Page images
PDF
EPUB

Verkehr mit den sonstigen Staatsbehörden des Empfangsstaates aber sind sie als Staatsorgane ohne weiteres berechtigt.

Im übrigen steht es jedem einzelnen Staate vollkommen frei, den Wirkungskreis, in welchem der Konsul amtlich tätig werden kann, nach eigenem Ermessen festzusetzen, vorausgeseßt, daß der Empfangsstaat das erforderliche Exequatur in dem gleichen Umfange erteilt. Im einzelnen sind den Konsuln nach deutschem Recht, mit dem das Recht der übrigen Staaten, insbesondere der am großen internationalen Verkehr in erster Linie beteiligten in der Hauptsache übereinstimmt, folgende Befugnisse übertragen:

A. Sie haben im allgemeinen die Interessen des Absendestaates und der Staatsangehörigen desselben zu wahren, Handel und Schifffahrt zu fördern und für die Beachtung der hierauf bezüglichen Staatsverträge zu sorgen 1).

B. Im einzelnen:

1. Sie haben über den Bestand der ihnen unterstehenden Personen eine Matrikel zu führen und den einzelnen Staatsangehörigen über die erfolgte Eintragung auf Verlangen einen Schußschein auszustellen 2);

2. fie fungieren, falls speziell vom Reichskanzler beauftragt, als Zivilstandsbeamte für ihre Untergebenen 3); 3. sie können Urkunden mit öffentlichem Glauben über Amtshandlungen und in Ausübung ihres Amtes wahrgenommene Tatsachen ausstellen 4), desgleichen Urkunden fremdländischer Behörden ihres Amtsbezirks, deren Echtheit und formelle Richtigkeit ihnen nachgewiesen ist,

1) Deutsches Gesetz, betr. die Organisation der Bundeskonsulate, sowie die Amtsrechte und Pflichten der Bundeskonsuln vom 8. November 1867 (B.-G.-BI. 137) § 1.

2) Kons.-Ges. § 12, Gesez, betr. die Erwerbung und den Verlust der Reichsund Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870 (B.-G.-Bl. 355) §§ 13 Ziff. 3, 21.

3) Kons.-Ges. § 13, in Verbindung mit Gesez, betr. die Eheschließung und die Beurkundung des Personenstandes von Bundesangehörigen im Auslande vom 4. Mai 1870 (B.-G.-BI. 599).

4) Kons.-Ges. § 15.

durch den Legalisationsvermerk mit öffentlichem Glauben ausstatten 1);

4. sie sind berechtigt, als Notare zu fungieren 2); 5. sie haben Zustellungen an Personen, die sich in ihrem Amtsbezirke aufhalten oder dort wohnen, zu bewirken und zu beurkunden 3);

6. sie haben das Recht, Pässe auszustellen1);

7. sie haben im Ausland hilfsbedürftig gewordenen Deutschen die Mittel zur Linderung augenblicklicher Not oder zur Rückkehr in die Heimat, eventuell durch Requisition deutscher Kriegsschiffe zu diesem Zwecke zu gewähren 5);

8. fie haben, falls ihnen hierzu Spezialauftrag des Reichskanzlers erteilt ist, die Befugnis zu eidlichen Zeugenvernehmungen®);

9. sie haben den in ihrem Amtsbezirke befindlichen deutschen Kriegsschiffen Beistand und Unterstügung zu gewähren 7);

10. sie haben bei Streitigkeiten ihrer Untergebenen untereinander oder mit Fremden Vergleiche zu vermitteln und als Schiedsrichter zu fungieren®);

11. sie haben als Nachlaßbeamte zu fungieren 9).

1) Kons.-Ges. § 14, dazu Geseß, betr. die Beglaubigung öffentlicher Urkunden vom 1. Mai 1878 (R.-G.-B. 89) § 2, und Gesez, betr. das Reichsschuldbuch vom 31. Mai 1891 (R.-G.-B. 321) §§ 10, 11.

2) Kons.-Ges. §§ 16, 17.

3) Kons.-Ges. § 19, Reichszivilprozeßordnung vom 17. (20.) Mai 1898 (R.-G.B. 410) §§ 199, 200 Abs. 2, 363, 438, 791, Strafprozeßordnung § 37.

4) Kons.-Ges. § 25, dazu Gesetz über das Paßwesen vom 12. Oktober 1867 (B.-G.-VI. 33) §§ 6, 8.

5) Kons -Ges. § 26, dazu Verordnung des Reichskanzlers, betr. die von kaiserlichen Konsuln zu gewährenden Unterstüßungen vom 1. April 1882 (C.-Bl. 218). 6) Kons.-Ges. § 20, dazu Gesetz, betr. die Untersuchung von Seeunfällen vom 27. Juli 1877 (R.-G.-B. 549) § 15.

7) Kons.-Ges. §§ 27, 28.

8) Kons.-Ges. § 21.

2) Kons.-Ges. § 18.

12. Den Konsuln liegt ferner die Handhabung der Seepolizei 1) gegenüber den Schiffen der deutschen Handelsmarine ob; außerdem haben sie die Funktionen der Seemannsämter 2) hinsichtlich der im Auslande befindlichen Kauffahrteischiffe wahrzunehmen.

I. Als Inhaber der Seepolizei haben die Konsuln 1. als Hilfsorgane der Strafrechtspflege zu fungieren 3);

2. die Erstattung der vorschriftsmäßigen Schiffsmeldungen zu überwachen 4);

3. erkrankte oder sonst dienstuntauglich gewordene. Schiffer abzusehen und an deren Stelle neue einzusehen, wenn es die Sicherheit von Schiff und Mannschaft erfordert 5);

4. die Vorschriften über die Führung der Reichsflagge zu überwachen ");

5. bei Unfällen deutscher Schiffe die erforderlichen Rettungs- und Bergungsmaßregeln anzuordnen und zu überwachen 7);

6. die Mitnahme hilfsbedürftiger Seeleute durch die Kauffahrteischiffe zu verfügen3);

7. den Schiffern zu Wiederergreifung desertierter Mannschaften den erforderlichen Beistand zu leisten 9).

1) Kons.-Ges. § 33.

2) Kons.-Ges. § 32.

3) Seemannsordnung vom 2. Juni 1902 (R.-G.-B. 175) §§ 5, 127.

4) Kons.-Ges. § 31; Gesetz, betr. die Schiffsmeldungen bei den Konsulaten des Deutschen Reiches vom 25. März 1880 (R.-G.-B. 181) § 1, dazu Verordnung vom 28. Juli 1880 (R.-G.-B. 183).

5) Kons.-Ges. § 35.

6) Kons.-Ges. § 30, dazu Gesez, betr. das Flaggenrecht der Kauffahrteischiffe vom 22. Juni 1899 (R.-G.-B. 319).

7) Kons.-Ges. § 36.

8) Gesek, betr. die Verpflichtung der Kauffahrteischiffe zur Mitnahme heimzuschaffender Seeleute vom 2. Juni 1902 (R.-G.-B. 212) § 1.

9) Kons.-Ges. § 34.

II. Als Seemannsämter haben die Konsuln 1. als Musterungsbehörden zu fungieren 1);

2. bei Unfällen deutscher Schiffe in ihrem Bezirke den Tatbestand in der erforderlichen Weise fest= zustellen 2);

3. Streitigkeiten jeder Art zwischen Schiffsführer und Schiffsbesaßung zu entscheiden3);

4. auf Beschwerde eines Schiffsoffiziers oder von mindestens drei Schiffsleuten eine Untersuchung des Schiffes auf seine Seetüchtigkeit oder der Lebensmittel auf ausreichende Menge und Beschaffenheit vorzunehmen und erforderlichenfalls für Abhilfe zu sorgen 1); 5. dem Kapitän zur Zurücklassung eines Schiffs= mannes außerhalb des Reichsgebietes die erforderliche Genehmigung zu erteilen");

6. über das Verlassen des Dienstes seitens eines Schiffsmannes, der im Auslande gegen den Willen des Kapitäns seine Entlassung fordert, die erforderliche Entscheidung zu treffen ®).

Außer den im vorstehenden erwähnten Bestimmungen sind den Konsuln teilweise noch durch Staatsverträge besondere Funktionen übertragen, so bezüglich der Auslieferung flüchtiger Verbrecher in den englischen Kolonien durch den englischen Auslieferungsvertrag vom 5. Mai 18947); die Handelsverträge mit China und Siam enthalten Bestimmungen über den durch die Konsuln zu vermittelnden amtlichen Verkehr der Konsularuntergebenen mit den Landesbehörden; die Einleitung von Vormundschaften durch die Konsuln regeln

1) Kons.-Ges. § 33; Seem.-D. §§ 5, 12-26.

2) Gesetz, betr. die Untersuchung von Seeunfällen vom 27. Juli 1877 13. Juli 1887 (R.-G.-B. 329) (R.-G.-B. 549) § 15; Seeunfallversicherungsgesetz vom *30.Juni 1900 (R.-G.-B.716).

8) Seem.-D. §§ 5, 78, 128-131.

4) Seem.-D. §§ 5, 58.

5) Seem D. §§ 5, 83.
6) Seem.-D. §§ 5, 77.
7) R.-G.-B. 1894, 535.

die Handelsverträge mit San Salvador und Costarica, sowie die Konsularverträge von Italien, Spanien und den Vereinigten Staaten von Nordamerika; der deutsch-chilenische Handelsvertrag sichert ihnen eine Mitwirkung bei der Expropriation von Grundstücken der Konsularuntergebenen zu öffentlichen Zwecken 1).

Die Konsuln haben nicht den „diplomatischen Charakter“; im Zusammenhang damit steht, daß ihnen auch die diplomatischen Privilegien im allgemeinen nicht zugestanden werden; Abweichungen hiervon in Staatsverträgen sind naturgemäß jederzeit und in jedem beliebigen Umfange zulässig, auch in erheblichem Umfange vorhanden.

Daraus, daß die Konsuln hiernach nicht als erterri= torial zu betrachten sind, ergibt sich im einzelnen:

1. Die Konsuln sind prinzipiell der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaates unterworfen 2). Dementsprechend läßt sich hieraus auch nicht, wie im Gesandtschaftsrechte, die Unverlezbarkeit der Diensträume und des Konsulararchivs herleiten. Ein Gewohnheitsrecht dieses Inhaltes läßt sich ebenfalls zur Zeit noch nicht nachweisen 3). England erkennt ein derartiges Privileg der Konsuln nicht an. Der heutigen Stellung der Konsuln als Staatsbeamte entspricht es jedoch, eine Unverlegbarkeit ihrer Amtsräume und Papiere ebenfalls anzuerkennen; derartige Vorschriften finden sich auch bereits in einer ganzen Reihe von Konsular- und Handelsverträgen, teils nur auf Archive und Papiere der Konsuln beschränkt, teils aber auch auf ihre Amtsräume und Wohnungen ausgedehnt 4). Wahl= konsuln haben ihre privaten Papicre von den amtlichen streng gesondert zu halten; unter dieser Vorausseßung wird auch diesen das Privileg zugestanden.

Ein Asylrecht für Verbrecher darf selbstverständlich aus diesem Privileg unter keinen Umständen abgeleitet werden.

1) Vergleiche Ph. Zorn, Staatsrecht, II. 485 f.

2) Vergleiche deutsches Gerichtsverfassungsgeseß § 21 (Ausnahme nur im Falle verbürgter Gegenseitigkeit).

3) Vergleiche Ph. Zorn, Staatsrecht, II. 463, anderer Meinung v. Liszt 123. 4) Siehe die Angaben bei Ph. Zorn a. a. D.

« EelmineJätka »