Page images
PDF
EPUB

des inländischen Marktes, dem Waren des Auslandes durch hohe Zölle ferngehalten werden, während gleichartige Waren nach dem Auslande billiger verschleudert werden, endlich volle Wehrlosigkeit des Konsumenten gegenüber den Verkaufssyndikaten, weil der freie Wettbewerb und die Bildung angemessener Preise ausgeschaltet werden. Deswegen stehen wir nicht an, dafür einzutreten, dafs durch Gesetzgebung und Staatsaufsicht die ungehemmte Bildung von Kartellen verhütet, ihre schrankenlose Wirkung eingedämmt werden mufs. Eine gesetzliche Regelung von Reichs wegen ist aber erst auf Grund unantastbarer amtlicher Ermittelungen möglich, deren Ergebnisse abzuwarten sind.

Einen so weiten Horizont, wie das besprochene Trio, umspannen die Anregungen für gesetzgeberische Mafsnahmen, die aus der Mitte der Parlamente kamen,

im verflossenen Jahre nicht. Manche der sogen. ,,Initiativanträge werden im Hinblick auf Parteiinteressen und zum Hause hinausgestellt. Unter der Fülle findet sich indes eine Reihe, die wahren Bedürfnissen des Rechts entgegenkommt. Hervorgehoben seien die Anträge und Resolutionen über den Schutz der Bauhandwerker, die Heimstätten-Gesetzgebung, den Strafvollzug bei politisch Gefangenen, über Landhausbezirke und schon hinübergreifend in das Jahr 1904 über die Verleihung der Persönlichkeitsrechte an Berufsvereine.

Mit Fug und Recht kehren Anregungen wegen des Vereinsrechts immer wieder. Buntscheckig wie ein Narrenkleid ist das Vereinsrecht in den deutschen Bundesstaaten. Der Erlafs eines einheitlichen und freiheitlichen Reichs-Vereinsgesetzes ist die Vorbedingung vieler gesunder Reformen auf politischem nicht nur, sondern auch auf sozialem Gebiet. Seit der Reichsverfassung, die auch das Vereinswesen (Art. 4 No. 16) der Gesetzgebung des Reichs unterstellt, wird hierauf gewartet. Wie lange noch? Freilich schreibt die Reichsverfassung keinen Termin vor, aber quod sine die debetur, statim debetur. Trotz aller Dringlichkeit scheint indes diese Aufgabe auf dem „Resten"zettel des Reichs zu bleiben. Man kann dies daraus entnehmen, dafs die preufsische Regierung die Novelle zu einem Vereinsgesetz angekündigt hat, die abänderungsbedürftige Einzelbestimmungen des Vereins- und Versammlungsrechts verbessern, namentlich die Teilnahme der Frauen an politischen Vereinen und Versammlungen gestatten soll. Die Botschaft hör' ich. wohl, allein mir fehlt der Glaube. Wenigstens ist bis jetzt die angekündigte Vereinsnovelle nicht an den Landtag gelangt. Ein erfreulicher Fortschritt schon wäre es, wenn etwa nach dem Vorgang Baverns den Frauen Vereins- und Versammlungsfreiheit für ihre beruflichen Interessen, für die Zwecke der Erziehung und der Nächstenliebe gegeben würde.

Rechtspflege und Justizverwaltung des Jahres 1903 an diesem Orte gleichfalls zu behandeln, verbietet der Zweck dieser Uebersicht, so lockend es wäre; nur die Entwickelung aufgesetzgeberischem Gebiete sollte der Kreis der Darstellung umspannen.

Dürftig an legislativen Taten erwies sich das verflossene Jahr, an keimendem Leben aber in Entwürfen und Plänen reich. Nicht alle Blütenträume reifen. Wenn von der reichen Fülle nur ein Teil zu gesunden Früchten sich gestalten wird, kann das deutsche Volk zufrieden sein.

Das Gesetz, betr. den Schutz von Erfindungen, Mustern und Warenzeichen auf Ausstellungen, vom 18. März 1904. Vom Geh. Regierungsrat Dr. Damme, Direktor im Patentamt, Berlin.

Das System des gewerblichen Rechtsschutzes im Deutschen Reiche ist um ein Glied erweitert. Der Entwurf zu dem in der Ueberschrift genannten Gesetze ist im Reichstage in drei Lesungen ohne jede Debatte einstimmig angenommen. Die politische Schmerzlosigkeit dieser Gesetzesgeburt hat auch in der Tagespresse jede Diskussion zurückgehalten. Um so mehr ist es namentlich im Hinblick auf die Weltausstellung in St. Louis geboten, auf die Bedeutung des Gesetzes hinzuweisen.

Die Tatsache, dafs auf deutschem Boden eine Weltausstellung noch niemals stattgefunden hat, ist der Grund, weshalb das Bedürfnis nach einem Schutz der Erfindungen, der Geschmacks- und Gebrauchsmuster und der Warenzeichen, die zuerst auf Ausstellungen an den Tag treten, sich bisher nicht geltend gemacht hat. In Grofsbritannien ist die Frage längst, zuletzt generell in der Patentacte von 1883, in Frankreich durch Gesetz v. 1868 und ferner durch Spezialgesetze für jede Weltausstellung geregelt worden. In den Vereinigten Staaten von Amerika ist die besondere Regelung des Ausstellungsschutzes überflüssig, weil dort einerseits die Schutzfähigkeit von Erfindungen und von Geschmacksmustern — ein besonderer Gebrauchsmusterschutz besteht überhaupt nicht durch die Bekanntgabe vor der Anmeldung nicht beeinträchtigt wird, wenn diese nur innerhalb der nächsten zwei Jahre erfolgt, und weil andererseits der Markenschutz nicht erst durch Anmeldung und Eintragung, sondern schon durch Besitzergreifung von der Marke bedingt wird.

Nachdem das Deutsche Reich mit dem 1. Mai 1903 der Internationalen Union zum Schutz des gewerblichen Eigentums beigetreten ist (vgl. Deutsche Juristen-Ztg. 1901 S. 400 u. RGBl. 1903 S. 148), ergab sich auch für uns die Notwendigkeit, einer gesetzlichen Regelung des Ausstellungsschutzes näher zu treten. Denn nach Art. 11 des Unionsvertrages haben sich die kontrahierenden Staaten verpflichtet, den Erfindungen, Mustern und Marken für Erzeugnisse, welche auf den auf dem Gebiet eines Unionsstaates von ihnen veranstalteten amtlichen oder amtlich anerkannten internationalen Ausstellungen zur Schau gestellt werden, einen zeitweiligen Schutz zu gewähren. Dieser Verpflichtung ist das Deutsche Reich mit dem in Rede stehenden Gesetze nachgekommen. Aber das Gesetz geht weiter als die

völkerrechtliche Verpflichtung. Denn diese betrifft nur den Schutz für internationale Ausstellungen, welche auf dem Gebiete eines Unionsstaates veranstaltet werden. Das Gesetz regelt aber auch den Schutz für lediglich nationale Ausstellungen und für internationale Ausstellungen in einem der Union nicht angehörigen Staate.

Der Schutz besteht in der Sicherung des Ausstellers und seiner Rechtsnachfolger gegen die Gefahr, dafs die Schaustellung selbst oder die ihr folgende Veröffentlichung oder Wiedergabe oder Benutzung der bekanntgegebenen Erfindungen, Muster und Marken dem Erwerbe des gesetzlichen Schutzrechts durch Anmeldung oder Eintragung im Deutschen Reiche demnächst hinderlich ist. Diese Privilegierung der Aussteller ist aber an zwei Voraussetzungen gebunden. Erstens mufs der Reichskanzler durch eine im RGBI. zu veröffentlichende Bekanntmachung das Ausstellungsunternehmen in seiner Gesamtheit als unter dieses Gesetz fallend erklärt haben. Zweitens müssen die Anmeldung der Erfindung, des Gebrauchsmusters oder der Marke bei dem Patentamte und die Anmeldung eines Geschmacksmusters bei der zuständigen Musterregisterbehörde innerhalb 6 Monate nach der Eröffnung der Ausstellung bewirkt sein. Treffen beide Voraussetzungen zu, so geht die Anmeldung des Ausstellers allen anderen Anmeldungen vor, welche nach dem Tage des Beginns der Schaustellung (nicht der Ausstellung!) eingereicht worden sind.

er

Es empfahl sich, die Bestimmung darüber, ob ein Ausstellungsunternehmen als so bedeutend anzusehen sei, dafs die Teilnahme an ihm einen jeweiligen Eingriff in die bestehenden Gesetze rechtfertigen könne, der Zentralverwaltung des Reiches vorzubehalten. Der Reichskanzler vermag zu messen, ob die internationalen Beziehungen die geschilderte Bevorzugung geboten erscheinen lassen. Er vermag zu übersehen, ob eine lokale Ausstellung von kurzer Dauer (man denke an eine achttägige landwirtschaftliche Ausstellung in einem kleinen Bundesstaate) die Ermöglichung des zeitweiligen Schutzes nötig macht oder doch gerechtfertigt erscheinen läfst.

Indem man die Sperrfrist auf 6 Monate, und zwar vom Beginn der Ausstellung an, berechnete, folgte man den Spuren Englands. In Frankreich wird die Frist vom Schlusse der Ausstellung an gerechnet und ist dort auf drei Monate bemessen.

Zu beachten ist, dafs der Aussteller an keine lästigen Meldungen bei der Ausstellungskommission oder den Direktoren der Ausstellung, oder den ausoder inländischen Behörden gebunden ist, wie das in Frankreich und in England die Regel ist. Der deutsche Gesetzgeber hat in der liberalsten Weise jedem Schutzsuchenden überlassen, sich den Beweis für die Identität des angemeldeten Gegenstandes mit dem Ausstellungsobjekte in irgend einer Form zu sichern. Vielleicht empfiehlt sich die Aufnahme notarieller Protokolle mit photographischen Auf

nahmen.

Der erste Fall, in welchem der Reichskanzler von der ihm erteilten Ermächtigung Gebrauch gemacht hat, ist die Weltausstellung in St. Louis. Die erforderliche Bekanntmachung des Reichskanzlers ist gleichzeitig mit dem Gesetz im RGBl. 1904 S. 142 abgedruckt und trägt das Datum des 23. März. Danach hat der Aussteller eines, eine neue Erfindung verkörpernden Gegenstandes, welchen er beispielsweise vom 1. Juli 1904 ab zur Schau stellt, die Möglichkeit, die Erfindung noch am 1. November 1904 als äufsersten Termin (6 Monate nach der am 1. Mai 1904 erfolgenden Eröffnung der Ausstellung) bei dem Deutschen Patentamte zum Patent anzumelden, ohne befürchten zu müssen, dafs ihm seine, die Erfindung darlegenden gedruckten Prospekte neuheitsschädlich entgegenstehen, und dafs seiner Anmeldung vom 1. November 1904 eine nach dem 1. Juli 1904 auf den gleichen Gegenstand eingereichte Anmeldung vorgehe. Eine andere Frage ist es, ob der Erfinder wirtschaftlich richtig handelt, so lange mit der Anmeldung zu warten, da der Ausbeutung der Erfindung im Deutschen Reiche vor seiner Anmeldung durch andere Personen nichts im Wege steht. Die eingehende Erörterung dieser Frage kann hier, wo es sich lediglich um die Feststellung der rechtlichen Tragweite des Gesetzes handelt, nicht erfolgen.

Juristische Rundschau.

Aufserordentlich bemerkenswert ist die in unserer vorigen Nummer (S. 342) ausführlich wiedergegebene Entscheidung des II. Zivilsenates des Reichsgerichts v. 23. Febr. 1904. Insbesondere sind zwei Punkte hervorzuheben: einmal, dafs das Reichsgericht an der Theorie von den positiven Vertragsverletzungen, die ich in der Festgabe zum 26. Deutschen Juristentage aufgestellt habe, und der es bereits in der Entscheidung Bd. 54 S. 98 beigetreten ist, festhält, und dafs es insbesondere in Anwendung dieser Lehre auch bei mangelhafter Erfüllung des Kaufvertrages die Rechte aus § 326 BGB. gewährt (eine Ansicht, die ich ebenfalls an jener Stelle aufgestellt und begründet habe, die aber von Dernburg und Kipp angefochten worden war). Sodann enthält jenes Erkenntnis eine höchst bedeutsame Fortbildung jener Lehre, indem das Reichsgericht die Rechte aus § 326 BGB. auch dann analog gewährt, wenn der eine Kontrahent sich durch bestimmte Erklärungen vom Vertrage lossagt. Das Reichsgericht erblickt auch hierin mit vollem Recht eine positive Vertragsverletzung.

Wenn es

2 Die Novelle zum Reichsstempelgesetz schlägt nur wenige Aenderungen vor. richtig ist, dafs die letzten Gebührenerhöhungen des Reichsstempelgesetzes zu einer Abnahme der Geschäfte und damit nicht zu einer Erhöhung, sondern zu einer Verminderung der Reichseinnahmen geführt haben, so ist die vorliegende Novelle nicht geeignet, dieses Uebel in irgend wie erheblicher Weise zu mildern. Denn im wesentlichen werden nur zwei Aenderungen gebracht, die eine betrifft den Emissionsstempel bei ausländischen Wertpapieren, die andere die Herabsetzung des Anschaffungsstempels

bei Schuldverschreibungen des Reichs und der Bundesstaaten. Im übrigen bleibt sowohl der hohe Urkundenstempel als der hohe Anschaffungsstempel bestehen.

In der zweiten sächsischen Ständekammer ist kürzlich über die Frage der Zulassung der Abiturienten der Realgymnasien zum juristischen Studium debattiert worden. Der Justizminister Dr. Otto nahm eine abweisende Stellung ein und erklärte zur Begründung dieses Standpunktes unter anderem: Wenn die Juristen nicht zu rein handwerksmäfsigen Arbeitern herabgebildet werden, die Richter nicht zu blofsen Banausen, die Rechtsanwälte nicht zu Prozessagenten herabsinken sollten, so müfsten sie die römischen Quellen fliefsend lesen und verstehen können. Die Kenntnis der schwieigen römischen Pandekten sei aber nicht möglich ohne Kenntnis der gesamten antiken griechischen

Denn alle Philosopheme, auf welchen die l'andekten beruhen, waren griechischen Ursprungs. Deshalb sei die Kenntnis des Griechischen von grofser Wichtigkeit für die Juristen. Aufserdem befähige die philosophische Schulung besonders für die Gesetzesauslegung. Das Realgymnasium sei auch mehr utilitarisch, nüchterner angelegt, das Gymnasium von einem idealeren Zug durchweht, der besser vorbereite, auf eine selbstlose Hingabe an ein künftiges Amt usw. Der sächsische Justizminister steht hiernach in dem bekannten Streit auf einem sehr extremen Standpunkt, der sicherlich lebhaften Widerspruch finden wird.

Aus Kopenhagen wird berichtet, dass das Folkething nach stürmischen Verhandlungen die Vorlage über die Einführung der Prügelstrafe mit 54 gegen 50 Stimmen angenommen hat. Der dortige Justizminister hatte alles aufgeboten, um die Vorlage durchzubringen.

Birkmeyers Enzyklopädie der Rechtswissenschaft ist bereits in zweiter Auflage erschienen. Wenn die Zahl der Exemplare der ersten Auflage eine normale gewesen ist, so ist das verhältnismäfsig rasche Erscheinen einer zweiten Auflage als ein erheblicher Erfolg zu bezeichnen. Dafs auch der bekannte Staudingersche Kommentar zum BGB. bereits in zweiter Auflage erscheint, ist bekannt. Neu aber ist, dafs ein Teil des Rechts der Schuldverhältnisse, nämlich der Allgemeine Teil, in dieser zweiten Auflage nicht mehr vom Oberlandesgerichtsrat Mayring, sondern von dem früheren. Rechtsanwalt und jetzigen Professor Dr. Kuhlenbeck bearbeitet wird.

Vermischtes.

Staub.

Ueber die staatliche Zugehörigkeit der Gerichte der Hansestädte scheint bei vielen auswärts wohnenden Juristen keine Klarheit zu herrschen. Eine grofse Zahl der bei den hamburgischen Gerichten eingehenden Zuschriften auswärtiger Gerichte, Behörden und Rechtsanwälte tituliert diese Gerichte nicht richtig. Dafs ab und zu die hamburgischen Gerichte als „Königlich“ bezeichnet werden, ist wohl nur auf einen Flüchtigkeitsfehler zurückzuführen. Weit häufiger trifft man die Bezeichnung „Hanseatisches Amts- (Land-) Gericht Hamburg“, die ebenso unrichtig ist. Sie beruht auf einer Verkennung der Gerichtsverfassung der Bundesstaaten. Bekanntlich ist, abgesehen vom Reichsgericht und von der Vereinbarung

mehrerer Bundesstaaten über Errichtung gemeinsamer Gerichte, die Errichtung und Unterhaltung der Gerichte Sache der einzelnen Bundesstaaten, ein Gericht also eine Landesbehörde, und ebenso bekanntermafsen sind die drei „Freien Reichs- und Hansestädte" Hamburg, Bremen und Lübeck jede ein selbständiger-Bundesstaat. Daher sind die in diesen Staaten befindlichen Amts- und Landgerichte hamburgisch, bremisch, lübeckisch (lübisch) und nicht hansea-` tisch. „Hanseatisch" ist nur, was allen drei Hansestädten gemeinsam ist. Daher ist diese Bezeichnung nur am Platze für das Oberlandesgericht in Hamburg, das von den drei Hansestädten zusammen errichtet ist und unterhalten wird, auch die drei Wappen der Hansestädte vereint als Amtssiegel führt. So wird auch, wie als kleine Illustration zu dem Artikel von Laband in No. 1 d. Bl. bemerkt sein mag, ein an das Oberlandesgericht in Hamburg berufener Rat vermöge seiner Anstellung durch die drei Bundesstaaten zugleich hamburgischer, bremischer und lübischer Staatsangehöriger.

Die richtige Bezeichnung der übrigen Gerichte der Hansestädte lautet hiernach einfach: das Amtsgericht Hamburg pp. Für solche, denen diese Bezeichnung zu kahl und der Verschönerung durch eine Titulatur bedürftig erscheint, mag verraten werden, dafs hansestädtische Behörden im Kurialstil an das verehrliche" Gericht adressieren, während Behörden, deren unmittelbare Spitze ein Mitglied des Senates bildet, als „hochlöblich“ bezeichnet werden. Die Fortlassung dieser Höflichkeitsfloskeln kann aber nur empfohlen werden.

Amtsrichter Dr. Heuer, Hamburg.

In den Neapolitaner Ausgaben der Werke des Jacobus Cujacius findet sich ein schönes Bildnis dieses gewaltigen Mannes, der auch heute noch, trotz der veränderten Stellung des römischen Rechts, einen grofsen Kreis von Verehrern besitzen wird. Es besteht die Absicht, wenn sich genügende Beteiligung findet, jenes Bildnis in Kupferautotypie reproduzieren zu lassen. Der Preis eines Exemplars würde sich auf 3 M stellen. Ein etwaiger Ueberschufs soll wohltätigen Zwecken gewidmet werden. Herren, welche sich an dem Unternehmen zu beteiligen wünschen, werden gebeten, diese Absicht Herrn Professor Dr. Kipp, Berlin W., Meinekestr. 20, zu erkennen zu geben.

Personalien. Ord. Prof. Dr. v. Blume, Königsberg i. Pr., folgt einem Rufe an die Univ. Halle a. S. als Nachfolger von Prof. Dr. Endemann. Ord. Prof., Oberverwaltungsgerichtsrat a. D. Dr. von Martitz, Berlin, wurde zum Geh. Oberregierungsrat, ord. Prof. Dr. Kohler, Berlin, zum Dr. jur. hon. causa der Univ. Chicago, aord. Prof. Dr. Niedner, Jena, zum ord. Professor und akademischen Rat des Oberlandesgerichts daselbst, Privatdozent Dr. Herbert Meyer, Breslau, zum aord. Professor in Jena, Oberlandesgerichtsrat Erler, Marienwerder, zum Reichsgerichtsrat, vortr. Rat im Preufs. Justizministerium, Geh. Justizrat Dr. Frenken, Berlin, zum Geh. Oberjustizrat, Landgerichtsrat Geifsler, Essen, zum Geh. Justizrat und vortr. Rat im preufs. Justizministerium, Senatspräsident beim Oberverwaltungsgericht, Wirkl. Geh. Oberregierungsrat Dr. von Meyeren, Berlin, bei seinem Uebertritt in den Ruhestand zum Wirkl. Geh. Rat mit dem Prädikat Exzellenz ernannt. Amtsgerichtsrat Dr. Heilfron, Berlin, ist der Charakter als Professor beigelegt worden. Gestorben sind: Geh. Justizrat, Professor Dr. Schirmer, Königsberg i. Pr., im Alter von 77 Jahren, und der erst kürzlich in den Ruhestand getretene Senatspräsident beim Kammergericht Wünsche, Berlin.

Neue Gesetze, Verordnungen u. dgl.

Deutsches Reich: Vf. v. 18. 3. 1904, bt. Aend. im Postanweisgs.-. Nachnahme- u. Ztgsverkehr m. Oesterr.-Ung. (Amtsbl. d. R-Post.-A. S. 89). - Ges. v. 18. 3. 1904, bt. Schutz v. Erfindgn., Mustern u. Warenzeichen auf Ausstellgn (R.-G.-Bl. S. 141).

Preufsen: M -Vf. v. 14. 12. 1903, bt. Reinigen der Bürgersteige vor d. Staatsdienstgebäuden (M.-Bl. f. inn Verwltg. S. 29). M.-Vf. v. 27. 1. 1904, bt. Anzeigepfl. d. Standesbeamten b. Vormundschftsger. hinsichtl. Minderjähriger (S. 30). — M.-Vf. v. 31. 1. 1904, bt. Ausf. d. rechtskräft. Berichtigungsbeschlüsse in Standesamtssach. (S. 32). Dienstanweisg. v. 21. 1. 1904 f. Beamte d. Staatsarchive in d. Provinzen (S. 34). - M.-Vf. v. 30. 12. 1903, bt. Beamteneigenschft. d. Beschaupersonals (S. 47). -M.Vf. v 7. 3. 1904, bt. Grundbehsanleg. f. Bezt. d. A.-G. Camberg, Dillenburg, St. Goarshausen, Höchst a. M., Höhr-Grenzhausen, Langenschwalbach, Rüdesheim, Runkel, Usingen u. Weilburg (Ges -S. S. 25). Allg. Vf. v. 17. 3. 1904, bt. Aufstellg. der Nachweisgn. üb. Eintrag. u. Löschg. v. Hypotheken (J.-M.-BI. S. 74).

Bayern: M.-Bk. v. 22 2. 1904, bt. bedingte Begnadigung (JM-BI S. 47) M.-Bk. v. 22. 2. u. 5. 3. 1904, bt. Gebühren f. ärztl. Dienstleistgn, bei Behörden (S. 49 u. 52). M.-Bk. v. 28. 2. 1904, bt. Entmündig der in Irrenanstltn. untergebracht Pers. (S. 49). M-Bk. v. 4. 3. 1904, bt. Gewährg. v. Zeugengebühren an Pers., die in einem Dienst- od. Arbeitsverhältn. stehen (S. 50). — M.-Bk. v. 7. 3. 1904, bt. Führg. v. Waisenlisten (S. 53).

Sachsen: M-Vo. v. 17. 2. 1904 üb. Bestimg v. Hinterlegungsstellen gem. § 18 Abs. 5 d. R.-Ges. v. 4. 12. 1899, bt. gemeinschftl. Rechte der Besitzer v. Schuldverschreibgn. (J.-M.-BI. S. 21), -M.Vo. v. 1. 3. 1904, bt. Hinterlegungsscheine (S. 22). M.-Spez.Vo. v. 24. 11. 1903, bt. Stempelpflichtigk. v. Erbscheinausfertigungen (S. 23).

Baden: M-Vo. v. 18. 3. 1904, bt. Abänd. d. Vollzugs-Vo. v. 6. 11. 1886 z. Jagdges. (G.- u. Vo.-Bl. S. 61).

Hessen: M-Bk. v. 17. 3. 1904, bt. Ges. üb. Zwangserziehg. Minderjähr., hier Anweisg, der bei gerichtl. Verhandlgn. erwachsdn. Auslagen (Amtsbl. d. M. d. Just No 4). M.-Bk. v. 3. 3. 1904, bt. freiw. Versteigerung v. Grundstücken (No. 3).

[ocr errors]

Braunschweig: Ges. v. 14. 3. 1904, bt. Abänd. des Ges. v. 5. 3. 1895 üb. Verwitgsrechtspflege (Ges. u. Vo.-S. S. 37). Vo. v. 14. 3. 1904 z. Ausf. der die Krankenversichrg. betr. Reichsgesetze (S. 39).

Sachsen-Altenburg: M.-Bk. v. 7. 3. 1904, bt. Mittlg. e. neuen Eigentüm. im Grundbuche an nicht-altenburg. Sparkassen (Ges.S. S. 12).

Schwarzburg-Sondershausen: Ges. v. 16. 3. 1904, bt. Aurhebg. d. § 30 d. Staatsbeamtges. v. 19. 12. 1900 (Ges.-S. S. 11). Ho. Vo. v. 23. 3. 1904, bt. Umzugskost. d. Staatsbeamten (S. 13). Schwarzburg-Rudolstadt: Ges. v. 25. 3 1904, bt anderw. Fassg. d. § 127 d. Ger.-Kost.-Ges. f. d. Fstt Schwarzh -Rud. v. 21. 12. 1899 (Ges.-S. S. 11). Ges. v. 25. 3. 1904, bt. Abänd. d. Ges. v. 22. 3. 1901 üb. Errichtg. e. Handelskammer f. d. Fstt. Schwarzb-Rud. (S. 12).

Bremen: Ges. v. 20. 3. 1904, bt. Fürsorge f. Beamte u. Angestellte u. deren Hinterblieb. infolge v. Betriebsunfällen (Ges.-Bl. S 85).

Sprechsaal.

In dem Streite über die Erhöhung der Revisionssumme ist mehrfach auf meine Ausführungen in der Festgabe der Juristischen Gesellschaft zu Berlin für den Präsidenten Exz. Dr. Koch') Bezug genommen worden. Dabei ist dem Umstande nicht Rechnung getragen, dafs jene Ausführungen, die eine Beschränkung der Revision in anderer Weise als durch eine Revisionssumme überhaupt empfehlen (S 54 ff.), an Vorschläge für eine allgemeine Revision der Zivilprozefsordnung sich anschliefsen. Solange es zu dieser nicht kommt, kann man nicht die oberste Instanz nach ganz anderen Grundsätzen gestalten, wie die nachgeordneten Instanzen. Da aber eine allgemeine Aenderung der Prozefsordnung in nächster Zeit nicht zu erwarten ist, so steht eine Verwirklichung jener veränderten Gestaltung des Rechtsmittels in weitem Felde.

Inzwischen ist der Notstand beim Reichsgericht ins Unerträgliche gestiegen und noch im Wachsen begriffen. Wer meine Ausführungen über die Notwendigkeit schleuniger Beendigung der Prozesse gelesen hat (a. a. O. S. 65 ff.), kann nicht zweifeln, dafs ich die Beseitigung jenes Notstandes für eine unerlässliche Pflicht des Gesetzgebers halte. Wenngleich ich kein Wort davon zurücknehme, dass ich die Erhöhung der Revisionssumme für ein sehr bedenkliches Mittel zur Entlastung des Reichs

1) Auch als Separat-Abdruck, betitelt Ueber die sozialen und wirtschaftlichen Aufgaben der Zivilprozefsgesetzgebung, Berlin 1903, erschienen.

gerichts ansehe (S. 55), so ist doch irgend ein anderes brauchbares Mittel (die Vermehrung der Senate habe ich selbst a. a. O. als undurchführbar bezeichnet) bisher nicht vorgeschlagen worden und auch mir nicht bekannt. Ich würde daher von meinem Standpunkt aus keinen Anstand nehmen, wenn auch nicht leichten Herzens, der Erhöhung der Revisionssumme als einem Notbehelf zuzustimmen, um den noch schwereren Uebelstand der überlangen Prozefsdauer zu beseitigen. Einer zukünftigen Reform wird nach meiner Anschauung dadurch nicht vorgegriffen, da ich Beseitigung jeder Revisionssumme anstrebe, nicht etwa eine Wiederermäfsigung auf 1500 M. Oberlandesgerichtspräsident, Professor Dr. Vierhaus,

[ocr errors]

Kiel.

Ist Ungeziefer des Dienstboten ein genügender Grund zu sofortiger Kündigung? Der § 128 der Gesindeordnung besagt, dafs ohne Auf kündigung die Herrschaft das Gesinde sofort entlassen kann, „wenn das Gesinde sich durch liederliche Aufführung ansteckende oder ekelhafte Krankheiten zugezogen hat". Für die Berliner Praxis ist die Auslegung dieser Bestimmung nicht zweifelhaft, sie rechnet unter die Krankheiten“ mit Recht auch starke Behaftung des Diensboten mit Ungeziefer. Dies ist auch die Ansicht des Berliner Polizeipräsidiums.1) Leider wird diese Meinung nicht überall geteilt, so z. B. nicht von Zürn, Handb. des Gesinde rechts, der S. 110 das Wort Krankheit im strengsten Sinne auslegt. Es kann nun wohl nicht in Abrede genommen werden, dass ursprünglich Ungeziefer des Dienstboten kein Grund zu sofortiger Entlassung hat sein sollen, denn sonst wäre hiervon gesprochen worden; aber das nahezu ein Jahrhundert alte Gesetzeswort kann heute nicht mehr in derselben Weise ausgelegt werden wie zur Zeit seiner Entstehung. Mit den Zeiten und den Menschen wechseln auch Gesetze ihren Sinn, und es geht heute nicht mehr an, zu einer Zeit wesentlich verfeinerter Kultur schwer empfundene Uebelstände hinzunehmen, weil damals unsere derberen Vorfahren, denen auch das enge Zusammenwohnen in den Städten noch unbekannt war, diese Uebelstände nicht so schwer empfunden haben. Die ausdehnende Auslegung ist daher nicht zu beanstanden.

Es läfst sich für diese Auslegung aber auch noch die Einwirkung des BGB. auf die Gesindeordnung anführen. Durch das preufs. Ausf.-Ges. ist § 618 BGB. in das Gesinderecht aufgenommen worden. Die Folgerungen hieraus lehrt der häufige Fall, dafs mehrere Dienstmädchen gehalten werden und der fleifsige, ordentliche Dienstbote auf Grund von § 618 es verweigert, mit dem anderen Dienstboten, der schwer mit Ungeziefer behaftet ist, zusammen zu arbeiten, zusammen zu schlafen, zu essen usw. Sind ausreichende Räume vorhanden, so kann die Herrschaft vielleicht beide Dienstboten trennen; fehlt es aber daran, so mufs die Herrschaft, wenn Zürns Ansicht richtig wäre, den unsauberen Dienstboten behalten und den guten gehen lassen, bis der unsaubere von seinem Ungeziefer befreit ist. Das wäre geradezu verkehrte Welt. Also, selbst wenn man nicht zugeben will, dafs die Gesindeordnung im Umflufs der Jahre schon vor dem Inkrafttreten des BGB. ihren Inhalt geändert hätte, so mufs nach Aufnahme des § 618 in das Gesinderecht anerkannt werden, dafs diese neue Bestimmung auch auf die anderen Bestimmungen zurückwirkt. Es wäre ja ein sonderbarer Zustand, in der Wohnungsmiete das Ungeziefer zu berücksichtigen, beim Dienstvertrag nicht.

Für die praktische Behandlung dieser Frage kommt noch 1) Vgl. Lindenberg, Kom. zu § 128.

der weitere Gesichtspunkt in Betracht bez. der Anfechtung wegen Irrtums über persönliche Eigenschaften Legt die Behaftung mit Ungeziefer die Annahme genügend nahe, dafs der Dienstbote in solchem Mafse den Hang zur Unsauberkeit hat, dafs er wegen dieses Hanges für die Herrschaft unannehmbar wird, so ist auch die Anfechtung zulässig, da diese Eigenschaft wohl schon zur Zeit des Vertragschlusses vorhanden war. Ja, es dürfte sich empfehlen, wenn es geht, die Anfechtung zu benutzen und nicht die Kündigung. Denn die Anfechtung wirkt auf die,durch § 617 auferlegten Verpflichtungen zurück, die Kündigung nicht. Dies wird praktisch bedeutsam, wenn auch der neu, an Stelle des entlassenen, angenommene Dienstbote erkrankt und die Herrschaft ihren Dienstboten versichert hat. Die Krankenanstalt braucht nur einen Dienstboten aufzunehmen, und das bedeutet bei der Kündigung, dafs die Herrschaft Verpflegung des neuen Dienstboten nicht verlangen kann. Im Falle der Anfechtung dagegen kann sie die Krankenanstalt darauf aufmerksam machen, dafs ihre, der Herrschaft, Verpflichtung, den Dienstboten zu verpflegen, nicht zu Recht bestehe, jedenfalls die Fortführung der Verpflegung nicht mehr unter die Versicherung falle, mindestens also die noch ausstehenden Wochen der Verpflegungszeit nicht mehr dem bisherigen Dienstboten, sondern dem neuen Dienstboten zugute zu kommen hätten.

Andererseits besteht die Gefahr bei der Anfechtung, dafs die Krankenanstalt von der Herrschaft Ersatz für die, für den früheren Dienstboten schon aufgelaufenen Pflege kosten verlangt mit der Begründung, dafs diese ebensowenig wie die Kosten der noch folgenden Wochen durch die Versicherung gedeckt würden. Hierzu wäre die Krankenanstalt überall berechtigt, wo der Versicherungsvertrag zur Voraussetzung hat, dafs ein rechtlich gültiges Dienstverhältnis zwischen Herrschaft und Dienstboten besteht. Dies wird aber wohl im Zweifel angenommen werden müssen. Praktisch wird es dabei darauf ankommen, ob der erkrankte Dienstbote die volle von der Krankenanstalt zugesicherte Verpflegung in Anspruch nimmt oder nicht. Im letzteren Falle läfst sich unter Umständen ein Ausgleich dahin finden, dafs die Herrschaft sich auf die Verpflegungszeit des zweiten Dienstboten die schon für den ersten geleistete Verpflegung anrechnen läfst und für den Rest der noch nötigen Verpflegung selber Sorge trägt. Es besteht jedoch für die Krankenanstalt keine Verpflichtung, auf einen solchen Ausgleich ohne weiteres einzugehen, denn es kann ihr nicht zugemutet werden, dafs sie die durch, chirurgische Eingriffe oder dergl. nötig gewordenen Mehrkosten der ersten Verpflegung vollständig gegen Ersparnisse an der viel einfacheren und billigeren zweiten Verpflegung aufrechne. Bei der Aufrechnung kann nicht einfach Verpflegung gegen Verpflegung ohne Rücksicht auf die Kosten aufgerechnet werden, sondern nur die wirklich aufgelaufenen Kosten und die wirklich gemachten Ersparnisse sind gegeneinander abzuschätzen.

Professor Dr. Krückmann, Münster.

Die Bedeutung der badischen Verfassungsnovelle von 1903 für das deutsche Staatsrecht. Im Interesse der speziellen badischen Verhältnisse möchte ich zu den Ausführungen des Geh. Rats Dr. Schmidt S. 225 d. Bl. einiges bemerken. Es soll nicht bestritten werden, dafs der Entwurf durch Einführung des Rechts der ersten Kammer, über die Einzelpositionen des Budgets abzustimmen, eine Steigerung der Macht des Oberhauses bewirken will, welche der sonst fast allgemeinen Bedeutungslosigkeit dieses gesetzgebenden Faktors auf dem Gebiet des Staatshaushalts nicht entspricht. Würde aber

eine solche Veränderung die von Schmidt befürchteten Folgen nach sich ziehen oder wäre sie nicht im Gegenteil als Verbesserung der seitherigen Verfassung erwünscht? Schmidt scheint die untergeordnete Stellung des Herrenhauses für sachlich begründet zu halten. Dem möchte ich nicht beitreten; die alleinige Ursache dieser Erscheinung ist die geschichtliche Entwickelung. Wie die alten Stände, so haben die neueren Volksvertretungen die Machthaber ihrer Zeit gerade auf dem Gebiet der Steuergesetzgebung beschränkt, weil hier am besten Widerstand geleistet und Macht errungen werden konnte. Auch die badische Verfassung hat nur die Gewaltenverteilung, wie sie sich entwickelt hatte, sanktioniert, aber nicht aus theoretischen Gründen das Verhältnis der beiden Kammern gestaltet. Notwendig ist die Machtlosigkeit des Oberhauses in Steuerfragen nicht; in Baden ist sie aber auch nicht wünschenswert. Darin möchte ich Schmidt widersprechen, dafs die Mitglieder der ersten Kammer, insbesondere die von ihm erwähnten Gruppen, in keinem Verhältnis zu den Steuerzahlern aller Stände stehen können. In einem deutschen Kleinstaate von noch nicht zwei Millionen Einwohnern, dessen wirtschaftliche Geschicke fast vollständig von der Reichspolitik abhängen, liegen die Dinge anders als im souveränen einheitlichen Grofsstaat. Bei uns steht der gewählte Volksvertreter höchst selten zu weiteren Kreisen in einem Verhältnis, als die Mitglieder des Herrenhauses in ihrer Mehrzahl. Und was dem Oberhause von allseitiger Berührung mit der Gesamtbevölkerung der einzelnen Wahlkreise abgeht, wird reichlich ersetzt durch weiteren Blick, der von Kirchturmspolitik fernhält, durch gröfsere wirtschaftliche Interessen und Spezialkenntnisse und auch durch die unbestreitbare geistige Ueberlegenheit über das Volkshaus, deren sich die badische I. Kammer seit Jahren erfreut und welche von der geplanten Zusammensetzung weiterhin verbürgt wird. Diese Vorzüge unserer Pairs für die Einzelberatung des Budgets zu gewinnen, wäre als wesentlicher Fortschritt um seiner selbst willen anzustreben. Schmidt fürchtet auch mit Unrecht die indirekten Wirkungen des Machtzuwachses der ersten Kammer. Ihre Existenz in Baden hängt doch nicht davon ab, ob sie in Einzelfragen des Staatshaushalts von der Mehrheit der zweiten Kammer abweicht. Denn ganz abgesehen davon, dafs dies mit Erfolg nur geschehen kann, wenn die Mehrheit der ersten Kammer, der stets eine ansehnliche Minderheit entgegenstehen wird, sich mit einer starken Minorität der zweiten Kammer verbindet, so wird das Oberhaus es wie seither nur in wirklich ernsten Fällen auf einen Konflikt ankommen lassen. Das Volk würde sich nicht im mindesten aufregen, wenn die Mehrheit der Volkskammer in Einzelfragen von eher landschaftlichem als politischem Charakter, bei denen sich auch meist die Parteien spalten, überstimmt würde. Bedenklicher wäre die heute schon mögliche Ablehnung des ganzen Budgets. Gefährdet wird aber die Existenz der badischen I. Kammer nur durch einen Umschwung der gesamtdeutschen Verhältnisse. Widerspruch mufs gegen Schmidts Vorschlag erhoben werden, die „Kompensationen für die Beseitigung des indirekten Wahlrechts in veränderter Zusammensetzung der zweiten Kammer zu schaffen, sei es durch Aufnahme von Delegierten der Selbstverwaltungs- oder Interessenkörperschaften in sie, sei es durch Abstufung des Wahlrechts". Die überall verurteilte Beseitigung der einheitlichen Volkskammer oder die Abänderung des geltenden allgemeinen gleichen Wahlrechts im Widerspruch zur gesamten öffentlichen Meinung im Grofsherzogtum wäre m. E. ein politischer Fehler. Denn nur die wirklichen Machtverhältnisse und die herrschende Anschauung der Volks- und Zeitgenossen können für die Gestaltung der

« EelmineJätka »