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welche in Gemäfsheit des Reichsmünzges. v. 9. Juli 1873 ausgeprägt sind. Auf Grund solcher Eintragung sind nun für die Zukunft drei verschiedene Eventualitäten denkbar:

1. Die Ausführung der Goldklausel findet zu einer Zeit statt, wo die in Gemäfsheit des Gesetzes v. 9. Juli 1873 ausgeprägten Goldmünzen noch Reichswährung sind. Dann ist unzweifelhaft auch in diesen Reichsgoldmünzen zu leisten;

2. es ist inzwischen eine Doppelwährung eingeführt. Dann ist in den auf Grund der Doppelwährung eingeführten Goldmünzen zu leisten, denn sie sind geltende Reichswährung;

3. es ist nach Eingehung der Goldklausel die Silberwährung eingeführt, eine Eventualität, die fast undenkbar ist. Dann tritt § 245 des BGB. ein, eine Reichsgoldwährung besteht zur Zeit der Ausführung der Goldklausel nicht mehr, und es kann höchstens die Forderung des Agios in Frage kommen, dasselbe dingliche Geltung aber nur haben, wenn seine bestimmte Eintragung erfolgt ist.

Vielleicht können diese Mitteilungen aus der Praxis dazu dienen, um in Anknüpfung an das Kammergericht die Ausführungen Oertmanns als unzweifelhaft richtig zu befestigen.

Geh. Justizrat Dr. Lesse, Berlin.

Zum Fall vom ,,Menschenfresser" Franz Bratuscha. Die Leser der DJZ. erinnern sich, dafs mit Rücksicht auf diesen vereinzelt dastehenden Fall eine Schilderung desselben auf S. 143 d. Bl. von mir gegeben wurde. Die fernere Entwicklung erfordert eine Ergänzung, da der damals rätselhaft erschienene Vorfall nach den neuesten Feststellungen erst recht eine grundsätzliche Bedeutung für die Kriminalistik erlangt und Interesse bei allen Juristen zu wecken geeignet erscheint. Als Resumé jenes Aufsatzes sei zunächst wiederholt: April 1900 entwich die 12jährige Johanna B. aus dem Elternhause, und es gestand später der Vater des Kindes, Franz B, er habe vor kurzem sein Kind wiedergefunden, habe es erwürgt, nach Hause getragen, zerstückelt, verbrannt und teilweise aufgegessen. Er wurde zum Tode verurteilt, begnadigt und sollte lebenslang Kerker verbüssen. Seine Frau, die auch gestand, beim Zerstückeln des Leichnams geholfen zu haben, wurde zu drei Jahren Kerker verurteilt.

Durch einen Zufall stellte es sich im Herbst 1903 heraus, dafs die verschwundene, angeblich erwürgte und verbrannte Johanna B. lebt, ihre Identität wurde mit zweifelloser Sicherheit festgestellt und der Justizirrtum so gut als möglich ausgebessert. In meinem Aufsatze hatte ich von den denkbaren fünf Möglichkeiten, nach welchen die Sache erklärt werden kann, namentlich zwei hervorgehoben. Entweder: Franz B. hat ein anderes Kind, vermutlich aus Aberglauben, getötet und glaubte besser wegzukommen, wenn er angab, es sei sein eigenes gewesen, da in den Köpfen der Leute öfter eine eigentümliche Vorstellung von der patria potestas spukt. So liefse sich allein der Umstand erklären, dafs sich im Besitze des Franz B. noch ein zweiter, angeblich blutbefleckter Anzug eines Kindes gefunden hat, obwohl die Johanna B. bei der grenzenlosen Armut der Leute keinen zweiten Anzug besessen haben wird. Oder: es wäre Geistesstörung anzunehmen. Da die Gerichtsärzte (keine Spezialitäten als Irrenärzte) erklärt hatten, B. sei geistig gesund, so mufste ich rebus sic stantibus erklären, dafs sich bei B. eine Verrücktheit entwickeln wird (die also vielleicht dermalen latent bestünde).

Soweit stand damals der Fall. Die Gerichte hatten es sich nun zurechtzulegen, ob B. nicht wegen Verleum

dung seiner Frau, die er der Mithilfe am Zerstückeln etc. beschuldigt hatte, zu verfolgen ist, und um dies klar zu stellen, mufste der Geisteszustand des Franz B. untersucht werden. Mit dieser heiklen Arbeit wurden die Professoren Kratter und Zingerle in Graz betraut, die nun nach sorgfältiger Beobachtung des Franz B. ihr Gutachten erstattet haben. Die ungemein interessante Arbeit gelangt zu dem Schlusse, dafs sich Franz B. zur Zeit des Verfahrens und seiner Verurteilung in einem Zustande gestörter-Geistestätigkeit befand, dafs dieser noch jetzt andauere, und dafs dieser bei psychopathischer Veranlagung lange andauernde, intensive Gemütsaffekte ausgelöst habe; die damaligen und jetzigen falschen Aussagen des B. stehen damit in direktem Zusammenhang und sind nicht bewufste Lüge, sondern Erinnerungsfälschungen. Diese Schlüsse werden damit begründet: Der Fall gehöre zu den gröfsten Seltenheiten, zumal B. selbst unter dem Eindrucke der (von ihm sehr gefürchteten) Todesstrafe sein falsches Geständnis nicht widerrief. Gefälschte Erinnerungen seien aber im allgemeinen bei verschiedenen Geistesstörungen häufig, und so war es Aufgabe der Psychiater, festzustellen, ob eine dieser Geistesstörungen hier vorliege und die falschen Angaben kausiert habe. Erbliche Belastung sei nicht erweisbar, wohl aber sei eines seiner Kinder imbezill, während das andere (die angeblich ermordete Johanna) zweifellos krankhaft psychisch verändert sei und offenbar an pathologischem Lügen leide. Franz B. sei intelligent, geistig regsam und findig, aber sehr reizbar und jähzornig; Schwindel, Krämpfe, Epilepsie, Angstzustände etc. sind nicht erweisbar, kein Trinken, keine Syphilis, keine übertriebene Religiosität, keine nennenswerten somatischen Degenerationszeichen. Allerdings gehe seine Reizbarkeit so weit, dafs von psychopathischer Konstitution gesprochen werden kann, die durch schwere Arbeit, drückende Armut und Sorge beeinflusst wurde, auch das Verschwinden der Tochter hat ihn aufgeregt; seinen Nachbarn fiel bald sein ruheloses Benehmen auf, er selbst habe Angst bekommen, dafs man ihn für das Verschwinden des Kindes verantwortlich machen werde, so dafs sich die depressiv ängstliche Verstimmung leicht erklären läfst. Als nun die Erhebungen gegen ihn begannen, war dies der Anstofs, um den Mann in wirklich krankhaften Zustand zu bringen. Zuerst leugnet er, dann gesteht er, und je mehr er gefragt wird, desto ausführlicher erzählt er, desto mehr oft schauderhafte Details gibt er an: „er baut sein Geständnis immer weiter aus“, bringt aber einen Widerspruch nach dem anderen, weil er sich immer den neuen Erhebungen zu akkomodieren sucht; hierbei entwickelt er wieder erstaunliche Geschicklichkeit, um alles zu erklären und in Uebereinstimmung zu bringen, wobei ihn sein gutes Gedächtnis wesentlich unterstützt: Intellektstörungen fehlen überhaupt vollständig; ebenso lag aber auch bewufstes Lügen sicher nicht vor, da hierfür kein Motiv zu finden ist.

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Nur durch häufige Reproduktion der allmählich gewonnenen falschen Erinnerungen sei es zu einer Konstanz des Inhalts soweit gekommen, dafs er bei der Hauptverhandlung ein in allen Details ausgearbeitetes, widerspruchslos in sich geordnetes Geständnis vorlegen konnte"; dafs dann niemand mehr zweifelte, ist begreiflich.')

So wäre also der Fall lediglich durch krankhafte Erinnerungsfälschung erklärt, wobei allerdings zahlreiche, ganz besonders unglückliche Zufälligkeiten mitgewirkt haben. Die zu ziehende Lehre wäre die, dafs wir heute nie mehr auf allgemeines Wissen, sondern nur auf das von Spezialisten greifen dürfen. Die Gerichtsärzte, welche den Franz B.

1) Hiermit ist Anklage und Schuldspruch auch durch die Psychiater gerechtfertigt.

für geistig gesund erklärten, sind in ihrem Fache ausgezeichnet, aber das reiche, mit allen modernen Feinheiten ausgestattete Wissen des Psychiaters, der sich nur seinem Fache widmet, haben sie nicht und können sie nicht haben, die Zeiten des Polyhistors sind ein für allemal vorüber. Wir müssen aber zugeben, dafs der Fall erst später, als man sah, dafs das Geständnis falsch war, psychiatrisches Interesse gewann und die Heranziehung von Spezialisten notwendig machte; bevor man dies wufste, mochte wohl die Beobachtung durch „Gerichtsärzte" genügen, Anlass zu besonders genauer Untersuchung lag ja damals nicht vor; von der scientia ex post darf man sich auch hier nicht leiten lassen. Dafs der Fall des Menschenfressers nun geklärt ist, behaupte ich nicht, viele dunkle Fragen, so namentlich die falsche Agnoszierung des Kindes der Th. Holz, der aufgefundene zweite Anzug etc., sind und bleiben noch ungelöst, aber wir wissen wenigstens unbedingt, dafs Franz Bratuscha nicht bestraft werden kann. Professor Dr. H. Grofs, Prag.

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Zum Begriff der korrespektiven Verfügungen. Die in § 2270 BGB. bezeichneten Verfügungen pflegt man in Anlehnung an den älteren Sprachgebrauch korrespektive zu nennen. Einige neuere Schriftsteller haben diesen Begriff dadurch erweitert, dafs sie auch von einseitiger Korrespektivität sprechen, um damit den Fall zu bezeichnen, dafs nur einer der Ehegatten seine Verfügung von einer Verfügung des anderen abhängig macht“. Ob das sprachlich richtig sei, ist eine untergeordnete Frage. Bedeutsam ist, dafs mindestens einer dieser Schriftsteller, Cosack, in seinem Lehrbuch Bd. 2 S. 643 annimmt, die besonderen Vorschriften in § 2270 Abs. 1, § 2271 BGB. fänden auch auf einseitig korrespektive Verfügungen Anwendung; selbstverständlich nur dann, wenn diejenige der beiden Verfügungen widerrufen werde oder nichtig sei, von der die andere abhängt.

Ist dies zu billigen? Die Frage hat nicht allein erhebliche praktische Bedeutung, sondern ist auch geeignet, das Verständnis der ganzen Materie wesentlich zu fördern.

Dafs die Cosacksche Ansicht logisch möglich sei, soll nicht bestritten werden. Zwei Ehegatten setzen in einem gemeinschaftlichen Testament ihre gemeinschaftlichen Kinder zu Erben ein, und gleichzeitig vermacht der Ehemann die Hälfte seines Vermögens seinem Vetter. Steht nun tatsächlich fest, dafs der Ehemann eine solche Zuwendung an seinen Vetter zu Lasten seiner Kinder nur deshalb gemacht hat, weil er sich darauf verliefs, seinen Kindern sei durch ihr mütterliches Erbe ein genügender Wohlstand gesichert, so läfst sich mit den Worten des § 2270 Abs. 1 sagen, dafs der Ehemann die Verfügung zugunsten seines Vetters nicht ohne die Verfügung der Ehefrau getroffen haben würde, und es wäre logisch denkbar, dass das Gesetz bestimmte, das Vermächtnis an den Vetter werde unwirksam, wenn die Ehefrau das ihren Kindern Zugedachte diesen wieder entzieht, und sie könne dies bei Lebzeiten ihres Ehemannes nur in den Formen des § 2296, nach seinem Tode aber überhaupt nicht mehr tun. Selbstverständlich würde dagegen ein Widerruf des Vermächtnisses an den Vetter die Berufung der Kinder zur mütterlichen Erbschaft in keiner Weise berühren und dem Ehemann auch nach dem Tode der Ehefrau ein solcher Widerruf freistehen.

Aber ist diese logische Möglichkeit auch Wirklichkeit? Der Wortlaut des Gesetzes ist zweifellos dagegen. Der § 2270, der den Tatbestand aufstellt, spricht davon, dafs die Ehegatten, also beide, Verfügungen der fraglichen Art getroffen haben, und er verlangt, dafs von diesen Ver

fügungen, also einer Mehrheit von Verfügungen, anzunehmen sei, dafs die eine nicht ohne die andere getroffen sein würde. Ebenso passen die Gesetzesworte, die die rechtlichen Folgen aussprechen, nur auf zweiseitig korrespektive Verfügungen. Weder § 2270 Abs. 1, noch § 2271 Abs. 1, noch § 2271 Abs. 2 ist auf den Fall der einseitigen Korrespektivität berechnet: müfsten sie doch anderenfalls aussprechen, dass in solchen Fällen die statuierten Rechtsfolgen nur für die eine der beiden Verfügungen eintreten sollen, und zugleich angeben, für welche von beiden sie eintreten sollen.

Es bleibt zu untersuchen, ob etwa das Gesetz im Wege der Analogie über den von ihm behandelten Fall hinaus ausgedehnt werden darf.

Gewifs ist in dem zit. Beispiel, wenn die Ehefrau nach dem Tode des Ehemanns ihre Kinder auf den Pflichtteil beschränkt, eine Erwartung, die den Ehemann zu jenem Vermächtnis an seinen Vetter bestimmt hatte, unerfüllt geblieben; gewiss mufs bei solcher Sachlage das Gesetz Abhilfe schaffen. Aber ähnliche Sachlagen ergeben sich häufig genug, und deshalb hat das Gesetz eine generelle Bestimmung für alle Fälle getroffen, wo der Erblasser zu einer Verfügung durch die irrige Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstandes bestimmt worden ist. Die Abhilfe besteht nach § 2078 darin, dafs die Verfügung, hier also das Vermächtnis an den Vetter, angefochten werden kann. Warum sollte nun diese, in anderen Fällen getäuschter Erwartungen als genügend erachtete Abhilfe in unserem Falle ungenügend sein, so sehr, dafs sie ersetzt werden müfste durch eine so ungewöhnliche Mafsregel, wie einen Eingriff in die Testierfreiheit der Ehefrau? Ein solcher Eingriff ist durchaus am Platz im Falle des § 2271, wo der Ueberlebende seine Verfügung im Hinblick und in Rücksicht auf einen ihm vom Erstverstorbenen zugewendeten Vorteil getroffen hat, wie dies bei zweiseitig korrespektiven Verfügungen immer zutrifft: denn wenn der Ueberlebende sich zu einer Verfügung, die er sonst nicht getroffen haben würde, durch eine Verfügung seines Ehegatten hat bestimmen lassen, so beweist das, dafs er diese Verfügung des anderen als einen Vorteil empfunden hat, mag sie nun ihm selbst oder einer anderen ihm nahestehenden Person zugute gekommen sein; wie hätte sie ihn sonst zu einer Verfügung zugunsten des anderen Teils bestimmen können? Allein wenn in diesem besonderen Falle Billigkeitserwägungen einen Eingriff in die Testierfreiheit des Ueberlebenden rechtfertigen, so kann dies, ohne positiven Anhalt im Gesetzeswort, lediglich im Wege der Analogie, nicht ausgedehnt werden auf einen Fall, wo ähnliche Billigkeitsgründe nicht vorliegen, indem der Ueberlebende keinerlei Vorteil aus dem Testament des Erstverstorbenen zieht, diesem vielmehr ganz fremd und unbeteiligt gegenübersteht.

Vielleicht wird gegen die Hineinziehung des erhaltenen Vorteils in den Begriff der korrespektiven Verfügung eingewendet werden, es gäbe Fälle, wo von zwei korrespektiven Verfügungen die eine getroffen werde, nicht im Hinblick auf eine von dem Verfügenden als Vorteil empfundene Verfügung des anderen Ehegatten, sondern gerade umgekehrt, im Hinblick auf einen ihm zugefügten Nachteil. Man kann z. B. in dem angeführten Falle weiterhin unterstellen, dafs die Mutter ihr ganzes Vermögen den Kindern nur deshalb zugewendet habe, weil diese durch das väterliche Vermächtnis an den Vetter verkürzt sind; läge diese Verkürzung nicht vor, so würde die Mutter einen Teil ihres Vermögens nicht den Kindern, sondern einer gemeinnützigen Stiftung hinterlassen haben. Es liege also vollständig der Tatbestand des § 2270 vor: von jeder

der beiden Verfügungen sei anzunehmen, dass sie nicht ohne die andere getroffen sein würde.

Die Konsequenzen aus einer solchen, von dem Erfordernis der Vorteilsgewährung absehenden Auffassung sind durchaus unbefriedigend: der Ehemann könnte nach dem Tode der Ehefrau das Vermächtnis an seinen Vetter nicht mehr widerrufen; auch ein Widerruf bei Lebzeiten der Ehefrau wäre ungültig, wenn nicht die Vorschriften des § 2296 beobachtet sind!

Solchen Konsequenzen zu entgehen, dürfte es wohl gestattet sein, die Worte des § 2270 etwas schärfer zu pressen und zu sagen: es trifft nicht zu, dafs die Frau ihre Kinder ohne das ehemännliche Vermächtnis an den Vetter nicht zu Erben aufs Ganze berufen haben würde; sie hätte sie zu Erben auf ihr ganzes Vermögen auch dann eingesetzt, wenn der Ehemann anstatt seines Vetters eine andere Person, z. B. seinen Neffen, mit dem Vermächtnis bedacht hätte. Bestimmend für sie war vielmehr der Umstand, dafs der Ehemann den Kindern nicht sein ganzes Vermögen hinterlassen hat, also nicht eine „Verfügung des anderen", wie § 2270 es erfordert, sondern das Unterlassen einer Verfügung. Damit aber ist der Tatbestand des § 2270 nicht erfüllt.

Führt man diese Unterscheidung in allen Fällen durch, d. h. untersucht man immer, ob der positive Inhalt der Verfügung des einen Ehegatten für den anderen bestimmend war, so ist das Moment der Vorteilsgewährung überall gewahrt, damit aber sind die Bestimmungen über korrespektive Verfügungen auf das Gebiet beschränkt, auf das allein sie berechnet, auf dem allein sie innerlich berechtigt sind.

Justizrat Dr. Oswalt, Frankfurt a. M.

Unterschreiben des Testaments durch den blinden Erblasser. In der Literatur ist unter Berufung auf die Motive zum BGB. I. S. 188 die Ansicht aufgestellt, dafs der blinde Erblasser das Testamentsprotokoll unterschreiben muss. Doch steht im § 93 des I. Entw.: „Ist durch Rechtsgeschäft die schriftliche Form bestimmt, so" findet der vorhergehende Paragraph Anwendung, d. h. die Vorschrift betreffs des Unterschreibens und des beglaubigten Handzeichens. Die Motive verhalten sich also über die Beschaffenheit der gewillkürten Schriftform, es heifst dabei: Keine besondere Vorsorge ist für diejenigen Fälle getroffen, in welchen eine einfache schriftliche Willenserklärung seitens eines Blinden in Frage steht. Solchen Personen steht jederzeit frei, die Willenserklärung gerichtlich oder notariell abzugeben. Einen Zwang in der letzteren Richtung auszuüben, empfiehlt sich nicht. Der Blinde vermag sich von dem Inhalt eines Schriftstückes durch die Mitteilung anderer Kenntnis zu verschaffen, und wenn er im Vertrauen auf die Gewissenhaftigkeit und Redlichkeit der ihm zur Seite Stehenden die Urkunde unterzeichnen will, so hat das Gesetz keinen genügenden Grund, diesem Willen ein Verbot entgegenzusetzen." Danach setzt die Unterschrift eines Blinden seinen Wunsch voraus, zu unterschreiben. Wenn nun § 2242 BGB. vorschreibt, das Protokoll mufs vorgelesen, von dem Erblasser genehmigt und von ihm eigenhändig unterschrieben werden, so bedeutet die Unterschrift die endgültige Bestätigung der Genehmigung des Protokolls durch Unterschreiben unter Wahrnehmung dessen, was unterschrieben wird. Der Blinde kann nicht wahrnehmen, was er unterschreibt.

Daher ist eine Vollziehung von Erklärungen nur möglich, wenn der Blinde den freien Willen hat, die Erklärung als unterschrieben gelten zu lassen. Davon kann aber nur bei der einfachen schriftlichen Form die Rede sein, § 2242 BGB.

setzt voraus, was nicht der Parteiabrede oder Willkür unterliegt. Oder mit kurzen Worten: Es gibt eine rechtlich verbindliche Unterschrift eines Blinden nur bei Rechtsgeschäften, die nicht gerichtliche oder notarielle Form erfordern, bei gerichtlichen oder notariellen Akten wäre die Unterschrift etwas in sich Widerspruchsvolles; die MufsUnterschrift setzt Wahrnehmungsfähigkeit voraus.

Amtsgerichtsrat Pignol, Charlottenburg.

Pfändungen von Geldforderungen für rückständige Staats- und Gemeindesteuern. Gemäfs § 39 der Verordnung betr. das Verwaltungszwangsverfahren v. 15. Nov. 1899 sind gepfändete Geldforderungen durch die Vollstreckungsbehörde demjenigen zur Einziehung zu überweisen, „für dessen Rechnung“ die Zwangsvollstreckung erfolgt. In der Regel ist der säumige Zensit mit Staats- und Gemeindesteuer gleichzeitig in Rückstand gekommen. Schreitet nun die mit der Einziehung beauftragte Kommune zur Pfändung, so sind zwei Ueberweisungsberechtigte vorhanden, der preufsische Staatsfiskus bez. der Staats-, die Gemeinde bez. der Gemeindesteuern. Bei korrektem Verfahren erscheint es daher geboten, in jedem Falle die Forderung sowohl der zur Vertretung des Fiskus zuständigen Regierung, wie dem Gemeindevorstand zu überweisen und beiden den Ueberweisungsbeschlufs zuzustellen. Der Art. 75 Abs. 3 der Ausführungsanweisung zu der zit. Verordnung besagt aus

drücklich:

Der Ueberweisungsberechtigte ist stets der Gläubiger, für dessen Rechnung die Zwangsvollstreckung erfolgt, also z. B. bei Steuern und Abgaben an den Staat und das Reich der Staats- oder Reichsfiskus, bei Kommunalabgaben der Kommunalverband, bei Kirchensteuern die Kirchengemeinde usw. Hiernach bestimmt sich auch, an wen die Zustellung der Ueberweisungsverfügung geschehen mufs."

Dafs es im Willen des Gesetzgebers gelegen habe, bei gemeinschaftlichen Pfändungen andere Grundsätze walten zu lassen, ist nicht wohl anzunehmen. Die Praxis ist trotzdem, wie eine Umfrage bei einer Reihe von Grofsstädten ergab, dem nicht gefolgt. In der Regel begnügt man sich damit, der Formel des Ueberweisungsbeschlusses etwa die Fassung zu geben, dafs „die Forderung der Steuerverwaltung zur Einziehung überwiesen wird;" die Zustellung des Beschlusses an die Regierung unterbleibt allgemein.

Es fragt sich, ob dies vereinfachte Verfahren, das bei der erheblichen Anzahl derartiger Pfändungen für gemeinschaftliche Rechnung hier sind es z. B. häufig 30 und mehr an einem Tage im Interesse der kommunalen Steuerverwaltungen liegen mag, sich gesetzlich rechtfertigen läfst. Was den Ueberweisungsbeschlufs anlangt, so zwingt u. E. der Wortlaut des § 39 VO. v. 15. Nov. 1899 in Verb. mit dem zit. Art. 75 der Ausf.-Anw. dazu, den Staatsfiskus als Berechtigten mitzubenennen, da „für dessen Rechnung" die Einziehung der Staatssteuer durch die Gemeinde erfolgt. Dem Ueberweisungsbeschluss würde daher korrekt etwa folgende Fassung zu geben sein: „Die gepfändete Geldforderung wird hiermit dem preufs. Staatsfiskus in Höhe von M. Pf. Staatssteuern und der Stadtgemeinde X. in Höhe von .. M. Pf. Gemeindesteuern nebst Kosten und Mahngebühren zur Einziehung durch die Kämmereikasse über

wiesen."

Der Ausfertigung eines solchen gemeinschaftlichen Beschlusses, der sich auch praktisch durch Auseinanderhaltung beider Steuergattungen empfiehlt, dürften Bedenken nicht entgegenstehen.

Für die Unterlassung einer besonderen Zustellung des Beschlusses an die beteiligte Regierung lässt sich rechtlich folgendes anführen: Nach § 1 der Verordg. v. 22. Jan. 1894 (GS. S. 5) ist die Einzelerhebung der sämt

lichen Staatssteuern und ihre Abführung an die Staatskasse von den Gemeinden zu bewirken. Der Magistrat ist daher bezl. der Einziehung als gesetzlicher Vertreter des Fiskus anzusehen, so dafs eine nur einmalige Zustellung an ersteren auch gegenüber der nicht mit Gesetzeskraft ausgestatteten, erwähnten Bestimmung der Ausführungsanweisung für ausreichend zu erachten ist.

Zur richterlichen Prüfung gelangen die Fragen, wenn seitens der Einziehungsbehörde gegen den nichtzahlenden Drittschuldner die Klage erhoben werden muss. Gegen den allein klagenden Magistrat ist neuerdings von dem Beklagten der Einwand mangelnder Aktivlegitimation wegen der Staatssteuern erhoben worden; m. E. mit Recht, denn der Staatsfiskus mufs als klagende Partei mitbenannt werden, nachdem die Ueberweisung der Forderung an ihn zu erfolgen hat. Das Rubrum würde daher zu fassen sein:

Klage a) des preufsischen Staatsfiskus

b) der Stadtgemeinde N.

beide vertreten durch den Magistrat zu N. etc., der Klageantrag würde auf Zahlung an den Magistrat zu richten sein.

Bei Verurteilung der Kläger würde das Urteil beide als kostenpflichtig bezeichnen. Im Verhältnis zu dem mitklagenden Staatsfiskus hat indes die Stadtgemeinde allein die Kosten zu tragen, da die Gemeinden ohne Vergütung die sämtlichen persönlichen und sachlichen Kosten der örtlichen Erhebung und Beitreibung der ihnen zur Hebung überwiesenen Steuern zu übernehmen verpflichtet sind § 18 Ges. v. 14. Jan. 1893, § 1 der Ver. v. 22. Jan. 1894, vgl. auch Art. 88 der Ausf.-Anw. v. 6. Juli 1900 zum Einkommensteuergesetz, wobei es auf die Art der Beitreibung (Rechtsweg oder Verwaltungsstreitverfahren) nicht ankommen kann.

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Stadtrat Weinreich, Rixdorf.

Neue hamburgische Steuergesetze. Im Jahre 1903 ist in Hamburg, wie in Ergänzung des in der Uebersicht No. 7 d. Bl. Erwähnten bemerkt werden mag, aufser dem dort angeführten Erbschaftssteuergesetz v. 2. März 1903 auch eine Revision des seit jeher eigenartig ausgebildeten Einkommensteuergesetzes (v. 2. Febr. 1903) vorgenommen und ein neues Stempelgesetz (vom 11. Dez. 1903) erlassen worden. Ueber den Entwurf des letzteren ist in d. Bl. (1902 S. 70) berichtet. Die Revision der übrigen Steuergesetze ist noch im Werk.

Eigentlicher Anlafs zur Revision der Gesetze lag in der Notwendigkeit zur Anpassung ans neue Recht. Man ist aber auch zu tiefgreitenden sachlichen Aenderungen fortgeschritten und hat insbesondere aus sozialpolitischen Gründen die Verteilung der Lasten neu geregelt. So sind Einkommensteuer und Erbschaftssteuer noch schärfer progressiv gestaltet. Die Einkommensteuer ist, wie nach dem vorhergehenden Gesetz, quotisiert; der Einheitssatz steigt bis 1,20 v. H., so dass also bei Erhebung von 61⁄2 Einheiten, wie dieses Jahr, für die Höchstbesteuerten 7,80 v. H. des Einkommens an Steuer zu zahlen ist. Bei der Erbschaftssteuer ist, wie bisher, der Steuersatz nach dem Grade der Verwandtschaft verschieden, von 2 v. H. für Kinder (Ehegatten sind steuerfrei) bis 10 v. H.; es ist aufserdem aber ein System von Zuschlägen bei steuerpflichtigem Erwerbe von mehr als 50 000 M. eingeführt, das bei mehr als 900 000 M. einer Verdoppelung der Steuer gleichkommt. Ein entfernter Verwandter oder Nichtverwandter des Erblassers, der mehr als diesen Betrag erbt, hat also den fünften Teil als Abgabe zu entrichten. Damit hat diese Steuer eine Ausbildung erlangt, die im übrigen Deutschland nicht bekannt ist.

Von Interesse ist mit Rücksicht auf die auch in Preufsen neuerdings erörterten Einkommensteuerfragen im Einkommensteuergesetz namentlich noch, dafs Gesellschaften m. b. H. gleich den Aktiengesellschaften für steuerpflichtig erklärt sind. Dabei kennt aber das hamburgische Gesetz nicht einen Abzug eines bestimmten Prozentsatzes wie in Preussen. Die danach wirtschaftlich voll vorhandene Doppelbesteuerung ist namentlich für Ges. m. b. H. unter Umständen sehr drückend. Die Zukunft mufs zeigen, ob sie sich beibehalten lässt und nicht eine Abwanderung solcher Gesellschaften herbeiführt.

Juristisch wie sozialpolitisch bemerkenswert ist sodann die dem Vorgange der anderen Hansestädte entsprechende Heranziehung der Veräusserungsgewinne zur Steuer, der die Abziehbarkeit der Veräufserungsverluste entspricht. Damit sind namentlich die Konjunkturgewinne aus grossstädtischen Grundstücken steuerpflichtig gemacht. Im Jahre 1903 hat sich übrigens ergeben, dafs die Veräufserungsgewinne die Verluste überstiegen haben, und dafs der finanzielle Erfolg günstig war. Rechtsanwalt Dr. M. Leo, Hamburg.

Ein Fall zum ausländischen Fundrecht. Im Jahre 1895 fand der Steward Tr. auf dem Dampfer „Normannia" der Hamburg-Amerika-Linie im Hafen von New York, wahrscheinlich während das Schiff an seinem Pier in Hoboken, Staat New Yersey - New York gegenüber lag. 90 Dollar. Der Fund wurde nach Ankunft in Hamburg an die Hamburger Polizeibehörde abgeliefert. Ein Verlierer hat sich nicht gemeldet. Im Jahre 1903 verlangie Tr. Rückgabe des Geldes, wurde aber abschlägig beschieden, weil der Fund auf einem Hamburger Schiffe, somit auf Hamburger Grund und Boden gemacht sei und nach dem früheren Hamburger Rechte herrenlose Sachen dem Fiskus zugefallen wären. Tr. wurde klagbar, das Gericht verwarf die gedachte Einrede der Polizeibehörde und erklärte das Recht des Fundortes Hafen New York für mafsgebend. Ueber dieses Recht wurde eine amtliche Auskunft des deutschen General-Konsulates zu New York eingezogen.

Diese Auskunft lautet folgendermassen: ,,Kaiserlich deutsches General-Konsulat.

New York, den 3. Februar 1904. Weder nach den geschriebenen Gesetzen der Staaten New York und New Yersey, noch nach dem ungeschriebenen Rechte dieser Staaten war Tr. verpflichtet, Anzeige von dem Funde zu machen oder ihn an eine Behörde oder an einen anderen Ort abzuliefern. Aehnliche Vorschriften, wie sie in den §§ 965 bis 984 des BGB. enthalten sind, gibt es in den Staaten New York und New Yersey nicht.

Dem Eigentümer wird durch das Verlieren sein Eigentumsrecht nicht genommen, und daher erwirbt der Finder ihm gegenüber kein Eigentumsrecht, aber allen anderen Personen gegenüber wird der Finder zum Eigentümer der gefundenen Sache, und kann er sein Eigentumsrecht durch ein geeignetes prozessualisches Verfahren geltend machen.

Nach hiesigem Rechte wurde daher Tr. allen Personen gegenüber, aufser dem Eigentümer, zum Eigentümer der von ihm gefundenen 90 Dollar. Angenommen, dass dieses Recht in der in Hamburg anhängigen Prozefssache in Anwendung kommt, ist Tr. auch der Polizeibehörde in Hamburg gegenüber zum Besitze der 90 Dollar berechtigt. Dieses ist der Fall ohne Rücksicht darauf, ob dem Eigentümer gegenüber Verjährung eingetreten ist oder nicht.

Das Klagerecht des wirklichen Eigentümers gegen den Finder verjährt in sechs Jahren von der Zeit des Verlierens an gerechnet, wenn der Verlierer zu jener Zeit

wusste, wer der Finder war, sonst in sechs Jahren von der Zeit an gerechnet, zu welcher der Verlierer bezw. wirkliche Eigentümer erfuhr, wer der Finder ist. Dieses Verjährungsrecht ist in beiden Staaten gleichlautend, es gilt als lex fori, und die Zeit, während welcher der Beklagte nach Entstehung des Klagerechts dauernd von dem Staate abwesend war, kommt von der Verjährungszeit in Abzug. Wir wiederholen jedoch, dafs nach hiesigem Recht das Recht des Finders zum Besitze der Sache allen Personen auf er dem Eigentümer gegenüber nicht von der Verjährungsfrist abhängt.“

Dr. jur. E. Schwartz, Altona.
Aushilfe.

Anstellung zur vorübergehenden
Folgender Sachverhalt liegt vor:

Ein Handlungsgehilfe ist mit eintägiger Kündigungsfrist angestellt; er wird mitten im Monat unter Innehaltung der Kündigungsfrist entlassen und verklagt seinen Prinzipal auf Gehalt für den auf die Entlassung folgenden Monat. Letzterer behauptet, der Gehilfe sei zu vorübergehender Aushilfe angenommen worden, und legt eine schriftliche Erklärung des Klägers vor, worin dieser anerkennt, dass er zur vorübergehenden Aushilfe angestellt sei.

Welche Bedeutung hat dies Schriftstück, besonders für die Beweislast?

Dafs der Prinzipal die Annahme zur Aushilfe zu beweisen hat, folgt aus der Fassung der §§ 67, 69 HGB., die im Verhältnis von Regel und Ausnahme stehen. Auch praktisch geschieht mit dieser Verteilung der Beweislast dem Prinzipal kein Unrecht, denn er wird regelmäfsig leichter in der Lage sein, das Aushilfeverhältnis zu beweisen, als der Angestellte. Ebenso die Kommentare von Staub und Lehmann-Ring. Die Annahme zur vorübergehenden Aushilfe mufs also der Prinzipal nachweisen, um sich von den Schranken des §67 zu befreien. Darin liegt zweierlei : 1. dafs tatsächlich ein Bedürfnis nach einer solchen Aushilfe für den Prinzipal bestand, und

2. dafs die Annahme auf Grund dieses Bedürfnisses erfolgt ist, und zwar mufs die letztere Voraussetzung dem Angestellten bekannt gegeben sein, wie vielleicht schon aus dem Wortlaut des § 69 zu entnehmen ist. Praktisch ist der letztere Punkt ohne Bedeutung.

Festzuhalten ist, dafs die 1. Bedingung rein tatsächlicher Art ist; sie kann durch Erklärungen der Parteien nicht geschaffen werlen. § 67 kann, weil er zwingendes Recht enthält, durch Vereinbarung nicht beseitigt werden, auch indirekt nicht. Der Prinzipal kann mit einem Angestellten, der tatsächlich Handlungsgehilfe ist, nicht vereinbaren, dafs er als Gewerbegehilfe gelten solle, damit so eine kürzere Kündigungsfrist Platz greife. Er kann ebenso wenig den Tatsachen zuwider mit ihm vereinbaren, dafs er als zur Aushilfe angestellt gelten solle.

§ 67 schützt den Handlungsgehilfen auch gegen seine eigenen Willenserklärungen, weil angenommen wird, dafs er sie unter dem Druck der sozialen Uebermacht des Prinzipals abgibt. Wie aber das Gesetz die Vereinbarung einer zu kurzen Kündigungsfrist trotz des Einverständnisses des Angestellten als eine sozial unfreie, erzwungene nicht gelten läfst, so wenig kann sein Anerkenntnis, zur Aushilfe angenommen zu sein, erheblich sein.

Man kann bei der Beziehung der §§ 67 und 69 zu einander sagen, dass die zwingende Natur des § 67 auch die Voraussetzungen des § 69 zu zwingenden macht, die der Abänderung durch die Kontrahenten entzogen sind, und zwar erstreckt sich diese Bindung des Parteiwillens hier genau so weit wie dort.

Es ist dem Handlungsgehilfen durch § 67 nicht benommen, sich bei oder nach einer sofortigen Entlassung

mit ihr einverstanden zu erklären, und damit auf seine ihm durch § 67 gegebenen Rechte zu verzichten. Ebenso hat eine Erklärung, dafs ein Aushilfeverhältnis vorgelegen habe, wenn sie bei oder nach der Entlassung oder gar erst im Prozefs abgegeben wird, die normale Natur eines Anerkenntnisses, eines Verzichtes auf die Rechte des § 67, denn der Wille ist wieder frei geworden und bedarf des Schutzes nicht mehr. Das Anerkenntnis ist Willenserklärung und kann nur wie eine solche angefochten werden.

Anders eine Erklärung, die bei der Anstellung oder im Laufe des Dienstverhältnisses abgegeben wird. Sie kommt nicht als eine den Angestellten bindende Disposition über sein Recht, sondern lediglich als freier Würdigung unterliegendes Beweismittel für eine vom Prinzipal zu beweisende Tatsache in Betracht, so dafs nicht ohne weiteres der Gegenbeweis nun dem Angestellten zufällt So wird es z. B. die Beweiskraft der fraglichen Erklärung stark abschwächen, wenn sie von einer grofsen Zahl Angestellter zu verschiedenen Zeiten unterschrieben ist.

Assessor Lützow, Berlin.

Kann ein in der Zeit zwischen der Erhebung der Klage und dem Erlafs des Eröffnungsbeschlusses vernommener Zeuge beeidigt werden? Als allgemeine Regel ist im § 65 Ab. 1 der StrPO. ausgesprochen, dafs die Beeidigung der Zeugen in der Hauptverhandlung erfolge. Durchbrochen wird dieser Grundsatz nur in den Abs. 2 und 3 des § 65, sowie im § 222 StrPO. Von dem letztgenannten, hier nicht interessierenden abgesehen, ist somit nur in der Voruntersuchung und im staatsanwaltschaftlichen Ermittelungsverfahren sofern die im Gesetz aufgezählten Gründe vorliegen die Beeidigung im Vorverfahren zulässig. Hat die Staatsanwaltschaft einmal Klage erhoben, so sind die im § 65 Abs. 2 u. 3 getroffenen Abschnitte des Vorverfahrens beendet, eine eidliche Vernehmung ist nunmehr vor der Hauptverhandlung ausgeschlossen. Beschliefst nun das Gericht, etwa weil es den zur Eröffnung des Hauptverfahrens erforderlichen „hinreichenden" Tatverdacht aus den vor Erhebung der Klage angestellten Ermittelungen noch nicht gewonnen hat, zur besseren Aufklärung gemäfs § 200 StrPO. die Vernehmung weiterer Zeugen, von der die Eröffnung des Hauptverfahrens abhängt, so darf das Gericht oder der von ihm beauftragte Richter eine Beeidigung der Zeugen nicht vornehmen, mag deren Aussage noch so wichtig sein, und mag noch so offensichtlich einer der Gründe aus § 65 Abs. 2 u. 3 StrPO. vorliegen.

So unerfreulich nun auch dieser Zustand ist, so ist es dennoch nicht angängig, diese offenbare Lücke des Gesetzes willkürlich zu überbrücken, wie Löwe es will. Löwe, StrPO., dehnt in der Anm. 7 zum § 65 seines Kommentars die Ausnahmebestimmungen der Abs. 2 und 3 entgegen dem Wortlaute des Gesetzes auf das ganze Vorverfahren, also auch auf die Zeit zwischen der Klageerhebung und dem Eröffnungsbeschlufs, aus.

Allerdings gibt das Gesetz im § 200 dem Gerichte die Möglichkeit, auf Umwegen über wichtige Zweifelsfragen auch nach Erhebung der öffentlichen Klage beeidigte Zeugenaussagen zu erhalten, nämlich dadurch, dafs das Gericht die Ergänzung bezw. Eröffnung der Voruntersuchung anordnet. Aber wozu dieser zeitraubende Umweg? Zweckmässiger wäre es, dem Gericht, das gewissermassen die höhere Instanz gegenüber dem Untersuchungsrichter bildet, dieselben Befugnisse wie diesem einzuräumen und dem Gericht oder dem beauftragten Richter das Beeidigungsrecht zu geben.

Assessor Dr. Plagge, Bückeburg.

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