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und er das Staatsgebiet nicht verläßt oder wieder in dasselbe zurückkehrt 1).

VI. Die Verhandlungen über die Auslieferungen werden auf diplomatischem Wege eingeleitet. Zur Auslieferung ist in erster Linie die Identität der Person des Auszuliefernden festzustellen, weiterhin die geseßliche Grundlage für die Auslieferung nach Gesez oder Staatsvertrag, sowie ob seitens des ersuchenden Staates die unter allen Umständen notwendige Einleitung des Strafverfahrens erfolgt ist. Darüber, was hierzu erforderlich ist, lassen sich feste Regeln nicht aufstellen; die Prüfung dieser Frage erfolgt in England und den Vereinigten Staaten von Nordamerika durch die Gerichte, in den Staaten des europäischen Kontinents vielfach durch die obersten Ver= waltungsbehörden unter Mitwirkung der Gerichte 2).

Die Zahl der gegenwärtig bestehenden Auslieferungsverträge ist bedeutend. Das Deutsche Reich hat derartige Verträge abgeschlossen mit den Vereinigten Staaten von Nordamerika vom 22. Februaar 18683), Italien vom 31. Oktober 18714), England vom 14. Mai 1872 und 5. Mai 18945), der Schweiz vom 24. Januar 18746), Belgien vom 24. Dezember 1874 und 28. November 19007), Luxemburg vom 9. März 18768), Brasilien vom 17. September 18779), Schweden Norwegen vom 19. Januar 1878 10), Spanien vom 2. Mai 187811), Uruguay vom 12. Februar 188012), dem Kongostaat vom 25. Juli 189013), den Niederlanden vom 31. De

1) Ullmann 281f., v. Liszt 246.

2) Vergleiche v. Liszt 245, Ullmann 281. 3) B.-G.-Bl. 1868, 231.

4) R.-G.-B. 1871, 446, 458.

5) R.-G.-B. 1872, 229; R.-G.-B. 1894, 535.

6) R.-G.-B. 1874, 113.

7) R.-G.-B. 1875, 73; R.-G.-B. 1901, 203.

8) R.-G.-B. 1876, 223.

9) R.-G.-B. 1878, 293.

10) R.-G.-B. 1878, 110.

11) R.-G.-B. 1878, 213. 12) R.-G.-B. 1883, 287. 13) R.-G.-B. 1891, 91.

=

zember 1896 und vom 21. September 18971) und (für Elsaß-Lothringen) mit Frankreich vom 11. Dezember

18712).

Außerdem enthalten einige Handels- und Konsularverträge noch Vorschriften über die Auslieferung, so der Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag mit Kolumbien vom 23. Juli 18923), und der Konsularvertrag mit Japan vom 4. April 18964).

§ 31. Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen und Tieren 5).

I. In bezug auf die Gesundheit von Menschen existieren an internationalen Vereinbarungen nur zwei über die gefährlichsten Feinde der Menschheit, die Cholera und die Pest.

A. Cholera. Die Versuche, zur Abwehr der Cholera die europäischen Staaten zu gemeinsamem Vorgehen zu bewegen, reichen bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts zurück; die erste internationale Sanitätskonferenz in Paris trat 1850 zu= sammen und hatte als Resultat die Pariser Konvention vom 2. Februar 1852 zur Folge, an welcher außer den Mittelmeerstaaten England, Rußland und Portugal beteiligt waren. Beabsichtigt war die Überwachung der Mittelmeerhäfen und die Einsetzung eines Conseil supérieur de santé in Nonstantinopel und einer Intendance sanitaire in Alexandrien. Die Konvention wurde jedoch nicht ratifiziert. Weitere Konferenzen (Paris 1859, Konstantinopel 1866, Wien 1874, Washington 1881, Rom 1885) blieben ebenfalls ohne Erfolg. Unabhängig hiervon wurde die Überwachung der unteren

1) R.-G.-B. 1897, 731, 745.

2) R.-G.-B. 1872, 90.

3) R.-G.-B. 1894, 471.

4) R.-G.-B. 1896, 732.

5) v. Liszt § 23, Gareis § 60, Rivier § 29, Ullmann § 122.

Donau im Jahre 1881 durch die Donauschiffahrtsakte ge= regelt und zu diesem Zwecke ein Conseil international de santé eingesetzt. Auf grund der neueren medizinischen Forschungen über das Wesen der Infektionskrankheiten wurden dann in der Konvention vom 30. Januar 1892, dem Ergebnisse einer in Venedig unter dem Vorsitz Österreich-Ungarns zusammenberufenen Konferenz gemäß, eine ganze Reihe von neuen Grundsäßen für die Behandlung choleraverdächtiger Personen und Schiffe aufgestellt. Die Konvention, die in erster Linie die Überwachung Ägyptens und des Suezkanales betrifft, beseitigt die langen, bei der kurzen, nur fünf Tage betragenden Jukubationsdauer der Cholera, gänzlich überflüssigen Quarantänefristen und trifft insbesondere Maßnahmen zur Beseitigung der Infektionsstoffe und der hauptsächlichsten Träger derselben (Lumpen, gebrauchte Wäsche 2c). Die Durchführung der angeordneten Maßnahmen und die erforderliche Überwachung der verdächtigen Schiffe und Personen wurde dem Conseil sanitaire maritime et quarantenaire in Alexandrien übertragen. Die Konvention ist unterzeichnet von Frankreich, dem Deutschen Reiche 1), Österreich- Ungarn, Belgien, Dänemark, Spanien, England, Griechenland, den Niederlanden, Portugal, Rußland, Schweden-Norwegen und der Türkei.

2. Gegen die Ausbreitung der Cholera in Europa richten fich die Maßnahmen der Dresdener Übereinkunft vom 15. April 1893, unterzeichnet von dem Deutschen Reiche 2), Österreich-Ungarn, Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, Montenegro, Rußland und der Schweiz, weiterhin noch von den Niederlanden, Serbien, Liechtenstein und Rumänien. England hat sich nur unter Vorbehalt angeschlossen 3). Die Vorschriften betreffen einmal den Verkehr von Reisenden und Waren und anderseits das Sanitätswesen an der Sulinamündung.

1) Im Reichsgeseßblatt nicht publiziert.

2) R.-G.-B. 1894, 343.

3) Siehe v. Liszt 248.

3. Die Pariser internationale Sanitätskonvention von 1894 endlich erstrebt die Bekämpfung der Cholera in ihren Ursprungsländern, hauptsächlich durch strenge Nontrolle der Pilgerfahrten von und nach der arabischen Provinz Hidschaz. Zur Bestrafung von Übertretungen der in dieser Beziehung erlassenen Vorschriften besteht in Konstantinopel eine besondere internationale Kommission; die Durchführung der angeordneten Maßregeln besorgt ferner eine Anzahl von Sanitätsanstalten mit einer Hauptanstalt auf der Insel Kamaran im Roten Meere; die Überwachung des Sanitätswesens erfolgt durch einen aus dem Conseil supérieur de santé in Konstantinopel gebildeten besonderen Ausschuß. Eine Zusatzerklärung zu der Konvention ist am 30. Oktober 1897 ergangen1). Über die einzelnen Kommissionen s. §§ 17, 18.

B. Pest. Vorkehrungen gegen das Eindringen der Pest in Europa trifft die internationale Konvention von Venedig vom 19. März 1897. Veranlaßt wurden die Beratungen hierüber durch den Ausbruch der Pest in Bombay; abgeschlossen ist die Konvention zwischen Österreich-Ungarn, das damals die Beschlußfassung hierüber veranlaßt hatte, Belgien, Frankreich, Spanien, Italien, Luxemburg, Montenegro, den Niederlanden, Rußland, Persien und Rumänien; das Deutsche Reich und die Schweiz hattten eine Reihe von Vorbehalten gemacht, haben die Konvention jeßt aber ebenfalls ratifiziert 2). Das der Konvention beigegebene Sanitätsreglement ist, soweit nicht die Natur der Krankheit (z. B. die zehntägige Inkubationsdauer) Abänderungen erforderlich machen, dem Reglement der Pariser Konferenz von 1894 nachgebildet. Es enthält in fünf Kapiteln Vorschriften über die Bekämpfung der Pest außerhalb Europas (Kap. 1), über die Unterdrückung der Pest in Europa (Kap. 2), über die technische Anführung der erforderlichen sanitätspolizeilichen Maßregeln (Kap. 3, 4) und über die überwachenden Behörden

1) Genaueres über den Inhalt der Konvention bei v. Liszt 249 ff. Die Konvention nebst Zusazerklärung ist im R.-G.-B. 1897, 473 publiziert. *) Die Konvention ist publiziert im R.-G.-B. 1900, 43.

(Kap. 5). Die Überwachung der Durchführung der Konven= tion erfolgt in gleicher Weise wie bei der Konvention von 1894 durch einen aus dem Conseil supérieur de santé in Nonstantinopel gewählten Ausschuß; die Gerichtsbarkeit bei Übertretungen der einzelnen Vorschriften ist dem ebenfalls in der Konvention von 1894 erwähnten Ausschusse übertragen, der aus den in Konstantinopel beglaubigten Konsuln gebildet wird. Zu der Konvention ist unter dem 24. Januar 19001) noch eine Deklaration ergangen, die den Artikel 35 derselben abändert.

C. Neben diesen beiden, größere Staatenverbände umfassenden internationalen Verträgen bestehen zwischen einer Reihe von Staaten, welche aneinander grenzen, in verschiedenem Umfange Staatsverträge über die gegenseitige Zulassung von Ärzten, Wundärzten, Hebammen, Tierärzten in Grenzge= meinden, ferner über gemeinsame Benußung von Krankenanstalten, über die Behandlung und Beförderung Geistes= kranker und Feststellung von Geisteskrankheiten, über das Beerdigungswesen und über Maßnahmen gegen die Verschleppung von Seuchen 2).

II. Dem Interesse der Erhaltung der Tierwelt und der Verminderung der Seuchengefahr für Haustiere wird heutzutage auch bereits durch eine Reihe internationaler Verein= barungen Rechnung getragen. Ein Interesse an einer sachgemäßen Behandlung von Viehtransporten und erkranktem Vieh haben in erster Linie die aneinander grenzenden Staaten, bei denen aus diesem Grunde die Gefahr der Verschleppung von Seuchen aus einem Staatsgebiete in das andere am größten ist. Ein Beispiel für derartige Verträge bildet das zwischen dem Deutschen Reiche und Österreich-Ungarn abgeschlossene Viehseuchen-Übereinkommen vom 6. Dezember 1891); dem gleichen Zwecke dient der Staatsvertrag

1) R.-G.-B. 1900, 821.

2) Eine Anzahl derartiger Verträge bei Rivier 2284.

3) R.-G.-B. 1892, 90.

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