Page images
PDF
EPUB

Rechts.1) Nun ist aber unter allen Hilfsmitteln, die dem Praktiker das Verständnis des Gesetzes ermöglichen, gerade der Kommentar das erste und wichtigste; ihn zieht der Praktiker bedeutend dem. Lehrbuch vor. Denn der Zweck des Kommentars ist ja gerade, kurz und übersichtlich alles zu bieten, was der Praktiker zur Anwendung des Gesetzes braucht, aber auch nur dieses. Daher übergeht der Kommentar die dem Lehrbuch eigentümlichen, mehr lehrhaften Ausführungen, durch die lediglich das Wesen und der Zusammenhang der verschiedenen Rechtseinrichtungen und ihre geschichtliche Entwickelung dargelegt wird; dafür bringt er ausführlich den wichtigen Erläuterungsstoff, den die Vorarbeiten zum Gesetz und namentlich die Rechtsprechung bieten, sowie auch sonst durch Verweisungen und sorgfältige Auflösung der Gesetzesvorschriften in die einzelnen Satz- und Wortteile alles das, was bei der Anwendung jeder Bestimmung in Betracht kommt. Da er die Bestimmungen des Gesetzes einzeln erläutert, so ist die Handhabung des Kommentars sicherer und bequemer als die des Lehrbuches, in welchem der Praktiker erst feststellen müfste, ob und wo der Verfasser die einzelne Bestimmung des Gesetzes erläutert hat. Die Annahme, dafs diese Kommentarform der Erläuterung an wissenschaftlichem Wert notwendig hinter der systematischen Erläuterungsform des Lehrbuches zurückstehen müsse, war früber und ist auch heute noch, namentlich unter den Theoretikern, verbreitet, und es läfst sich nicht leugnen, dafs jene Ansicht von der wissenschaftlichen Minderwertigkeit des Kommentars, von dem ,,dürftigen Bazillenleben der Kommentare", wie Bähr es ausdrückt, eine gewisse Berechtigung hat. Denn ,,selbst der grofsartigste Bau von Gesetzesrecht ist umrankt von Rechtssätzen in weicherer Form“, wie Binding zutreffend hervorhebt, oder um hier die Worte Kohlers zu gebrauchen: „Die Paragraphen des Gesetzbuches sind nur die Ausdrucksmittel von Ideen, die in geschichtlichem Flufs sind und im Gesetzbuch ihren zeitweiligen Ausflufs gefunden haben". Nun wird aber die Herausfindung jener Rechtssätze in weicherer Form", jener „Ideen", leichter dem, der das Gesetz nach einer von ihm selbständig gestalteten, gewisse (dem Gesetz fremde) Gesichtspunkte hervorkehrenden Folgeordnung erläutert, als dem Kommentator, der die einzelnen Gesetzesvorschriften erläutert. Der Verfasser der systematischen Darstellung wird eben geneigt sein, die einzelnen Bestimmungen auf allgemeine Grundsätze zurückzuführen, hieraus leitende Konstruktionen zu schaffen und von der Konstruktion aus das Ganze zu beherrschen, wogegen der Kommentator, da er die Bestimmungen des Gesetzes als einzelne erläutert, in eine unabsehbare Fülle von Einzelheiten hineinleitet. in ein ständiges Waldgestrüppe ohne Verbindung mit der wissenschaftlichen Zentrale", und somit der Gefahr ausgesetzt ist, den Grund

1) Vgl. besonders die abfällige Beurteilung des Planck'schen Kommentars durch Kohler im Jurist, Literaturbl. 1902 S. 268 f.

satz zu befolgen: quod non est in lege, non est in mundo, also Erörterungen, zu denen der Gesetzestext keinen Anlass gibt, zu übergehen. Wer z. B. systematisch das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit darstellt, wird hierbei selbstverständlich wenn auch nur gegensätzlich von dem Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten ausgehen; dies wird ihn veranlassen, ausführlich zu erörtern, inwieweit die für den Zivilprozefs unentbehrlichen Begriffe der Parteien, der Prozefsfähigkeit und der materiellen Rechtskraft der Entscheidungen, die Sonderung der letzteren in Urteile und andere Entscheidungen, für das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit Bedeutung haben, inwiefern die Entstehung streitiger Rechtsverhältnisse die Tätigkeit des Gerichts der FG. beeinflusst, die verschiedenen Fälle der Entscheidung streitiger Rechtsverhältnisse durch das Gericht der FG. auf einheitliche Gesichtspunkte zurückzuführen und zu prüfen, inwieweit namentlich das Streitverfahren der FG. sich vom Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten unterscheidet und die in ersterer ergangenen Entscheidungen für das Prozefsgericht bindend sind, u. dgl. Oder: Wer die Lehre vom Erbschaftsanspruch systematisch darstellt, dem wird sich die Erwägung aufdrängen, dafs das Gesetz die Erbschaft als organisches Vermögensganzes behandelt, und dafs letzteres, ohne eine Sacheinheit zu sein, doch eine einheitliche Behandlung der Vermögensgegenstände herbeiführt, solange das Vermögensganze als Vermögensganzes besessen wird, und dafs, wenn dieser Vermögensbesitz aufhört, auch diese Einheitskraft zu Ende ist. Hierdurch werden allgemeine Grundsätze und weitere Gesichtspunkte zur Beurteilung des Verhältnisses des Vermögensganzen zur Einheitssache und zum Zubehör gewonnen, mancher wichtige Schlufs gezogen und die einzelnen Gesetzesvorschriften auf einheitliche Gesichtspunkte zurückgeführt werden können. Erörterungen dieser Art drängen sich dem Kommentator weit weniger auf, und der Kommentar ist für sie auch keine geeignete Stätte, da ihre Unterbringung bei den einzeln zu erläuternden Vorschriften Schwierigkeiten bereitet, selbst wenn der Verfasser einige Vorbemerkungen“ und „Exkurse" liefert. Nun wird aber ferner jeder, der je einen Kommentar verfafst hat, trotz der Ueberzeugung von der Brauchbarkeit seiner Arbeit im ganzen, doch das Gefühl gehabt haben, dass in einzelnen Fragen die Ergebnisse seiner Untersuchungen ihn selbst nicht befriedigen, und er wird, wenn er sodann diese Fragen abgesondert in Einzelschriften behandelt, vielfach zu abweichenden Ergebnissen oder zu anderen Begründungen gelangen. Wie sollte das auch anders sein? Selbst bei der Kommentierung eines verhältnismäfsig nicht umfangreichen Gesetzes (wie etwa der Konkurs-, Wechsel-, Grundbuchordnung) hat der Verfasser weit mehr als tausend ganz verschiedenartige Streit- und Zweifelsfragen zu entscheiden, und von diesen sind mehrere hundert so schwierig, dafs jede einzige lange Zeit erfordert, vorausgesetzt, dafs die Bearbeitung wirklich wissen

schaftlich und gründlich ist, d. h., dafs die Vorarbeiten und die Rechtsprechung kritisch verwertet, die Literatur eingehend berücksichtigt werden, die Begründung der eigenen Ansichten überzeugen soll. Bei einer solchen Arbeitsweise würde die Kommentierung eines Gesetzes wie der oben gedachten die Arbeit mehrerer Jahre in Anspruch nehmen. So erklärt sich, dafs manche Kommentare, weil der Praktiker nun einmal auf sie angewiesen ist, „eine weit über ihren Wert hinausgehende Bedeutung" erhalten, wie der eingangs gedachte Kommissionsbericht sich ausdrückt. Dies gilt auch von Lehrbüchern: Die Menge der zu erörternden Einzelfragen erschwert die würschenswerte Gründlichkeit.

Anders bei jenen Einzelarbeiten, die mögen sie nun als Monographien oder in wissenschaftlichen Zeitschriften erscheinen eine oder nur einzelne zusammenhängende Rechtsfragen erörtern. Eben diese Beschränkung sichert die Arbeiten vor den Mängeln der Kommentare und Lehrbücher; während diese der Natur der Sache nach sich mehr auf Wiedergabe und Aburteilung der bereits bestehenden Meinungen beschränken müssen, legen die Einzelarbeiten zumeist Gewicht darauf, zu selbstständigen Ergebnissen zu kommen. Mögen auch hier wertlose Arbeiten vorkommen, im allgemeinen ist nicht zu bezweifeln, dafs jene Einzelarbeiten für die richtige Erkenntnis des Gesetzes im ganzen wie in Einzelheiten mehr leisten als Kommentare und Lehrbücher; um so bedauerlicher ist es, dass sie der Praxis fast gar nicht zustatten kommen! Zwar enthalten die Bibliotheken gröfserer Gerichte stets einige der bekannteren wissenschaftlichen Zeitschriften; aber wo soll der vielbeschäftigte Richter oder Anwalt, der sich über eine noch so wichtige Frage zu entschliefsen hat, die Zeit hernehmen, hierüber einen jener umfangreichen Aufsätze aus Zeitschriften nachzulesen? Ein Beispiel hierfür gibt ein Schmerzensschrei Stölzels im „Recht“ von 1902 S. 571 darüber, wie sich das Urteil eines OLG. über die bekannte Ansicht Stölzels hinweggesetzt hat, die dieser über die Beweislast bei Befristungen vertritt. Ob aber der Praktiker wirklich in der Lage ist, eine Monographie wie Stölzels Schulung für die ziv. Praxis" durchzuarbeiten, um zu jener Streitfrage Stellung zu nehmen, bleibt erst nachzuweisen. Wohl aber bieten sich mehrere Gesichtspunkte, um die Abhandlungen wissenschaftlicher Zeitschriften für den Praktiker verwertbar zu machen:

1. Zunächst müfste die jetzige Arbeitsweise geändert werden: Auf eine möglichst abstrakt gefafste Ueberschrift, die den Inhalt der Abhandlung nur erraten läfst, folgen weitschichtige, zuweilen schwer verständliche Ausführungen, die durchgearbeitet werden müssen; und die Ergebnisse, zu denen der Verfasser gelangt, scharf festzustellen, erfordert oft besondere Mühe. Würde dagegen der Aufsatz in zahlreiche Abschnitte zerlegt, deren jeder mit einer die behandelte Sonderfrage klar bezeichnenden Ueberschrift versehen ist, und würde der Verfasser am Schlusse eine kurze, die einzelnen Ergebnisse der

Untersuchung unter Angabe der wichtigsten Gründe und der erläuterten Gesetzesstellen enthaltende Zusammenstellung geben, so wäre der Leser in der Lage, sofort zu ermessen, ob die Durcharbeitung des Aufsatzes für ihn Interesse hat, und in seiner Handausgabe des Gesetzes sich die Ergebnisse der Abhandlung in derselben Weise, wie er dies mit veröffentlichten Entscheidungen tut, anzumerken, um sie so zu verwerten.

2. Neben den gedachten wissenschaftlichen Abhandlungen müfsten die Schriftsteller sich mehr als bisher jenen kurzen, auf Beantwortung einer konkreten Rechtsfrage gerichteten Aufsätzen zuwenden, die in tunlichst abgekürzter Weise alle durch das tägliche Leben oder die Rechtsentwickelung wachgerufenen Fragen zur Erörterung stellen, wie dies in der,,Deutschen Juristen-Zeitung" und auch im „Recht“ geboten wird. Auch der beschäftigtste Praktiker kann von diesen kurzen Auseinandersetzungen Kenntnis nehmen; er erhält hierdurch eine Uebersicht über den Rechtsverkehr in den weitesten Gebieten des Reiches und mannigfache Anregung und Belehrung für seine praktische Tätigkeit.

3. Es müsste der gerade in der Rechtswissenschaft eigentümlichen Zersplitterung der wissenschaftlichen Zeitschriften entgegengearbeitet werden. Dafs die Juristische Wochenschrift“ und die Zeitschrift des Deutschen Notarvereins", also die Organe der Anwälte und der Notare, Aufsätze einschlagenden Inhalts bringen, ist selbstverständlich. Wozu aber daneben noch eine „Juristische Monatsschrift für Posen", "Blätter für Rechtspflege im Kammergerichtsbezirk“, eine „Zeitung der Anwaltskammer für den OLG.- Bezirk Breslau", eine „Zeitschrift des rheinpreufsischen Amtsrichtervereins", eine Zeitschrift für das Notariat in Rheinpreufsen") erscheinen, dafür ist kein Grund abzusehen. Noch niemand hat doch daran gedacht, eine theologische, chirurgische oder philologische Wochenschrift für die Provinzen Posen oder Pommern oder Schlesien herauszugeben. Wenn ferner vor Einführung des neuen einheitlichen Rechts eine ,,Badische Rechtspraxis", ,,Blätter für Rechtspflege in Thüringen", eine „,Hanseatische Gerichtszeitung", eine,,Hessische Rechtsprechung", eine ,,Mecklenburgische Zeitschrift für Rechtspflege", ein ,,Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht", eine ,,Zeitschrift für Rechtspflege in Braunschweig" erschienen, so war das ganz begreiflich. Heute aber sind alle diese Zeitschriften nicht blofs unnötig, sondern sogar schädlich.

Würden sie sich ausschliefslich der Pflege der verhältnismäfsig dürftigen Ueberbleibsel ihres badischen, hessischen usw. Sonderrechts widmen, so würden sie aus Mangel an Stoff schnell eingehen. Um zu bestehen, müssen sie sich also mit Fragen des allgemeinen Rechts beschäftigen; und da sie aufserhalb ihres „Kantönli" unbekannt sind, so dienen sie einmal für manchen minderwertigen Aufsatz als Unterschlupf, während anderer

1) Neuerdings ist noch ein neues Kantönliblättle" ins Leben getreten, nämlich die Pfälzische Rechtspraxis“.

seits mancher wertvolle Aufsatz, den sie bringen, der Kenntnis weiterer Kreise verloren geht. Allein diese,,Kantönliblättle" haben noch einen weiteren nachteiligen Einflufs, dafs nämlich ausschliesslich aus ihnen viele ihrer Leser die Fortschritte der Rechtswissenschaft verfolgen. So naheliegend das Interesse ist, das der badische, hessische und mecklenburgische Jurist an der Rechtsprechung gerade der eigenen Gerichte und an wissenschaftlichen Leistungen gerade ihrer Landsleute haben, so wäre es doch offenbar wünschenswerter, wenn sie die Fortschritte der Rechtswissenschaft aus Zeitschriften

beobachten würden, die, wie die „,Deutsche JuristenZeitung", über ganz Deutschland verbreitet sind und einen Einblick in die Rechtsentwickelung des ganzen Reiches gewähren. Jetzt läfst sich so mancher Anwalt, Notar, Richter, da er sich einmal an seine Kantönliblättle" gewöhnt hat, hierdurch vom Bezug einer gröfseren, gehaltvolleren wissenschaftlichen Zeitschrift abhalten. Man kann sich also nur dem schon vom OLG.-Präsidenten Vierhaus im Juristischen Literaturblatt, 1891 S. 1 ff. ausgesprochenen Wunsch anschliefsen, dafs jene nur für einzelne Bezirke erscheinenden Zeitschriften aufhören und in den gröfseren, auf den Rechtsverkehr des ganzen Reiches zugeschnittenen Zeitschriften aufgehen möchten.

[ocr errors]
[merged small][merged small][ocr errors][merged small]

Nach dem Reichstage ist nunmehr auch der preufsische Landtag in die Ferien gegangen. Vor der Pause machte er noch Kehraus mit einer ganzen Reihe von Gesetzentwürfen. Der Eilmarsch war das Kennzeichen auch dieser parlamentarischen Arbeiten. Wir greifen die wichtigste dieser Vorlagen heraus: das Ansiedlungsgesetz. In überstürzter Hast wurde sie angenommen trotz verfassungsrechtlicher Bedenken. Der § 13b macht nämlich die Genehmigung einer Ansiedlung von einer Bescheinigung des Regierungspräsidenten abhängig, dafs die Ansiedlung mit den Zielen des Gesetzes v. 26. April 1886 nicht in Widerspruch stehe". Auf Beschwerde entscheidet der Oberpräsident endgültig. Einem Polen also wird, wie die Minister erklärt haben, zumal, wenn er nicht von patriotischer Gesinnung beseelt ist, die Genehmigung ohne weiteres versagt. Dadurch wird die Ausübung des staatsbürgerlichen Rechts, Grundeigentum zu erwerben, sich einen heimatlichen Herd zu gründen, bei einer Klasse von Staatsangehörigen davon abhängig gemacht, welcher Abstammung und welcher Gesinnung der Bewerber ist. Und die Entscheidung erfolgt ohne Rechtsgang nur im Verwaltungswege. Diese Rechtsungleichheit erscheint schwer vereinbar mit der preufsischen Verfassung (Art. 3, 9 und vor allem 4): „Alle Preufsen sind vor dem Gesetze gleich". Hier bleibe dahingestellt, ob dieses Aus

tums geeignete Waffe erweisen wird. Jedenfalls
wäre zu wünschen, es sei zum letztenmal ein Gesetz
verabschiedet worden, bei dem nicht alle verfassungs-
rechtlichen Bedenken vorher beseitigt sind.

Indem ich diese, wie mir scheint, für Wissenschaft und Praxis zugleich wichtige Frage dem Ju-nahmegesetz sich als eine zur Stärkung des Deutschristenstande zur näheren Erwägung unterbreite, möchte ich dabei, dem Wunsche der Redaktion dieses Blattes entsprechend, ausdrücklich bemerken, dafs sie anfänglich mit Bezug auf meine Anregung um Beseitigung der kleineren Fachblätter deshalb Bedenken trug, dem Aufsatze Raum zu geben, weil man unter Umständen aus meinen Ausführungen ein Annexionsgelüste seitens der D. J.-Z. oder einen Versuch des Verlages derselben, pro domo zu sprechen, entnehmen könnte. Um jedem derartigen Verdacht im voraus entgegenzutreten, möchte ich betonen, dafs ich den vorstehenden Aufsatz ohne jede mittelbare oder unmittelbare Anregung oder Beeinflussung der Schriftleitung und des Verlages der D. J.-Z. fertigte, und dafs sich diese nur zur Aufnahme der Abhandlung entschlossen haben, weil es auch ihnen interessant schien, die Frage einmal angeschnitten zu sehen.

Juristische Rundschau.

Ferien! ein Feiertagsklang, wie des Wortes Herkunft schon sagt, auch dem Arbeitsfrohen. Trotz des goldenen Goetheworts, das Prometheus zur Eos sagt: „Des echten Mannes wahre Feier ist die Tat*, bleibt selbst für den arbeitsamsten Geist die Ruhepause eine Notwendigkeit. Dem Sprungbrett gleich, für den Ansatz zu neuer, weit ausholender Leistung. Namentlich dem Fachmenschen, im, Joche sonst gleichmässigen Dienstes, können Ferien ein wirklicher Jungbrunnen werden. Geben sie ihm doch die Möglichkeit, über den einengenden Zaun des Berufs hinaus sich nach den Quellen des Lebens umzusehen:

Die Strafprozefsordnungs-Kommission soll, Zeitungsnachrichten zufolge, demnächst über die heifsumstrittene Schwurgerichtsfrage Beschlufs fassen. Ein unheilbarer Schaden wäre es, wenn die Schwurgerichte, das beste Bollwerk für das Vertrauen des Volkes in die Justizpflege, einem, Ansturm der Zunft zum Opfer fielen. Im Rahmen unseres Strafprozesses bietet der Aufbau des schwurgerichtlichen Verfahrens die gröfste Gewähr für eine gründliche und sachgemäfse Behandlung des Einzelfalles, nicht zumindest auch durch den Wetteifer der mitwirkenden Rechtsgelehrten, das Tatsächliche und Rechtliche möglichst genau klar dem Laienrichter vorzuführen.

In dem in der vorigen Nummer d. Bl. erwähnten Prozess der Stadt Berlin gegen die Grofse Berliner Strafsenbahn ist die Entscheidung erster Instanz zugunsten der Stadt gefallen. Berlin hat in letzter Zeit Prozefsglück. In der Frage der Kirchenbaulast hat es endgültig beim Reichsgericht obgesiegt. Nicht blofs der steuerzahlende Bürger freut sich dieser Erfolge im Interesse des Stadtsäckels, die Urteile entsprechen, was schwerer wiegt, dem Rechtsgefühl weiter Kreise.

Noch vor den Ferien ist ein Strafprozefs von unendlicher Dauer, der Pommernbankprozefs, nach 2 Jahren Untersuchung, nach zweimaliger Verhandlung, die zusammen fast 5 Monate beanspruchte, von der Strafkammer zu Ende geführt worden. Er hat dies ist seine Bedeutung für die Allgemeinheit empfindliche Lücken des Hypothekenbank-Gesetzes, schwere Schäden des Tax wesens, merkwürdige

[ocr errors][merged small]

Wohltätigkeits-..Stiftungen" aufgedeckt. Tüchtiges und nicht selten Hervorragendes haben alle an diesem Prozefs beteiligten Organe der Rechtspflege geleistet. Ohne gegenseitige Reibungen zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung, welche die Arbeit vergällen, spielte sich dieses Prozefsdrama ab. Möge dieses Beispiel nicht ohne Nachklang verhallen.

In Vertr.: Justizrat Dr. J. Stranz, Berlin.

Vermischtes.

Stellung und Aufgabe der Richter. Eine Er. innerung aus alter Zeit. Am 24. Nov. 1834 wurde das neu errichtete Landgericht in Elberfeld feierlich eingeführt. Ueber die Einführung liegt ein Protokoll von 4 Quartblättern in vornehmer Druckausstattung mit Goldschnitt vor. Nach dem Protokoll waren eingeladen und anwesend der Regierungspräsident von Düsseldorf nebst einer Abordnung der königlichen Regierung, die Landräte, der Oberbürgermeister, der Präsident des Handelsgerichts und der Präsident der Handelskammer u. a. Vom rheinischen Appellhof in Köln sind keine Teilnehmer erwähnt. In der Einführungsrede des zum Ministerialkommissar ernannten Landgerichtspräsidenten Hoffmann heifst es über Stellung und Aufgabe der Richter:

,,In einem Rechtsstreite ist immer einer mehr oder weniger der unterliegende Teil; selten überzeugen ihn die Gründe, welche dem Spruch beigefügt sind, und wenn er sich bei demselben beruhigt, so ist es gewöhnlich die Meinung von der Persönlichkeit seiner Richter, der Glaube an ihre Einsicht und Rechtschaffenheit, welche ihn dazu bewegen. Diese Meinung, diesen Glauben werden wir uns also zu erwerben haben. Nicht genug, dafs wir mit stets fortschreitendem theoretischen Studium unausgesetzten praktischen Fleifs verbinden, dass wir uns stets die zum Urteilen nötige Unbefangenheit auf jede Weise erhalten, dafs wir unser kollegialisches Zusammenwirken zu einer wahren, lebendigen und so notwendig fördernden Wechselwirkung der Geister zu zu erheben, suchen, wir werden auch durch die eingezogene Sittlichkeit unseres Wandels, durch den Ernst und den Anstand unseres Benehmens einem jeden schon von aufsen die Ueberzeugung mitzuteilen haben, dass wir die Würde und die Wichtigkeit unseres Berufes fühlen und entschlossen sind, allen seinen Anforderungen zu genügen.“ Wir, die Beamten des öffentlichen Ministeriums, wir werden das erhabene Beispiel des verehrlichen Richterkollegiums uns zum Muster und zur Richtschnur unserer Handlungen nehmen", so erklärt dann in seinem Vortrage der Oberprokurator Wingender. Weniger Beifall wird heute die erweiterte Aufgabe finden, die er dem Gerichte stellt, sowie ihre Begründung: „Das Recht, das Heiligste des Menschen, zu verwalten, sind wir berufen. Es gibt keine gröfsere und wichtigere Aufgabe, und wer auch der Richter sein mag, er ist nicht nur da, um die Gerechtigkeit unter den Parteien zu üben, sondern seine höchste und heiligste Pflicht ist, ihr allenthalben Eingang zu verschaffen und ihre Herrschaft weiter zu verbreiten, und so die Wohlfahrt des Staates und die Ruhe und den Frieden unter den Bewohnern zu begründen. Diesem heiligen Berufe wollen wir sämtlich nachkommen, und dieses können wir denn auch, da klare und umfassende Gesetze geschrieben sind."

"

Scharf und klar zeichnet der Präsident die ausschliefsliche Herrschaft der Parteien über den Rechtsstreit, wenn er sich an die Anwälte mit den Worten wendet: „Wir hoffen auf Ihren Beistand, meine Herren Advokat-Anwälte, Sie sind zwischen die Parteien und ihre Richter gestellt; Ihnen ist die Einleitung des Prozesses und seine Vor

bereitung zum Spruche anvertraut; von Ihnen müssen wir die Tatsachen erfahren, auf welche die gegenseitigen Ansprüche gegründet werden; Sie legen uns die Beweise für dieselben vor. Sie erleichtern uns das Urteil durch die Rechtsgründe, welche Sie für Ihre Klienten anführen.“ Weiter heifst es: „Treue, einsichtsvolle und verschwiegene Ratgeber der Parteien, werden Sie ihre Angelegenheiten aufsergerichtlich zu ordnen und bevorstehende Prozesse mit Vorsicht zu vermeiden suchen. Ist es aber zum Streit gekommen, so werden Sie mit mutiger und unerschütterlicher Ergebenheit für Ihre Klienten strenge Achtung gegen das Recht und die Gesetze verbinden und jede unkollegialische Richtung, jede unnütze Weiterung als unter der Würde Ihres Standes verschmähen. Sie werden uns keine Sache eher zur Entscheidung vorlegen als bis sie durch die gesetzlichen Mitteilungen und Vorverhandlungen auch wirklich reif dazu geworden ist, und so die Menge von Zwischenurteilen vermeiden, die zuweilen Anlafs zu Ausstellungen gegen unsere Prozefsordnung geben." Handelt es sich nach der Schlufswendung auch hauptsächlich um bestimmte Vorschriften des rheinisch-französischen Verfahrens, so läfst das Ganze doch erkennen, dafs auch im gelobten Lande der Mündlichkeit eine ausgiebige schriftliche Vorbereitung schon 1834 als zweckentsprechend angesehen wurde. Und schon damals vertraut der Oberprokurator gerade den Anwälten, auch sie werden im Sinne und im Einverständnisse des Gerichtshofes wirken, dessen Beruf und Wille es ist, den Gerichtseingesessenen eine schnelle Justiz zu leisten."

Gar verschiedenartige Betrachtungen liefsen sich an das Mitgeteilte anknüpfen, und auch sonst enthält das Protokoll noch manches Bemerkenswerte. Allgemein bekannt zu werden, verdienen aber die wahrhaft klassischen Worte, mit denen Präsident Hoffmann am Schlusse die Stellung der Richter als in ihrer Amtsführung unabhängige, aber immer doch als Gehilfen und Vertreter des Königs umschreibt: „Wir wissen, dafs es einerlei ist, ob wir in jedem Falle, der uns zur Entscheidung kommt, bei jeder Handlung, die wir vorzunehmen haben, fragen: was erfordert das Recht, wie will es das Gesetz? oder: was verlangt der König von uns? was würde Er uns befehlen, wenn Er in unsere Mitte träte?" Jeder in seinem Namen ergehende gerechte Rechtsspruch ist in der Tat des Königs Wille.

Zum hundertjährigen Geburtstage von Carl Sintenis. Am 25. Juni d. J. waren hundert Jahre verflossen, seit Carl Friedrich Ferdinand Sintenis zu Zerbst geboren ward. Schon in jungen Jahren fafste er den kühnen Plan, eine Uebersetzung des gesamten Corpus Iuris Civilis und der für das Privatrecht wichtigen Teile des Corpus Iuris Canonici herauszugeben, und führte diese gewaltige Arbeit in Gemeinschaft mit einigen anderen Gelehrten bis 1835 zu Ende. Noch gröfseren Ruf erlangte er durch sein „Handbuch des gemeinen Pfandrechts" (Halle, 1836), vor allem aber durch das Hauptwerk seines Lebens, das „Praktische, gemeine Zivilrecht“ (Leipzig, 1844-1851, 3. Aufl. 1869), das lange Zeit eine führende Stellung in der juristischen Literatur einnahm und für das Studium des gemeinen Rechts noch gegenwärtig hohe Bedeutung besitzt. Es war Sintenis hauptsächlich darum zu tun, die Wissenschaft mit der Praxis zu vermitteln; hierzu war er berufen wie selten einer. Denn bei ihm trafen in glücklichster Weise zusammen eine gründliche humanistische Bildung, ausgebreitete Rechtskenntnisse, umfassende Kenntnis der Praxis, die er sich als Advokat und Richter erworben hatte, eine mehrjährige Tätigkeit als akademischer Lehrer, eiserner Fleifs und hervorragender Scharfsinn.

[blocks in formation]

Deutsches Reich: Vf. v. 15. 6. 1904, bt. Aendrgn. in d. Bestimgn. d. Ausf.-Uebereinkunft z. internat. Telegraphenvertrage v. St. Petersburg, v. 10./22. 7. 1875 (A.-Bl. d. R.-Post-A. S. 161). Vf. v. 16. 6. 1904, bt. neue Ausgabe der Telegr.-Ordn. (S. 171 u. C.-Bl. f. d. D. R. S. 229). Vf. v. 20. 6. 1904, bt. Porto ablösgs.vertrg. m. d. preufs. Staatsregierg. (A.-Bl. d. R.-Post-A. S. 175). - Drei Abkommen v. 12. 6. 1902 üb. internat. Privatrecht, näml.: 1. z. Regelg. d. Geltungsbereichs der Ges. auf dem Gebiet d. Eheschliefsg. (R.-G.-Bl. S. 221); 2. z. Regelg. d. Geltungsbereichs der Ges. u. d. Gerichtsbkt. auf d. Geb. d. Ehescheid. u. d. Trenng. v. Tisch u. Bett (S. 231); 3. z. Regelg. d. Vormundschaft üb Minderj. (S. 240), sowie Rkzlr.-Bk. v. 24. 6. 1904, bt. Ratifikation dieser 3 Abkom. (S. 249).

Preussen: M.-Vf. v. 11. u. 20. 6. 1904, bt. Grundb.-Anleg. f. Bezt. d. A.-G. Prüm u. Vöhl (Ges.-S. S. 109). - Allg. Vf. v. 20. 6. 1904, enth. A endrgn. d. Gesch-Anw. f. Gerichtsvollz. (J.-M.-Bl. S. 155). Allg. Vf. v. 21. 6. 1904, bt. Bezeichn. der Kap. u. Tit. d. Etats d. Justizverwltg. (S. 156).

Sachsen: M.-Vo. v. 31. 5. 1904, bt. A bänd. d. General-Vo. üb. Vertrieb v. Losen d. K. Sächs. Landeslotterie durch hierzu nicht befugte Pers. v. 2. 4. 1859 (G.- u. Vo.-Bl. S. 195). M.-Vo. v. 7. 6. 1904 z. Ausf. d. Ges. v. 24. 5. 1904, bt. Erstreckg. d. Allgem. Bergges. auf den Erzbergbau i. d. Oberlausitz (S. 196). M.-Vo. v. 16. 6. 1904 z. Ausf. d. Ges. v. 26. 5. 1904, bt. Aufhebg. e. Bergbegnadig. (S. 201). Ges. v. 3. 6. 1904, bt. Einrichtg. d. Altersrentenbank (S. 209) n. Ausf.-Vo. v. 4. 6. 1904 (S. 221).

Baden: M.-Bk. v. 7. 6. 1904, bt. Inkraftsetzg. d. reichsgesetzl. Grundbuch rechts in Bezt. d. A.-G. Neustadt, Eberbach u. Moosbach (G.- u. Vo.-B. S. 97). M.-Vo. v. 9. 6. 1904 üb. Vollz. d. Ges. v. 11. 8. 1902, bt. Erziehg. u. Unterr. nicht vollsinniger Kinder (S. 98). M-Vo. v. 20. 5. 1904, bt. Vollstreckg. dtsch Urt. in Bosnien u. d. Herzegowina (St.-Anz. S. 299).

[ocr errors]

Mecklenburg-Strelitz: Reg.-Vo. v. 3. 5. 1904, bt. Schonzeit des Wildes (Off. Anz. f. M.-Strel. S. 141). Reg.-Bk. v. 13. 6. 1904, bt. Anleg. d. Grundb. f. 68 ritterschftl. Landgüter (S. 142). Oldenburg: M-Bk. v. 25. 5. 1904 z. Ausf. d. Rkzlr.-Bk. v. 4. 5. 1904, bt. Vorschrftn. üb. Arbeiten u. Verk. m. Krankhts.erregern, ausgenom. Pesterreg. (G.-Bl. f. d. Hzt. O. S. 107). Reg.-Bk. v. 27. 6. 1904, bt. Verk. m. Geheimmitt. u. ähnl. Arzneimitt. (G.-Bl. f. Birkenf. S. 243).

Anhalt: L.-Pol -Vo. v. 21. 4. 1904, bt. Schlachtvieh- u. Fleischbeschau, einschl. Trichinenschau (Ges.-S. S. 67). Ges. v. 27. 4. 1904, bt. Abänd. d. Ausf.-Ges. z. R.-Ges. üb. Unterstützgswohnsitz. (S. 119). - Ges. v. 29. 4. 1904, bt. Genehmg. v. Zuwendgn. an jurist. Pers. u. Beaufsicht. v. Stiftgn. (S. 123). Ges. v. 4. 5. 1904, bt. A bänd. d. Ges. v. 18. 4. 1886 üb. Einführg. e. Einkommensteuer u. e. festen Grundsteuer (S. 139).

Schwarzburg-Sondershausen: M.-Bk. v. 4. 6. 1904, bt die v. Bundesr. erlass. Prüfgs.-O. f. Apotheker v. 18. 5. 1904 (Ges.-S. S. 203). Ausf.-Vo. v. 15. 6. 1094 z. Bk. d. Reichskzlrs. v. 4. 5. 1904, bt. Vorschrftn. üb. Arbeiten u. Verk. m. Krankhtserreg, ausgenom. Pesterreger (S. 221).

Reufs J. L.: Ges. v. 9. 6. 1904, bt. A bänd. d. Ges. v. 12. 3. 1903 üb. staatl. Schlachtviehversichrg. (G.-S. S. 127). Ges. v. 7. 6. 1904 wegen Abänd. d. §§ 3 u. 12 Ges. v. 7. 8. 1899, bt. d. Handelskam. (S. 131).

Bremen: Bk. der Texte des Ges., bt. Erbschafts- u. Schenkgsabgabe. u. das Ges., bt. Abgabe v. Veräussergn. v. Grundstekn. u. v. Versteigrgn., in der durch die Ges. v. 7. 6. 1904 abgeänd. Fssg. v. 19. 6. 1904 (Ges.-Bl. S. 171).

Sprechsaa 1.

Rechtsunterricht und Vorbereitungsdienst. Wiederholt ist gewünscht worden, der Student solle vor Beginn des Studiums zunächst einmal die Praxis kennen lernen. Am häufigsten wurde vorgeschlagen, dafs ein praktisches Jahr den künftigen Studierenden in das Rechtsleben einführen sollte. Diesem Vorschlage liegt der richtige Gedanke zugrunde, dafs der Student in seine Berufswissenschaft hineinkommt bar jeder tatsächlichen Empirie, ohne Kenntnis irgendwelchen Beobachtungsmaterials, ohne gedächtnismäfsigen Besitz konkreter praktischer Fälle.1) Gegen

1) Mir sagte einmal ein alter Praktiker: „Ich behalte die neuen Bestimmungen des BGB. nur, wenn ich einen praktischen Fall darüber erlebt habe." Eine für jeglichen Unterricht zutreffende Wahrheit.

diesen Vorschlag ist eingewandt worden, dafs seine Durchführung tiefgreifende Veränderungen des Vorbereitungsdienstes mit sich bringen würde. Das ist richtig, wäre aber nicht ausschlaggebend. Bedeutsamer ist der Einwand, dafs das in der Praxis gebotene Lehr- und Beobachtungsmaterial sich nicht nach pädagogischen Grundsätzen zusammenfindet, sondern durch vielfache Wiederholung von Rechtsstreitigkeiten derselben Art einseitig wirkt. Die Ueberlegenheit des akademischen Unterrichts besteht gerade darin, dafs auf der Universität die praktischen Rechtsfälle nach den Bedürfnissen des Unterrichts zusammengesucht und verwandt werden können. Das schwerste Bedenken ist aber, dafs die aufgewandte Zeit zu dem Erfolge in einem noch gröfseren Mifsverhältnis stehen wird, als die Studienzeit zu dem Studienerfolg. Die Gründe hierfür

sind schon so oft auseinandergesetzt, dafs ein weiteres Eingehen sich erübrigt.

Immerhin lässt sich dieser Vorschlag doch bis zu einem gewissen Grade nutzbar machen. Es ist gewiss nicht zu schwer für den künftigen Juristen, in den Wochen zwischen Abiturientenprüfung und Semesterbeginn bei dem nächsten Amtsgericht (und, wenn möglich, auch bei dem nächsten Landgericht) einige Ziviltermine mit anzuhören. 7 Unsere künftigen Juristen wissen eben leider nicht, dafs sie dies tun können, und dafs ihnen dies recht nützlich wäre. Sie kennen höchstens einmal eine Schwurgerichtsverhandlung und allenfalls einen Prozefs vor dem Schöffengericht, die für sie viel wichtigeren Zivilprozesse werden bedauerlicherweise keiner Aufmerksamkeit gewürdigt. Darum möchte ich hier darauf aufmerksam machen, dafs die jungen Rechtsbeflissenen möglichst frühzeitig in die Gerichtssäle zu Zivilverhandlungen geschickt werden sollten, damit sie uns wenigstens ein bescheidenes Mafs von Anschauung und juristischer Empirie in die Hörsäle mitbringen. Zu diesem Besuche der Zivilverhandlungen müfsten die Studierenden, wenn möglich, auch noch mindestens einmal in den grofsen Herbstferien veranlasst werden. Selbstverständlich genügt der Besuch von einem oder zwei Terminen nicht, es müfsten alle Termine einer Zivilabteilung des Amtsgerichts im Frühling während vier Wochen, im Herbste während sechs Wochen besucht werden. Auf diese Weise könnten durch freiwillige Uebung die Studierenden zu einer Zeit, wo sie noch an- die Rezeption gewöhnt sind, einige gerichtliche Kurse durchmachen. Hierzu ist Domizilpflicht am Gerichtsort nicht notwendig, die kurze Entfernung bis zum nächstgelegenen Amtsgerichte wird von seinem Wohnorte aus jeder ein oder mehrere Male in der Woche zurücklegen können. Dies Verfahren fordert nur etwas guten Willen. Den Zeitverlust können wir ruhig hinnehmen, denn erfahrungsmäfsig werden die ersten Ferien recht wenig ausgenutzt, und ferner wird der Zeitverlust durch den erzielten Gewinn reichlich eingebracht. Auf diese Weise haben wir so ziemlich die meisten Vorteile des praktischen Vorbereitungsdienstes, der vor dem Studium eingeschoben werden soll, ohne dafs seine Nachteile sich zu schwer geltend machen.

Sollte an der Forderung des praktischen Jahres vor Beginn des Studiums noch ferner festgehalten werden, so liefse sich diesem Begehren mit Hilfe meines Vorschlages wesentlich entgegenkommen. Macht man die hier als freiwillig gedachten gerichtlichen Ferienkurse obligatorisch, so lassen sie sich in die Studienzeit einschieben, ohne diese sonderlich mehr zu belasten. Ein von dem Amtsrichter über gewissenhaften Besuch des Kurses ausgestelltes Zeugnis könnte es sogar rechtfertigen, dass die Referendarzeit abgekürzt wird.

Ich wage nicht zu entscheiden, ob sich in dieser Hin

« EelmineJätka »