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trifft dem dritten gegenüber die im § 839 Abs. 1 u. Abs. 3 BGB.1) bestimmte Verantwortlichkeit an Stelle des Beamten den Staat oder den Verband, in dessen Diensten der Beamte steht.

Der Beamte hat dem Staate oder dem Verbande, in dessen Diensten er steht, den Schaden zu ersetzen, der dem Staate oder dem Verbande aus der Verletzung der Amtspflicht entsteht. Fällt dem Beamten indes nur ein leichtes Versehen zur Last, so kann2) der Ersatzanspruch des Staates oder des Verbandes ermäfsigt oder angeordnet werden, dass der Ersatzanspruch nicht geltend gemacht werden soll.

Ausländern gegenüber findet die Vorschrift des Abs. 1 nur Anwendung, wenn die Gegenseitigkeit verbürgt ist."

Durch vorstehende Bestimmung würden einmal manche Härten der Beamtenhaftung beseitigt, auch die Berufsfreudigkeit des Beamten gesteigert werden, sodann der Staat gegen nachlässige Amtsführung seiner Beamten und erhebliche finanzielle Belastung gesichert sein (vgl. Abs. 3), endlich der Geschädigte einen sicheren Ersatzanspruch erhalten, während er jetzt bei vermögenslosen Beamten völlig rechtlos dasteht.

Juristische Rundschau.

Im Rechtsleben der Völker spiegelt sich am stärksten die Gemeinsamkeit ihrer Kulturaufgaben. Sie gebietet einen Blick auch über die deutschen Grenzen hinaus.

Still, wie die Saat keimt, hat sich in Paris ein Ereignis vollzogen, dem für die Sozialpolitik reiche Früchte entspriefsen können: ein Arbeiterschutzvertrag zwischen Frankreich und Italien. Er bezweckt, die Arbeiter beider Nationalitäten

die

Italiener in Frankreich, die Franzosen in Italien gleichzustellen in bezug auf die Spar-, Pensionsund Hilfskassen, in bezug auf die Wohltaten der Sozialversicherung und der Schutzmafsnahmen. Er verpflichtet ferner Italien, um mit Frankreich Schritt zu halten, zu einem Ausbau seiner Schutzgesetzgebung und zur Einschränkung von Kinder- und Frauenarbeit. Zum ersten Male ein völkerrechtlicher Pakt über sozialpolitische Verhältnisse! Dem Gedanken dieser durchaus gesunden „Internationale" wohnt starke Werbekraft inne.

Einen Beweis für die Zusammengehörigkeit der Völker in ihren friedlichen Kulturbestrebungen liefert auch die internationale Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz. Die Arbeiten ihres 7. in der Pfingstwoche in Berlin zusammengetretenen Kongresses sind im Interesse der gegenseitigen Verständigung für den Schutz geistigen, gewerblichen Eigentums freudig zu begrüfsen.

Als eine der vornehmsten Rechtspflichten erscheint den Kulturstaaten jetzt die Entschädigung für unschuldig Bestrafte und für unschuldig Verfolgte. Von dem Aberglauben früherer Jurisprudenz, nur im Falle eines Verschuldens, nicht auch eines Justizirrtums sei Schaden zu ersetzen, ist die

1) Den aus der Pflichtverletzung der Richter erwachsenen Schaden (§ 839 Abs. 2) braucht der Staat naturgemäfs nicht zu tragen. 2) Hierüber wird am zweckmäfsigsten der Ressortminister zu befinden haben. Eine gleichlautende Vorschrift hat das bremische Ausf.-Gesetz z. Grundbuchordnung v. 18. Juli 1899. Vgl. Delius S. 107.

moderne Rechtswissenschaft zurückgekommen. Lehrreich ist die Beobachtung der internationalen An- / regungen auch auf diesem Gebiete. Oesterreich hat zuerst den Gedanken einer Entschädigung unschuldig Bestrafter durch ein Gesetz von 1892 in die Tat umgesetzt. In Deutschland ist das entsprechende Gesetz erst sechs Jahre später (am 20. Mai 1898) zustande gekommen. Vor kurzem aber haben wir einen bedeutungsvollen Schritt weiter getan. Der Reichstag hat den Entwurf betr. die Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft verabschiedet.

Kein gröfserer Staat, dies sei anerkannt, ist bisher im Genusse einer Gesetzgebung, wie das Deutsche Reich sie hier begonnen hat. Aber die Regierung hat Wermuttropfen in den Becher getan. Auf einen Mangel sei, gerade im Hinblick auf Vorgänge in Oesterreich, hingewiesen. Gegenstand des zu leistenden Ersatzes ist nur der Vermögensschaden. Sind denn die wirtschaftliehen Güter die einzigen Lebensgüter? Verletzungen von Gesundheit, Freiheit, Ehre, kurz die immateriellen Schäden, gelten sie nichts? Zu gleicher Zeit, in der Deutschland die Beschränkung auf den pekuniären Schaden in dem neuen Gesetz besiegelt, geht Oesterreich daran, sie zu beseitigen. Das Gesetz von 1892 soll dahin abgeändert werden, dafs jeder Schade zu vergüten sei.

Mit einer In- und Ausland verblüffenden staatsrechtlichen Lehre hat der neue Heidelberger Professor v. Jagemann, vordem badischer Gesandter in Berlin, zu Pfingsten das deutsche Volk beschert. Das Reich sei nur der Bundesvertrag der deutschen Regierungen und, wie jeder Vertrag dies sei eine Forderung juristischer Konsequenz" mutuo dissensu auflösbar. Hiernach stehe den Bundesfürsten und freien Städten allein das Recht zu, durch ihren einstimmigen, einseitigen Beschlufs- ohne Zustimmung des Reichstags! den Bund und seine Verfassung aufzuheben und einen neuen mit neuen Einrichtungen zu schaffen. Mit Fug findet dieser Einfall, der den Namen einer Theorie nicht verdient, schärfsten Widerspruch; auch die beiden Spezialkollegen des Prof. v. Jagemann, die Professoren Jellinek und Anschütz, haben Gegenerklärungen erlassen. Das Reich beruht auf einem Vertrag, aber darum ist es kein Vertrag. Der Werdeakt ist nicht das Geschöpf. Das Reich ist ein durch Vertrag ins Leben gerufenes Staatsgebilde; seine Verfassung keine Vertragsurkunde, sondern ein besonders sakro-q ft. sanktes Reichsgesetz. Der Vertrag ging" einem zutreffenden Worte Miquels - „dahin, einen neuen Staat zu gründen und sich der Verfassung dieses Staats zu unterwerfen." Abänderungen sind. daher nur möglich im verfassungsmäfsigen Zu-. sammenwirken von Bundesrat und Reichstag (Art. 5, 78 RV.). Auch die Ehe, um ein privatrechtliches Analogon heranzuziehen, entsteht durch Vertrag. Ist sie deswegen durch Vertrag auflösbar? Die Ehe zwischen den deutschen Völkern und Fürsten folgt festen Gesetzen, nicht der Eigenmacht; beide Teile haben sich mit der Verkündung der Verfassung auch unter sie gestellt. Die streng juristische Logik schon führt somit zur Ablehnung einer Theorie", die ihrem ersten literarischen Verkünder, wenn auch nicht Erfinder, herostratischen Ruhm zu bringen droht. In Vertr.: Justizrat Dr. Stranz, Berlin.

nach

Vermischtes.

Brief aus Oesterreich. Wie bereits die Leser dieses Blattes durch die Mitteilung in der letzten Juristischen Rundschau" erfahren haben, schickt sich Oesterreich an, ein wichtiges und schwieriges Werk in Angriff zu nehmen. Die Anregung hierzu gab Josef Unger mit der vor kurzem im 31. Bande der Grünhutschen Zeitschrift veröffentlichten Studie „Zur Revision des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches". Er führte aus, das Gesetzbuch habe sich in fast hundertjähriger Geltung glänzend bewährt, es zeichne sich durch grofse Kürze und durch eine schlichte, volkstümliche Sprache aus. Ungeachtet aller formellen und materiellen Vorzüge sei es aber dennoch in hohem Grade reformbedürftig. Während des Bestandes des Gesetzbuches haben sich das ganze Leben und die Anschauungen geändert. Heute stelle man dem Privatrecht auch eine soziale Aufgabe. Das Gesetzbuch enthalte fühlbare Lücken. (Nachbarrecht, Auslobung, Verträge zu Gunsten dritter, Schuldanerkenntnis und Schuldübernahme, vor allem aber internationales Privatrecht.) Allerdings könne der Richter vermöge der ihm in § 7 eingeräumten Macht, zwar nicht contra aber praeter legem zu entscheiden, manche Lücke ausfüllen; aber das müsse eine Grenze haben. Eine vollständige Revision des Gesetzbuches sei in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Einer gänzlichen Umarbeitung stehen mannigfache Hindernisse entgegen. So würde um das Eherecht der alte Kulturkampf entbrennen, der uuselige politische und nationale Hader lasse zu einer ruhigen legislatorischen Tätigkeit keinen Raum. Immerhin könnte und sollte man den Weg einer Reform im einzelnen anstreben. Es handle sich um mosaikartige Einzelkorrekturen, um Aenderungen gesetzlicher Bestimmungen rein positiver Natur, die durch Rechtswissenschaft und Rechtsfindung nicht herbeigeführt werden können, wie hinsichtlich der Volljährigkeit, der Ehemündigkeit, der Zahl der erbberechtigten Parentelen, des Ausmaíses der Erbportion der Ehegatten, der Länge der Verjährungsfristen usw. Unger behielt sich vor, diese Gedanken in der Folge noch im einzelnen auszuführen und seine Arbeitskraft, solange sie noch reicht, in den Dienst der Revision des Gesetzbuches zu stellen und gewissermafsen ein juristisches Vermächtnis zu errichten".

Die Anregung Ungers fand so allgemeine Zustimmung, dafs sich die Regierung entschlofs, sie sofort aufzugreifen. Auf Grund einer kaiserlichen Entschliefsung wurde eine Kommission gebildet und der Reichsgerichtspräsident Josef Unger ersucht, den Vorsitz zu übernehmen. Als Mitglieder wurden berufen der zweite Präsident des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbach, der ehemalige Universitätsprofessor in Krakau und Minister a. D. Dr. R. v. Madeyski, Sektionschef im Justizministerium Dr. Klein, die Professoren Dr. Anton Randa, Prag, und Dr. Josef Frhr. v. Schey, Wien. Die Kommission soll den ersten Vorentwurf verfassen. Soweit die Regierung diesen Vorschlägen beitritt, werden sie einer zweiten Kommission vorgelegt werden, in der die Vertreter der Industrie und des Gewerbes, der Handelswelt, der sonstigen erwerbstätigen Berufsgruppen sowie Angehörige der praktischen juristischen Berufsstände zum Worte gelangen sollen. Es ist in Aussicht genommen, die wichtigsten Ergebnisse dieser Verhandlungen jeweils durch die Presse allgemein bekannt zu machen. Nach einem offiziösen Kommentar ist der Arbeit als Ziel gesetzt, das Gesetzbuch zu verjüngen, den Rechtsverkehr von unliebsam empfundenen Fesseln zu befreien, ihm dort, wo er dessen bedarf, die fehlende verlässliche Grundlage zu geben oder sie zu verbessern und neue Antriebe zur Entfaltung des Geschäftsverkehrs auszulösen.

Die schwierigste Aufgabe der Kommission liegt in der notwendigen Selbstbeschränkung. Wenn die Kommission zu weitgehende Aenderungen ins Auge fafst, wird sie ihre Aufgabe überhaupt nicht lösen können, sondern die Ausarbeitung eines neuen Gesetzbuches vorschlagen müssen. Aufser den von Unger vorgeschlagenen Aenderungen und Ergänzungen ist am dringendsten und leicht durchführbar die Ausgestaltung des Vormundschaftsrechtes im Sinne der Erweiterung der Rechte der Frau, des gröfseren Schutzes der unehelichen Mutter und der aufserehelichen Kinder. Es müssen die gesetzlichen Handhaben geschaffen werden zur Durchführung einer intensiven Fürsorge für die persönlichen Verhältnisse der Pflegebefohlenen (Vormundschaftsrat u. dgl.). Auf dem Gebiete des Vermögensrechtes wird man von der von Professor Mitteis angeregten Umgestaltung des Obligationenrechtes ebenso absehen müssen wie von der von ihm empfohlenen Abschaffung der Verlassenschaftsabhandlung. Durch nicht

allzu grofse Aenderungen lassen sich nämlich die Nachteile vermeiden, die auf der Belastung dieser Einrichtung mit fiskalischen Zwecken beruhen, ohne dafs man die in hundertjähriger Uebung erprobten und von der Bevölkerung anerkannten Vorzüge der amtlichen Nachlafsregulierung preiszugeben brauchte. Desgleichen wird man von der Schaffung eines einheitlichen neuen Dienstvertragsrechtes wohl absehen, dagegen, den von der Regierung bereits betretenen Weg weiter verfolgend, den Dienstvertrag für einzelne Kategorien den speziellen Bedürfnissen der Dienstnehmer und der Leistungsfähigkeit der Dienstgeber entsprechend regeln müssen.

Die Kommission hat zunächst das Justizministerium ersucht, eine Uebersicht über diejenigen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches auszuarbeiten, die sich im Verkehr zu enge oder als unzulänglich erwiesen haben, wo also die Bestimmungen des Gesetzes auch im praktischen Rechts- und Verkehrsleben als hemmend und erschwerend empfunden werden. Nach Fertigstellung dieser Uebersicht, die die nächste Grundlage der Vorbereitungen bilden soll, wird die Kommission neuerdings zusammentreten.

Auch für eine zweite Reform trat Josef Unger ein, indem er im Herrenhause gemeinsam mit den Mitgliedern des Reichsgerichts, die Herrenhausmitglieder sind, den Antrag einbrachte, das Gesetz über die Entschädigung unschuldig Verurteilter dahin zu ändern, dafs nicht nur vermögensrechtliche Nachteile vergütet, sondern auch eine Entschädigung für sonstige Nachteile gewährt werde. Eine zehnjährige Erfahrung habe gezeigt, dafs die Befürchtungen nicht begründet waren, die man hinsichtlich der finanziellen Tragweite der Entschädigungspflicht des Staates hegte, und dafs auf Grund des bestehenden Gesetzes den Anforderungen der Gerechtigkeit nicht entsprochen werden konnte. Man müsse nicht blofs vermögensrechtliche Nachteile, sondern auch ideellen Schaden ersetzen und volle Genugtuung leisten.

Aus der Rede des Ministerpräsidenten, mit der er der Zuweisung des Antrages an die Kommission zustimmte, ist zu entnehmen, dafs sich die Regierung auch mit der Frage der Entschädigung für ungerechtfertigte Verhaftung beschäftigt. Doch scheinen die Verhandlungen unter den Ministerien noch nicht zum Abschluss gelangt zu sein und insbesondere finanzielle Bedenken zu bestehen.

In einer Interpellationsbeantwortung v. 10. Mai d. J. hat der Leiter des Justizministeriums ganz entschieden betont, dafs die Justizverwaltung auf das namentlich von Anwälten und Notaren angefochtene Institut der Gerichtsinspektoren bis auf weiteres nicht verzichten könne. Die Gerichtsinspektoren seien selbst im Hinblicke auf die Durchführung der Zivilprozefsreform noch nicht über

flüssig, da immer noch die Gefahr eines Zurückfallens in alte Gewohnheiten bestehe; sie seien aber besonders notwendig, damit auf eine Verbesserung der Praxis im Verfahren aufser Streitsachen und im Strafverfahren (Einschränkung der Haft, Beschleunigung und Unmittelbarkeit des Verfahrens) Einfluss genommen werden kann.

Plenar-Entscheidung der Vereinigten Strafsenate des Reichsgerichts. Die Ver. Strafsenate des RG. haben infolge erhobenen Konflikts am 27. April 1904 beschlossen, dafs unter den Begriff der in § 328 StrGB. bezeichneten Absperrungs- oder Aufsichtsmafsregeln, welche von der zuständigen Behörde zur Verhütung des Einführens oder Verbreitens von Viehseuchen angeordnet sind, auch solche Mafsregeln dieser Art fallen, welche in dem Reichsgesetze, betr. die Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen, in der Fassung vom 1. Mai 1894 selbst angeordnet sind.

Dieser Beschlufs entspricht der schon in den Urteilen Entsch. in Strafs. Bd. 27 S. 357, Bd. 31 S. 380 und BJ. 35 S. 243 entwickelten Rechtsansicht.

Personalien. Die diesmalige Uebersicht über die Personalverhältnisse besonders bekannter Juristen steht unter dem Zeichen der Jubiläen. Ihr 50jähriges Dienstjubiläum begingen: Staatsrat Exz. Dr. von Amsberg, der Leiter des mecklenburgischen Justizministeriums, der sich auch neuerdings wieder bei der Schaffung der mecklenburgischen Ausführungsverordnungen zum BGB. besondere Verdienste um die Rechtspflege seines Landes erworben hat; — Oberlandesgerichtspräsident Dr. Gryczewski, Posen. Seit 1895 an der Spitze des OLG. stehend, hat sich Gryczewski im Laufe seiner langjährigen Wirksamkeit durch hervorragende Tüchtigkeit, strenges Pflichtgefühl und warmherziges Interesse für die Aufgaben der Rechtspflege allgemeine Verehrung erworben; Reichsgerichtsrat Dr. Rehbein, der bereits seit 1884 dem höchsten Gerichtshof angehört. An der als ausgezeichnet anerkannten Judikatur des I. Zivilsenates des Reichsgerichts hat Rehbein hervorragenden Anteil. Sein Name ist aufserdem in der wissenschaftlichen Welt auf das vorteilhafteste bekannt. Das „RehbeinReinckesche Landrecht" gehört zu den besten, verbreitetsten und beliebtesten juristischen Werken der letzten Jahrzehnte. Möchte es dem verdienstvollen Jubilar vergönnt sein, dem Juristenstande die Vollendung seines ausgezeichneten Kommentars zum BGB. recht bald zu bescheren, und seine Tatkraft, sein Kenntnisreichtum und seine Erfahrungen noch lange Jahre der Praxis und Wissenschaft zum Nutzen gereichen.

Ihr 50jähriges Dienstjubiläum feierten ferner die Landgerichtspräsidenten, Geh. Oberjustizräte Hausleutner, Thorn, und Langrock, Hagen i. W.; ihr 25jähriges Professorenjubiläum die Geh. Justizräte Dr. von Bar, Göttingen, und Dr. von Liszt, Berlin. Professor Dr. Pescatore, Greifswald, wurde zum Geh. Justizrat, Kammergerichtsrat Zachariae, Berlin, zum Senatspräsidenten beim KG. ernannt. Reichsgerichtsrat Dr. Wyszomirski, Leipzig, der dem III. Strafsenate angehörte, trat in den Ruhestand. Im hohen Alter von 90 Jahren verstarb in Leipzig Wirkl. Geh. Oberjustizrat Nessel, der 15 Jahre lang als Senatspräsident am Kammergericht wirkte.

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Vereine und Gesellschaften.

Ueber „Vortermin im landgerichtlichen Verfahren sprach LGR. Volkmar, Potsdam, an dem ersten der durch den LGPräs. Ehrenberg ins Leben gerufenen Er hob besonders juristischen Vortragsabende. 1) folgende Vorzüge hervor:

1) Vortermin u. Gerichtsferien 1903. Hannover. Jur. Ztg. 1898 S. 95.

1. Bei Erledigung glatter (Versäumnis-, Anerkenntnis-) Sachen, wie bei Vergleichen, zu deren Abschluss der Einzelrichter geeigneter sei, werde die Arbeitskraft zweier Richter gespart.

2. Die Zahl der Vergleiche werde sich erhöhen. Nach dem Inkrafttreten der österreichischen ZPO. v. 1. Juli 1895 kämen dort auf 100 kontradiktorische Urteile 81 Vergleiche die nach Ermittelungen in Salzburg gröfstenteils im Vortermin geschlossen seien, bei uns dagegen nur 18 vor der Kammer und schätzungsweise höchstens 25 vor dem beauftragten Richter.1)

3. In den streitigen Sachen sei eine annähernd richtige Bestimmung des 1. Verhandlungstermins möglich, da der Vorterminsrichter die voraussichtliche Dauer des Schriftenwechsels zu Protokoll feststellen könne. Mit der bayr. ZPO. v. 29. April 1862 habe man insofern gute Erfahrungen gemacht 2) Vertagungen würden ferner durch Festsetzung einer Frist zur Einreichung der Klagebeantwortung (ohne Präklusivfolgen) mehr als bisher verhindert. 4. Bei Abhaltung der Vortermine in den Ferien werde ein Teil der Ferienmifsstände beseitigt, wie der preuss. Just.-Minister in der Abg. H.-Sitzung vom 12. Febr. 1903 des näheren ausgeführt habe.3)

kosten

5. Die von RA. Horn zuerst angeregte Prorogation 4) des Vorterminsrichters bei Ermäfsigung der Gerichtsdiese sei mit Rücksicht auf die Arbeitsersparung begründet, während die Anwaltsgebühren bei gleicher Arbeitsleistung gleich hoch bleiben müfsten werde möglich, wenn auch Voi termine und Prorogation an sich von einander unabhängig seien.

Aus allem Vorangeführten werde sich eine Beschleunigung des Verfahrens ergeben. Als Vorterminsrichter sei am besten der Berichterstatter der Zivil-Kammer geeignet, der ohnedies die Sachen, ev. auch später vor der Kammer zu bearbeiten und an ihnen naturgemäfs mehr Interesse habe. Bei Beschränkung auf nicht-revisible vermögensrechtliche unter Ausschlufs der Handels- (§ 101 GVG.), Mefs-, Markt-, Urkunden-, Wechsel- und der Sachen mit ausschliefslichem Gerichtsstand würde nach Stichproben bei den Landgerichten Berlin I, II und Potsdam bei 45 % aller Sachen der Vortermin möglich werden. Nach Steins Angaben 5) würden auf 1. oben 14, auf 5., da man auf Prorogation der Hälfte der ca. 33 % kontradiktorischen, prorogablen Sachen rechnen könne, etwa 16 aller Verhandlungen vor den Zivilkammern entfallen.

Der Vortermin müsse obligatorisch sein. 2. Eine Vertagung dürfe nur auf übereinstimmenden Antrag erfolgen. Die Partei selbst müsse das Recht des Verzichts, des Anerkenntnisses, der Klagerücknahme und des Vergleichs haben. Eine Mehrbelastung der Beisitzer sei nicht zu befürchten.

Der Korreferent, RA. Kurlbaum, Potsdam, erkannte zwar an, dass in gewissem Umfange eine Beschleunigung und Verbilligung eintrete, sprach sich aber besonders deswegen gegen den Vortermin aus, weil :

1. durch die Möglichkeit späterer Vertagungen und die Hinausschiebung des 1. Termins in allen verhandlungsreifen Sachen, d. h. in ca. 25-50 %, Verzögerungen entständen,

2. die Abgabe persönlicher Anerkenntnisse bedenklich sei, für Nicht-Gerichtseingesessene auch infolge der Reise etc. die billigere Gestaltung nicht in Frage komme,

1) Winkler. Ziv.-Proz. u. Exekutionsverf. Wien 1902 u. D. JustStat. Jg. X. S. 159.

2) Petersen, Sächs. Arch. f. b. R. Bd. 9 S. 359.

3) 19. Legisl. V. Session 1903. S. 1208/9.

4) Zur Reform d. D. Ziv.-Proz. Leipzig 1903.

5) Ztschr. f. D. Ziv.-Proz. Bd. 24 S. 235.

i

3. Vergleiche nur nach gründlicher Vorbereitung von beiden Parteien deren Interesse dienten, eine möglichst hohe Zahl auch nicht erstrebenswert sei,

4. infolge der zeitraubenden Verhandlungen Richter und Anwälte von neuem belastet würden, Termins- und Warteräume nicht hinreichten, die Parteien in ihrem Berufsleben gestört würden,

5 die Möglichkeit der Prorogation das Kollegialsystem schädigen werde. 1)

In der Diskussion blieben die Ansichten geteilt. Die rege Beteiligung an dem Abend und die Anmeldung von Vorträgen aus allen Rechtsgebieten zeigte, dafs die Anregung zur Abhaltung juristischer Vortragsabende auf fruchtbaren Boden gefallen war.

Gerichtsassessor Pistor, Potsdam.

Neue Gesetze, Verordnungen u. dgl.

Deutsches Reich: Vo. v. 29. 4. 1904 z. Ausf. d. Patentges. v. 7. 4. 1891 (R.-Ges.-Bl. S. 157) Bk v. 4. 5. 1904, bt. Vorschrftn. üb. Arbeiten u. Verkehr m. Krankhtserregern, ausgenom. Pesterreger (S. 159). Bk. v. 5. 5. 1904, bt. Besetzg d. Seefischereifahrzeuge m. Schiffsführ. u. Maschinisten (S. 163). — Vf. v. 7. 5. 1904, bt. Unbestellbkt. v. Post-Anwsgn. üb. Bezüge aus Reichs- od. Staatskassen i Falle des Ablebens d. Empfäng. (Amtsbl. d. R.Post-A. S. 127). - Bk. v. 9. 5. 1904, bt. Abänd. der Ausf.-Bestimgn. z. D. Schlachtvieh- u. Fleischbeschauges. u. d. Fleischbeschau-Zollordn. (Z-Bl. S. 140). Ges. v. 12. 5. 1904, bt. Abänd.

d. Seemannsordn. u. d. H-G.-B. (R.-G.-Bl. S. 167).

Preufsen: M.-Vf. v. 20. 2. 1904 u. Bestimgn. v. 28. 1. 1904 üb. d. von d. Staatsbehörden z. verwendende Papier n. zugehör. Dienstanwsg (M.-Bl. f inn. Verw. S. 77). - M.-Vf. v. 22. 2. 1904, bt. Zuziehg geeign. Sachverständ. bei strafrechtl. Verfolg. v. Verfälschgn. v. Nahrgsmitt. (S. 68). — M.-Vf. v. 5. 5. 1904, bt. Grund b.-Anleg. f. Bezt. d. A.-G. Hachenburg, Hada mar, Hochheim, Langenschwalbach, Montabaur, Selters, Usingen, Wallmerod, Wehen u. Gladenbach (Ges -S. S. 39 u. 40).

Sachsen: Ges. v. 25. 4, 1904 üb. Landestrauer (G.- u. Vo.Bl. S 133).

Württemberg: M.-Bk. v. 20 4. 1904, bt. Gefangntransp. auf d. Eisenb. (Amtsbl. d. Just.-M. S. 19) -M-Vf. v. 27. 4. 1904, bt. dtsche. Rechtschrbg. im amtl Verkehr (S. 25).

Mecklenburg-Schwerin: Vo. v. 27. 2. 1904, bt. Einführg. e. neuen Grundbriefes f. Büdnereien u. Häuslereien i. d. Klostergüt. (Reg-Bl. S. 15). M.-Bk. v. 24. 2. 1904, bt Anwend. d. neu. dtsch. Rechtschrbg. d. d. Behörden (S. 19). -M.-Bk. v. 12. 3. 1904 z. d. v. Bundesr. erlass. Bestimgn. z. Ausf. d. Ges. v. 30. 6. 1900, bt. Bekämpfg gemeingefährl. Krankh. (S. 21). -Vo. v. 24. 3. 1904, bt. Führg. und Behandl. des Schiffstagebuchs (S. 25). Vo. v. 31. 3. 1904, bt. A bänd. d. §§ 118 u. 120 d. Vo. v. 28. 5. 1879 z. Ausf. d St-P.-O. (S. 53). Vo. v. 15. 4. 1904, b Schonzeit d. Wildes (S. 57). M.-Bk. v. 14. 4. 1904, bt. Grundb-Anleg. f. Bezt. d. A.-G. Grevesmühlen-Dassow-Klütz, Hagenow, Güstrow, Röbel u. Schwaan (S. 65). M.-Bk. v. 16 4. 1904, bt. Befreiung d. Anstalt. u. Stiftgn. i. Ghzt. Baden v. der n. d. Vo. v. 22. 12. 1899 z. entrichtend Erbschaftssteuer (S. 66). M.-Vo. v. 14. 4. 1904, bt. Verfahr. u. Geschäftg. b. d. Landes-Versichrgsamt. (S. 85).

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Sachsen-Weimar: M.-Vo. v. 28. 4. 1904, bt. Bekämpf. gemeingefährl. Krankh. (Reg.-Bl. S. 55). - Nachtr. v. 27. 4. 1904 z. Ges. v. 6. 5. 1876, bt. Fischerei (S. 61). Ges. v. 27. 4. 1904 üb. Bestellg. v. Baubesichtigern (S. 62). Mecklenburg-Strelitz: Vo. v. 31. 3. 1904, bt. Abänd. der §§ 117 u. 119 d Vo. v. 28. 5. 1879 z. Ausf. d. Str.-P.-O. (Off. Anz. f. M.Strel. S. 41). Reg.-Bk. v. 19. 4. 1904 z. den v. Bundesr. erlass. Bestimgn. z. Ausf. d. Ges. v. 30. 6. 1900, bt. Bekämpfg. gemeingefährl. Krankhtn. (S. 46).

Oldenburg: M.-Bk. v. 23. 4. 1904, bt. A bänd. d. Staatsvertrages zw. Ghzt. Hessen u. Ghzt. Oldenb. üb. ausschliefsl. Zulassg. d. Hess.-Thür. Staatslotterie i. Ghzt. Oldenb. (Ges.-Bl. f. Hzt. Old. S. 73, f. Fs t. Birkenf. S. 225).

Schwarzburg-Sondershausen: M.-Bk. v. 21. 4. 1904, bt. A bänd. d. Anlage z. Hö. Vo üb Beamtenbesoldg. v. 2 5. 1900 (G.-S. S. 77). -M.-Bk. v. 31. 3. 1904, bt. Redaktion d. Bauordng (S. 103). Waldeck-Pyrmont: L.-Pol -Vo. v. 23. 4. 1904, bt. Verk. m. Kraftfahrzeugen (Reg -Bl. S. 27).

Reufs ä. L.: Reg.-Vo. v. 3. 5. 1904, bt. Regelg. einiger auf fliefsende Gewässer bezügl. Verhältnisse (Ges.-S. S. 31). Schaumburg-Lippe: Pol-Vo. v. 30. 4. 1904, bt. zeitweilige Aendrg. d. Pol.-Vo. v. 14. 8. 1901 üb. Verk. m. Kraftfahrzeugen (L.-Vo. S. 487).

Bremen: Vo. v. 6. 5. 1904, bt. Verk. m. Kraftfahrzeugen (Ges.-Bl. S. 123). - Vo. v. 10. 5. 1904, bt. Geschäftsbetrieb d. Gesindevermiet. u. Stellenvermittler (S. 131).

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eine besondere Bestimmung nicht enthält, wird verschieden verfahren; entweder beruht sie auf einem Beschlusse des Präsidiums oder erfolgt in Gemäfsheit des von dem Landgerichtspräsidenten erlassenen Ferienplanes. Es fragt sich, ob die im § 203 bestehende Lücke durch analoge Anwendung des § 66 oder der §§ 62 u. 63 auszufüllen ist. Welches Verfahren dem Gesetze entspricht, ist m. W. noch nicht gerichtlich entschieden 1) In der Literatur wird vorwiegend2) die Ansicht vertreten, dass unter sinngemässer Anwendung der §§ 62, 63, 121 u. 133 GVG. ein Beschlufs des Präsidiums erforderlich ist. Diese Auffassung halte ich, namentlich unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Vorschriften für die richtige. Die Vorlage des Bundesrates wollte es der Landesgesetzgebung oder der Landesjustizverwaltung überlassen, die näheren Grundsätze über die Bildung der Kammern und die Verwendung der Mitglieder des Gerichts in denselben festzustellen (Hahn, Materialien S. 93), und bestimmte nur im § 104 bez. des Reichsgerichts, dass die Zusammensetzung der Senate durch den Präsidenten mindestens auf die Dauer eines Geschäftsjahres zu erfolgen habe (Hahn, S. 134); sie enthielt folgerichtig eine dem § 203 entsprechende Bestimmung nicht. Bereits bei der ersten Beratung des Entwurfs im Plenum des Reichstages wurde dieser Standpunkt der Vorlage von mehreren Rednern bekämpft und verlangt, dafs die Bildung der Kammern, wie sich Windhorst ausdrückte, vi legis nach einem festen Reglement, und zwar weder durch den Präsidenten, noch durch den Justizminister, geschehen müsse (Hahn, S. 206, 207, 224, 231, 249 u. 250). Die Kommission und das Plenum traten dieser Auffassung bei und nahmen die den jetzigen §§ 61 bis 69 entsprechenden Vorschriften in das Gesetz Es wurde hierbei von dem Gedanken ausgegangen, dafs die gehörige Besetzung des Gerichts eine Frage der Rechtsprechung sei, dafs eine feste, hinsichtlich der Verteilung der Geschäfte und der Unveränderlichkeit des Personenbestandes dem Einflusse der Justizverwaltung entzogene Gliederung der Richterkollegien geboten erscheine, und dafs das bei der Bildung der Kammern zu beobachtende Verfahren die Entscheidung durch das Präsidium

auf.

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die Gewähr für eine unabhängige und unbeeinflusste Rechtspflege bieten sollte Nur soweit eine anderweite Vertretung erforderlich würde, sollte, wie auch die Aeufserung von Lasker (Hahn, S. 516) bezeugt, das Bestimmungsrecht des Präsidenten eintreten.3) Bevor die Kommission sich mit der Organisationsfrage beschäftigte, wurde der von dem Abg. Struckmann beantragte, mit dem § 203 identische Zusatz § 165a ohne Debatte angenommen (Hahn, S. 370, 854, 1425 u. 1616). Es kann allerdings nach der Auffassung, welche Struckmann in seinem Kommentar (1883 Note 1 zu § 203) vorträgt, zweifelhaft sein, welche Tendenz er dabei verfolgte. Allein nach dem Zusammenhange dieses Antrages mit der Entwickelung der Organisationsfrage kann bei der schliefslichen Aufnahme dieser Bestimmung in das Gesetz die Absicht der gesetzgebenden Faktoren m. M. n. nur dahin gegangen sein, für die Dauer der Gerichtsferien diejenige, dem Einflusse der Justizverwaltung entzogene, feste Gliederung der Richterkollegien zu schaffen, welche durch die §§ 61 bis 69, 121 u. 133 gewährleistet ist. Anderenfalls träte infolge der

1) Inzwischen ist das im Pr. JMBI. 1904 S. 61 veröffentlichte Urt. d. IV. StrSen. des Reichsgerichts v. 22. Jan. 1904 ergangen, welches zu demselben Ergebnisse wie der Verf. gelangt. Die Redaktion. 2) So z. B. von Endemann, Gaupp-Stein, Sydow und Hellweg, a. M. namentlich Struckmann-Koch.

3) Vgl. namentlich noch Hahn S. 1568 bis 1582 wegen des heifsumstrittenen § 69 und bez. der gleichen Auffassung des Reichsgerichts, u. a. Entsch. i. Strafs. Bd. 23 S. 166 fg.

erforderlichen Anwendung des § 66 die wunderbare Anomalie ein, dafs für den 6. Teil des Geschäftsjahres ein Rechtszustand herrschen würde, der als eine Art comment suspendu bezeichnet werden müsste. Bedarf es für die Richtigkeit dieser Auffassung noch eines weiteren Beweises, so liegt hierfür m. E. ein authentisches Zeugnis in § 26 der Geschäftsordnung des Reichsgerichts vor. Danach wird der bei dem RG. bestehende Feriensenat aus 10 von dem Präsidium zu bestimmenden Mitgliedern des Gerichts gebildet. Andererseits dürften der sinngemässen Anwendung der §§ 62 u. 63 rechtliche Schwierigkeiten nicht entgegenstehen. Abgesehen davon, ob man nicht bei der gleichzeitigen Beurlaubung eines gröfseren Teiles der Richter während der Gerichtsferien von einem Wechsel der Mitglieder im Sinne des § 62 Abs. 2 reden darf, hat das RG. bereits hervorgehoben (Entsch. i. Strafs. Bd. 20 S. 385), dafs zur Annahme einer dauernden Verhinderung im Sinne des § 62 Abs. 2 eine längere Zeitdauer der Verhinderung wie sie in der Regel in den Gerichtsferien vorliegt genügt. Sicher liegt die analoge Anwendung der §§ 62 u. 63 rechtlich näher als die des § 66, welche direkt dem Geiste dieser Vorschrift widerspräche. Es besteht freilich die Schwierigkeit, dafs über die Urlaubsgesuche der Richter der Präsident nach der Allg. Verf. v. 28. Mai 1885 (JMBI. 1885 S. 175) allein entscheidet. Indes der Umstand, dafs das Präsidium nur über die nicht beurlaubten Richter verfügen kann, rechtfertigt ebensowenig, als die bei der Feststellung des Ferienplanes zu überwindende tatsächliche Schwierigkeit die Ausschliefsung des Präsidiums von der Ausübung der ihm zustehenden gesetzlichen Rechte. Unzweifelhaft unterliegen die nicht von vorschriftsmäfsig gebildeten Gerichten gesprochenen Urteile der erfolgreichen Anfechtung durch die Revision. Deshalb ist die Frage von praktischer Bedeutung.

Bei einzelnen Landgerichten, bei denen nur eine Kammer für Handelssachen eingerichtet ist, werden die Geschäfte der letzteren während der Gerichtsferien der Ferienzivilkammer übertragen. Nach der feststehenden Rechtsprechung des RG. ist dieses Verfahren rücksichtlich der am Landgerichtssitze bestehenden Kammer für den Umfang des Zivilprozesses bedenkenfrei (vgl. u. a. Entsch. d. RG. Bd. 23 S. 371, Bd. 48 S. 27), dagegen ungesetzlich, soweit über die auf Grund des 30 RFG. in Handelssachen ergehenden Beschwerden zu entscheiden ist (vgl. RG. bei Gruchot Bd. 47 S. 433). Da in den Gerichtsferien auch solche Beschwerden zu erledigen sind, ist die Beibehaltung der Kammer für Handelssachen oder die besondere Bildung einer solchen für diese Zeit notwendig. Diese Anordnung trifft nach den §§ 67 u. 100 GVG. (vgl. Allg. Verf. v. 26. Juli 1879, JMBI. S. 210) der Landgerichtspräsident. Landgerichtsdirektor Winkler, Hagen i. W.

Zur Eintragbarkeit der Goldklausel. Die Ausführungen des Prof. Dr. Oertmann auf S. 334 d. Bl. veranlassen mich zu einer Erwiderung.

Nach der Meinung Oertmanns findet die Ansicht, die Goldklausel sei nicht eintragbar, in der Praxis anscheinend keine Parteigänger. Kammergericht und Reichsgericht erkennen freilich die Eintragbarkeit an, zum Teil jedoch in dem Sinne, dafs dadurch nur die Zahlung in Talern ausgeschlossen wird. In diesem Sinne ist aber die Abrede fast ohne Bedeutung. Auch zeigen die verhältnismäfsig häufigen Entscheidungen der höchsten Gerichte, dafs die Klausel bei Amts- und Landgerichten noch immer auf Widerspruch stöfst.1)

1) Vgl. noch die Anführungen in der Anmerk., Jahrb. Bd. 25 A S. 156.

Auf alle Fälle wird der Grundbuchrichter wegen der verschiedenen Auslegungen, die die Klausel erfahren hat, eine unzweideutige Fassung verlangen müssen. Er darf keine Eintragung vornehmen, deren Bedeutung, wie ihm von vornherein bekannt, zweifelhaft ist. Auf eine Fassung, die sich der engsten Auslegung anschliefst (etwa: „Die Zahlung darf nicht in den bisher geprägten Silbertalern erfolgen"), würden die Beteiligten kaum eingehen, da sie daran kein Interesse haben. Es ist deshalb nur zu prüfen, ob die Klausel bei einer Fassung, die sich auf den Fall der Einführung einer Doppelwährung erstreckt, eintragbar ist. Oertmann meint, durch eine solche Klausel werde der Betrag der Schuld rechtlich bestimmter, da dadurch die Anzahl der möglichen Leistungsgegenstände vermindert werde. Oertmann verwendet hier den Ausdruck „bestimmt in einem anderen Sinne als das Gesetz im § 1113 BGB. Das Wort kann auch zur Bezeichnung einer Species dienen, wie z. B. im § 883 ZPO. und im § 2169 BGB. Hier ist das Gegenteil ein nur der Gattung nach bestimmter Gegenstand. Mit diesem Gegensatz hat es nichts zu tun, wenn im § 1113 von einer bestimmten Geldsumme gesprochen wird. Hier handelt es sich nicht um die Absonderung der Species von der Gattung, sondern um die genaue Angabe der Menge der geschuldeten vertretbaren Sachen.) Für die Bestimmtheit in diesem Sinne ist es gleichgültig, ob die zu leistenden vertretbaren Sachen einem engeren oder weiteren Gattungsbegriffe angehören. Eine Geldsumme ist demnach bestimmt, wenn sie ziffernmäfsig genau angegeben ist; die Bestimmtheit wird dadurch, dafs einzelne Sorten ausgenommen werden, weder gröfser noch geringer.

Nun ordnet aber das Gesetz an, der Geldbetrag der Hypothek solle in Reichswährung angegeben werden. Aus dem Zusammenhang der Vorschriften ergibt sich, dafs die Hypothek mit möglichster Genauigkeit aus dem Grundbuch hervorgehen soll. Wird eine Doppelwährung eingeführt, so entwickelt sich aller Wahrscheinlichkeit nach zugunsten des unterschätzten Metalls ein Agio. Mit dieser Möglichkeit mufs der Gesetzgeber rechnen und rechnen auch die Beteiligten, da sie sonst kein Interesse an der Klausel hätten. Bildet sich ein Goldagio, so schwankt der Betrag der auf Gold lautenden Hypothek je nach dem Kurse. Er schwankt, an der gesetzlichen Währung gemessen: Einen anderen Mafsstab kennt das Gesetz nicht und kann es nicht kennen, wenn es sich nicht mit der Natur einer gesetzlichen Währung in Widerspruch setzen will. Danach steht die Höhe der Kapitalbelastung nicht fest.

Oertmann wendet dagegen ein, die ausbedungenen Sorten gehörten auch zur gesetzlichen Währung. Wertmafs im Sinne der Doppelwährung ist aber nicht eine einzelne Münzsorte, sondern das gesamte Währungsystem. Das Gesetz geht von der legalen Wertkonstanz des Geldes" 2) aus und sieht danach seine Währung als Ganzes als das Unveränderte, die einzelne Sorte also als das Schwankende an.

Dies führt zum Ergebnis, dafs der Schuldner, wie Fischer-Schäfer und Planck annehmen, aufser dem Geldbetrage der Forderung noch das etwaige spätere Goldagio zahlen mufs. Allerdings hat sich der Schuldner verpflichtet, in Gold zu zahlen. Jedoch kann die Zwangsvollstreckung in das Grundstück und in die sonstigen für die Hypothek haftenden Gegenstände nur nach den Grundsätzen über die Vollstreckung von Geldforderungen (ZPO. §§ 803 bis 882) betrieben werden; da diese Vorschriften nur auf Forderungen anwendbar sind, die auf Geld ohne Rück1) Ebenso im § 884 im Gegensatz zu § 883 ZPO. und im § 688 ZPO. 2) Knies, Geld und Kredit (1. Auflage), Bd. 1 S. 257 ft.

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