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eines Feuerversicherungsantrages) auf § 149 BGB. (verspäteter Zugang einer Annahmeerklärung), in $94 VVG. (Wirksamkeit einer Zahlung gegenüber dem Hypothekengläubiger und Anzeige des Versicherten von der Absicht der Abweichung) auf § 1128 Abs. 1 S. 2, 3 BGB. (Widerspruch des HypGl. gegen die Zahlung der Versicherungssumme; Unterbleiben der untunlichen Anzeige vom Schadensfall an den HypGl.); einige Paragraphen des BGB. behandeln das Versicherungsrecht berührende Fragen (§§ 330, 1045, 1046, 1127-1130, siehe oben); manche Ausdrücke des Entwurfs finden im BGB. ihre Erklärung, z. B. § 23 Abs. 2 unverzüglich" in § 121 Abs. 1 BGB. „ohne schuldhaftes Zögern"; einzelne Bestimmungen des BGB. bleiben auch ferner neben dem VVG. in Geltung, z. B. § 5 Abs. 1 VVG., Versicherungsschein kein Inhaberpapier, aber unter bestimmten Voraussetzungen als Urkunde nach § 808 BGB. zu behandeln, vgl. Begr. S. 61, § 66 VVG. neben § 398 BGB., § 94 VVG. (Wirksamkeit einer Zahlung gegenüber dem HypGl.) neben Art. 110 EG. z. BGB. (Unberührtbleiben landesgesetzlicher Vorschriften, die, für den Fall der Wiederherstellung zerstörter Gebäude in anderer Lage, die Rechte an den beteiligten Grundstücken regeln) und Art. 120 Abs. 2 No. 3 EG. z. BGB. (Unberührtbleiben einiger anderer landesgesetzl. Vorschr., ebenfalls HypGl. betreffend), § 101 VVG. neben §§ 1046, 1077, 1070 in Verbdg. mit § 407 BGB., § 160 VVG. neben §§ 138, 2339 Abs. 1 No. 1, 2340 fg., 2345, 530 u. 2301 BGB.; einige Vorschriften des Entwurfs enthalten gleichsam Ergänzungen zu Bestimmungen des BGB. und Lösungen der in diesen gegebenen Zweifel, z. B. § 9 VVG. im Verhältnis zu § 139 BGB., Art. 3 EG. z. VVG. im Verhältnis zu Art. 171 EG. z. BGB.; eine Anzahl Paragraphen des Entwurfs befinden sich in vollster Uebereinstimmung mit dem BGB., so u. a. § 5 Abs. 2 Satz 1 VVG. mit § 371 BGB., § 6 1. c. mit §§ 119, 121, 122 BGB., § 18 Abs. 2 1. c. mit §§ 346, 347, 349 BGB., § 29 1. c. mit § 270 Abs. 1, 2 BGB., § 57 Abs. 1 Satz 3 1. c. mit § 319 Abs. 1 BGB., § 66 1. c. mit § 571 BGB., § 94 1. c. mit § 1128 BGB., S$ 155, 156 1. c. mit §§ 330, 332 BGB., § 157 Satz 3 1. c. mit §§ 2104, 2149 BGB., Art. 3 EG. z. VVG. mit Art. 170 EG. z. BGB., Art. 5 1. c. mit Art 189 EG. z. BGB., Art. 6 1. c. mit Art. 169 EG. z. BGB.; einige Bestimmungen des VVG. nehmen auf analoge Verhältnisse des BGB. Bezug, so § 33 VVG. auf § 285 BGB., § 61 1. c. (Uebergang des Schadensersatzanspruchs des Versicherten gegen einen dritten auf den Versicherer) auf §§ 268 (Gläubiger), 426 (Gesamtschuldner), 774 (Bürge), § 157 VVG. auf §§ 330, 2066 Şatz 1 BGB. Schliefslich weist der Entwurf Abweichungen vom BGB. auf, wie § 29 VVG. (der jeweilige Wohnsitz des Versicherten ist Leistungsort für die Entrichtung der Prämie) von § 269 BGB. (der Wohnsitz des Schuldners zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses bleibt Leistungsort) und § 270 Abs. 3 BGB. (Erhöhung der Kosten und der Gefahr der Ueber

mittelung von geschuldetem Geld infolge einer Aenderung des Wohnsitzes des Gläubigers und deren Wirkung), § 45 VVG. (Leistung des Schadensersatzes grundsätzlich in Geld) von § 249 BGB. (Schadensersatz erfolgt grundsätzlich nicht in Geld, sondern durch Wiederherstellung des früheren Zustandes), § 100 VVG. (bei der Gebäudeversicherung darf der Versicherer, selbst beim Widerspruch des Versicherten, die vom Hypothekengläubiger angebotene Zahlung nicht ablehnen) von § 267 BGB. (der Gläubiger darf die Leistung eines dritten beim Widerspruch des Schuldners ablehnen). - Von den fünf Büchern des BGB. tritt nur das Familienrecht in keinerlei Beziehung zum Entw., während der Allgemeine Teil in vierzehn, das Recht der Schuldverhältnisse in dreifsig, das Sachenrecht in neun, das Erbrecht in sieben Paragraphen, das EG. z. BGB. in acht Artikeln sich mit Bestimmungen des VVG. bezw. des EG. z. VVG. näher berührt. Vom Entwurf treten folgende Teile: Versicherung für fremde Rechnung (II. Absch. 1. Titel, III), Hagelversicherung (3. Titel), Transportversicherung (4. Titel), Unfallversicherung (IV. Abschn.), Schlufsvorschriften. (V. Abschn.) in keine ausgesprochene Beziehung zum BGB., während die fünf Titel des I. Abschn. (Vorschriften für sämtliche Versicherungszweige) in zwölf, die sechs Titel des II. Abschn. (Schadensversicherung) in dreizehn, der III. Abschn. (Lebensversicherung) in fünf Paragraphen und der Entw. z. EG. z. VVG. in drei Artikeln auf das BGB. bezw. das EG. z. BGB. hinweisen.

II. Der Entwurf und das HGB. Die Begründung (S. 52) führt aus, dafs die Bestimmungen. des Entwurfs, falls einer der beiden Teile Kaufmann ist oder die Versicherung bei einem dem § 16 VAG. unterliegenden Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit genommen wird, ihre Ergänzung auch in den Vorschriften des HGB. finden. Die im HGB. IV. Buch 10. Abschn. ausführlich behandelte Seeversicherung weist mit der im Entwurf geregelten Binnenversicherung naturgemäfs zahlreiche Berührungspunkte auf, ebenfalls wieder teils ergänzend, teils übereinstimmend, teils abweichend. Von den letzteren ist besonders 54 VVG. (Doppelversicherung) zu nennen, der für die Binnenversicherung andere Grundsätze, als die bisher für die Seeversicherung ($$ 787-791 HGB.) geitenden aufstellt. Um die künftig im Binnentransportverkehr für die Doppelversicherung mafsgebenden Normen auch für die Seeversicherung wirksam werden zu lassen, sind die genannten §§ 787-791 HGB. in einem besonderen ,,Entwurf eines Gesetzes, betr. Abänderung der Vorschriften des HGB. über die Seeversicherung“ in Uebereinstimmung mit der Vorschrift des § 54 VVG. gebracht worden. Diese Abänderung war in Berücksichtigung des oft ineinandergreifenden Binnenund Seetransportverkehrs im Interesse der Rechtseinheit unumgänglich notwendig. Andere interessante Beziehungen zum HGB. mufs ich hier unausgeführt lassen und kann nur noch auf die von den Versicherungsagenten handelnden §§ 41—44

VVG. hinweisen, die die Grenzen bestimmen, innerhalb deren die Versicherungsagenten im rechtsgeschäftlichen Verkehr mit dritten Personen als Vertreter der Versicherer zu gelten haben. Das innere Verhältnis der Versicherungsagenten zum Versicherer bleibt nach wie vor durch das HGB. (§§ 84-92) geregelt.

III. Der Entwurf und die anderen Reichsgesetze. Das VAG. beschränkt sich im wesentlichen auf die öffentlich-rechtliche Seite des Versicherungswesens. Ein Teil seiner Vorschriften greift indessen auf das privatrechtliche Gebiet über und tritt zu unserem Entwurf in nähere Beziehungen. Die vom Konkurse des Versicherers und des Versicherten handelnden §§ 11 und 12 VVG. haben die im § 61 Abs. 2, § 63 VAG. für die Lebensversicherung und die nach Art der letzteren betriebene Unfall- und Krankenversicherung aufgestellten Grundsätze auf alle Arten der Versicherung ausgedehnt, womit gleichzeitig eine Abweichung von § 17 KO. statuiert worden ist. Hierher gehört auch § 34 Abs. 3 VVG. (Rückforderung von Prämie beim Konkurse des Versicherers), der nach dem Vorgange von § 43 Abs. 4 VAG. den Abzug der für die Zeit nach Beendigung des Versicherungsverhältnisses aufgewendeten Kosten zuläfst. Die nach § 139 VVG. zulässige Haftpflichtversicherung für Fälle groben Verschuldens wird in den §§ 7, 67 VAG., die der Aufsichtsbehörde die Befugnis geben, eine zu weit gehende Fruktifizierung dieses Prinzips zu verhindern, ein angemessenes Korrelat finden (vgl. Begr. S. 162). Die §§ 164-168 VVG. endlich greifen auf die §§ 61 Abs. 2, 3, 62 VAG. zurück. Hinsichtlich der Beurteilung des Charakters einer gesetzlichen Norm des VVG. als zwingender oder dispositiver mufs ich in diesem Zusammenhange noch einmal das nach §§ 4, 7, 9 VAG. der Aufsichtsbehörde zustehende Recht, über diesen Charakter zunächst zu entscheiden, berühren (vgl. No. 21 d. Bl. S. 493). Der Entw. z. VVG. ist dadurch, dafs er eine besondere namentliche Aufzählung seiner zwingenden Bestimmungen nicht enthält, in den innigsten Konnex, ja gewissermafsen in ein Abhängigkeitsverhältnis zum VAG. getreten.

Aus den Reichsjustizgesetzen sind noch anzuführen: § 485 ZPO., dessen Voraussetzung (Besorgnis des Verlustes eines Beweismittels oder der Erschwerung von dessen Benutzung) zur Sicherung des Beweises über den Eintritt des Versicherungsfalles nach § 39 VVG. nicht erforderlich ist, sowie § 323 1. c. (Aenderung der Verhältnisse im Falle einer Verurteilung zu Rentenzahlungen), der inhaltlich im § 145 VVG. für die Haftpflichtversicherung in Anspruch genommen wird. Schliefslich weist $ 184 VVG. in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten auf Grund dieses Gesetzes die Verhandlung und Entscheidung letzter Instanz im Sinne des § 8 EG. z. GVG. dem Reichsgericht zu lediglich eine logische Konsequenz des Art. 6 EG. z. BGB., welcher die gleiche Vorschrift für die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten auf Grund des BGB. enthält.

Das VVG. ist eben kein Ausnahmerecht, sondern ergänzt nur das BGB. mit Rücksicht auf die eigenartigen Verhältnisse des Versicherungsverkehrs; Streitigkeiten auf Grund des BGB. und des VVG. können daher bis zur höchsten Instanz auch nur von den gleichen Gerichten verhandelt und entschieden werden.

Juristische Rundschau.

Die beiden Räder an der Maschine der Reichsgesetzgebung, Bundesrat und Reichstag, arbeiten in letzter Zeit mehr gegen- als ineinander.

Bei der Aufhebung des § 2 des Jesuitengesetzes hatte der Bundesrat auf einen Beschlufs des Reichstags zurückgegriffen, der schon fünf Jahre alt und in einer früheren Legislaturperiode gefafst war. Zu dem Streit der Staatsrechtslehrer über die Zulässigkeit eines solchen Rückgriffs hat eine Resolution des Reichstags Stellung genommen. Sie verlangt eine Ergänzung des Art. 5 Abs. 1 der R.-Verf. dahin, dafs die zu einem Reichsgesetze erforderliche Uebereinstimmung der Mehrheitsbeschlüsse beider Versammlungen spätestens vor dem Tage des Zusammentritts eines neugewählten Reichstags herbeigeführt werden müsse. Der Reichstag will also nicht gleichsam auf Vorrat Arbeiten liefern.

Einen kleinen Konflikt fast rief die Interpellation über die Stilllegung von Kohlengruben im Ruhrrevier durch das Kohlensyndikat hervor. Der Reichskanzler lehnte jede Antwort ab, weil für die Frage nur die preufsische Landesregierung zuständig sei. Als der Reichstag trotzdem die Besprechung beschlofs, verliefsen die Vertreter des Bundesrats den Saal. War diese secessio consulum berechtigt? Hatte der Reichstag seine Zuständigkeit überschritten? Eine objektive Nachprüfung gelangt zur Verneinung. Keineswegs blofs eine Frage des preufsischen Bergrechts war auf der Tagesordnung. Im Vordergrunde standen die sozialpolitischen Folgen. Handelte es sich doch vor allem um Beratung von Mafsregeln, durch die gegenüber der Praxis des Syndikats nationale Werte zu schützen seien: der Bodenreichtum, die Existenz Tausender von Bergarbeitern, bedrohte dörfliche und städtische Gemeinden. Die Bundesregierungen haben ganz vergessen, dass sie für diesen Gegenstand durch Einberufung der Kartellkommission und durch die Erhebungen für ein Reichs-Syndikatsgesetz die reichsrechtliche Kompetenz unzweideutig anerkannt haben. Weiter gehört der Bergbau doch im gewissen Sinne zum Gewerbebetrieb“, auf den in Gemäfsheit der R.-Verf. (Art. 4 No. 1) sich die volle Zuständigkeit des Reichs erstreckt. Endlich ist bei Gelegenheit der Einführung des BGB. eine Resolution auf Vorlegung eines Allgemeinen Deutschen Berggesetzes gefafst worden. Jeden Augenblick ist das Reich in der Lage, dieses Vorbehaltsgebiet, da es zum bürgerlichen Recht gehört, zu regeln. Der Reichstag hat daher auch aus diesem Grunde die Befugnis, in dem Schacht dieser Materie mitzuschürfen.

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Auch im preufsischen Abgeordnetenhaus war letzthin die Temperatur für die Regierung keine angenehme. Der vom Justizminister eingebrachte Gesetzentwurf über die Dienstaufsicht bei den gröfseren Amtsgerichten" hatte in der

Kommission einschneidende Veränderungen erfahren, aber sein Prinzip war gerettet. Indes das Haus dachte anders, als seine Kommission. In zweiter Lesung hat es den Entwurf vollständig abgelehnt und nur einen Antrag angenommen, wonach bei Amtsgerichten mit mehr als 30 Richtern die Dienstaufsicht einem „Amtsgerichts-Präsidenten" übertragen werden soll. Die Vorlage scheiterte an der grofsen Erregung in weiten Kreisen der Amtsrichter.

Wären doch die Anwälte, wenn ihrem Stande eine Art capitis diminutio droht, von gleichem Korpsgeist beseelt. Aber in der Kommission zur Beratung der Kaufmannsgerichte, die einen die einen umfangreichen Druckbericht soeben veröffentlicht hat, hatten gerade Anwälte einen Antrag eingebracht und ihm durch ihre Stimmen zum Siege verholfen, wonach über die Zulassung eines Anwalts vor dem Kaufmannsgerichte im einzelnen Falle von dem Vorsitzenden entschieden werden sollte. In der zweiten Lesung wurde von der Kommission, entgegen der Regierungsvorlage, der vollständige Ausschlufs der Anwälte angenommen. Der ganze Entwurf scheint indes auf ein totes Gleis wegen der Beschlüsse der Kommission über das Frauenwahlrecht gekommen zu sein.

In dem interessanten Prozefs gegen den König von Belgien, auf den Staub in der Rundschau" vom 1. April hingewiesen hat, ist jetzt das Urteil ergangen. Die Rechtsfrage, ob die von Monarchen geschlossenen Eheverträge als diplomatische Akte oder als rein privatrechtliche Verträge zu erachten sind, ist zugunsten des Königs entschieden. Das Gericht hat festgestellt, dafs der vom Kaiser von Oesterreich und dem belgischen Vertreter unterzeichnete Ehevertrag des Königs von 1853 ein diplomatischer Vertrag sei, und weist die Klage der Prinzessin Stephanie (Gräfin Lonyay) sowie der Gläubiger der ältesten geisteskranken Tochter des Königs, Luise von Koburg, ab. Ein Pyrrhussieg für den König. Ein neuer Beleg für die alte Wahrheit, die auch Ibsens Kronprätendenten" lehren: König ist nur, wer königlich denkt.

In Vertr.: Justizrat Dr. Stranz, Berlin.

Vermischtes.

To eat his way to the bar. Auf S. 298 d. Bl. führt Assessor Dr. Fritsch die eigentümliche Berechnung der Studienzeit des englischen stud. jur. doch wohl auf einen nicht zutreffenden Grund zurück. Er berichtet, dafs der künftige barrister 12 Terms (3 Jahre) einer der 4 Inns of Court angehören müsse und dafs ein term nur dann gezählt werde, wenn der Rechtsbeflissene sechs- oder, wenn er Universitätsbesucher ist, mindestens dreimal in diesem Zeitraum in der Halle seiner Inn an einer Mahlzeit teilgenommen hat. Wenn Fritsch aber annimmt, dafs dem der Gedanke zugrunde liege, dafs die während der Mahlzeiten mit den in der Halle anwesenden Rechtsanwälten gepflogene Unterhaltung belehrend auf die Studenten einwirken solle, so möchte ich dem widersprechen. Diese Berechnungsart des term, die überhaupt jedes vernünftigen Sinnes in der Jetztzeit entbehrt, ist, wie besonders vieles in England, lediglich aus der geschichtlichen Vergangenheit zu erklären. Wer wird denn auch glauben, dafs der englische Kollege bei Tische so stark „fachsimpeln" sollte,

um dadurch den angehenden Jünger seiner Kunst ausreichend in deren Geheimnisse einzuweihen? Zudem sitzt bei solchem „dinner“ der junge Student meist so weit entfernt von den „Grofsen" des Berufs, dafs er deren berufliche Weisheiten, falls sie solche bei Tische zum besten geben sollten, doch nicht verstehen würde! Die uns ja mit Recht sonderbar genug erscheinende Einrichtung erklärt sich vielmehr folgendermassen:

Unter Johann ohne Land wurde, während bis dahin die hohen Gerichte im Lande umhergereist waren, der Gerichtshof der Common Pleas geschaffen, der in der Westminsterhalle zu London tagte und alle grösseren Zivilsachen zu entscheiden hatte, die nach common law, d. h. weder nach römischem noch nach kanonischem, sondern nach Landrecht abzuurteilen waren. Während bisher die Parteien persönlich vor Gericht hatten erscheinen müssen, wurde ihnen jetzt als natürliche Folge der beginnenden Zentralisation gestattet, sich durch Bevollmächtigte vertreten zu lassen. Da die alten Universitäten common law überhaupt nicht lehrten, so machte sich unter den nun sefshaft gewordenen Richtern und Anwälten dieses Gerichtshofes ein Bedürfnis nach geeigneter Ausbildung des beruflichen Nachwuchses geltend. Sie errichteten daher für sich eine Art von Privatuniversität in der Nähe des Gerichtshofes mit Wohnräumen für die Studenten. Hieraus entstanden die vier berühmten Inns of Court, in denen die Studenten Wohnung, Beköstigung und Unterweisung erhielten und strengen Hausregeln unterworfen waren. Diese Rechtsschulen erteilten auch die zur Advokatur berechtigenden Grade. Aus diesem Zusammenleben in der Inn (Inn Gasthaus), das bereits lange aufgehört hat, hat sich als Zeichen der Zugehörigkeit zur Inn die seit alters vorgeschriebene Zeit hindurch die Sitte entwickelt, dafs dem Studenten ein term nur dann gerechnet wird, wenn er sechs- oder dreimal in diesem Zeitabschnitt an einem Mahle in der grofsen Halle der Inn teilgenommen hat. Nachdem im 17. Jahrhundert die Vorlesungen an diesen Rechtsschulen in Verfall geraten waren, war lange Zeit hindurch nichts anderes, um zur Advokatur gerufen zu werden, erforderlich, als die regelmässige Teilnahme an diesem Essen, und daraus bildete sich die scherzhafte Bezeichnung des Weges des Engländers zur Advokatur: to eat his way tho the bar (sich zur Anwaltschaft durchessen). Auch dieser Zopf, wie so mancher andere, wird schliesslich verschwinden, wenn auch, da es ein englischer Zopf ist obwohl das Essen meist nicht besonders gut nicht sobald!

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Oberlandesgerichtsrat Simonson, Breslau.

Personalien. Der frühere preufsische Justizminister Exz. Dr. von Schelling vollendete am 19. April sein 80. Lebensjahr. Schelling, der älteste lebende inaktive preufsische Staatsminister, trat nach einer an Erfolgen reichen Laufbahn im Jahre 1894 in den Ruhestand. Sein Nachfolger ist der jetzige Minister Dr. Schönstedt. Wir wünschen dem greisen Jubilar noch eine Reihe glücklicher Lebensjahre. Oberverwaltungsgerichtsrat Dr. Max Schultzenstein ist an Stelle des in den Ruhestand getretenen Senatspräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Exz. Dr. von Meyeren zum Senatspräsidenten des preufs. Oberverwaltungsgerichts ernannt worden. Wir bringen diese Ernennung mit besonderer Freude zur Kenntnis unserer Leser, denen Schultzenstein nicht nur durch seine wertvolle Berichterstattung über die Urteile des OVG. seit Bestehen unseres Blattes bekannt ist, sondern die auch durch eine Reihe hochinteressanter Abhandlungen reiche Anregung und Belehrung von ihm erfahren haben. Schultzenstein hat sich um die Förderung

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Neue Gesetze, Verordnungen u. dgl.

Deutsches Reich: Vf. v. 30. 3. 1904. bt. Einführg. d. Postanweisgdienstes m. Rufsland (Amtsbl. d. R.-Post-A. S. 99).

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Preufsen: M-Vf. v. 19. 2. 1904, bt. Eheschliefsg, russ. Staatsangehör. im Inlande (M-Bl. f. inn. Verw. S. 49). M.-Vf. v. 26. 2. 1904, bt. Ueberweisg. v. Pers. an die Landespolizeibehörde (S. 66). M.-Vf. v. 9. 2. 1904, bt. Schutz d. Telegr.- u. Fernsprechanlagen gegenüb. elektr. Kleinbahnen (S. 67). M.-Vf. v. 25. 1. 1904, bt. Genehmig, z. Führg. neuer Fahnen an Stelle alter abgenutzter (S. 75). - M.-Vf. v. 31. 3. u. 2. 4. 1904, bt. Grundb.-Anleg. f. Bzt. d. A.-G. Diez, Hachenburg, Herborn, Idstein, Katzenelnbogen, Königstein, Montabaur, Wallmerod, Weilburg, Biedenkopf u. Frankfurt a. M. (Ges.-S. S. 31 u. 32). Allg. Vf. v. 30. 3. 1904, bt. Bkm. d. Allg. Vorschrftn. üb. Gefang. Sammeltransporte auf Eisenbahnen (J.-M.-Bl. S. 80). Allg. Vf. v. 5. 4. 1904, enth. Ergzgn. d. Allg. Vf. v. 20. 11. 1899 z. Ausf. d. Grundb.-O. (S. 89). — Allg. Vf. v. 7. 4. 1904, bt. Anweisg. f. d. z. Aufnahme v. Nottestamenten bestellten besonderen Urkundspersonen v. 15. 3. 1904 (S. 90).

Sachsen: Ges. v. 25. 3. 1904, bt. Betei'ig. an aufsersächs. Lotterien (G.- u. Vo.-BI. S. 115). Ges. v. 26. 3. 1904 z. Abänd.

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d. Ges. v. 1. 7. 1878, bt. Besteuerg. d. Gewerbebetriebs i. Umherzieh. (S. 117).

Württemberg: M.-Vf. v. 5. 3. 1904, bt. grundbuchmässige Behandlg, sog. Massegrundstücke im Feldbereinigungsverfahren (Amtsbl. d. Just.-M. S. 11). M.-Vf. v. 12. 3. 1904, bt. Behandl. d. Gerichtskost in Angelgh. d. freiw. Gerichtsbkt. (S. 12). M.-Vf. v. 23. 3. 1904, bt. Gerichtskosten in Zivils. (S. 13). M.-Bk. v. 30. 3. 1904, bt. Bezug v. Wohngsgeld (S. 14). Hessen: M.-Bk. v. 25. 3. 1904, bt. Anweis. u. Verrechng, der in Zivils. erwachsdn. Kosten (Amtsbl. d. M. d. Just. No. 5). - M.-Bk. v. 26. 3. 1904, bt. Erhebg. u. Verrechng. d. Geldstrfn. u. Untersuchgs.kosten; hier Behandlg. der nach erfolglos. Beitreibungsverf. wieder zahlb. geword. gerichtl. Geldstrfn. (No. 6).

Sachsen-Weimar: Nachtr.-Ges. v. 30. 3. 1904 z. Gemeindeordn. v 17. 4. 1895 n. Nachträg. v. 8. 3. 1902 u. 26. 2. 1903 (Reg.Bl. S. 33).

Oldenburg: Ges. f. d. Hzt. Old. v. 29. 3. 1904 z. Abänd. d. Ges. v. 23. 3. 1891, bt. Heranziehg. der inländ. Aktiengesellschftn., Forensen usw. zu Gemeinde- u. Schullasten (Ges.-Bl. f. d Hzt. Old. S. 65). - Ges. f. d. Fstt. Birkenfeld v. 29. 3. 1904, bt. Abänd. d. Gemeindeordn. (Ges.-Bl. f. Birkenf. S. 221).

Braunschweig: M.-Bk. v. 7. 3. 1904, bt. Umfang d. Befugnisse u. Verpflichtgn. sowie den Geschäftsbetrieb d. Gesindevermiet. u. Stellenvermittl. m. Ausschlufs d. Stellenvermittl. f. Bühnenangehörige (Theater-Agenten) (Ges.- u. Vo.-S. S. 59). · - Ges. v. 28. 3. 1904 z. Ergz. d. Ges. v. 7.6 1890, bt. Besteuerg. d. Wanderlagerbetriebes (S. 71). - Ges. v. 28. 3. 1904, bt. Heranziehg. d. Warenhäuser usw. zu e. besond. Gewerbesteuer (Umsatzsteuer) (S. 75). - Ges. v. 28. 3. 1904, bt. Abänd. d. Gemeindeabgabenges. v. 11. 3. 1899 (S. 79). Erl. v. 8. 2. 1904, bt. Beaufsichtg. d. Apotheken (S. 109). Ges. v. 28. 3. 1904, bt. Aend. d. Ausf.-Ges. z. dtsch. Gerichts verfassgsges. v. 1. 4. 1879 (S. 117). Ges. v. 28. 3. 1904, bt. Aend. d. Ausf.-Ges. z. dtsch. Gerichts kostenges. i. d. Fassg. v. 13. 9. 1899 (S. 119). - Ges. v. 28. 3. 1904, bt. Aend. d. Ausf.Ges. z. BG B. v. 12. 6. 1899 (S. 121).

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Sachsen-Meiningen: M.-Bk. v. 18. 2. 1904, bt. Berggesetz (S. d. Vo. Bd. 24, S. 201).

Sachsen-Koburg-Gotha: Ges. v. 15. 2. 1904 z. Abänd. d. Ges. v. 9. 11. 1899, bt. Verwltgszwangsverfahren (G.-S. f. Gotha S. 13). - Ges. v. 9. 3. 1904 z. Abänd. d. Wahlordng. f. d. Landtage d. Izt. Kob. u. Gotha (Beil. I z. Staatsgrundges.) (Ges.-S. S. 17). M.-Bk. v. 9. 3. 1904, bt. Text der Landtagswahl-Ordn. (S. 24). Schwarzburg-Sondershausen: Ges. v. 31. 3. 1904, bt. Abänd. d. Baupolizei-0. v. 2. 5. 1881 (Ges.-S. S. 21). - Ges. v. 31. 3. 1904 z. Abänd. d. Ges. v. 6. 6. 1883, bt. Beamten - Witw.- u. Waisenkasse (S. 41).

Schaumburg-Lippe: Allg. Vf. v. 25. 3. 1904, bt. Berichtg. der Standesamtsregister (L-Vo. Bd. 20, S. 481).

Lübeck: Vo. v. 12. 3. 1904, bt. Ausübg. d. Heilkunde durch

II. Nachtr. v. 21. 3. 1904

nicht approb. Pers. (S. d. Ges. No. 29). zum Bergges. v. 28. 10. 1895 (No. 32). Bremen: Ges. v. 29. 3. 1904, bt. Wassersteuer (Ges.-Bl. S. 103). Hamburg: Vo. v. 21. 3. 1904, bt. Führg. u. Behandlg. d. Schiffstagebuchs (Amtsbl. S. 515).

Elsafs-Lothringen: M.-Bk. v. 31. 3. 1904, bt. Abänd. d. M.Bk. v. 19. 8. 1901 z. Ausf. d. Weinges. v. 24. 5. 1901 (Z.- u. Bez.Amtsbl. S 41). - M.-Vf. v. 28. 3. 1904, bt, Aband. u. Ergz. der Arzneitaxe f. Els. -Lothr. (S. 43). M.-Vo. v. 17. 3. 1904, bt. Prüfg. f. Trichinenschauer (S. 49).

Sprechsa a l.

So

Eine Rede über das „Zwischenexamen". weit aus den zweimaligen Verhandlungen des Deutschen Juristentages von 1900 und 1902 über die Reform des juristischen Studiums ein allgemeiner Schlufs gezogen werden darf, hat das Zwischenexamen als Präventivmittel gegen den Unfleifs von Studierenden in den ersten Semestern innerhalb der Reichsgrenzen nur wenige Freunde. Immerhin konnten sich die wenigen auf Bayern berufen. War zwar auch hier das Urteil über den Wert der Einrichtung keineswegs ein von Anfang an ungeteilt günstiges, so fehlte es doch nicht an Gutgläubigen, welche das Vertrauen auf eine erfolgreiche Wirkung des Zwangsmittels ernsthaft zu fassen vermochten. Auch ihre Zahl scheint sich zu lichten. Ich komme nicht gern auf das ganze Gebiet zurück. Denn das Schicksal, welches in Preufsen die unter so vielen Hoffnungen auf den Weg der Gesetzgebung geleitete Reform des juristischen Studiums erfahren mufste, läfst es fast als Zeitverschwendung erscheinen, sich gegenwärtig noch weiter mit der Angelegenheit zu beschäftigen. Immerhin kann es nicht schaden, das Erfahrungsmaterial für bessere Zeiten aufzuspeichern. Unter diesem Gesichtspunkte kann ich mir nicht versagen, eine am 11. März 1904 in der bayerischen Kammer der Reichsräte gehaltene Rede in ihrem hierhergehörigen Teile aus ihrem unfruchtbaren Stillleben in den stenographischen Berichten an das Licht einer weiteren Oeffentlichkeit zu bringen. Ueber das Gewicht der Stimme, welche hier zu dieser Frage das Wort genommen hat, brauche ich vor Prof. v. Bechmann erFachgenossen nichts zu sagen. klärte unter Beziehung auf Aeufserungen in der zweiten Kammer bei den Verhandlungen über den Justizetat wörtlich das folgende:

„Es ist die Frage des Zwischenexamens berührt worden, das seit 1899 in Bayern besteht; es ist darüber von einer Seite ein sehr lobendes Urteil ausgesprochen worden, es habe sich bewährt, während von einer anderen Seite Bedenken dagegen ausgesprochen worden sind. Da ich nun von mir, ohne Widerspruch befürchten zu müssen, sagen kann, dafs ich im ganzen Landtage die einzige Persönlichkeit bin, die genau die Wirkungen des Zwischenexamens, auch jene Wirkungen, die in den statistischen Tabellen nicht zum Vorschein kommen, kenne, manche Wirkungen, die auch den Kommissären unbekannt bleiben, so ist es meine Pflicht, hier gegen jene unbedingt anerkennende Beurteilung Einspruch zu erheben. Ich habe dabei keine persönlichen Interessen, für mich ist die gesetzliche Altersgrenze so nahe herangetreten, dafs mir persönlich an der weiteren Zukunft nicht mehr viel gelegen ist. Aber um der Sache willen mufs ich sagen, das Zwischenexamen, das ich seinerzeit auch als Fortschritt betrachtet habe, hat leider Nachwirkungen erzeugt, oder Vorwirkungen kann man es auch nennen, an die niemand gedacht hat; ich mache niemand einen Vorwurf, denn jeder Vorwurf würde auf mich selbst zurückfallen.

Das Zwischenexamen hat den grofsen Nachteil, dafs die jungen Herren, um sich auf dasselbe vorzubereiten, Wochen, ja Monate lang den Besuch der Vorlesungen einstellen, bez. auf ein Minimum reduzieren, und unter diesem Streik, wenn ich so sagen möchte, leidet keine Vorlesung mehr, als die über das bürger

liche Recht, das an Stelle der Pandekten getreten ist; denn gerade in das Semester, an dessen Schlufs das Examen zu machen ist, fällt diese Vorlesung. Ich selbst mache seit fünf Jahren die Wahrnehmung, dafs, während diese Vorlesung bis Neujahr sehr gut besucht ist, ich von Neujahr an als Zuhörer nur noch habe die Auswärtigen und die wenigen Bayern, die das Examen noch nicht machen. Es machen auch die Studierenden selbst gar kein Hehl daraus; sie betrachten ihre Lage als vis major. Das ist nun ein Nachteil, mit dem der Vorteil, der durch das Examen erzielt wird, in gar keinem Verhältnis steht. Ich will nur bemerken: in der zweiten Hälfte des Semesters trage ich vor den speziellen Teil des Obligationenrechts und das ganze Sachenrecht. Das alles geht verloren. Daneben hat sich ganz und gar verschoben das ist auch nicht vorauszusehen gewesen das richtige Verhältnis der Dogmatik und der Rechtsgeschichte. Jetzt wird jeder Student im Zwischenexamen 40 Minuten aus Rechtsgeschichte, je 20 Minuten aus der römischen und der deutschen Geschichte examiniert; dagegen ist das Schlufsexamen der Dogmatik mit Einschlufs des Zivilprozesses auf 22 Minuten beschränkt. Das ist das richtige Verhältnis gewifs nicht. Ich könnte noch manches andere ausführen. Ich möchte daher, um die Geduld nicht zu sehr in Anspruch zu nehmen, Se. Exz. bitten, die Frage, der er unbefangen gegenübersteht, nicht als abgeschlossen zu betrachten. Ich möchte bitten, recht bald eine Revision dieser Frage ins Leben zu rufen, und stehe gerne bereit, meine weiteren Erfahrungen in dieser oder jener Form zur Verfügung zu stellen."

Diese Erfahrung ist ungemein lehrreich. Denn sie mufs auch diejenigen ernüchtern, welche bisher der Meinung waren, dafs zwar das bayerische, nicht aber das Zwischenexamen überhaupt zu verwerfen sei. Nun läfst sich ja zweifellos noch eine ungleich bessere und wirkungsvollere Gestaltung des letzteren, als sie in der bayerischen Ordnung vorliegt, denken. Diese ist in Wahrheit überhaupt kein Zwischenexamen. Sie ist Schlufsprüfung in den rechtsgeschichtlichen Fächern. Darin liegt ihr sachlicher Fehler und ihr wissenschaftlich-pädagogischer Unwert. Aber Bechmanns Erfahrung und Kritik trifft jede Art von Zwischenprüfung, trifft das Zwischenexamen als solches. Es wird, mag es noch so vollendet gestaltet sein, immer die Wirkung erzeugen, dafs es verfrüht den Blick ablenkt von der Allgemeinheit der Aufgabe und auf Spezielles beschränkt, dafs es durch die Nötigung zu einer Probeleistung in bestimmten Disziplinen das Wertverhältnis des einzelnen zum Ganzen verschiebt, dafs es die Stetigkeit und Harmonie der Ausbildung unterbricht, indem es den Studierenden zwingt, um des lieben Examens willen alles andere, aufser den Prüfungsgegenständen, zu vernachlässigen, dafs es von Anfang an systematisch zum Brotstudium, d. h. zur Beschränkung auf diejenigen Kenntnisse, welche im Examen versilbert werden können, erzieht, dafs es die akademische Freizügigkeit vernichtet, dafs es... ich will die zwei widerwärtigsten Wirkungen unausgesprochen lassen. Der Gewinn der Bechmannschen Rede wird grofs und dankenswert genug sein, wenn sie mindestens verhindert, dass irgendwo anders im Reiche noch einmal auf das Zwangsmittel des Zwischenexamens zurückgegriffen werde.

Professor Kahl, Berlin.

Zu 64 der Konkursordnung. Der von mir S. 395, 1903 d. Bl. besprochene interessante Fall zu diesem Paragraphen hat auch das Reichsgericht beschäftigt, welches am 3. Februar 1904 die Revision gegen das den Konkursverwalter zur uneingeschränkten Feststellung der angemeldeten Forderung der Bank trotz des Besitzes an den Ladescheinen verurteilende Erkenntnis des Berufungs

gerichts zurückgewiesen hat. Das Reichsgericht hat angeführt, es liege ein Tatbestand vor, wie ihn § 68 Konkursordnung voraussetze, nicht aber der Tatbestand des § 64 daselbst, und die Bank könne in dem Konkursverfahren über das Vermögen des Kaufmanns volle anteilsmässige Befriedigung verlangen, ohne sich auf den bei der Masse der Schiffahrtsgesellschaft zu erwartenden Ausfall beschränken zu müssen,

Oberlandesgerichtsrat Schönfeld, Breslau.

Ein Schlufswort zum Fall,,Dr. Barth". S. 347 d. Bl. bezeichnet LGRat Peltasohn meine Ausführungen auf S. 300 d. Bl. über die staatsanwaltschaftliche Ablehnung der Strafverfolgung etc. als an sich völlig zutreffend, aber die tatsächlichen Voraussetzungen, von denen ich für den konkreten Fall ausgegangen bin, in zwei Punkten als berichtigungsbedürftig. Während ich nämlich 1. angenommen hatte, dafs die angerufene staatsanwaltschaftliche erste Instanz das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung verneint habe, habe in Wahrheit sie sowohl wie der Oberstaatsanwalt durchaus das öffentliche Interesse bejaht: und während ich 2. angenommen hatte, dafs der Justizminister sein Eingreifen wegen Gegebenseins des Klageprüfungsverfahrens (§§ 170 ff. StrPO.) für unstatthaft erklärt habe, habe die Erklärung des Justizministers diesen Sinn nicht gehabt. Demgegenüber möchte ich folgendes bemerken:

Zu 1 habe ich gefufst auf den Ausführungen des Abg. Dr. Friedberg, der nach dem Reichsanzeiger (No. 49, 2. Beilage) „nach dem weiteren Studium der Akten" erklärt hat:

„Dem Ersten Staatsanwalt in Köslin habe ich mit Recht vorgeworfen, dafs er ein öffentliches Interesse nicht anerkannt habe. Die Anerkennung des öffentlichen Interesses ist erst durch den Oberstaatsanwalt und den Minister erfolgt."

Eine Richtigstellung dieser Bemerkung durch den Justizminister ist in der Erwiderung des letzteren laut Reichsanzeiger nicht erfolgt.

Zu 2 steht fest, dafs der Justizminister erklärt hat: Versagte der Weg (der §§ 170 ff. StrPO) für ihn (den Abg. Dr. Barth) tatsächlich, dann stand ihm immer noch die Möglichkeit offen, sich an den Justizminister als höchste Aufsichtsbehörde zu wenden... Ich habe den Abg. Dr. Barth auf den Weg der Erhebung der rechtlichen Beschwerde verwiesen, weil ich ihn für den gesetzlich vorgeschriebenen und richtigen halte."

Also der Justizminister hat sich jeder Entscheidung in der Sache enthalten, weil das Klageprüfungsverfahren der richtige Weg sei. Wenn ich hierin eine Erklärung des Justizministers, dafs er nicht in der Lage sei, einzuschreiten, erblickt habe, so kann ich diese Auffassung auch heute nur aufrecht erhalten. Wie ich in No. 6 d. Bl. gezeigt habe, sind die Anrufung des Gerichts und die Anrufung der Justizverwaltung zwei voneinander unabhängige Rechtsbehelfe; der Antragsteller kann nach Belieben den einen oder den anderen Weg beschreiten. Wählt er den Weg der Justizverwaltungsbeschwerde an den Justizminister, so kann dieser nicht den anderen Weg für „den“ gesetzlich vorgeschriebenen erklären; es sind eben beide Wege gleichberechtigt. Erklärte der Justizminister den gerichtlichen Weg für „den“ gesetzlich vorgeschriebenen, so lag darin deutlich die Auffassung, als sei dieser Weg der allein zulässige. Das ergibt sich auch daraus, dafs eben der Justizminister sachlich nicht eingeschritten ist. Denn hielt sich der Justizminister für befugt, trotz des Platzgreifens der §§ 170 ff. StrPÖ. vorzugehen warum hat er es nicht getan? Was sich nach aufsen als Befugnis der Justizverwaltung darstellt, ist doch nach innen gleichzeitig Amtspflicht. Durch die Beschwerde war die Angelegenheit sachlich an den Justiz

رون

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