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Kongostaat als selbständiger neutraler Staat anerkannt und für das gesamte Kongobecken Handelsfreiheit vereinbart; weiterhin werden Bestimmungen über die Unterdrückung des Sklavenhandels getroffen und für die Besißergreifung von Landgebiet in Afrika bestimmte Regeln aufgestellt. Die Freiheit der Schiffahrt auf dem Kongo und dem Niger wird festgestellt, und die zur Aufrechterhaltung dieser Vorschrift erforderlichen Bestimmungen werden in der Kongoschiffahrtsakte und der Nigerschiffahrtsakte festgelegt.

Mit dem chinesisch-japanischen Kriege von 1894 ist nunmehr auch Japan in die Zahl der Großmächte eingetreten, von den nichtchristlichen Staaten der einzige, bei dem den Worten auch die Tatsachen entsprechen.

Die leßten Erscheinungen kriegerischer Natur sind dann der griechisch-türkische Krieg von 1897, der spanischamerikanische Krieg von 1898 und der Chinafeldzug der Mächte von 1900; leßterer hervorgerufen durch die Ermordung des deutschen Gesandten in Peking am 10. Juni 1900 und die Zerstörung der christlichen Missionen in China.

Die mit Ausnahme dieser im einzelnen wenig bedeutenden kriegerischen Zwischenfälle andauernde Zeit des Friedens ist in Beziehung auf die Ausbildung verschiedener Verwaltungsgemeinschaften zwischen den Kulturnationen von der weitgehendsten Bedeutung gewesen. Die Zahl der in dieser Hinsicht bestehenden Konventionen (s. viertes Buch) ist jezt schon recht erheblich und steigt fast von Jahr zu Jahr. Nicht unerwähnt sei, daß auch gegen das Eindringen zweier gefährlicher Feinde anderer Art, der Cholera und der Pest, seitens der europäischen Mächte eine Reihe der umfassendsten Vorsichtsmaßregeln zum Schuße der Menschheit geschaffen worden sind. Auch das große Kulturwerk der Unterdrückung des Sklavenhandels hat in der Brüsseler Antisklavereiakte von 1890 eine zweckentsprechende und wirksame Ausgestaltung gefunden. Erwähnung mögen hier zum Schluß noch die Ergebnisse der vom 18. Mai bis 29. Juli 1899 im Haag versammelt

gewesenen Friedenskonferenz finden, die gleichfalls von weitgehender internationaler Bedeutung sind.

Die Veranlassung dazu ging von Kaiser Nikolaus II. von Rußland aus, der durch ein Rundschreiben vom 24. August 1898 die Mächte zu einer Beratung darüber eingeladen hatte, ob und wie es möglich sei, den enormen Kriegsrüstungen der modernen Staaten ein Ziel zu seßen. Beteiligt waren 26 Staaten, und zwar das Deutsche Reich, Österreich-Ungarn, Belgien, China, Dänemark, Spanien, die Vereinigten Staaten von Nordamerika, die Vereinigten Staaten von Mexiko, Frankreich, England, Griechenland, Italien, Japan, Luxemburg, Montenegro, die Niederlande, Persien, Portugal, Rumänien, Rußland, Serbien, Siam, Schweden-Norwegen, Schweiz, Türkei, Bulgarien.

Die Konferenz war in drei Kommissionen geteilt, deren erste die Frage bearbeiten sollte, in welcher Weise eine Beschränkung der Kriegsrüstungen erfolgen könne; der zweiten war die Ausarbeitung der kriegsrechtlichen Vorschriften zugewiesen; die dritte beschäftigte sich mit dem Entwurfe einer Konvention über das Schiedsverfahren und die Schiedsgerichte.

Das positive Ergebnis der Konferenz sind

1. drei Konventionen, betreffend

a) die friedliche Erledigung internationaler Streitfälle, b) die Geseße und Gebräuche des Landkrieges,

c) die Anwendung der Grundsäße der Genfer Konvention vom 22. August 1864 auf den Seekrieg;

2. drei Deklarationen, betreffend das Verbot,

a) Geschosse und Sprengkörper aus Luftballons oder auf andere, ähnliche neue Arten zu schleudern,

b) Geschosse zu verwenden, deren alleiniger Zweck die Verbreitung von erstickenden oder betäubenden Gasen ist, c) Geschosse zu verwenden, die sich im menschlichen Körper leicht ausdehnen oder abplatten, wie die Geschosse mit hartem Mantel, der den Kern nicht ganz bedeckt oder mit Einschnitten versehen ist.

Diese Konventionen und Deklarationen (beide tragen trotz der verschiedenen Firma den gleichen Rechtscharakter von Staatsverträgen) sind außer von China und der Türkei allenthalben ratifiziert worden. Die Konvention über das Landkriegsrecht hat bis jezt nur Schweden-Norwegen nicht ratifiziert 1).

Einer späteren Konferenz wurden überwiesen

1. die Revision der Genfer Konvention,

2. die Feststellung der Rechte und Pflichten der Neutralen, 3. die Frage der Einführung bestimmter Typen und Kaliber für Marinegeschüße und Gewehre,

4. etwaige Vereinbarungen über die Herabseßung der Kriegsbudgets und die Beschränkung der Land- und Seestreitkräfte, 5. die Frage nach der Unverlegbarkeit des Privateigentums im Seekriege,

6. die Beschießung offener Häfen, Seestädte und Ortschaften durch Seestreitkräfte.

Die Idee einer allgemeinen Abrüstung, die ursprünglich die Grundlage der ganzen Konferenz zu bilden schien, ist somit ein frommer Wunsch geblieben; das einzige, was sich in dieser Beziehung hat erreichen lassen, war eine, allerdings einstimmig angenommene Resolution des Inhaltes, „daß für das Wachstum des materiellen und moralischen Wohlseins der Menschheit eine Einschränkung der Militärausgaben, die gegenwärtig auf der Welt lasten, dringend wünschenswert ist“.

Troß des übrigens von vornherein sicher vorauszusehenden Mißerfolges in dieser einen Richtung und trotz des der Friedenskonferenz" unmittelbar folgenden und durch sie nicht abwendbaren Satyrspiels des Burenkrieges kann und darf der gewaltige Wert des oben erwähnten positiven Ergebnisses der Haager Konferenz nicht verkannt werden; sie wird unter allen Umständen als ein Markstein in der Entwickelung des Völkerrechts anerkannt werden müssen.

1) Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 10. September 1901 (R.-G.B. 482), dazu Bekanntmachung vom 9. Mai 1902 (R.-G.-B. 168) über die Ratifikation der Konvention über das Landkriegsrecht durch die Vereinigten Staaten von Nordamerika.

§ 5. Literatur des Völkerrechts 1).

I. Lehr- und Handbücher.

Es sollen hier nur die bedeutenderen Werke genannt werden.

Bluntschli, Das Völkerrecht der zivilisierten Staaten als Rechtsbuch dargestellt. 1868. 3. Aufl. 1878.

Calvo, Le droit international théorique et pratique. 4. Aufl. 1887/88. 5 Bände; 6. Band 1896.

Gareis, Institutionen des Völkerrechts. 1888. 2. Aufl. 1901. Hall, A treatise on international law. 4. Aufl. 1895. Hartmann, Institutionen des praktischen Völkerrechtes in Friedens

zeiten mit Rücksicht auf die Verfassung, die Verträge und die Gesetzgebung des Deutschen Reiches. 1874. 2. Aufl. 1878. Heffter, Das europäische Völkerrecht der Gegenwart auf den bisherigen Grundlagen. 1844. 8. Aufl. herausgegeben von Geffden 1888.

Heilborn, Das System des Völkerrechts entwickelt aus den völlerrechtlichen Grundbegriffen. 1896.

v. Holzendorff, Handbuch des Völkerrechts, (in Einzelbeiträgen). 4 Bände. 1885 bis 1889.

v. Liszt, Das Völkerrecht, systematisch dargestellt. 1898. 2. Aufl. 1902.

Lorimer, Institutes of the Law of Nations. 2 Bände. 1883/84. Französische Übersetzung von Nys 1885.

F. v. Martens, Völkerrecht. Das internationale Recht der zivilisierten Nationen. 2 Bände. Deutsch von Bergbohm. 1883 bis 1888.

Pasquale Fiore, Trattato di diritto internazionale publico. 3 Bände. 3. Aufl. 1887 bis 1891.

Phillimore, Commentaries upon international law. 4 Bände. 3. Aufl. 1879 ff.

Pradier-Fodéré, Traité de droit international public européen et americain. 7 Bände. 1885 bis 1897.

Rivier, Lehrbuch des Völkerrechts. 2. Aufl. 1899.

Rivier, Principes du droit des gens. 2 Bände. 1896.
Störf, in v. Holtendorffs Rechtsenzyklopädie. 5. Aufl.

1) v. Liszt § 4, Gareis § 11, Rivier §§ 4, 5.

Travers Twiß, The law of Nations considered as independent political communities. 1861 ff. Selbständige fran= zösische Ausgabe: Le droit des gens ou des nations considérées comme communautés politiques indépendantes. 2 Bände. 1887 und 1889.

Ullmann, Völkerrecht. 1898 (Neubearbeitung oder vielmehr vollständige Neugestaltung des gleichnamigen, in 3. Auflage 1878 erschienenen Werkes von v. Bulmerincq).

Wheaton, Elements of international law. 3. Aufl. 1889, tommentiert von Lawrence.

II. Sammelwerke.

Dumont, Corps universel diplomatique du droit des gens. 1726 ff.

G. F. de Martens,,,Recueil des traités", enthaltend Quellenmaterial seit 1761; seit 1876 als ,,Nouveau Recueil Général de Traités et autres actes relatifs aux rapports de droit international, deuxième série"; seit 1887 von Störf fortgeführt.

Aegidi und Klauhold, Staatsarchiv (seit 1861).
Renault, Archives diplomatiques (seit 1861).

III. Zeitschriften.

Revue de droit international et de législation comparée, publiée par Asser, Westlake, Rolin (seit 1869). Revue générale de droit public, publiée par Pillet et Fauchille (seit 1894).

Annuaire de droit international (feit 1877), enthaltend die Verhandlungen des ,,Institut de Droit International".

Einzelne Abhandlungen über Völkerrecht enthalten ferner: Das „Archiv für öffentliches Recht", herausgegeben von Laband und Störk (seit 1885), und

die „Zeitschrift für internationales Privat- und Strafrecht“, begründet 1891 von Böhm, fortgesetzt von Niemeyer.

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