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einem derselben ihren Wohnsiz haben, beseitigt1). Dafür müssen jedoch Entscheidungen, welche die Kosten dem von der Sicherheitsleistung befreiten Kläger auferlegen, in jedem der Vertragsstaaten nach den dort geltenden Vorschriften für vollstreckbar erklärt werden, wenn 1. die Entscheidung nach den für das erkennende Gericht geltenden Geseßen in der vorschriftsmäßigen Form ausgefertigt ist, und 2. wenn nach diesen Gesezen die Entscheidung rechtskräftig geworden ist.

d) Die Gewährung des Armenrechtes an Angehörige der Vertragsstaaten erfolgt unter ähnlichen Bedingungen, wie solche für die Angehörigen des eigenen Staates vorgeschrieben sind 2).

e) In gleicher Weise ist die Verhängung der Personalhaft im Zivilprozeß gegen Angehörige der Vertragsstaaten nur unter denselben Bedingungen zulässig wie gegen Inländer.

Neuerdings ist zwischen einer Reihe von Staaten eine Konvention zur Regelung von Widersprüchen in den Gesezen der verschiedenen Staaten über die Eheschließung, die Ehescheidung, die Trennung von Tisch und Bett und den Schuß Minderjähriger am 13. Juni 1902 abgeschlossen worden. Unterzeichnet haben die Konvention bis jezt das Deutsche Reich, Belgien, Frankreich, die Niederlande, Österreich-Ungarn, Italien, die Schweiz, Spanien, Schweden, Rumänien und Luxemburg. Von Rußland, England, Dänemark und Norwegen steht die Unterzeichnung noch aus.

3. Hinsichtlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit besteht ein internationales Abkommen wie bezüglich der Rechtshilfe nicht; die Regelung dieser Angelegenheit ist bis jezt

1) Zwischen dem Deutschen Reiche und Österreich-Ungarn war bezüglich dieses Punktes schon nach der Bekanntmachung vom 23. Dezember 1897 (R.-G.-B. 792) von beiden Staaten „im gegenseitigen Einvernehmen festgestellt worden, daß die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt seien", unter denen eine Befreiung von der Sicherheitsleistung eintritt.

2) Seitens des Deutschen Reiches wurde schon früher auf grund verbürgter Gegenseitigkeit den Angehörigen von Italien, Belgien, Luxemburg, Frankreich und Österreich-Ungarn Zulassung zum Armenrechte gewährt (vergl. Garets 200).

ausschließlich im Wege des Staatsvertrages zwischen den einzelnen Staaten erfolgt. Die Organe der freiwilligen Gerichtsbarkeit im Auslande sind in der Regel die Konsuln, deren Tätigkeit nach Inhalt und Umfang, abgesehen von den für sie in erster Linie geltenden Staatsgefeßen, durch den jeweilig hierüber geschlossenen Vertrag begrenzt wird. S. hierüber § 13.

§ 30. Insbesondere das Auslieferungswesen 1).

Der Erwähnung bedarf noch ein anderer Zweig der internationalen Rechtshilfe, welcher dem Strafrechte der einzelnen Staaten Gültigkeit über die territorialen Grenzen ihres Gebietes hinaus zu schaffen vermag, und dem neuerdings auch eine erhöhte Aufmerksamkeit zugewendet wird: die im Wege von Staatsverträgen festgestellte Auslieferung flüchtiger Verbrecher.

I. Zweck der Auslieferungsverträge ist die Überweisung solcher Personen, die, in einem Staate wegen strafbarer Handlungen verurteilt oder verfolgt, sich in das Gebiet eines anderen Staates geflüchtet haben, um sich der Strafe oder ihrer Vollstreckung zu entziehen, an den Staat, in welchem die Straftat begangen worden ist.

Aus der Souveränität des einzelnen Staates folgt, daß dieser zur Auslieferung der auf seinem Gebiete sich aufhaltenden Personen, ohne Unterschied, ob es sich um Staatsangehörige oder Staatsfremde handelt, prinzipiell in vollem Umfange befugt ist; in gleicher Weise muß hieraus jedoch die Konsequenz gezogen werden, daß er im Prinzip anderseits in keiner Weise verpflichtet ist, Personen, die sich in seinem Staatsgebiete aufhalten, an andere Staaten zur Bestrafung auszuliefern. Ob der Staat in einzelnen Fällen den Verbrecher ausliefern muß, oder ob er demselben gegenüber von seinem Asylrecht Gebrauch machen und ihm den ungestörten Aufenthalt

1) v. Liszt § 32, Gareis § 68, Rivier § 28, Ullmann §§ 113–117.

in seinem Gebiete gestatten kann, hängt hiernach lediglich von der von ihm ausgehenden Gestaltung der innerstaatlichen Strafgesetzgebung ab. Eine Verpflichtung für den Staat zur Auslieferung einem anderen Staate gegenüber entsteht erst durch den auf der Bindung durch Staatsvertrag beruhenden Erlaß diesbezüglicher Gesezes= vorschriften. Anderseits ist jedoch hervorzuheben, daß es zur Auslieferung der Bindung durch Staatsvertrag nicht unbedingt bedarf, falls die Staatsgefeße des einzelnen Staates ein für alle Mal die Möglichkeit der Auslieferung zulassen 1). Die einzelnen Staaten stehen in dieser Beziehung auf verschiedenen Standpunkten: England und die Vereinigten Staaten von Nordamerika sowie Belgien und die Niederlande lassen die Auslieferung nur zu, soweit sie in dieser Beziehung durch Staatsverträge gebunden sind; das Deutsche Reich, Österreich-Ungarn, Rußland, Italien, Frankreich, die Schweiz, Dänemark, Rumänien, Spanien, Portugal, Mexiko, Peru und Montenegro hingegen gewähren die Auslieferung auch Staaten, mit denen sie Auslieferungsverträge nicht geschlossen haben, machen sie jedoch in solchen Fällen von der Zusicherung der Gegenseitigkeit abhängig 2).

II. Ob der Staat außer den Staatsfremden auch die eigenen Staatsangehörigen eintretenden Falles ausliefern will oder nicht, unterliegt, wie schon festgestellt, seinem souveränen Ermessen und ist nach der Vorschrift der in dieser Hinsicht im Staate geltenden Verfassungsvorschriften 3), bezw. Geseze festzustellen. England nnd die Vereinigten Staaten von Nordamerika liefern ihre Staatsangehörigen aus; Regel ist jedoch heute noch, daß eigene Staatsangehörige, auch wegen der im Auslande begangenen Verbrechen, nicht ausgeliefert werden). Für das

1) So auch Ullmann 276.

2) Ullmann 277.

3) So z. B. Art. 8 der belgischen Verfassung.

4) über die Würdigung dieses in neuerer Zeit vielfach angegriffenen Grundfazes vergleiche v. Liszt 245.

Deutsche Reich ist dieses Prinzip im Reichsstrafgesetzbuch 1) ausdrücklich festgestellt.

Die Auslieferung erfolgt ferner regelmäßig nur an den Staat, der zur Strafverfolgung zuständig ist. Die Zuständigkeit wird in der Regel nach den Gesezen des ausliefernden Staates beurteilt, falls nicht im Vertrage Abweichungen vorgesehen sind.

IV. Die Feststellung der strafbaren Handlungen, wegen deren eine Auslieferung erfolgt, wird, eventuell auf der Grundlage von Staatsverträgen, durch die Staatsgesetzgebung getroffen. Besondere Bestimmungen lassen sich hierüber nicht aufstellen, doch findet einmal wegen geringfügigerer Straftaten in der Regel eine Auslieferung nicht statt. Ausgeschlossen ist dieselbe ferner nach übereinstimmender Staatenpraxis bei strafbaren Handlungen gegen die Militärgesetze (abgesehen von älteren Kartellen, hierzu gehört jedoch nicht das Entlaufen von Matrosen von Handelsschiffen; diese werden vielmehr in der Regel ausgeliefert), bei Zoll- und Steuerkontraventionen, Religionsvergehen und Sittlichkeitsdelikten und bei den sogenannten politischen Delikten2). Die Feststellung, ob ein politisches Delikt vorliegt, kann wegen der Unbestimmtheit dieses Begriffes Schwierigkeiten machen; zu entscheiden hat hierüben der um Auslieferung ersuchte Staat3).

Unterschieden werden die politischen Delikte vielfach in absolute politische Delikte, d. h. Verbrechen gegen die Existenz von Staaten und gegen Staatshäupter, und relative politische Delikte, d. h. solche Straftaten, die zwar an sich absolute politische Delikte sind, aber unter gleichzeitiger Verübung eines gemeinen Verbrechens begangen werden). Die Auslieferung wird in der Regel wegen beider versagt; als

1) § 9 a. a. D.: „Ein Deutscher darf einer ausländischen Regierung zur Verfolgung oder Bestrafung nicht überliefert werden."

*) Hiervon bestehen jedoch schon Ausnahmen, siehe v. Liszt 243. 8) Ullmann 280.

4) Vergleiche hierzu UIImann 279, v. Liszt 245.

Ausnahme ist jedoch die sogenannte Attentats klausel zu erwähnen, nach welcher Mord und Mordversuch gegen Souveräne oder deren Familienmitglieder nicht als unter die politischen Verbrechen gehörig betrachtet werden. Diese Vorschrift, deren Einführung zuerst in Belgien erfolgte 1), hat neuerdings vielfach in Auslieferungsverträgen Aufnahme gefunden.

V. In materieller Beziehung wird die Auslieferung in den hierüber geschlossenen Verträgen in der Regel davon abhängig gemacht, daß die verübte Tat nach den Gesezen beider Staaten, die im einzelnen Falle in Frage kommen, strafbar ist und daß die Strafmöglichkeit zur Zeit, zu der die Auslieferung beantragt wird, noch existiert, also nicht etwa durch Verjährung 2c. in dem einen oder andern Staate erloschen ist. Im Zusammenhange hiermit steht die weitere Forderung, daß wegen der Tat nicht bereits durch den ersuchten Staat im Wege gerichtlichen Verfahrens entschieden ist. Beide Grundfäße finden sich auch in der Strafgesetzgebung des Deutschen Reiches 2).

Für die Bestrafung der ausgelieferten Verbrecher ist der Grundsatz der Spezialität der Auslieferung maßgebend. Hiernach kann die Bestrafung seitens des Staates, der die Auslieferung beantragt und erreicht hat, nur wegen der= jenigen Tat erfolgen, wegen welcher die Auslieferung von dem ersuchten Staate gewährt worden. ist. Eine Bestrafung wegen anderer strafbarer Handlungen ist in solchen Fällen nur dann zulässig, wenn der ausliefernde Staat sich hiermit einverstanden erklärt; abgesehen davon kann sie jedoch auch dann erfolgen, wenn dem Ausgelieferten eine bestimmte Frist zum Verlassen des Landes gewährt wird,

1) Belgisches Geseß vom 22. März 1856:,,Ne sera pas réputé délit politique ni fait connexe a un semblable délit, l'attentat contre la personne du chef d'un gouvernement étranger ou contre celle d'un membre de sa famille, lorsque cet attentat constitue le fait, soit de meurtre, soit d'assassinat, soit d'empoisonnement."

2) R.-Str.-G.-B. § 5, Ziff. 1, 2; vergleiche auch Art. 5 des deutsch-italienischen Auslieferungsvertrages vom 31. Oktober 1871 (R.-G.-B. 445).

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