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zu einer selbständigen, geordneten Verwaltung zu schwach erweisen und infolgedessen eine Schädigung ihrer Gläubiger befürchten lassen. Zum Schuße derselben sind seitens der einzelnen Staaten, deren Staatsangehörige als Gläubiger hieran beteiligt sind, durch Staatsverträge Kommissionen eingesezt worden, die für eine geordnete Kontrolle des Finanzwesens zu sorgen haben.

a) Die Staatsschuld der Türkei wird durch eine von dem Deutschen Reich, England, Frankreich, Österreich und Italien gebildete Kommission verwaltet.

b) In Ägypten besteht zur Überwachung der dortigen Finanzverwaltung seit 1876 eine Commission de la caisse de la dette publique. Im einzelnen erstreckt sich die Überwachung auch auf die Verwaltung der Eisenbahnen, Telegraphen und des Hafens von Alexandria als der wesentlichsten Einnahmequellen 1). Die Stellung einer internationalen Kommission hat die erwähnte Kommission erst durch das Liquidationsgesetz vom 17. Juli 1880, eine erweiterte Zuständigkeit durch den Garantievertrag der Großmächte vom 18. März 1885 erhalten.

c) In gleicher Weise erfolgt seit dem griechisch-türkischen Kriege von 1897 die Überwachung der Finanzverwaltung in Griechenland durch eine internationale Kommission in Athen. Die Mitglieder der Kommission genießen die Privilegien der Gesandten; Streitigkeiten zwischen der Kommission und der griechischen Regierung entscheidet ein Schiedsgericht?).

§ 17. B. Ämter der internationalen Verwaltungsgemeinschaften (Weltunionen) 3).

Außer den bisher erwähnten internationalen Einrichtungen haben die gleichgerichteten Interessen der einzelnen Kulturstaaten und die Erkenntnis, daß ein nachhaltiger Schuß dieser

1) Vergleiche v. Liszt 137 f.

2) v. Liszt 138.

3) v. Liszt § 17, Gareis §§ 51, 52.

allen Staaten gemeinsamen Interessen auf die Dauer nur durch ein einheitliches, auf fester Grundlage organisiertes Zusammenwirken der sämtlichen Beteiligten zu erreichen sei, zur Begründung einer Anzahl von Verwaltungsgemeinschaften, heute vielfach als „Weltunionen“ bezeichnet, geführt; zu deren einheitlicher Leitung sind eine Reihe von dauernden Ausschüssen gebildet, die als Organe des völkerrechtlichen Verkehrs, insbesondere als Organe der Völkerrechtsgemeinschaft, sich ihrer juristischen Stellung nach unmittelbar an die vorerwähnten Einrichtungen anschließen. Sie bedürfen deshalb hier der Erwähnung, während der materielle Inhalt der einzelnen Weltunionen bei der Erörterung der sonstigen Vorschriften des internationalen Verkehrs zur Darstellung ge= langen soll (s. viertes Buch §§ 23-33).

1. Die Rechtsgrundlage der Verwaltungsgemeinschaften und der durch sie bedingten Verwaltungsämter bildet der Staatsvertrag. Entsprechend dem Interesse der einzelnen Staaten, möglichst alle Staaten der Völkerrechtsgemeinschaft zu gemeinsamem Vorgehen zu vereinigen, werden diese Verwaltungsgemeinschaften nicht auf bestimmte Staaten beschränkt, sondern der Beitritt prinzipiell allen Kulturstaaten freigestellt. Die tatsächliche Unterordnung der einzelnen Staaten unter diese Verwaltungsämter und ihre Tätigkeit beruht rechtlich auf der in dem betreffenden Staatsvertrag ausgesprochenen Beschränkung ihrer Souveränität im einzelnen Falle; dieselben als „kraft Völkerrechts" über den Staaten stehende Organe zu betrachten, ist juristisch unmöglich.

2. Die Zahl der gegenwärtig bestehenden internationalen Verwaltungsämter beträgt neun. Ihrer Entstehung nach umfassen sie den Zeitraum von 1865 bis 1890 und beziehen sich im einzelnen auf die nachfolgenden Verwaltungszweige.

I. Zur einheitlichen Regelung des Telegraphenwesens besteht seit 1868 in Bern das Bureau international des administrations télégraphiques als Verwaltungsamt des zu Paris am 17. Mai 1865 gegründeten

Internationalen Telegraphenvereins (Union télégraphique internationale). S. § 27.

II. Für das Postwesen besteht zu gleichem Zwecke seit dem 15. September 1875 in Bern das Bureau de l'Union postale universelle als Organ des Weltpostvereins (Union postale universelle), der am 9. November 1874 in Bern als Allgemeiner Postverein (Union générale des postes) ins Leben gerufen, seit dem 1. Juni 1878 auf die Anregung Deutschlands hin (Generalpostmeister Stephan) unter erheblicher Ausdehnung seines Geltungsgebietes als Weltpostverein besteht. Das Bureau hat außer seiner allgemeinen Tätigkeit in Sachen des Postwesens auch die Stellung als Schiedsgericht und gibt auf Anfordern Rechtsgutachten ab1). . §§ 18, 27.

III. Durch Vertrag vom 20. Mai 1875 wurde in Paris das Bureau international des poids et mesures begründet, dem die Aufgabe obliegt, durch Vergleichung der nationalen Prototype des Meters und Kilogramms mit den in Paris aufbewahrten internationalen Prototypen für die Einhaltung eines gleichmäßigen Maßstabes und Gewichtes innerhalb der Vertragsstaaten zu sorgen. Über dem Bureau steht die Generalversammlung (conférence générale) der Vertragsstaaten, deren Zusammentritt laut Vertrag mindestens alle sechs Jahre einmal erfolgen soll. S. § 28.

IV. Zum Schuße des gewerblichen Eigentums wurde am 20. März 1883 in Paris die Union internationale. pour la protection de la propriété industrielle begründet, als deren Verwaltungsorgan in Bern das Bureau de l'Union internationale pour la protection de la propriété industrielle fungiert. S. § 26.

V. Als eine Erweiterung dieser Interessengemeinschaft stellt sich die in Bern durch Vertrag vom 9. September 1886

1) Vergleiche v. Liszt 140.

geschaffene Union internationale pour la protection des oeuvres littéraires et artistiques dar, deren Geschäftsführung zunächst ebenfalls ein Bureau de l'Union internationale pour la protection des oeuvres littéraires et artistiques in Bern besorgte. Seit 1886 ist dieses Bureau mit dem unter IV genannten vereinigt. S. § 32.

VI. Durch die Brüsseler Generalakte zur Bekämpfung des Sklavenraubes und Sklavenhandels vom 2. Juli 1890 ist in Sansibar ein Bureau international maritime als Verwaltungsamt für die Mitteilungen über alle Vorgänge innerhalb des durch die Generalakte geschaffenen Seepolizeibezirks geschaffen worden. Daneben besteht noch ein Bureau spécial in Brüssel für die gegenseitigen Mitteilungen der Vertragsmächte; s. § 33.

VII. Auf Grund des Vertrages vom 14. Oktober 1890, betreffend den internationalen Eisenbahnfrachtverkehr, ist das Office central des transports internationaux in Bern geschaffen worden. Über die Einzelheiten vergl. § 27.

VIII. Als Verwaltungsorgan für den am 5. Juli 1890 zu Brüssel begründeten Internationalen Verband zur Veröffentlichung der Zolltarife (Union internationale pour la publication des tarifs douaniers) besteht in Brüssel unter der Aufsicht des belgischen Ministers des Äußeren ein Bureau, dem die Veröffentlichung der Zolltarife der einzelnen Staaten obliegt; s. § 32.

IX. zu erwähnen ist in diesem Zusammenhange noch die ausschließlich wissenschaftlichen Zwecken dienende 1864 zu Berlin begründete Association géodésique internationale, die sich mit der Erdvermessung beschäftigt. Als Verwaltungsamt dient ein Bureau central in Potsdam, an dessen Spiße der Direktor des preußischen geodätischen Institutes steht. Die Leitung des Ganzen liegt einem ständigen Ausschuß (commission permanente) von sieben Mitgliedern ob; s. § 32.

§ 18. C. Internationale Gerichte 1).

Im Anschlusse an die Konsulargerichtsbarkeit haben sich in einigen Staaten durch das Zusammenwirken der beteiligten europäischen Mächte mit den in Frage kommenden Staaten Einrichtungen für die Handhabung der Rechtspflege herausgebildet, die sich, wenn dies auch im einzelnen nicht streng zutrifft, doch als internationale Ämter der Rechtspflege bezeichnen lassen. Die Grundlage bildet auch hier die allmähliche Erstarkung zu europäischer Kultur und Zivilisation, die einerseits noch nicht fest genug begründet ist, um dem Staate allein die Rechtsprechung zu überlassen, anderseits doch schon derartig weit vorgeschritten ist, daß es angemessen erscheint, dem Staatswesen einen Anteil an der Rechtsprechung anch gegenüber solchen Personen zu gewähren, die nicht seine Staatsangehörigen sind, wohl aber prinzipiell kraft der Gebietshoheit seiner Souveränität unterstehen.

Derartige Verhältnisse bestehen zur Zeit in der Türkei und in Ägypten.

1. Am wenigsten tragen einen internationalen Charakter die gemischten Gerichte der Türkei; zunächst entscheiden seit dem Gesetz vom 10. Juni 1867, das den Ausländern den Erwerb von Grundeigentum freigiebt, nach dem Protokoll von Konstantinopel vom 9. Juni 1868 über alle Immobiliarstreitigkeiten ohne Ausnahme die türkischen Gerichte. Gemischte Gerichte bestehen, seit 1847 bezw. 1856, nur für Handelssachen und Strafsachen in Fällen, in welchen eine Partei Staatsangehöriger einer europäischen Macht ist. In solchen Fällen entscheiden in Handelssachen in erster Instanz Handelskammern, in zweiter Instanz die Handelskammer in Konstantinopel, in denen je zwei Angehörige des Staates, dem die eine Prozeßpartei angehört, Siß und Stimme haben. Für Straffachen bestehen in fast allen größeren türkischen Städten Gerichte, die zur Hälfte aus türkischen, zur Hälfte

1) b. Liszt § 18.

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