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wufster Trennung. Wenn den Mitgliedern von Vor-
stand und Aufsichtsrat eine Treupflicht auferlegt ist,
so obliegt sie nicht auch den Aktionären. Ein
Direktor oder Aufsichtsrat begeht somit keine Un-
treue im Sinne von HGB. § 312, wenn
er als
Aktionär etwa aus volkswirtschaftlichen Gründen
- für Verstaatlichung der Gesellschaft stimmt, ob-
wohl bei ihm die Ueberzeugung feststeht, dafs der
staatliche Uebernahmepreis die zukünftige Ertrags-
fähigkeit des Unternehmens nicht aufwiege.1) Aber
abgesehen davon, zum Begriff der Untreue gehört
nicht blofs absichtliches, sondern auch rechtswidriges
Handeln zum Nachteil der Gesellschaft. Selbst wenn
also das Vorstandsmitglied die Untreue nicht gerade
als Gesellschaftsorgan begehen müsste, entfiele doch
strafrechtliche Verantwortung, weil es als Aktionär
das Recht hätte, zum Nachteil der Gesellschaft zu
stimmen. Aus gleichem Grunde verfehlen sich weder
Vorstand noch Aufsichtsrat gegen § 312, wenn sie
einen der Gesellschaft nachteiligen Generalversamm-
lungsbeschlufs vollziehen; denn sie sind dem obersten
Gesellschaftsorgan zu Geborsam verpflichtet.

ausgabe auszuschliefsen gewesen wären. Denn ein Beschlufs, welcher den Vorstand ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat die Einzelheiten der Aktienausgabe festzusetzen und die Aktien zu begeben und dabei Offerten solcher Personen und Institute abzulehnen, von welchen anzunehmen sei, dafs sie den Besitz der neuen Aktien zur Gefährdung des Fortbestandes der Gesellschaft benutzen würden, ist kein Beschlufs, welcher ein Rechtsgeschäft mit Aktionären als dritten „betrifft". Für die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat, die Aktionäre sind, bildet jene Ermächtigung kein Rechtsgeschäft mit ihnen als Aktionären oder dritten, und jene Bankhäuser sind an jener Ermächtigung vielleicht wirtschaftlich, aber nicht unmittelbar rechtlich beteiligt; der Beschlufs „betrifft" nicht ein Rechtsgeschäft mit ihnen. Endlich ist weder Gesetz noch Statut und daher auch kein Recht der Aktionäre aus dem Grunde verletzt, weil der Ausschlufs des Bezugsrechtes der Aktionäre nicht als ein selbständiger Gegenstand in der Tagesordnung genannt wurde. Denn die Frage des Bezugsrechtes bildet einen Bestandteil des Modus der Aktienzeichnung, und Beschlufsfassung über die Modalitäten der Aktienausgabe" war als ein besonderer Punkt auf die Tagesordnung gesetzt. Dagegen unterliegt keinem Zweifel, dafs durch den Ausschlufs jeglichen Bezugsrechtes und durch die Ablehnung der gemeinsamen Zeichnungsofferte von Dresdner Bank und Schaaffhausenschem Bankverein Interessen einer Aktionärminderheit schwere Schädigung erfuhren. Daher ist es nur zu begreiflich, dafs die DresdnerBank-Gruppe eine Wiederaufhebung der auf die Kapitalserhöhung bezüglichen Beschlüsse fordert. Dafs die Hiberniaverwaltung die jungen Aktien schon begab, hindert hieran nicht; denn solange der Beschluss über Erhöhung des Grundkapitals nicht in das Handelsregister eingetragen ist - und dies wurde durch einstweilige Verfügung Zu Ludwig von Rönnes 100. Geburtstag. des Prozessgerichtes bis zum Erlafs des Urteils erster Instanz ausgesetzt, entbehrt die Begebung rechtlicher Wirkung.

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III. Des weiteren die Aufsichtsratsfrage. Hier untersteht keinem Bedenken, dafs Meinungsverschiedenheiten zwischen den Aktionären kein rechtliches Hindernis bilden, vor Eintragung der Erhöhung der Zahl der Aufsichtsratsmitglieder auch die Besetzung der neu geschaffenen Stellen zu betätigen.

IV. Zum Schlufs eine straf- und eine staatsrechtliche Frage. In der Generalversammlung vom 27. Aug. fiel seitens der Vorstandschaft ungefähr das Wort, die Verwaltung würde sich durch Annahme der Aktienbezugsofferte der Dresdner Bank und des Schaaffhausenschen Bankvereins geradezu einer Untreue gegen die Gesellschaft schuldig machen. Bei der ja sehr häufigen Verbindung von Direktor- oder Aufsichtsrats- und Aktionäreigenschaft in einer Person sind die verschiedenen Stellungen rechtlich scharf getrennt zu halten. Vorstand, Aufsichtsrat und Aktionäre stehen im ganzen Aktienrecht in be

Die staatsrechtliche Frage der Mitwirkung des Landtags anlangend, so wäre der Vertrag auf Abnahme von 26 751 000 M. Hiberniaaktien für den Staat auch verpflichtend, wenn er ohne vertragsmässigen Vorbehalt der Zustimmung des Parlamentes abgeschlossen sein würde. Allein da der Minister schon in seiner Verstaatlichungsofferte solche Zustimmung vorbehielt, ist nicht anzunehmen, dass er gegenüber der Dresdener Bank anders verfuhr. Auf diese Weise wird der Vertrag privatrechtlich nicht eher wirksam, als er staatsrechtliche Gültigkeit erlangt. Sonst müfste das Staatsministerium wegen ausseretatmässiger Ausgabe nachträgliche Genehmigung der Kammern einholen.

Vom Geh. Rat, Professor Dr. Zorn, Bonn.

Am 18. Oktober sind hundert Jahre verflossen, seitdem Ludwig von Rönne in Glücksstadt in Holstein geboren wurde. In den preufsischen Justizdienst eingetreten, stieg er bis zur Stufe des Appellationsgerichts-Vizepräsidenten empor und nahm 1868 infolge von Meinungsverschiedenheiten mit dem damaligen Justizminister Grafen zur Lippe seinen Abschied. Aufser seiner richterlichen entfaltete von Rönne auch eine umfangreiche Tätigkeit als Parlamentarier. Bereits 1849 von einem schlesischen Wahlkreise in die damalige ephemere Erste Kammer gewählt, trat von Rönne 1861 als Abgeordneter in das Abgeordnetenhaus ein, dem er bis 1881 weiterhin auch dem Reichstag angehörte. Erst hochbetagt schied er aus der ihm liebgewordenen parlamentarischen Tätigkeit und starb am 22. Dez. 1891. Als Schriftsteller hat von Rönne eine Reihe von, zum Teil vielbändigen kommentatorischen Sammelwerken, teils zivilrechtlichen, teils öffentlich

1) A. M. Staub § 312 Anm. 4 und 6, dagegen Stenglein in der 2. Aufl. der Strafrechtlichen Nebengesetze S. 694 Anm. 5.

rechtlichen Inhalts herausgegeben; am bekanntesten, ist sein grofses, zuletzt in 4. Auflage in vier starken Bänden erschienenes,Staatsrecht der preufsischen Monarchie".

von Rönne hat als Volksvertreter schon an den Kämpfen von 1849 teilgenommen; er hat dann von 1561-1581 die gröfste Zeit des preufsischen und deutschen Parlamentarismus nicht allein als Abgeordneter mit durchlebt, sondern er gehörte in einer Zeit, wo es noch der Ehrgeiz geistig hervorragender Männer in Preufsen uni Deutschland war, dem Parlamente anzugehören, zu den parlamentarischen Führern. Konfliktszeit und Heeresreform, die Kriege von 1564 und 1866 und die gewaltigen Veränderungen des preufsischen Staates in ihrem Gefolge, die Aufrichtung des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Reiches, der grofsartige Neubau der Selbstverwaltung in Preufsen durch Kreis- und Provinzial-Ordnung, die erbitterten Prinzipienkämpfe um das Verhältnis von Staat und Kirche in Preufsen, die grofse wirtschaftliche Reform von 1879, das einheitliche deutsche Strafrecht und die Aufrichtung der formalen Rechtseinheit in Deutschland durch die grofsen sog. Reichsjustizgesetze an allen diesen grofsen gesetzgeberischen Aufgaben, die im Laufe von nur zwei Jahrzehnten gelöst werden mufsten, nahm von Rönne teilweise hervorragenden Anteil. Wer den parlamentarischen Verhandlungen jener Zeit nachgeht, begegnet häufig dem Abg. von Rönne als Redner oder Berichterstatter. Ein Memoirenwerk — „Gedanken und Erinnerungen eines an den Dingen jener Zeit unmittelbar beteiligten Parlamentariers müfste einen überreichen und überaus fesselnden Inhalt haben und könnte den wertvollsten Beitrag zur historischen Erkenntnis der gröfsten Zeit der preufsisch-deutschen Geschichte bieten.

Hauptsächlich aber war es das grofse Staatsrecht der preufsischen Monarchie", das Rönnes Namen allgemein bekannt machte. Auch ein „Staatsrecht des Deutschen Reiches hat Rönne zusammengestellt. Aber der gewaltigen Geistesarbeit hervorragender Theoretiker, die sich alsbald diesem herrlichen Stoffe zuwandte, war Rönne nicht ebenbürtig; er vermochte diesem geistigen Ringen der Theorie nicht zu folgen, und sein deutsches Staatsrecht, obzwar es zwei Auflagen erlebte, ist heute fast vergessen. Das preussische Staatsrecht Rönnes dagegen behauptet auch heute noch seinen Platz und wird ihn in der Geschichte der Rechtswissenschaft dauernd behaupten.

Als durch die Bewegungen von 1848 auch Preufsen leider viel zu spät und unter den ungünstigsten äufseren Verhältnissen in die Bahnen des konstitutionellen Staatswesens einzulenken gezwungen wurde, war dies für Preufsen und damit für Deutschland ein welthistorisches Ereignis. So schwer unsere Bedenken in betreff der äusseren Vorgänge sowohl wie für Einzelpunkte staatsrechtlicher Art sein mögen, so bekennen wir trotzdem heute mit aller Ruhe: die Gesamtentwickelung, die

jene Bewegung brachte, war eine notwendige Voraussetzung der grofsen Zukunft, die dann ein Jahrzehnt später einsetzte und nach etwas mehr als einem weiteren Jahrzehnt für das ganze deutsche Land und Voik erfüllet war.

Und wir können, wenn wir an Metternich und die Demagogen-Verfolgungen und das Bundestagselend in Frankfurt denken, es auch verstehen und würdigen, wenn man in weiten und guten Kreisen des preufsischen Volkes mit Begeisterung in den Konstitutionalismus eintrat, von der Morgenröte einer neuen Zeit" jubilierte und in der durch den Gegensatz hervorgerufenen Ueberschätzung und Uebertreibung, der grofsen Geschichte des preufsischen Königtums nicht genügend eingedenk, alles Heil vom Parlament als dem entscheidenden Faktor des Staatslebens erwartete.

In diesem Idealismus hat Rönne die Aufgabe ergriffen, das erste grofse Werk über das neue konstitutionelle Staatsrecht der preufsischen Monarchie zu schreiben; von diesem Idealismus war das Werk erfüllt, und er hat insbesondere seinen Ausdruck gefunden im Vorwort zu dem 1856 erschienenen ersten Band in dem Bekenntnis und der Mahnung: „Es bedarf vor allem des Bewusstseins der Gegenwart.“

Aber trotz aller zeitweiligen Schwäche hat das preufsische Königtum auch den Bewegungen von 1848/49 gegenüber doch die Kraft behauptet, in juristisch zweifelloser Weise durchzusetzen: dass das aus jenen heftigen Wehen geborene Verfassungswerk sein Werk war; die Verfassung v. 5. Dez. 1848 ist vom König gegeben, und die Verfassung v. 31. Januar 1850 ist formaljuristisch nicht mehr und nicht weniger als ein konstitutionelles Verfassungs-Aenderungs-Gesetz gegenüber der ersten Verfassung. So ist die konstitutionelle Verfassung das Werk der Monarchie, und dies allein entspricht auch der Geschichte des preufsischen Staates und des preufsischen Königtums.

Rönne war Jurist und Patriot genug, um auch dies klar zu erkennen; und er hat, von Auflage zu Auflage stärker, auch diesem staatsrechtlichen Grundprinzip Ausdruck gegeben. Aber vollständig überwunden hat er den Gegensatz jener beiden oben charakterisierten Grundanschauungen nicht, und erst der späteren staatsrechtlichen Theorie war es vorbehalten, auf der Grundlage der Geschichte und als Ergebnis des grofsen Verfassungskonfliktes von 1862-1866 die höhere Einheit jener beiden Gedankenreihen in der monarchischen Gewalt zu gewinnen und sicherzustellen. Abgeschlossen aber ist diese Bewegung der staatsrechtlichen Theorie und unseres Verfassungslebens auch heute noch nicht; in der Allgemeinen Staatslehre" tritt uns hier wohl auch heute noch eine „Zweischwerterlehre" gegenüber, die logisch genau ebenso unhaltbar ist wie diejenige des Sachsenspiegels.

In Rönnes Staatsrecht der preufsischen Monarchie spiegelt sich der grofse Entwickelungsprozefs des preufsischen Staates und seines öffentlichen Rechtes

von dem Wendepunkt des Jahres 1848 ab bis zum Ende des ersten Jahrzehntes des deutschen Gesamtstaates. Darin liegt die Bedeutung des Rönneschen Staatsrechtes, und diese Bedeutung wird ihm bleiben, auch wenn das Werk die erforderliche Revision erfährt, die geboten ist, einmal durch den äusseren Fortgang des Staatslebens und der Gesetzgebung, sodann durch die reichen Ergebnisse der neueren Staatsrechtswissenschaft, endlich und vor allem aber durch die notwendige Ueberwindung des oben gekennzeichneten Gegensatzes im Sinne des monarchischen Prinzipes.

Rönne hat mit grofsem Fleifse die parlamentarischen Materialien der drei für die preussischdeutsche Staatsentwickelung so ungeheuer wichtigen, in vieler Beziehung unzweifelhaft grundlegenden Jahrzehnte von 1848 bis etwa 1880 zusammengestellt und verarbeitet; der neueren wissenschaftlichen Bewegung des Staatsrechtes, wie sie sich. insbesondere in Labands deutschem Staatsrecht darstellt, war Rönne nicht gewachsen; aber als erster Bearbeiter des konstitutionellen Staatsrechtes der preussischen Monarchie, wesentlich vom Standpunkte des praktischen Parlamentariers aus, wird Rönne einen ehrenvollen Namen in der Geschichte der Staatsrechtswissenschaft immer beanspruchen dürfen und auch behaupten.

Die Pflicht des Vorstandes einer Aktiengesellschaft zur Einberufung einer Generalversammlung.

Von Professor Dr. Karl Lehmann, Rostock.

In der dem Innsbrucker Juristentag gewidmeten Festnummer dieser Zeitung hat Justizrat Veit Simon zu dem obigen Thema das Wort ergriffen. Die Frage hat der Juristentag inzwischen mit einer allgemein gehaltenen Resolution, die alles auf das pflichtgemäfse und statutengerechte Erwägen des Vorstandes abstellt, zu erledigen gesucht. Auf eine detailliertere Formulierung wollte man sich nicht einlassen. Man war sich darüber einig, dafs die Fassung des reichsgerichtlichen Erkenntnisses v. 3. Mai 1902 zu weit ginge; man war umgekehrt aber auch nicht geneigt, der entgegengesetzten Auffassung Simons zu folgen. Auch die in der Mitte liegenden Ausführungen des Referenten, Professors Rehm, der eine unbedingte Pflicht zur Einberufung nur bei den Bestand der Aktiengesellschaft gefährdenden Mafsregeln forderte, vermochten die Versammlung nicht zu überzeugen. Schliefslich war man geneigt, alles der Beurteilung des einzelnen Falles zu überlassen und nur das Prinzip, dass der Vorstand mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes auch hier zu verfahren habe, zu betonen. Der Streit dürfte damit kaum sein Ende finden. So verwirft ein Artikel der Vossischen Ztg." v. 17. Sept. 1904 zwar auch die Simon sche Auffassung, nach der die Generalversammlung in die bescheidene Rolle, die sie zur Zeit der alten

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Handelskompagnien besafs, zurückgedrängt wird, aber er verwirft nicht minder die von den beiden Gutachtern vertretene Begrenzung. Zu einem positiven Resultat gelangt er nicht, die Vorschrift des § 253 Abs. 2 HGB. ist ihm wegen ihrer Allgemeinheit ganz unbrauchbar. Als einer der beiden Gutachter möchte ich nicht unterlassen, nochmals das Wort zu nehmen; mein Mitgutachter, der verewigte Hermann Staub, ist leider nicht mehr imstande, sich zu äussern.

Wäre in der Tat die Vorschrift des § 253 Abs. 2 so unbrauchbar, so wäre es verwunderlich, dafs sie ein seltenes Verbreitungsgebiet gefunden hat. Sie begegnet uns ziemlich wortgetreu in zahlreichen ausländischen Gesetzen, sie tritt uns in deutschen Reichsgesetzen (Ges. betr. die Ges. mit beschr. Haftung § 49 Ab. 2, Genossenschaftsgesetz § 44 Abs. 2), ja sogar im BGB. § 36 entgegen. Es dürfte dies ein Zeichen dafür sein, dafs man mehr zu sagen und besser sich auszudrücken nicht wohl imstande war. Es ist die gleichmäfsig wiederkehrende Formulierung, aber auch ein Beweis dafür, dafs die Frage keine speziell aktienrechtliche ist, dafs sie, wie ich es in meinem Gutachten bereits betont habe, für andere Körperschaften die gleichen Seiten aufweist, dafs es sich um ein bürgerlich-rechtliches Problem handelt. Natürlich könnten die besonderen Verhältnisse, welche die Aktiengesellschaft aufweist, die praktische Anwendung der Formulierung beeinflussen; dafs sie aber nicht zu einer anderen juristischen Formel drängen, ergibt sich schon daraus, dafs gerade umgekehrt vom Aktienrecht aus die Formulierung generalisiert wurde, sie in andere Gesetze aufgenommen und zuletzt in das BGB. übergegangen ist.

Unter diesen Umständen ist, wenn irgendwo, so hier für das BGB. und das Aktiengesetz ein gemeinsamer Boden vorhanden. Das Aktiengesetz wurzelt im bürgerlichen Recht. Wäre § 253 Abs. 2 nicht vorhanden, so wäre man genötigt, auf § 36 des BGB. zurückzugehen. In einem lehrreichen Aufsatz1) hat Simon selbst vor einigen Jahren verfochten, dafs grundsätzlich die Vorschriften des BGB. über Vereine auch für Aktiengesellschaften gelten, und wenn er § 36 des BGB. hiervon ausnimmt, so geschieht dies nur, weil der inhaltlich gleiche § 253 Abs. 2 HGB. ihn ersetzt; bei Fehlen dieses Paragraphen hätte Simon zum entgegengesetzten Resultat kommen müssen.

Ist dies zutreffend, so spricht ohne weiteres die Vermutung dafür, dafs auch BGB. § 27 Abs. 3, welcher bei Körperschaften die Geschäftsführung des Vorstandes nach den Grundsätzen vom Auftrag beurteilt wissen will, auf Aktiengesellschaften Anwendung findet. Simon, getreu seiner früheren Auffassung,2) will dies nicht ohne weiteres zugestehen, und der Anonymus in der „Vossischen Ztg." meint, ich trüge etwas in das Gesetz hinein, was nicht darin enthalten sei. Allein schon lange

1) Zeitschr. f. Handelsrecht. Bd. 49 S. 1 ff.
2) A. a. O. S. 11.

und diese Bestimmung auch auf Kiebitz- und Möweneier ausgedehnt. Hat der Täter gewerbs- oder gewohnheitsmäfsig gehandelt, so tritt Geldstrafe von nicht unter 30 M. ein. Ausgenommen allein ist das zum Genufs fertig zubereitete Wild, damit nicht der An- und Verkauf in Speisehäusern mit Strafe bedroht ist und auch der Vertrieb des zu Konserven verarbeiteten Wildes nicht erschwert wird. Auch soll der Vertrieb einzelner Arten von Wild aus Kühlhäusern nicht verboten sein, wenn es unter Kontrolle nach Mafsgabe der zu erlassenden Bestimmungen stattfindet. Endlich findet mit Genehmigung des Regierungspräsidenten eine Ausnahme statt, wenn es sich um den Versand, An- und Verkauf von lebendem Wild zum Zweck der Blutauffrischung oder Einführung einer Wildart handelt.

Um zu verhindern, dafs während der für weibliches Rot-, Elch-, Dam- und Rehwild angeordneten Schonzeit solches Wild der geschlechtlichen Erkennungsmerkmale beraubt und als männliches in den Handel gebracht wird, verbietet § 7, vom Beginn des fünfzehnten Tages bis zum Ablauf der Schonzeit für derartiges weibliches Wild unzerlegtes Wild, bei welchem das Geschlecht nicht mehr mit Sicherheit zu erkennen ist, zu versenden, zu verkaufen, anzukaufen usw.

Ausnahmen davon sind zugelassen für Wild, welches im Strafverfahren beschlagnahmt oder eingezogen oder mit Genehmigung oder auf Anordnung der zuständigen Behörde oder in Fällen erlegt ist, in denen besondere gesetzliche Vorschriften es gestatten. Jedoch mufs der Verkäufer mit einer befristeten Bescheinigung der Ortspolizeibehörde oder des von ihr mit Genehmigung des Landrats zur Ausstellung einer solchen ermächtigten Gemeinde(Guts-) Vorstehers versehen sein (§ 8 Abs. 2).

Zwecks wirksamer Bekämpfung der Wilddieberei ist im § 9 bestimmt, dafs die Versendung von Wild nur unter Beifügung eines Ursprungsscheines erfolgen darf (§ 9). Die näheren Bestimmungen werden durch Polizeiverordnung erlassen; hierbei können von dem Erfordernis des Ursprungsscheins Ausnahmen gestattet werden.

Es fehlte bisher an einer Vorschrift, nach welcher Vögel, welche dem jagdbaren Feder- und Haarwild und dessen Brut und Jungen nachstellen, von den Jagdberechtigten oder deren Beauftragten getötet werden dürfen. Diese Lücke füllt § 11 aus, gibt

den Jagdberechtigten nicht allgemein die Tötungsbefugnis, sondern nur nach Mafsgabe einer Ermächtigung des Bezirksausschusses.

Die regelmäfsigen Strafen für das Erlegen oder Einfangen eines Stückes Wild während der Schonzeit sind zumeist erhöht; dagegen kostet z. B. der Fasan mit Rücksicht auf seine weite Verbreitung statt 30 nur noch 10 M., auch der Hase ist von 12 auf 10 M. und das Rebhuhn von 6 auf 5 M. herabgesetzt. Die im Falle mildernder Umstände zu verhängende Mindeststrafe ist nicht mehr allgemein 3 M, sondern 15, 5 bezw. 1 M., je nach der betreffenden Wildart.

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Für den Fall der Einführung oder der Einwanderung bisher nicht einheimischer Wildarten man denke an das vorübergehend eingewandert gewesene Steppenhuhn werden die nötigen Anordnungen durch königl. Verordnung getroffen. Bei Verfehlungen gegen das Gesetz ist an Stelle der ungenügenden Vorschrift des § 19 des Jagdpolizeigesetzes v. 7. März 1850 die Mitverbaftung der Gewalthaber, Pfleger und Dienstherrschaften für die Geldstrafe und Kosten, zu denen Kinder, Pflegebefohlene und Dienstboten verurteilt werden, gemäss §§ 11-13 des Forstdiebstahls- bezw. § 5 des Feldu. Forstpolizeigesetzes geregelt. Ohne dies würde z. B. das Verbot des Fangens von Wild in Schlingen nicht durchführbar sein.

Das neue Gesetz wird sowohl den Anforderungen der Landeskultur wie auch der Jagdpflege gerecht. Der waidgerechte Jäger befolgte schon jetzt freiwillig das, was jetzt gesetzlich vorgeschrieben ist. Dafs die sog. Schiefser jetzt ihr Schiefseisen länger am Nagel hängen lassen müssen, wird man nur freudig begrüfsen können, ebenso, dafs den Wilddieben ihr Handwerk wesentlich erschwert ist.

Juristische Rundschau.

Graf Ernst zur Lippe-Biesterfeld ist zur ewigen Ruhe bestattet. Aber neuer Kampf um die ThronGegen die Ueberfolge in Lippe ist entbrannt. nahme der Regentschaft durch den Grafen Leopold hat die Regierung des Fürstentums SchaumburgLippe bei dem Bundesrate Einspruch erhoben. Auch der Kaiser hat die Regentschaftsübernahme nicht anerkannt. Der Graf-Regent ist bereit, den Erbfolgestreit nochmals zum richterlichen Austrag zu bringen. Das Staatsministerium wird in seinem Namen mit Zustimmung des Landtages an den Bundesrat den Antrag richten: im Wege der Reichsgesetzgebung solle ein unparteiischer Gerichtshof bestellt werden, durch den die von der schaumburg-lippischen Regierung erhobenen Ansprüche zur richterlichen, alle Beteiligten bindenden Entscheidung zu bringen seien.

Eine verfassungsrechtliche Frage bewegt gegenwärtig die Deutsch-Oesterreicher. Durch einfachen Erlafs des Ministers für Unterricht ist provisorisch die Errichtung einer italienischen Rechtsfakultät in Innsbruck angeordnet worden. Diese Fakultät ist im wesentlichen mit den Rechten einer Universität ausgestattet. Oesterreichs Juristen und Minister Errichtung vollständiger oder unvollständiger Uniwaren bisher in der Anschauung einig, dafs die versitäten ausschliefslich auf dem Wege der Gesetzgebung erfolgen könne. Die Minister sind anderer Ansicht geworden, die Mehrheit der Juristen nicht. Sie bestreitet der ministeriellen Schöpfung selbst den Schein der Verfassungsmäfsigkeit. Aber auch von den Parteien hüben und drüben ist die Rumpfuniversität nicht mit Freude empfangen worden. Die Deutschen erblicken in der welschen Fakultät eine schwere nationale Gefahr für Innsbruck als deutsches Herz Tirols". Die Italiener, unzufrieden mit dieser Abschlagszahlung, sinnen auf Mittel zur Erzwingung einer Universität in Triest.

An eine dankenswerte sozialpolitische Aufgabe ist die preufsische Regierung herangetreten: an die

Förderung unentgeltlicher Rechtsauskunftsstellen für Minderbemittelte ohne Rücksicht auf Parteistellung und Konfession. Die Gemeinden sollen solche Auskunfteien errichten, entweder selbstständig oder in Verbindung mit den öffentlichen Arbeitsnachweisen. In den Etat ist ein Betrag von 30000 M. als Beihilfefonds für diese Zwecke eingestellt. Bekanntlich wird hiermit kein Neuland entdeckt. Dieser Aufgabe haben sich bereits ganz entgegengesetzte Lager, die Sozialdemokratie und die Kirche, erinnert. Zu ihrer Erfüllung bestehen in einer Anzahl deutscher Städte (etwa 150 bis 200) kirchliche Volksbureaus und sozialdemokratische Arbeitersekretariate. Beide mit meist mustergültigen Leistungen. Gewifs ist es dankenswert, derartige Einrichtungen ohne beengende Rücksichten zu schaffen. Aber gegen die Aufwendungen der Arbeiterschaft verschwindet der staatliche, aber leider nicht stattliche Beitrag von 30000 M. Der Wettbewerb von Staat und Kommune wird, fürchten wir, ein unzulänglicher sein. Möge sich auch die Anwaltschaft selbständig dieser sozialen Aufgabe annehmen und in gröfseren Städten unentgeltliche Auskunftstellen organisieren. Der Segen dieser Einrichtung würde auch auf die Anwaltschaft selbst durch Erweiterung ihres Wirkungskreises zurückströmen.

Das Gesetz über die Kaufmannsgerichte tritt am 1. Januar 1905 in Kraft. Aus diesem Anlass hat der preufsische Handelsminister die Regierungspräsidenten ersucht, den Vorsitzenden der Gerichte und seinen Stellvertreter aus dem Richterpersonal oder aus den höheren Verwaltungsbeamten zu entnehmen. Dies mit Rücksicht darauf, dafs die Kaufmannsgerichte voraussichtlich häufiger als die Gewerbegerichte schwierige Rechtsfragen zu entscheiden haben werden. Von dieser Regel sollen Ausnahmen nur dann gemacht werden, wenn eine solche Besetzung des Amtes auf ganz besondere Schwierigkeiten stöfst. Warum entschlofs man sich seinerzeit nicht für die Angliederung an die Amtsgerichte? Ja, das Gute lag so nahe..

Justizrat Dr. J. Stranz, Berlin.

Vermischtes.

Jubiläumsfeier des Reichsgerichts. Aus Anlass des 25jährigen Bestehens des höchsten Gerichtshofes am 1. Oktober vereinigten sich die Mitglieder desselben und der Reichs- und Rechtsanwaltschaft zu einem Festmahl. Nachdem der Chefpräsident, Exz. Gutbrod, das Hoch auf den Kaiser und den König von Sachsen ausgebracht hatte, gab Senatspräsident Dr. Loewenstein einen Rückblick, welcher unter Hervorhebung der allzeit guten Beziehungen zu Stadt und Universität Leipzig in einem Hoch auf die Gäste, Oberbürgermeister und Juristenfakultät, ausklang. Aus seiner höchst fesselnden Rede, die wörtlich wiederzugeben uns leider wegen Raummangels unmöglich ist, sei der historische Rückblick hervorgehoben; er bildet zugleich eine harmonische Ergänzung zu unseren Festartikeln (in No. 19 d. Bl.) und gibt in seiner lapidaren Kürze eine treffliche Charakteristik der führenden Geister des Reichsgerichts vor 25 Jahren. Löwenstein führte aus:

„Schon 1860 erklärte der erste Juristentag unter Wächters Vorsitz auf einen Antrag Bornemanns die Errichtung eines gemeinsamen höchsten Gerichtshofes für geboten, und ähnliche Kundgebungen schlossen sich an. Aber es mufsten gewaltsame politische Umwälzungen eintreten, bevor diese Kundgebungen einen Erfolg erzielen

konnten. Nach der Gründung des Norddeutschen Bundes wurden Handelsgesetzbuch und Wechselordnung, bis dahin Gesetze einzelner Länder, als Bundesgesetze eingeführt, und daran knüpfte sich die Schaffung des Bundesoberhandelsgerichts. Es wurde am 5. August 1870, während unsere tapferen Truppen für Deutschlands Ehre und Einheit gegen Frankreich kämpften, hier in Leipzig ohne Feierlichkeit durch seinen trefflichen, den höchsten Anforderungen an seine Stellung vollauf gewachsenen Präsidenten Pape eröffnet und konnte schon im folgenden Jahre in das Reichsoberhandelsgericht umgewandelt werden. Dieses Gericht hat seine unter den damaligen Verhältnissen besonders schwierige Aufgabe in bewundernswerter Weise gelöst und sich in der Geschichte der deutschen Rechtsprechung für alle Zeiten einen unauslöschlich glänzenden Namen gesichert. Aber seine Zuständigkeit war und blieb trotz späterer Erweiterungen eine beschränkte. Erst nachdem das Deutsche Reich mit Blut und Eisen erkämpft war, konnte man zu einer einheitlichen Gestaltung des deutschen Rechtsverfahrens in Zivil- und Strafsachen schreiten. Hier in der Aula der Universität vollzog sich zugleich am 1. Oktober 1879 die feierliche Eröffnung des Reichsgerichts mit bedeutsamen Ansprachen des damaligen geistvollen Staatssekretärs des Reichsjustizamts Friedberg, unseres unvergesslichen ersten Präsidenten Eduard Simson, der schon durch seinen Namen und seine Persönlichkeit dem RG. von vornherein Glanz und Ansehen

verlieh, des würdigen, allseitig hochverehrten Ober-Reichsanwalts Frhrn. v. Seckendorf, endlich des nicht weniger verehrten Geh. Justizrats Dorn, der noch heute als Muster eines deutschen Rechtsanwalts bezeichnet werden darf."

Die Erwiderung des Dekans der juristischen Fakultät, des Geh. Hofrates Prof. Dr. Strohal, war gleichfalls von einer weit über den Zweck des Tages hinausgehenden Bedeutung, und sie verdient es so sehr, der Vergessenheit entrissen zu werden, dass wir erfreut sind, auch sie nachstehend im wesentlichen unseren Lesern bekannt geben zu können:

„Die Leipziger Juristenfakultät hat vor allen anderen Juristenfakultäten des Reiches den Vorzug, ihren Sitz mit dem des Reichsgerichtes zu teilen, und dafs unsere alte Universitätsstadt als Sitz des RG. zum Mittelpunkte der deutschen Rechtsprechung geworden ist. An einem solchen Mittelpunkt hat es dem deutschen Rechtsleben lange genug gefehlt, und unter diesem Mangel hat die deutsche Rechtsentwickelung schwer gelitten. Das alte Reich konnte der Nation nicht geben, wessen sie bedurfte Wohl wurden wir am Ende des 15. Jahrhunderts mit dem Reichskammergericht beschert. Das Beste, was sich von ihm sagen läfst, ist, dafs sich in seinen Anfängen schon dadurch allein, dafs es zusammentrat und der Fülle seiner Aufgaben sich bewufst ward, verheifsungsvolle Kräfte auszulösen schienen. Der Verheissung entsprach jedoch nicht die Erfüllung. Der unheilbare Marasmus, dem das alte Reich verfallen war, war auch des Reichskammergerichts unvermeidliches Erbteil. Mit dem Untergange des alten Reiches brach es ruhmlos und unbetrauert zusammen.

Unser Volk gehört aber, Gott sei Dank, nicht zu den Nationen, welche ihre Zukunft bereits hinter sich haben; wir stehen, wenn schon uns mitunter schwere Nebel die Sonne verhüllen, im Zeichen neuen Aufstiegs. Allein dieser Aufstieg war und ist noch schwer genug. Alles mufste wieder von vorne angefangen werden. Alle Attribute des nationalen Grofsstaates verdanken wir erst dem neuen Reiche. Die nicht geringsten von ihnen sind aber: die Einheit des Rechtes und die durch ein höchstes Gericht gewahrte Einheit der Rechtsprechung.

Als das Reichsgericht am 1. Oktober 1879 seine stolze Wirksamkeit begann, war bedeutsame vorbereitende Arbeit durch das vormalige Bundesoberhandelsgericht und spätere Reichsoberhandelsgericht allerdings bereits getan. Der grofse Zug, der einem deutschen höchsten Gerichte nicht fehlen darf, war schon durch das Reichsoberhandelsgericht deutlich markiert, und in dieser Hinsicht gab es für das Reichsgericht nur den Leitspruch: vestigia sequor.

Der Umfang der zu bewältigenden Aufgaben war aber

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