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Entlassung und Austritt.

Vom Rechtsanwalt Dr. Fieberg, Königsberg i Pr.

Während nach den §§ 408, 409 I 5 Preufs. Allg. Landrechts bei Verträgen, deren Hauptgegenstand Handlungen sind, also vornehmlich bei Dienstund Arbeitsverträgen, derjenige, welcher behauptet, dafs der andere die Erfüllung bisher kontraktmäfsig nicht geleistet habe oder nicht leisten könne, sofort (allerdings auf seine Gefahr) von dem Vertrage wieder abgehen darf und nur der Verpflichtung zum Schadensersatz unterworfen ist, wenn sich herausstellt, dafs sein Vorgeben unbegründet war, gestattet § 626 BGB. den Rücktritt vom Vertrage nur dann, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Die Entlassung und der Austritt, d. h. diejenigen einseitigen Willenserklärungen, durch welche der Dienstherr und der Angestellte den Entschlufs zum Ausdruck bringen, von dem Vertrage abzugehen", haben die Lösung des Dienstverhältnisses nicht mehr schlechthin zur Folge. Ohne wichtigen Grund erklärt, enthalten sie zwar auch heute noch den Ausdruck des Willens, das Dienstverhältnis so früh aufzuheben, als eine einseitige Erklärung dies vermag, wirken als Kündigung, sofern der Vertrag oder das Gesetz eine Kündigung zulassen, und führen so die spätere Aufhebung des Verhältnisses herbei, vermögen aber nicht mehr zu verhindern, dass der Vertrag bis zum Ablauf der gesetzlichen oder vertragsmässigen Kündigungsfrist weiter fortbesteht, und entbehren somit im Gebiete des ALR. ihrer früheren Bedeutung. Daraus folgt aber nicht, dafs heute die. unbegründete Entlassung und der unbegründete Austritt überhaupt nicht mehr fähig sind, für die Zwischenzeit auf das Schuldverhältnis einzuwirken. Vielmehr erleiden auch die für diese Zwischenzeit aus dem (an und für sich fortbestehenden) Schuldverhältnisse sich ergebenden Rechte und Verbindlichkeiten durch jene Erklärungen, selbst wenn sie ohne Grund abgegeben werden, eine erhebliche Abänderung.

A. Entlassung. Wer seinen Angestellten entläfst, erklärt damit, dafs er die Dienste desselben nicht mehr annehmen wolle. Die rechtliche Bedeutung dieser Erklärung ist je nach Lage der Sache verschieden.

I. Es gibt Fälle, in welchen der Dienstherr ein Interesse nur daran hat, dafs der Angestellte in seinem Dienste nicht weiter verbleibt, und seine Entfernung aus der Stellung betreibt, obwohl er überzeugt ist, dafs er ihm die Gegenleistung bis zum Ablaufe der Kündigungsfrist gewähren mufs, und hierzu auch entschlossen ist. Ein Kaufmann z. B. entläfst seinen Handlungsgehilfen, weil er nicht wünscht, dafs er in seine Geschäftsgeheimnisse eindringe oder aus den Büchern seine Vermögenslage erfahre; ein Fabrikbesitzer kündigt einem jugendlichen Arbeiter, weil er jugendliche Arbeiter nicht mehr beschäftigen will. Die Entlassungserklärung kennzeichnet sich hier als der an den Angestellten gerichtete Antrag, das Dienstverhältnis insoweit aufzuheben, als es dem Angestellten die Verpflichtung zur Leistung der Dienste auferlegt. Wird dieser

Antrag angenommen, ist der Angestellte damit einverstanden, dafs er fortan die ihm obliegende Arbeit nicht mehr verrichte, so führt die Entlassungserklärung zum Erlafs der Dienste (§ 397 BGB.). Dies Einverständnis wird aber in der Regel schon darin zu finden sein, dafs der Angestellte es unterläfst, gegen die Entlassung Einspruch zu erheben.

Eine Aenderung erfährt hier also nur die eine Seite des Dienstverhältnisses, nur die Verpflichtung des Angestellten zur Leistung und die Berechtigung des Dienstherrn zur Forderung der Dienste. Beide Teile sind darüber einig, dafs der Anspruch des Angestellten auf die Gegenleistung und die Verpflichtung des Dienstherrn zur Gewährung derselben unberührt bleiben.

II. In der Regel jedoch wird der Wille des die Entlassung aussprechenden Dienstherin darauf gerichtet sein, das Schuldverhältnis in seiner Gesamtheit zur Auflösung zu bringen, weil er vermeint, dafs ihm ein wichtiger Grund das Recht dazu gibt. In diesem Normalfalle der Entlassung kann von einem Erlafs der Dienste deshalb keine Rede sein, weil der Dienstherr das Vertragsverhältnis als mit der Entlassung beendigt betrachtet, die nach der Entlassung zu leistenden Dienste gar nicht mehr als geschuldet ansieht, mithin von der Verpflichtung zur Leistung geschuldeter Dienste überhaupt nicht entbinden will. Vermag die Entlassung hier also an dem Bestande des Schuldverhältnisses oder eines seiner Teile auch nicht zu rütteln, so versetzt sie dasselbe doch in mehrfacher Hinsicht in den pathologischen Zustand.

1. Die Weigerung, die Dienste fernerhin anzunehmen, begründet den Annahmeverzug des Dienstherrn im Sinne des § 293 BGB. Zwar kommt der Gläubiger nur dann in Verzug, wenn ihm die geschuldete Leistung tatsächlich angeboten wird, und zerfällt die dem Angestellten obliegende Leistung, weil das Dienstverhältnis dauernden Charakter hat, in ebenso viele Teile, als er Dienste zu leisten verpflichtet ist, kann also von einem Verzug des Dienstherrn in der Annahme der nach der Entlassung zu leistenden Dienste nur insofern gesprochen werden, als auch diese als tatsächlich angeboten anzusehen sind. Betätigt der Angestellte aber noch zur Zeit der Entlassung seine Bereitwilligkeit zur Bewirkung der ihm obliegenden Leistung durch vertragsmässige Tätigkeit oder durch Aufrechterhaltung eines den Forderungen des Vertrages entsprechenden Zustandes und hält er sich auch nach der Entlassung nur tatsächlich zur Verfügung des Dienstherrn, so bringt er dadurch in hinreichendem Masse den Willen, seine Arbeitskraft fortgesetzt dem Dienstherrn zu widmen, zum Ausdruck, setzt ihn auch, soweit und solange er es vermag, in die Tat um und wird allein durch das Eingreifen des Dienstherrn gehindert, in der Weise sich weiter zu betätigen, wie das Dienstverhältnis es erheischt. Er gibt schon durch die Fortsetzung seines vertragsmäfsigen Verhaltens bis zur Entlassung durch eine schlüssige Handlung dem Dienstherrn zu erkennen,

dafs er ihm auch für die Zukunft zur Verfügung stehe, und betätigt diesen Willen dadurch, dafs er sich wirklich zur Verfügung hält. Es bedarf deshalb in diesem Falle des von Staub1) geforderten wirklichen Angebots der Dienste m. E. nicht. Der Dienstherr setzt sich vielmehr schon mit der Entlassung selbst in Verzug.

Liegt zur Zeit der Entlassung bereits Verzug des Angestellten in der Leistung der Dienste vor, so veranlasst nichts zu der Annahme, dafs er die für die Zukunft geschuldeten Dienste dem Dienstherrn in hinreichender Weise tatsächlich angeboten habe, weil er nicht nur nicht alles getan hat, was auf seiner Seite erforderlich ist, um die ihm obliegende Leistung zu bewirken, sondern dies zu tun sogar schuldhafterweise unterlassen hat. In diesem Falle gerät der Dienstherr nicht ohne weiteres durch die Entlassung in Annahmeverzug, sondern erst dann, wenn der Schuldner ihm seine Dienste nach der Entlassung gemäfs § 295 BGB. noch einmal wörtlich angeboten hat. Dasselbe mufs aber erst recht dann gelten, wenn der Angestellte seinen Dienst überhaupt noch nicht angetreten hat. LGR. Römer2) neigt auf Grund der mit Rücksicht auf den § 326 BGB. über die Bedeutung der Erklärung eines Schuldners, nicht leisten zu wollen, ergangenen Entsch. des RG. v. 27. Mai 1902 (Bd. 51 S. 347) der Ansicht zu, dass auch in diesem Falle ein wörtliches Angebot nicht nötig sei. Diese Schlufsfolgerung ist m. E. nicht frei von Bedenken. Es erscheint nicht zulässig, Grundsätze, welche hinsichtlich der Auslegung des § 326 BGB. entwickelt sind, also den Schuldnerverzug betreffen, auszudehnen auf den Gläubigerverzug. Denn dieser ist eigenen Normen unterworfen. Und das Gesetz kennt eine dem § 326 BGB. entsprechende Bestimmung für den Gläubigerverzug nicht. Die Aeufserungen des RG. stellen ferner aber auch nur fest, dafs der Schuldner mit der vor Eintritt der Fälligkeit der Leistung abgegebenen bestimmten Erklärung, dafs er sie nicht bewirken werde, sich selbst in Verzug setze und es deshalb der Mahnung des Gläubigers nicht mehr bedürfe, um den Verzug zu begründen. Diesen Satz auf den Fall des Gläubigerverzugs anzuwenden, verbietet § 295 BGB., welcher erkennen läfst, dass die auch noch so bestimmte Erklärung des Gläubigers, dafs er die Leistung nicht annehmen werde, immer nur von dem tatsächlichen Angebot, nicht aber von dem wörtlichen Angebot befreie.

Sind hiernach die Voraussetzungen des Annahmeverzugs gegeben, so erzeugt derselbe folgende Rechtswirkungen:

a) Der Angestellte kann die vereinbarte Vergütung auch für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste verlangen (§ 615 BGB).

b) Der Dienstherr kann jederzeit fordern, dafs der Angestellte die vereinbarte Arbeit wieder aufnehme. Tut er dies, so entfallen die Voraussetzungen und die Wirkungen des Annahmeverzugs und kommt

1) HGB., Anm. 7 zu § 70, 6. und 7. Aufl. S. 276.

2) In dieser Zeitung, Jahrg. 1903, S. 340.

der Angestellte seinerseits in Leistungsverzug, wenn er der Aufforderung nicht Folge leistet.

2. In der Entlassungserklärung wird in der Regel der an den Angestellten gerichtete Befehl zu erblicken sein, die Fortsetzung der Dienste zu unterlassen, die etwa der Leistung der Dienste dienenden Einrichtungen fernerhin nicht mehr zu benutzen, die für die Dienstleistungen bestimmten Räume nicht mehr zu betreten und sich jeder im Interesse des Dienstherrn liegenden Tätigkeit zu enthalten. Soweit diese Weisung als in der Entlassungserklärung enthalten anzusehen ist, macht sie dem Angestellten die Fortsetzung der Dienste unmöglich. Er wird also von der Leistung der Dienste frei (§ 275 BGB.) und behält den Anspruch auf die Vergütung, weil der die Unmöglichkeit der Leistung bewirkende Umstand, nämlich die Entlassung, von dem Dienstherrn vertreten werden mufs (§ 324 BGB.; vgl. auch die Entsch. des OLG. Marienwerder v. 8. April 1902 in Seufferts Archiv, Bd. 57 S. 359-361). Allerdings kann diese Unmöglichkeit, wie sie durch eine Erklärung des Dienstherrn begründet ist, durch eine entgegengesetzte Erklärung, dafs er zur Annahme der Dienste bereit sei und den Wiedereintritt des Angestellten verlange, auch wieder aufgehoben werden. Geschieht dies, so lebt die Verpflichtung des Angestellten zur Leistung der Dienste wieder auf, da er nur insoweit von derselben befreit wird, als sie ihm unmöglich ist.

Umstände, welche die Entlassung begleiten, können bewirken, dafs dem Angestellten die Wiederaufnahme seiner Dienste überhaupt nicht mehr zugemutet werden kann. Ein Dienstherr, der einem älteren und bewährten Angestellten bei der Entlassung seine Unzufriedenheit mit seinen Leistungen in ehrverletzender Weise ausspricht oder der einem anderen Personen vorgesetzten Angestellten in Gegenwart der letzteren schwere Vorwürfe über sein dienstliches Verhalten macht, mögen dieselben auch begründet sein, darf nicht verlangen, dafs derselbe seine Dienste. wieder antritt, und hat ihm die Leistung der Dienste dauernd unmöglich gemacht. Liegen Umstände dieser Art vor, so braucht der Angestellte auch einer Aufforderung des Dienstherrn, die Dienste wieder aufzunehmen, keine Folge zu leisten und behält trotzdem den Anspruch auf die vertragsmässige Vergütung.

3. Der Dienstherr gibt durch die Entlassung endlich die Erklärung ab, dafs er das Dienstverhältnis fortan für erloschen, mithin auch sich selbst durch dasselbe nicht mehr gebunden erachtet, und dafs er die Erfüllung der ihm aus dem Vertrage obliegenden Verpflichtungen verweigern werde. Da nun aber die ausdrückliche Erfüllungsweigerung des Schuldners dieselben Wirkungen hat, wie wenn ihm gemäfs § 326 BGB. eine Nachfrist mit der Erklärung, dafs die Annahme der Leistung mit dem Ablauf der Frist abgelehnt werde, gesetzt worden wäre1), so gibt die Entlassung dem Angestellten das

1) RG. Bd. 51 S. 347; Jur. Wochenschr. 1902 Beil. S. 246; Rechtspr. der OLG. Bd. IV S. 14; Kammergericht und Breslau; Romeick in D. J.Z. 1901 S. 494; Niedner ebenda S. 443; OLG. Darmstadt ebenda 1902 S. 396.

Recht, ohne Setzung einer Nachfrist dem Dienstherrn zu erklären, dafs er seine nachträgliche Vertragserfüllung ablehne, und Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen oder vom Vertrage zurückzutreten. Geht diese Erklärung dem Dienstherrn zu, so hört der Angestellte auf, zur Bewirkung der ihm nach dem Vertrage obliegenden Leistungen verpflichtet zu sein1), braucht seine Dienste nicht mehr bereitzustellen, erlangt die freie Verfügung über seine Arbeitskraft wieder, kann eine andere Stelle annehmen, sobald er sie findet, und seine infolge der Entlassung erlittene Einbusse an Einkommen als Schaden ersetzt verlangen oder vom Vertrage zurücktreten. Dieses Vorgehen wird sich insbesondere dann empfehlen, wenn es zweifelhaft ist, ob der Grund der Entlassung wichtig ist oder nicht, denn es führt möglichst schnell zu einer neuen Ordnung der Dinge. Eine solche aber tut dringend not, weil die Entlassung in solchen Fällen eine unheilvolle Ungewifsheit zur Folge hat. Man dürfte den Forderungen des Verkehrs und der Gerechtigkeit nicht genügen, wenn man mit Staub 2) dem Angestellten den Rat gibt, den Prinzipal auf Gewährung der Vergütung zu verklagen, sich inzwischen aber jeder Kontraktwidrigkeit, z. B. der Konkurrenzgeschäfte, zu enthalten, ihn dabei aber der Gefahr aussetzt, dafs er „nach Beendigung eines langwierigen Prozesses möglicherweise erfährt, dafs der Richter über die Wichtigkeit des Entlassungsgrundes anders denke als er, und dafs er durch sein Warten sich arg geschädigt habe". Der Angestellte

hat vielmehr das lebhafteste Interesse, sofort zu wissen, ob er seine Arbeitskraft seinem bisherigen Dienstherrn noch länger zur Verfügung halten muss oder über dieselbe anderweitig verfügen kann.

B. Austritt. Der Angestellte, welcher seinen Austritt erklärt, gibt dadurch seinen Entschlufs kund, die ihm obliegenden Dienste in Zukunft nicht mehr zu leisten. Er setzt sich also in Leistungsverzug, ohne dafs es noch einer Mahnung des Dienstherrn bedarf. Daraus ergeben sich folgende Rechtswirkungen:

1. Der Angestellte hat die Verpflichtung, dem Dienstherrn denjenigen Schaden zu ersetzen, welchen dieser infolge der Säumnis erleidet, insbesondere ihm die Mehrkosten zu erstatten, welche er hat aufwenden müssen, um für die Arbeitskraft des Angestellten Ersatz zu schaffen.

2. Der Dienstherr hat das Recht, ohne Setzung einer Nachfrist vom Vertrage zurückzutreten. Denn durch die Erklärung des Angestellten, er werde die Dienste fortan nicht mehr leisten, hat derselbe seinen Verzicht auf die Mahnung und auf die Gewährung einer Nachfrist ausgesprochen (§ 326 BGB.; Entsch. des RG. Bd. 51 S. 347). Der Dienstherr wird aber meistens an der nachträglichen Erfüllung des Vertrages auch kein Interesse mehr haben, insbesondere dann, wenn die versäumten Dienste nachträglich nicht mehr geleistet werden können (§ 326 Abs. 2 BGB.). 3. Der Angestellte ist verpflichtet, jederzeit auf

1) RG. Bd. 50 S. 255 ff., J. W. 1902 Beil. S. 230.

2) A. a. O. Anm. 7 zu § 70 HGB.

Verlangen des Dienstherrn die unterbrochene Arbeit wieder aufzunehmen, bevor die vertragsmässige oder gesetzliche Kündigungsfrist abgelaufen ist.

4. Kommt der Angestellte diesem Verlangen nach oder bietet er aus eigenem Antriebe seine Dienste wieder an, so erreicht der durch den Austritt begründete Verzug sein Ende. Daraus folgt, dafs der Dienstherr die ihm nach den vorstehenden Sätzen 1 u. 2 zustehenden Rechte in Zukunft nicht mehr ausüben darf und dafs der Angestellte Anspruch auf die für die Folgezeit entfallende Vergütung hat, auch wenn die von ihm angebotene Dienstleistung nicht angenommen wird. In jedem Falle vermag hier aber nur ein tatsächliches Angebot der Dienste die durch den Austritt geschaffene Rechtslage zu verändern.

Juristische Rundschau.

Nichts Geringeres als die Kunde von der Revision des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs kommt aus Oesterreich. Josef Unger

wem ist der Name des Nestors unter Oesterreichs Juristen nicht vertraut? hat als Sechsundsiebzigjähriger dem reichen Lorbeerkranz, den er als Rechtslehrer, Schriftsteller und Staatsmann errungen, ein frisches Blatt hinzugefügt, um das die Jugend den Altmeister beneiden wird. In einem klassischen Aufsatz ist er mit überzeugenden Gründen für die Revision des Gesetzbuchs eingetreten. Ministerpräsident v. Körber hat eine Kommission von sechs Mitgliedern einberufen, die unter dem Vorsitz Ungers seine Anregung

zur Tat machen und den ersten Vorentwurf ausarbeiten soll.1) Nicht soll ein neues Gesetzbuch geschaffen, sondern das jetzige entsprechend den geänderten Forderungen der Zeit revidiert werden. Selbst diese Teilrevision ist ein kühnes Wagnis. Wird es z. B. gelingen, das österreichische konfessionelle Eherecht, dieses Petrefakt, gegenüber den mächtigen kirchlichen Strömungen einer Reform zu unterwerfen? Wird bei den widrigen parlamentarischen Zuständen Oesterreichs die Vollendung eines bedeutenden Gesetzgebungswerkes überhaupt möglich sein? Gewifs, die Schwierigkeiten sind grofs, aber nicht unüberwindlich. Dies hat das Zustandekommen der ZPO. gezeigt. Ihr Schöpfer, der Sektionschef Klein, ist auch in die jetzige Kommission berufen, diese Kraft dem neuen Werk gesichert.

Von den deutschen Gesetzentwürfen erregt gegenwärtig das Schicksal der Börsengesetznovelle das lebhafteste Interesse. Nach scharfen Kämpfen hat sie der Reichstag einer Kommission überwiesen. Ueber die Aussichten der Novelle schon jetzt ein Urteil abzugeben, wäre ebenso zuverlässig, wie das Wetter zu prophezeien. Die einen glauben und wünschen, die Tätigkeit der Kommission an der Vorlage werde der Arbeit der Penelope gleichen, sie werde das Regierungsgewebe wieder auftrennen; andere aber durchzieht ein Hoffnungsschimmer, dafs so viel Mühe nicht vergeblich sein könne. Durch diese Kämpfe ist der zweite Teil der Reform, die Novelle zum Reichsstempelgesetz, im Reichstage allzusehr in den Hintergrund gedrängt

1) Bei der Wichtigkeit, welche diese Revision auch für Deutschlands Rechtswissenschaft und Juristen hat, werden wir demnächst weitere Mitteilungen hierüber veröffentlichen. Die Redaktion.

worden. Sie erstrebt eine dreifache Stempelerleichterung: die Herabsetzung des Umsatzstempels für inländische Reichs- und Staatsanleihen auf die Hälfte, eine Aenderung der Erhebungsart des Emissionsstempels für ausländische Wertpapiere aller Art, endlich eine Ermäfsigung der Stempelsteuer für den Report- und Arbitrageverkehr. Die Budgetkommission mufs die fiskalischen Rücksichten, die im Entwurf noch vorwiegen, zurückdrängen vor den gröfseren Fragen des Staatskredits und der Stärkung des Umsatzes an den deutschen Börsen.

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Derselben Kommission ist der Entwurf, betr. Wetten bei öffentlich veranstalteten Pferderennen, der den Spieltrieb gesetzlich privilegiert, überwiesen worden. Der Hymnus des preuss. Landwirtschaftsministers auf den Totalisator überraschte auch durch eine neue juristische Entdeckung: Versicherungsvertrag und Wette seien begrifflich gleich, ersterer eine Art Wette. Wie sagt doch Goethe: Wäre das Neue nur wahr, wäre das Wahre nur neu." Ein Sturm im Glase Wasser" tobte jüngst zu Lörrach. Die Anwälte dort streikten und plädierten seit einigen Wochen wegen Streitigkeiten mit einem Richter vor dem dortigen Amtsgericht nicht mehr. Eine salomonische Entscheidung des Ministeriums beendete Streit und Streik. Die Beschwerde der Anwälte fand eine entgegenkommende Erledigung, sie brauchen vor dem Richter nicht mehr zu plädieren, der an das Landgericht Waldshut versetzt wurde unter Beförderung zum Landrichter. In Vertr.: Justizrat Dr. Stranz.

Vermischtes.

Bei Beratung der Börsengesetznovelle im Reichstage hat der Abg. von Kardorff eine Revision der aktienrechtlichen Bestimmungen des HGB. als dringend notwendig bezeichnet. Da diese Frage, die in letzter Zeit bereits mehrfach besprochen und in den Schriften von Riefser und Simon behandelt wurde, neuerdings die Allgemeinheit beschäftigt, verdient die soeben erschienene Schrift des Sektionschefs im österreichischen Justizministerium, Exz. Dr. Franz Klein, betitelt: „Die neueren Entwicklungen in Verfassung und Recht der Aktiengesellschaften", besondere Beachtung. Klein, der dem deutschen Juristenstande insbesondere auch als ausgezeichneter Kenner unserer deutschen ZPO. bekannt ist, hat die aktienrechtliche Literatur durch diese höchst fesselnde Schrift in dankenswerter Weise bereichert. Bei einer eventuellen späteren Revision unserer aktienrechtlichen Bestimmungen wird die neueste Arbeit Kleins, auch wegen des darin mitgeteilten Materials über deutsche Aktiengesellschaften, von besonderer Bedeutung sein.

Personalien. Der Chefpräsident des preufsischen Kammergerichts Exz. Dr. von Drenkmann ist am 8 Mai in Berlin gestorben. Ein arbeitsreiches, der Rechtspflege gewidmetes Leben ist damit vollendet. Im Jahre 1826 in Oppeln geboren, begann Drenkmann seine juristische Laufbahn als Staatsanwalt im Jahre 1857 und hat sodann in schnellem Fluge hohe richterliche Stellungen als Appellationsgerichtsrat in Halberstadt (1865), Kammergerichtsrat (1869), Obertribunalsrat (1872), Vizepräsident beim Appellationsgericht in Posen (1874) errungen, bis er 1876 erster Präsident des Appellationsgerichts in Marienwerder wurde. Im Jahre 1879 wurde er Senatspräsident beim Reichsgericht, woselbst er den Vorsitz des 2. Strafsenats innehatte, bis er 1889 zum Präsidenten des Kammergerichts ernannt wurde. 15 Jahre lang stand Drenkmann

an der Spitze dieses höchsten Gerichtshofes Preussens und hat sich während dieser Zeit grofse Verdienste erworben. Ist auch Drenkmann wissenschaftlich-literarisch nicht hervorgetreten, so hat er sich doch in der langen Reihe von Jahren als Praktiker und Richter den Ruf eines scharfsinnigen und ausgezeichneten Juristen erworben, wie er auch bis zu den letzten Tagen seines Lebens sich durch grofse Schaffensfreudigkeit und Geistesfrische auszeichnete. Wiederholt verlautete in den letzten Jahren, dass der nun Verstorbene um seine Pensionierung eingekommen wäre, nachdem mehrfach Erkrankungen ihn heimgesucht hatten. Niemals aber bestätigten sich diese Nachrichten. Drenkmann wollte auf seinem mühevollen und verantwortungsreichen Posten bis zu den letzten Tagen seines Lebens ausharren. Dieser Wunsch ist ihm zu teil geworden. Nun ist er in den Sielen gestorben. Die preufsische Justizverwaltung hat allen Anlafs, den Tod eines um die Rechtspflege hochverdienten Präsidenten zu beklagen, dem auch die äufsere Anerkennung nicht versagt blieb. Im Jahre 1890 wurde er durch Allerhöchstes Vertrauen zum lebenslänglichen Mitgliede des preussischen Herrenhauses und zum Kronsyndikus, anlässlich seines 50jährigen Dienstjubiläums im Jahre 1896 zum Wirkl. Geh. Rat mit dem Prädikate Exzellenz ernannt und am 18. Januar 1901 in den erblichen Adelsstand erhoben. Geh. Justizrat, Professor D. Dr. Kahl, Berlin, feierte sein 25 jähriges Professoren-Jubiläum. Senatspräsident, Geh. Oberjustizrat Pütter, Breslau, ist an das Kammergericht versetzt worden. Geh. Justizrat, Erster Staatsanwalt Francke, vortrag. Rat im anhaltischen Staatsministerium, Dessau, der am 6. Mai sein 50jähriges Dienstjubiläum beging, tritt am 1. Juli in den Ruhestand. Aord. Professor Dr. Jung, Greifswald, wurde zum ord. Professor daselbst ernannt.

Neue Gesetze, Verordnungen u. dgl.

Deutsches Reich: Bk., bt. Verlegung des Zeitpunktes, an welchem d. Handelsvertr. m. Guatemala aufser Kraft tritt (Z.-BI. S. 109).

Preufsen: Vo. v. 18. 3. 1904 wegen Abänd. d. Vo. v. 15. 11. 1899, bt. Verwltgszwangsverfahr. weg. Beitreibg. v. Geldbeträg. (Ges. S. S. 36). M.-Vf. v. 22. 4. 1904, bt. Grundb.-Anleg. f. e. Teil d. A.-G.-Bez. Battenberg (S. 37). Sachsen: M.-Vo. v. 6. 4. 1904, bt. einige Vorschrftn. d. Mil.Str. Ger.-O. (J.-M.-BI. S. 28). M.-Vo. v. 21. 4. 1904, bt. Reisekosten (S. 29). Ges. v. 8. 4. 1904, bt. Aufrücken der Richter in höh. Gehaltsklassen (G- u. Vo.-Bl. S. 127). Württemberg: M.-Vf. v. 28. 3. 1904, bt. dtsche. Rechtschreibg. im amtl. Verkehr (Reg.-BI. S. 49). M.-Vf. v. 10. 4. 1904, bt. Ausf. d. Weinges. v. 24. 5. 1901 (S. 64).

Hessen: M.-Bk. v. 9. 4. 1904, bt. Dienstaufsicht üb. d. Kollegialgerichte (A.-Bl. d. M. d. Just. No. 8).

Mecklenburg-Strelitz: Vo. v. 31. 3. 1904, bt. Abänd d. §§ 117 u. 119 d. Vo. v. 28. 5. 1879 z. Ausf. d. Str.-P.-O. (Off. Anz. f. Ratzeb. S. 33). Braunschweig: M.-Anw. v. 28. 3. 1904 z. Regelung. d. Geschäftsganges der Kammer d. Aerzte u. Apoth. b. Ausübg. ihrer Disziplinarbefugn. u. d. Geschäftsg. d. ärztl. Disziplinarhofs (Ĝes.- u. Vo.-S. S. 123).

Anhalt: Ges. v. 22. 3. 1904, bt. Ausf. d. R.-Ges. üb. Bekämpfg. gemeingefährl. Krankh. (Ges.-S. S. 37). Ges. v. 25. 3. 1904, bt. Abänd. d. Ges. v. 15. 3. 1889 üb. Hebammenwes. (S. 47). Schwarzburg-Sondershausen: Allg. Vf. v. 14. 3. 1904, bt. Behandl. v. Gefang. u. vorzuführdn. Pers. auf d. Transport (Ges.-S. S. 57). - Ges. v. 30. 3. 1904, bt. Abänd. d. Bezirksordn. v. 10. 7. 1857 (S. 59) - Ges. v. 30. 3. 1904, bt. A bänd. d. Art. 35 GemeindeO. v. 15. 1. 1876 (S. 62). Ges. v. 31. 3. 1904, bt. Abänd. d. Hö. Vo. üb. Beamtenbesoldg. v. 2. 5. 1900 (S. 63). Reufs ä. L.: Hö. Vo. v. 13. 4. 1904 z. Abänd. d. Ldh. Vo. v. 30. 8. 1876, bt. Feier der Sonn- u. Festtage (Ges.-S. S. 29).

Hamburg: Vo. v. 11. 4. 1904, bt. Ausübg. d. Heilkunde durch nichtapprob. Pers. (Amtsbl. S. 567). Vo. v. 11. 4. 1904, bt. Regelg. u. Beaufsicht. des Verkehrs m. Arzneimitt. aufserh. d. Apotheken (S. 568).

Elsafs-Lothringen: M.-Anw. v. 7. 4. 1904, z. Ausf. der §§ 100 bis 100 des Ges. bt. Abänd. d. Gew.-O. v. 26. 7. 1897 (Z.- u. Bez.Amtsbl. S. 51).

Sprechsaal.

Die Erledigung der Prozesse durch den Einzelrichter jetzt und vor 1879, nebst noch einigen Worten für „Entlastung des Reichsgerichts". LGR. Dr. Gumbinner legt auf S. 394 d. Bl. in dankens

werter Weise die Hauptgründe dar, aus denen der Einzelrichter vor 1871 weit mehr Prozesse bewältigen konnte, als jetzt. Berichtigen möchte ich nur eins. Gesetzlich wurde nicht, wie Gumbinner sagt, wegen mangelnden Fragerechts die nicht „substantiierte“ Klage in angebrachter Art (durch Urteil nach Verhandlung mit dem Gegner) abgewiesen", was ein arger Mifsgriff des ältern Prozefsrechts gewesen wäre. Vielmehr hatte, ein Vorzug vor dem heutigen Recht, der Richter die Klage, bevor er sie zuliefs, auf ihre Vollständigkeit und Schlüssigkeit zu prüfen und, wenn die Partei dazu befähigt, besonders, wenn sie durch einen Rechtskundigen vertreten war, schriftliche Ergänzung oder Berichtigung zu fordern, sonst aber einen Termin zur Aufnahme substantiierter Klage" vor sich oder einem andern geeigneten Beamten anzusetzen (eine höchst lehrreiche Aufgabe für uns Referendarien), und wenn die Klage nicht substantiiert werden konnte, sie per decretum (a limine) zurückzuweisen (AllgGerO. T. I Tit. 6 §§ 1-9 Einl. 12 Anh. § 1). Die „Abweisung in angebrachter Art" durch Urteil ist der AGO. wie ihren Novellen fremd; dieser oft gerügte mifsbräuchliche Notbehelf hatte sich bei solchen Gerichten eingeschlichen, die ihrer Pflicht, die Klagen vor der Zulassung zu prüfen, nicht gehörig nachkamen. Nach heutigem Recht dagegen, wo der Gerichtsvorsitzende, dem eine unsubstantiierte Klage zur Terminsbestimmung vorgelegt wird, sie nicht zu beanstanden braucht, vielleicht nicht einmal beanstanden darf, kommen notwendigerweise die Abweisungen in angebrachter Art, die den ganzen Prozefs vergeblich machen, toto die vor; nur dafs sich heutzutage das „in angebrachter Art" in die Gründe zu verstecken pflegt.

Durch die heute schier unglaubliche Arbeit, die dem Richter vor 1879 durch die Dekretur, vornehmlich, und in hohem Masse gerade in den Industriebezirken, von denen ich in der Juristischen Gesellschaft zu Berlin" sprach, durch die Leitung der Exekution erwuchs (ich erinnere an die Lohnbeschlagnahme und die Schuldhaft; beides glücklich beseitigt), gleichen sich m. E. die von Gumbinner dargestellten Erleichterungen des früheren Richters reichlich aus, und eine erhebliche Mehrleistung bleibt danach, auch wenn man bei der Zahlenvergleichung die heutigen Zahlungsbefehle mitrechnet. Diese Mehrleistung kommt und das wollte ich zeigen auf Rechnung des ältern, nicht blofs für den Richter erheblich bequemern", sondern in seinen meisten (gewifs nicht in allen!) Grundzügen durch die Erfolge bewährten Prozefsrechts. Es sind doch gewiss schon Vorzüge, dass früher „die Möglichkeit zu Vergleichen näher lag", und dafs der Richter sich nicht wieder und wieder vergeblich vorzubereiten brauchte". Aber die Mängel des heutigen Prozefsrechts, infolge deren diese Vorzüge verloren sind, sind nicht die einzigen. Ueber die vielen von ihm gebotenen Wege zur Verschleppung, über seinen nicht mehr geschmackvollen Formalismus 1) und, um eine andre Seite der Sache zu berühren, darüber, wie wenig Förderungsmittel für die Schulung der angehenden Richter es bietet, kann nachgerade wohl niemand mehr zweifeln. Die schärfste Verurteilung der ZPO. aber liegt in Gumbinners unanfechtbarem Zeugnis, dafs ihr

1) Als glänzende Proben möchte ich nur das Debut der ver. Zivilsenate des Reichsgerichts, Entsch. Bd. 1 S. 431 (Welcher Rechtsanwalt hat die Beschwerdeschrift zu unterzeichnen?), die Entsch. derselben Bd. 21 S. 382 (Erfordernisse der Schadensersatzklage) und in dem eben erschienenen Bd. 55 die Senats-Entsch. S. 20, 305 (formungültige Berufungen) anführen, in deren letzter (S. 308 Z. 5) das Reichsgericht selbst vor dem Formalismus zu erschrecken scheint. Je mehr diese Entscheidungen dem Wort und Geiste der ZPO. entsprechen, desto mehr beweisen sie, wie oft die ZPO. vor dem Kunstwerkchen des Prozesses als solchen dessen letztes Ziel, prompte und gottgefällige Justiz zu administrieren", aus den Augen verliert.

Fundamentalsatz, die alleinherrschende Mündlichkeit, „vielfach bei den grofsen Gerichten erster Instanz" - und ich setze aus eignem Wissen zu: erst recht bei den kleineren Amtsgerichten „nur auf dem Papier steht“. Es geht also nicht blofs, und es mufs nicht blofs gehen ohne diese Mündlichkeit, sondern, was sittlich und politisch gleich verwerflich: obwohl nicht im Sinne der ZPO. mündlich verhandelt ist, mufs das Urteil, um nicht unrettbar der Aufhebung zu verfallen, so klingen, als ob mündlich so, wie es die ZPO. vorschreibt, verhandelt wäre: eine dem Richter aufgezwungene bewufste Unwahrheit. 1) Jetzt, da das Reichsgericht bei peinlicher Befolgung der ZPO. sich in der Arbeit festgefahren hat, ist Zeit und Gelegenheit, mit Zurücklenkung in die guten alten Geleise wenigstens beim höchsten Gericht die Probe zu machen;2) sie wird ganz gewifs zu dem Entschlusse ausschlagen, diese Zurücklenkung allgemein zu machen. Wird die jetzige Gelegenheit versäumt, wird mit dem geplanten, gerade in einer Zeit des Kampfes zwischen Besitzlosen und Besitzenden sozial so hochgefährlichen Notbehelf der erhöhten Revisionssumme der Wagen wieder vielleicht schneller und bequemer, aber nur rein äufserlich Gehen gebracht, so ist die notwendige Reform des Zivilprozesses ad kalendas graecas verschoben. Möge meine Furcht, dafs dann das lebende Geschlecht sie nicht mehr sehen werde, sich nicht bestätigen. Rintelen, Präsident des Ober-Landeskulturgerichts, Berlin.

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Ist der Grundbuchrichter verpflichtet, die Auflassung entgegenzunehmen, wenn ein Nichtbevollmächtigter die Auflassungserklärung abgeben oder entgegennehmen will? Das Kammergericht hat in einem Beschlusse v. 4. März 1901 (Jahrb. 22 S. 146) angenommen, dafs § 177 BGB. auch auf den Fall der Auflassung durch einen nicht mit Vertretungsvollmacht versehenen Vertreter Anwendung finde, dieselbe also durch nachträgliche Genehmigung des Vertretenen rechtswirksam werde. Die Entsch. ist von OLG.-Präs. Dr. Eccius (S. 61,95 1902 in diesem Blatte, bei Gruchot 47 S. 61) angefochten, im wesentlichen aus dem Grunde, weil die zur Uebertragung dinglicher Rechte erforderliche Einigung des Vertragscharakters entbehre und § 177 nur von obligationsrechtlicher Wirksamkeit verstanden werden könne. Diese Ansicht ist allseitig auf Widerspruch gestofsen. genügen, zur Widerlegung auf die Ausführungen bei Planck in der III. Aufl. seines Kommentars Bd. I S. 307 ff. und bei Förster im „Recht“ 1902 S. 141 hinzuweisen. Auch das Reichsgericht hat in dem gleich zu beurteilenden Falle, WO ein Nichtberechtigter eine dingliche Verfügung in

Es mag

1) Es hat mich stets als mehr denn naive Selbstironie ange. mutet, dafs einer der geistreichsten und begeistertsten Lehrmeister unsres Prozefsrechts schon bald nach dem Erscheinen der ZPO. riet, die Richter möchten den mündlichen Parteivortrag stenographieren und in einer folgenden Beratung aus den Stenogrammen den „Tatbestand feststellen. Also doch schriftliche Grundlage des Urteils, nur dafs die Richter den Anwälten die Schreibarbeit abnehmen sollten, und ohne dafs den Parteien, wenn man nicht erst noch die vereinigten Stenogramme zum Gegenstand neuer Verhandlung machen wollte, ein andrer Weg zur Richtigstellung bliebe, als das Remedium flebile der Tatbestandsberichtigung". Der Rat jenes Rechtslehrers ist freilich auf dem Papier geblieben, eben weil, gegen seine Erwartung, der mündliche Sachvortrag auf dem Papier geblieben ist.

2) Das Bedenken des Präsidenten Dr. Vierhaus (S. 389 d. Ztg.), „dafs man die oberste Instanz nicht nach anderen Grundsätzen“ gestalten könne, als die nachgeordneten Instanzen, teile ich deshalb nicht, weil die Aufgabe jener in Rücksicht auf das Tatsächliche des Rechtsstreits ganz verschieden ist von der Aufgabe dieser. Eine Aenderung des Verfahrens blofs für die Revisionsinstanz läfst sich bei allseitig gutem Willen in der Zeit eines Jahres durch die Gesetzgebungsmaschine bringen; so lange kann nach Bolze der jetzige Zustand beim Reichsgericht noch ertragen werden.

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