes, so erwachsen ihm daraus zwar keine Rechtsnachteile, er setzt sich aber der Unannehmlichkeit aus, dafs ihm die Sache mit Gewalt entrissen wird. Diese Gewalt darf ohne Ausnahme gegen jeden angewendet werden, in dessen Besitz die Sache gefunden wird, selbst wenn er zu den Personen gehört, die das Zeugnis verweigern dürfen. 1) § 300 StrGB. 2) § 54 StrPO. 3) § 95 Abs. 2 StrPO.

4) Vgl. Entsch. des RG. in StrS. Bd. 14, 284; 18, 71 Ann. Sächs. OLG. 10, 39. Die unrichtige Ansicht der Motive, wonach man mit Beschlagnahme die ausdrückliche, in der Regel nur dem Richter zustehende Anordnung" bezeichne, „dafs ein Gegenstand in amtliche Verwahrung zu nehmen oder sonst sicher zu stellen sei", ist längst aufgegeben. Ihr widerspricht schon der Wortlaut des Gesetzes. Denn in § 98 StrPO. ist von „Anordnung von Beschlagnahmen" die Rede. Dabei hat das Gesetz sicherlich nicht von der Anordnung einer Anordnung" sprechen wollen.

5) §§ 103, 94 StrPO.

6) Entsch. d. RG. in Strafs. 14, 89.

Anders verhält es sich, wenn bei der Durchsuchung die zu beschlagnahmende Sache nicht vorgefunden wird, trotzdem aber feststeht, dafs sie sich im Gewahrsam des Inhabers der durchsuchten Räume befindet. Hier findet zur Beugung des renitenten Willens des Besitzers der indirekte Zwang statt, der in Verhängung von Geld- und Haftstrafen besteht.1) Diese Zwangsmittel dürfen jedoch nicht gegen die Personen angewendet werden, die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt sind.2)

Die Anwendung dieser allgemeinen Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt folgendes:

Das Krankenjournal des Arztes ist zweifellos ein Gegenstand, der als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein kann. Der Arzt mufs sich deshalb die Durchsuchung seiner Wohnung und seiner Person nach dem Journal gefallen lassen, wenn dies vom Untersuchungsrichter angeordnet wird. Gibt er das Journal freiwillig heraus, so macht er sich einer Verletzung des Berufsgeheimnisses nicht schuldig, denn er handelt nicht unbefugt, sondern erfüllt eine ihm gesetzlich obliegende Pflicht. Verweigert er die Herausgabe, so hat er zu gewärtigen, dafs man es ihm, wenn es gefunden wird, mit Gewalt wegnimmt. Wird es dagegen nicht gefunden oder hat die Anwendung physischer Gewalt keiner Erfolg, so findet ein indirekter Zwang durch Verhängung von Geldoder Haftstrafen gegen ihn nicht statt.

Somit verstöfst die Beschlagnahme des ärztlichen Krankenjournales nicht gegen das Gesetz.

Will der Arzt sein Krankenjournal vor der Beschlagnahme bewahren, so mufs er es entweder so gut verstecken, dafs es der Vollstreckungsbeamte nicht findet, oder er mufs es in einem festen Geldschrank verwahren der jedem gewaltsamen Oeffnungsversuch spottet.

Dieses Ergebnis ist unbefriedigend. Denn es ist kein Grund ersichtlich, weshalb die Anwendung des direkten Zwanges erlaubt sein soll, wenn der indirekte Zwang nicht ausgeübt werden darf. Dieses Ergebnis ist vom Gesetzgeber auch nicht gewollt. Man hatte richtig erkannt, dafs die Beschlagnahme beweiserheblicher Gegenstände bei Personen, denen das Recht der Zeugnisverweigerung zusteht, eine unzulässige Beeinträchtigung dieses Rechtes sein würde. Denn was ist die gewaltsame Wegnahme eines als Beweismittel dienenden Gegenstandes im Grunde anderes als ein gegen den Besitzer ausgeübter Zwang, Zeugnis abzulegen? Dieser Beeinträchtigung hatte man vorbeugen wollen, indem man die Anwendung der Zwangsmittel des § 69 bei den zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen untersagte. Dieser Zweck ist nicht erreicht worden. Es liegt also eine Lücke der StrPO. vor, die am besten dadurch ausgefüllt wird, dafs der zweite Satz in § 95 Abs. 2 StrPO. etwa folgende Fassung erhält:

Gegen Personen, die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt sind, findet im Falle der Weigerung die Beschlagnahme nicht statt. Rechtsanwalt Dr. Thiersch, Leipzig.

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antwortet oder nicht. Das Formular macht gerichtliche Schritte gegen säumige Schuldner einstweilen überflüssig. Das Formular kann zum Preise von 3 M. pro Hundert gegen Nachnahme bezogen werden."

Der Gedanke, solchergestalt mit Hilfe des § 202 BGB. dem Gläubiger die Möglichkeit zu verschaffen, durch einen einseitigen aufsergerichtlichen Akt den Ablauf der Verjährung zu verhindern, ist von erfrischender Ursprünglichkeit. In der Tat wird dadurch der Schuldner in eine üble Zwickmühle gebracht: antwortet er mit einer Verwahrung gegen die unverlangte Stundung, so gehört eine grofse Vorsicht und eine volle Beherrschung peinlichst genauer juristischer Ausdruckweise dazu, die Gefahr zu vermeiden, dafs aus seinem Schreiben eine Anerkennung der Forderung herausgelesen werde; schweigt er wie leicht kann dieses Schweigen in dem Sinne einer Annahme des Stundungsangebots gedeutet werden, zumal, wenn das Verjährungs-Einhalte-Formular", dessen Wortlaut mir nicht vorliegt, vorsichtig genug abgefafst ist, dem Gläubiger nach § 151 BGB. einen Verzicht auf die Erklärung der Annahme in den Mund zu legen.

Für den rechtskundigen Leser bedarf die Vergeblichkeit dieses Versuchs keiner gröfsern Begründung. Die Mindestvoraussetzungen der Verjährung sind zwingenden Rechts (§ 225 BGB.), insbes. auch darin, dass ein einseitiger aufsergerichtlicher Akt des Gläubigers zur Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung nicht ausreicht. Eine einseitige Stundungserklärung würde schon als Umgehung dieses Rechtssatzes unwirksam sein. Will man diesen Grund nicht unmittelbar durchgreifen lassen, so führt er doch mindestens zu einer um so sorgsamern Prüfung der Frage, ob wirklich eine Stundung vorliegt, die eine Einigung der Parteien erfordert, insbesondere das Einverständnis, die Annahme des Schuldners; diese wird nach der Sachlage weder in der Verwahrung gegen die Stundung, noch in dem blofsen Stillschweigen des Schuldners zu finden sein.

Landrichter Otto Hagen, Berlin.

Die Immunität der Reichstagsabgeordneten. Bei Beratung des Etats des Reichsjustizamts beschwerte sich im Reichstage am 2. März d. J. ein Abgeordneter, dass er im Dez. 1903 in einem gegen ihn seit 1902 anhängigen Beleidigungsprozesse vor dem LG. Halle zur Hauptverhandlung vorgeführt worden ist, wiewohl noch vor dem Termin zur Hauptverhandlung die Sitzungsperiode des Reichstags begonnen hatte. Er hielt dies für unzulässig, da der Reichstag gemäfs Art. 31 Abs. 1 RVerf. die Vorführung nicht genehmigt hatte, auch nicht der Ausnahmefall vorlag, dafs er, der Angeklagte, bei Ausübung der Tat oder im Laufe des nächstfolgenden Tages ergriffen worden ist. Bereits im Reichstag wurde der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dafs eine „Verhaftung" seiner Person gar nicht erfolgt ist, und dafs, da das Strafverfahren bereits bei Beginn des Reichstags schwebte, sein Fortgang nur auf Grund des Abs. 3 Art. 31 durch Beschlufs des Reichstags hätte inhibiert werden können. Da diese Begründung jedoch auf Widerspruch stiefs, verlohnt es sich wohl, auf den Begriff der „Verhaftung“ und des „zur Untersuchung ziehen" in Art. 31 einzugehen.

Beide Begriffe sind der Ausdrucksweise des heutigen Strafprozesses fremd. Sie müssen also historisch erklärt werden. Art. 31 RVerf. ist dem Art. 84 der preufs. Verfassungsurkunde v. 31. Jan. 1850 entnommen. Beide Ausdrücke gehören daher der damaligen preussischen Rechtssprache an. Der preufsische Strafprozefs regelte sich damals nach der Verordnung über die Einführung des mündlichen und öffentlichen Verfahrens mit Geschworenen in Untersuchungssachen v. 3. Jan. 1849, deren § 1 bestimmte, dafs

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die Gerichte fernerhin bei Einleitung von Untersuchungen wegen Gesetzesübertretung nur auf erhobene Anklage einschreiten sollten. § 11 bestimmte weiter: „Die Eröffnung einer Untersuchung mufs durch förmlichen Beschlufs des Gerichts erfolgen." Das Verfahren war also wesentlich dasselbe, wie im heutigen Strafprozess. Solange keine öffentliche Klage erhoben war, konnte und kann eine „gerichtliche Untersuchung" (wie § 151 RStrPrO. sagt) nicht stattfinden; das vorhergehende staatsanwaltliche Ermittelungsverfahren ist ebenso wenig, wie die jetzt vom Amtsrichter in Eilfällen spontan zu bewirkenden vorläufigen Untersuchungshandlungen (vgl. § 163 RStrPro. und § 5 Abs. 2 der VerO. v. 1849) eine Untersuchung“ i. S. des Gesetzes. „Zur Untersuchung ziehen" bedeutet demnach, gegen jemanden das Hauptverfahren oder die Voruntersuchung eröffnen, bezw. in den Fällen, wo ohne Eröffnungsbeschlufs verhandelt wird, der Beginn der Vernehmung des Angeklagten durch den Richter.1) Fällt dieser Zeitpunkt vor den Beginn der Sitzungsperiode des Reichstags, so nimmt das Strafverfahren gemäss Art. 31 Abs. 3 RVerfassung seinen Fortgang, bis es auf Verlangen des Reichstags, welcher hierüber in jedem Einzelfalle Beschlufs zu fassen hat, für die Dauer der Sitzungsperiode aufgehoben wird. Eine fernere Folge dieser Bestimmung ist, dafs ein polizeiliches oder staatsanwaltliches Ermittelungsverfahren ohne Rücksicht auf den Beginn der Sitzungsperiode und selbst entgegen einem etwaigen Aufhebungsbeschlufs des Reichstags fortgeführt und auch Zwangsmafsregeln gegen den Abgeordneten selbst von dem Ermittelungsrichter vorgenommen werden können. Nur verhaftet darf der Abgeordnete nicht werden.

Auch dieser Begriff ist historisch zu erklären. Das preufsische Recht unterschied „Zwangsgestellung“ und „Verhaftung". Jede der beiden Mafsregeln beschränkt die persönliche Freiheit des von ihr Betroffenen; das Mafs der Beschränkung ist jedoch nach ihren Zwecken ein verschiedenes. Will die Zwangsgestellung lediglich das Erscheinen des Betreffenden an einem bestimmten Orte und zu bestimmter Stunde erzwingen, und endigt sie daher mit seiner Vorführung, ohne dafs der Vorgeführte weiteren Beschränkungen, wie z. B. hinsichtlich seines Verkehrs mit dritten, an sich unterworfen wäre, so verliert der Verhaftete seine persönliche und Verkehrsfreiheit in dem Umfange, welcher durch den Untersuchungszweck bestimmt wird. Die Verordg. v. 3. Jan. 1849 hält gleichfalls beide Begriffe auseinander; und zwar läfst z. B. § 56 dem Gericht die Wahl, die Vorführung oder Verhaftung" des im Termin nicht erschienenen, gehörig vorgeladenen Angeklagten anzuordnen. Dafs aber „Verhaftung" gleich „Untersuchungshaft" i. S. des Strafprozesses ist, ergeben §§ 4, 7 und 13 der VerO. von 1849 und 1-5 des Ges. z. Schutz der persönlichen Freiheit v. 12. Febr. 1850. Auch das Reichsrecht hat diesen Unterschied zwischen Zwangsgestellung bez. Vorführung und Verhaftung" bez. Haft festgehalten und stellt beide Begriffe z. B. in § 229 Abs. 2 RStrPO. und § 341 RStrGB. unmittelbar einander gegenüber.

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Zu den Zwangsmafsregeln, welche gegen einen Reichstagsabgeordneten auch während der Dauer einer Sitzungsperiode ohne Genehmigung des Hauses vorgenommen werden dürfen, gehört also auch die Zwangsgestellung, die zwangsweise Vorführung (z. B. als Zeuge, vgl. aber § 49 RStrGB.), da diese keine Verhaftung i. S. des Art. 31 der RVerf. enthält. Hat sonach das LG. Halle gegen Art. 31, wie im Reichstag behauptet wurde, nicht verstofsen, so läfst sich auch nicht erkennen, welchen Zweck eine noch

1) Bis zu diesem Augenblick steht auch gemäfs Art. 49 Abs. 3 der preufsischen Verf. dem König von Preufsen das Abolitionsrecht zu.

über den jetzigen gesetzlichen Zustand hinausgehende Ausdehnung der Abgeordnetenimmunität haben sollte. Das jetzige Recht genügt vollkommen, dem Abgeordneten die unabhängige Ausübung seines Mandates zu sichern. Gegen eine böswillige Verletzung dieses Rechtes wären aber weitergehende geschriebene Kautelen zwecklos; nur die Gefahr des Mifsbrauchs der Immunität würde dadurch wachsen. Ger.-Assessor Dr. jur. utr. et rer. pol. Adam, Berlin.

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XV. exeuntis. Ein Handbuch f. d. Verkehr m. d. päpstl. Kanzlei.
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Krueckemeyer. Die Mischehe in Theorie u. Praxis speziell in
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Völkerrecht.

Liszt, F. v. Das Völkerrecht systematisch dargestellt. 3. Aufl.
Berlin, Häring. M. 10.
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Wiegner, M. Die Kriegskonterbande in d. Völkerrechtswissenschaft u. d. Staatenpraxis. Preisschrift. Berlin, Heymann. M. 10. Für die Redaktion verantwortlich: Justizrat Dr. Hermann Staub. Verlag von Otto Liebmann. Druck von Pass & Garleb. Sämtlich in Berlin.

Nummer 7.

Berlin, den 1. April 1904.

(Nachdruck der Entscheidungen nur mit genauer, unverkürzter Quellenangabe gestattet.)

I. Reichsgericht.

1. Zivilsachen.

Mitget. v. Justizrat Boyens, Rechtsanwalt b. Reichsgericht, Leipzig.

27. (Liquidation einer Versicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit durch Abtretung des Portefeuilles" an eine andere Gesellschaft. Kann

der Versicherte widersprechen?) Die Allgem. Nordd Versicherungsbank", eine Versicherungsgesellschaft auf Gegenseitigkeit, hat in einer Generalversammlung (Oktober 1901 beschlossen, sich aufzulösen und zu liquidieren, einen Nachschufs von 21/2facher Jahresprämie zur Komplettierung der Reserven zu erheben und einen mit der Kläg. (einer Versicherungsgesellschaft auf Aktien) im Sept. 1901 geschlossenen „Fusionsvertrag zu genehmigen. Verkl. gehörte zu den Versicherten (15 000 M. Lebensversicherung). Er würde nach jenem Beschlufs an Prämie pro 1901,02 und Nachschufs zusammen 2357,25 M. zu zahlen haben. Kläg. fordert diesen Betrag von ihm mit der Klage auf Grund des Fusionsvertrages und einer besonderen, ihr von der liquidierenden Bank erteilten Zession. Verkl. hält den Beschlufs der Generalversammlung für rechtsungültig, jedenfalls für ihn nicht verbindlich. Die I. Instanz hat verurteilt, die zweite abgewiesen. RG. hebt auf und stellt das erste Urteil wieder her. Die abweisende Entscheidung II. Instanz hatte angenommen: Der Fusionsvertrag vom Sept. 1901, laut dessen die liquidierende Bank sich verpflichtete, der Kläg. vom 1. Nov. 1901 ab ihren ganzen Versicherungsbestand in totale Rückversicherung zu geben, Kläg. dagegen versprach, sämtliche Verbindlichkeiten der Bank aus ihren Versicherungsverträgen zu erfüllen, die Passiven zu begleichen und die Verwaltungskosten für die ganze Zeit der Liquidation aus eigenen Mitteln zu decken, habe nicht die Natur eines Rückversicherungsvertrages, sondern eines Schuldübernahmevertrages. Die Generalversammlung durfte einen solchen nicht ohne Zustimmung des Versicherten (Verkl. war nicht erschienen) schliefsen, da dies über den Zweck der Gesellschaft hinausgehe und Sonderrechte verletze. RG. hält den vorliegenden Vertrag für einen lästigen Vertrag betr. die sogenannte „Uebernahme des Portefeuilles", mit welchem die Bank die Ansprüche und Verpflichtungen aus sämtlichen Versicherungsverträgen auf eine andere Gesellschaft überträgt. Ein solcher Vertrag (der vorliegend noch nicht wie nach § 14 Ges. v. 12. Mai 1901 einer behördlichen Genehmigung bedurfte, weil dies Gesetz erst am 1. Jan. 1902 in Kraft trat) sei für die Versicherten verbindlich, wenn er den Satzungen der versicherten Bank entsprach und das Sonderrecht der einzelnen Versicherten nicht verletze. Beides sei nicht der Fall. Denn nach § 26 Abs. 2 der Satzungen bestimme die Generalversammlung über die Art der Liquidation". Eine Art der Liquidation sei aber das hier eingeschlagene Verfahren der. Uebertragung des Portefeuilles an eine andere Gesellschaft zum Zweck der Abwicklung der Geschäfte Dieser Weg sei auch bei Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit gangbar, soweit die aus der Eigenart dieser Vereine sich ergebenden Sonderrechte der Versicherten nicht verletzt würden Letzteres sei aber hier nicht der Fall, könne namentlich daraus nicht gefolgert werden, dafs dem Versicherten wider seinen Willen kein anderer Schuldner aufgedrängt werden könne, denn er habe seinen Vertrag mit der Bank auf Grund der Satzungen abgeschlossen, kraft deren er Mitglied geworden sei. Wenn diese nun der Generalversammlung die Art der Liquidation überlassen, so liege darin eine im voraus erteilte Genehmigung, und damit beseitige sich auch der Einwand, dafs die Schuldübernahme mangels Einwilligung des Gläubigers unwirksam sei. Hiernach sei der Bekl. zur Zahlung an die Kläg.

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IX. Jahrgang.

auch ohne Zuhilfenahme der besonderen Zession der Bank verpflichtet. Nach den Satzungen der letzteren sei die Nachschufspflicht der Versicherten unbeschränkt, über dessen Höhe konnte die Generalversammlung beschliefsen, da die Satzungen keine besondere Vorschrift über Höhe und Art der Erhebung enthalten. Es könne dem Vorstehenden nach auch nicht darauf ankommen, ob der Bekl. hinsichtlich der Erfüllung seiner Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag in eine ungünstigere Lage dadurch versetzt sei, dafs ihm an Stelle der Bank jetzt die Kläg. als Schuldnerin hafte. (Urt. VII. 342/03 v. 29. Dez. 1903.) 28. (Schadensersatzanspruch. Unterbrechung des ursächlichen Zusammenhangs durch eine spätere, von dem Schaden stiftenden Ereignis unabhängige Krankheit.) Der Erblasser der Kläg. hat eine Armverletzung durch einen Fall auf der Strafse erlitten. Es ist festgestellt, dafs für diesen Unfall die verklagte Stadtgemeinde wegen ordnungswidrigen Zustandes des Strafsenpflasters haftbar ist. Nach dem Unfall ist er an der Schwindsucht erkrankt und infolge dieser Krankheit gestorben. Die Kläg. nehmen die Verkl. auch für die Zeit nach der Entstehung dieser Krankheit bis zum Tode wegen der durch die Armverletzung eingetretenen Minderung seiner Erwerbsfähigkeit in Anspruch. Die Verkl. verlangt Abweisung, da der Kläg. durch die Einwirkung der Schwindsucht völlig erwerbsunfähig geworden sei. BerGer. verurteilt, da durch diese Krankheit nur der dem Erblasser verbliebene Rest seiner Erwerbsfähigkeit zerstört sei, Verkl. also fortdauernd wegen der durch den Unfall eingetretenen Minderung der letzteren hafte. RG. hebt auf: Es sei zu untersuchen, ob der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Unfall und der verminderten Erwerbsfähigkeit durch die spätere Erkrankung an der Schwindsucht aufgehoben oder eingeschränkt sei. Die Auffassung des BerGer. würde dazu führen, dafs auch der natürlichen Abnahme der Erwerbsfähigkeit durch das Alter die rechtliche Erheblichkeit abgesprochen werden müsse, und die Unfallsrente stets bis zum Tode unvermindert fortzuzahlen sei. Dies Ergebnis sei unannehmbar. Es sei in solchen Fällen auch bei rechtskräftiger Verurteilung die Klage aus § 323 ZPO. gegeben. (Urt. VI. 457,03 v. 30. Dez. 1903.)

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29. (Testament von Personen, die ihre Unterschrift nicht abgeben können, § 2242 Abs. 2 BGB.) Ein Dorftestament (§ 2249) war von der Erblasserin mit 3 Kreuzen unterzeichnet, welche als „Handzeichen der X (Erblasserin)" bezeichnet sind. Es findet sich ferner unter dem Testament ein Vermerk, laut dessen die Erblasserin nach Vorlesung das Testament genehmigt habe, und dafs es von ihr, weil sie zum Schreiben zu matt war", mit 3 Kreuzen unterzeichnet worden sei. Das BerGericht (OLG. München) hat das Testament für nichtig erklärt, weil nicht die Erklärung der Erblasserin, nicht schreiben zu können, im Protokoll festgestellt sei (§ 2242 Abs. 2). RG. weist die Revision zurück. Der Gebrauch sakramentaler Worte für die Abgabe der in § 2242 bezeichneten Erklärung sei freilich nicht vorgeschrieben. Es würde daher völlig ausreichend sein, wenn die Erblasserin vorliegend auf irgend eine Art, so insbesondere durch Genehmigung des die objektive Feststellung des Unvermögens enthaltenden Testamenttextes, für ihre Person bestätigt

hätte, nicht schreiben zu können. Dies sei aber hier nicht geschehen. (Urt. IV. 251/03 v. 7. Jan. 1904.)

30. (Kann gegen solche Zahnheilkundige, die in Amerika den Doktortitel erhalten haben, wegen Führung desselben auf Grund des § 1 Wettbew.-Ges. eingeschritten werden? Sonstige Anwendung dieses Gesetzes gegen Zahnärzte.) Die drei Bekl. üben in Dresden zahnärztliche Praxis aus. Sie haben zu Chicago von dem als Privatinstitut von Dr.

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